Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 86. Sitzung im 32. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen
Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 19; das ist die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 18.12 Uhr enden.
Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Frau Schriftführerin Eilers mit. Bitte, Frau Kollegin!
Guten Morgen, Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute haben sich entschuldigt: von der Landesregierung der Innenminister, Herr Boris Pistorius, von der Fraktion der SPD Frau Dörte Liebetruth, Herr Matthias Möhle und Herr Axel Brammer, von der Fraktion der CDU Herr Christian Calderone ab 15.30 Uhr und Frau Laura Hopmann, und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Volker Bajus.
Tagesordnungspunkt 19: Abgabe einer Regierungserklärung zu dem Thema „Corona - mit Vorsicht und Umsicht in die nächsten Monate“ - Unterrichtung durch die Landesregierung - Drs. 18/7556
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns inzwischen im achten Monat der Corona-Krise in Niedersachsen und wünschen uns alle natürlich nichts sehnlicher, als dass dieser Albtraum nun endlich einmal aufhört.
Ohne Frage hat diese Zeit Spuren bei uns allen hinterlassen. Vor allem - das ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung - ist die Unbefangenheit weg. Ein gemütlicher Abend mit Freunden ist eben keine Selbstverständlichkeit mehr. Ein Treffen mit einem krebskranken Freund ist vorsichtshalber derzeit nicht möglich. Wenn sogar beim Niedersachsenderby zwischen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig bei eingeschränkter Zuschauerzahl nicht alle Plätze besetzt sind, dann spricht das Bände.
Noch viel härter trifft die Krise aber diejenigen Menschen, die sich Sorgen um ihre Existenz und um ihr Einkommen machen. Die Arbeitslosigkeit in unserem Land ist derzeit Corona-bedingt etwa ein Viertel höher als vor einem Jahr. Hunderttausende Beschäftigte befinden sich weiterhin in Kurzarbeit, d. h. sie müssen Monat für Monat mit deutlich weniger Geld auskommen - ganz abgesehen von den vielen Selbstständigen, von den vielen Unternehmen, die nach wie vor nicht wissen, ob sie am Ende das alles werden durchhalten können.
Ich möchte gerne zu Beginn meiner Ausführungen klar zum Ausdruck bringen, dass der Landesregierung alle diese Sorgen und Nöte sehr, sehr bewusst sind. In vielen Fällen kämpfen beispielsweise Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und ich derzeit intensiv um die Rettung von Arbeitsplätzen. Das ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit.
Wir kennen auch die anhaltende große Belastung, die z. B. Menschen im Pflegewesen und im Gesundheitswesen unverändert auf ihren Schultern tragen. Wir alle sind sehr dankbar für dieses Engagement; denn gerade deswegen stehen wir im Vergleich immer noch gut da, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Aber allen unseren Wünschen zum Trotz lautet die Wahrheit: Es ist kein Ende der Pandemie in Sicht, und wir haben - im Gegenteil - in den nächsten Monaten voraussichtlich eine weitere Herausforderung zu bestehen. Wir müssen uns dieser schlichten Tatsache stellen.
Die Entwicklung der Infektionen spricht eine deutliche Sprache. In europäischen Nachbarstaaten steigen die Infektionszahlen rasant an. Das gilt z. B. auch für unser Nachbarland Niederlande. Wir reagieren darauf mit den einschlägigen Quarantänevorschriften, aber werden im Übrigen - wie auch alle anderen Grenzländer - den kleinen Grenzverkehr mit einem 24-Stunden-Aufenthalt weiterhin möglich machen.
In Deutschland verzeichnen vor allem die Metropolen viele Neuinfektionen. Insgesamt hat sich das Infektionsniveau in der Bundesrepublik in den letzten Wochen verdoppelt.
Das gilt leider auch für Niedersachsen. Unsere Zahlen sind fast immer um einiges besser als der Bundesdurchschnitt, aber eben auch spürbar steigend. Am vergangenen Samstag war mit mehr als 270 Neuinfektionen ein vorläufiger Höhepunkt erreicht.
Das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein Grund für Panik, aber sehr wohl zur Vorsicht. Natürlich sind wir wesentlich besser aufgestellt als vor acht Monaten. Wenn die Infektionszahlen nicht sprunghaft, sondern nach und nach steigen, dann ist das auch und gerade der Erfolg von vielen Vorsichtsmaßnahmen und vor allem der ausgezeichneten Arbeit in den Gesundheitsämtern.
Ausdrücklich richtig ist auch der Hinweis, dass die Situation in den Krankenhäusern weiterhin unauffällig ist. Das hängt mit dem weiterhin niedrigeren Durchschnittsalter von infizierten Menschen gegenüber der Situation vor einigen Monaten zusammen.
Aber Vorsicht an der Bahnsteigkante! Je mehr Menschen in unserer Gesellschaft infiziert sind, desto größer ist auch das Risiko, dass dann die besonders gefährdeten Gruppen erreicht werden. Der große Ausbruch in einem Pflegeheim in Vechta mit zwei Todesfällen ist dafür ein warnendes Beispiel.
Auch das ist ganz wichtig: Ein überschaubares Infektionsrisiko ist auch die Grundlage dafür, dass die Kinder in die Kita und die Schülerinnen und Schüler in die Schulen gehen können. Gestern hatten 84 unserer 3 000 Schulen teilweise den Präsenzunterricht eingestellt. Das ist übrigens ein deutlicher Rückgang gegenüber der Woche davor. Das ist, wie ich finde, weiterhin eine durchaus überschaubare Zahl, zu der bis morgen noch die insgesamt geschlossenen Schulen im Landkreis
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Risiken für die Gesamtentwicklung sind dennoch unübersehbar. Deswegen müssen wir alle Menschen in Niedersachsen herzlich bitten: Bleiben Sie vorsichtig! Helfen Sie mit, dass es keine neuen Infektionen gibt! Diese Bitte richtet sich insbesondere auch an die jüngeren Menschen, denen naturgemäß manche Einschränkungen schwerer fallen werden. Aber es hilft nichts: Nur dann, wenn wir alle vernünftig sind, können wir frei und sicher leben. Wenn zu viele von uns unvernünftig sind, dann riskieren wir die Gesundheit von vielen anderen Menschen und auch Einschränkungen unserer aller ganz persönlichen Freiheit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es selbst in der Hand!
Ein solcher Appell ersetzt natürlich noch keine politische Strategie für die jetzt folgende kältere Jahreszeit. Das war auch der durchgängige Tenor einer weiteren Konferenz der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und -chefs der Länder in der vergangenen Woche. Wir waren uns einig: Das Infektionsgeschehen steigt spürbar, und wir müssen uns noch mehr auf die Vorsorge konzentrieren.
Die Ergebnisse dieser Runde sind dann auch in die Neuordnung der Corona-Verordnung mit eingeflossen, die übermorgen in Kraft treten wird. Sie wissen, dass wir diesen Schritt einige Male hinausgeschoben haben, um zunächst mehr Gewissheit über die weitere Entwicklung zu erlangen. Diese Gewissheit haben wir nun. Sie ist leider keine gute Gewissheit; denn die Infektionszahlen sprechen eine deutliche Sprache.
Handelt es sich nun bei der Neufassung um eine Lockerung oder um eine Verschärfung? - Meine Antwort lautet: weder/noch! Wir ziehen Lehren aus den bisherigen Erfahrungen, und wir halten fest an dem hohen Schutzniveau für die Menschen bei uns in Niedersachsen.
Grundlage ist insgesamt eine noch stärkere Betonung der AHA-Regeln: Abstand, Hygiene, Alltagsmaske. Das ist und bleibt das Fundament des Infektionsschutzes. Ergänzend ist in dieser Jahreszeit noch L - für das Stichwort „Lüften“ - hinzuzufügen. Wir bemühen uns in der Verordnung darum, auf dieser Grundlage klare Regeln festzulegen, die für Bürgerinnen und Bürger gut verständlich sind.
Kurz gesagt: Draußen ist keine Maske nötig, es sei denn, der Mindestabstand ist nicht sichergestellt. In geschlossenen Räumen dagegen ist eine Maske nötig, es sei denn, der Mindestabstand ist sichergestellt. Und für alle öffentlich zugänglichen Einrichtungen ist hinzuzufügen: Die sorgfältige Aufstellung von Hygienekonzepten und ihre konsequente Beachtung sind unverzichtbar.
Das sind relativ einfache Aussagen. Auf ihrer Basis haben wir unsere Verordnung deutlich kürzer fassen und zugleich in weiten Bereichen die bisherigen Regelungen aufrechterhalten können. Ganz ohne Regelungen für besondere Bereiche geht es aber auch in Zukunft nicht.
In diesem Zusammenhang ist sicherlich ein besonders Wort nötig zu den Zusammenkünften von Menschen, sei es im privaten Rahmen, sei es in öffentlichen Räumen. In dieser Hinsicht sind unsere bisherigen Erfahrungen unterschiedlich.
Positiv sind sie in vielen Gaststätten, Theatern und Kinos. Nach unseren bisherigen Erfahrungen wird von den Betreibern dort die Vorsorge sehr ernst genommen, auch wenn sich alle genannten Bereiche bekanntlich in einer erheblichen wirtschaftlichen Not befinden.
Umgekehrt gibt es leider negative Erfahrungen mit größeren Zusammenkünften im privaten Sektor. Es gibt nicht wenige Beispiele dafür, dass bei solchen Zusammenkünften - auch in größerer Zahl - keine Abstands-, keine Masken- und keine Hygieneregeln beachtet werden.
Das gilt etwa für Scheunenpartys, von denen aus manchen Regionen berichtet wird, aber auch für Zusammenkünfte von Großfamilien. Die Sorgen, wie wir sie haben, beschränken sich übrigens nicht auf unser Land, sondern sind auch in anderen deutschen Ländern sehr präsent, wie der Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern in der letzten Woche noch einmal bestätigt hat. Auch in der Wissenschaft gelten solche Zusammenkünfte als einer der wichtigsten Risikoherde.
Bislang haben wir in Niedersachsen auf zahlenmäßige Begrenzungen im privaten Bereich verzichtet. Unter dem Eindruck dieser Erfahrung glauben wir allerdings nunmehr, dass eine Begrenzung notwendig ist. Dabei wollen wir die privaten Aktivitäten in einem engeren Rahmen selbstverständlich unberührt lassen. Wenn allerdings viele Menschen zusammenkommen, dann ist auch das Risiko größer - das liegt auf der Hand. Deswegen soll künftig eine Grenze von 25 Personen bei privaten Zusam
menkünften in privaten Räumen gelten. Normale Geburtstags- und normale Familienfeiern sollten damit auch weiterhin möglich sein. An der frischen Luft gilt übrigens eine Grenze von 50 Personen.
Wir wollen damit den Menschen in Niedersachsen nicht die Geselligkeit vermiesen, um das klar zu sagen. Deswegen ist auf der anderen Seite vorgesehen, den Rahmen für Gaststätten und andere öffentlich zugängliche Räume auf der Grundlage eines Hygienekonzepts durchaus zu erweitern. In dieser Hinsicht soll eine Besucherzahl von 100 Menschen als Obergrenze dienen und eine Beschränkung auf besondere Anlässe, wie wir sie bis jetzt haben, entfallen.
Wir verbinden damit die Hoffnung, dass Feiern da stattfinden, wo sie unter professionellen Bedingungen organisiert werden und damit eben auch sicherer sind. Beispielsweise die Gastwirte in unserem Land haben doch selbst das größte Interesse daran, dass es in ihren Betrieben zu keinen Infektionen kommt, und darauf setzen wir.
Wir haben uns diese Umstellung nicht leicht gemacht und sehr sorgfältig diskutiert. Im Ergebnis sind wir allerdings davon überzeugt, dass wir aus den Erfahrungen, die wir und die auch andere gemacht haben, nun einmal Schlüsse ziehen müssen. Das tun wir, wie ich finde, in einer gebotenen Form.
Mehr Möglichkeiten sollen demgegenüber Kinos, Theater und andere Kulturstätten erhalten. Mit einer Schachbrettbelegung, mit guten Belüftungsanlagen und mit sorgfältigen Hygienemaßnahmen vor und nach den Veranstaltungen kann dort die Platzkapazität künftig besser ausgenutzt werden. Parallel dazu gibt es - darüber ist gestern gesprochen worden - das Programm des MWK „Niedersachsen dreht auf“, mit dem wir verstärkt Kulturveranstaltungen wieder möglich machen wollen. Kurz gesagt: Wir wollen, dass Künstlerinnen, Künstler und Kreative wieder mehr Arbeit und mehr Auftritte haben; denn das, liebe Kolleginnen und Kollegen, nutzt ihnen am Ende am meisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CoronaVerordnung ist das rechtliche Gerüst des Infektionsschutzes in unserem Land. Ich weiß aber sehr wohl, dass Corona nicht durch Rechtsetzung allein beherrschbar ist. Grundlage ist und bleibt vielmehr das persönliche Verhalten der Bürgerinnen und Bürger, und zwar aus eigener Einsicht heraus und
Parallel dazu hat aber selbstverständlich auch das behördliche Vorgehen eine große Bedeutung. Zwischen dem Land und den Kommunen gibt es dazu eine enge Abstimmung. Die dabei in den vergangenen Monaten entwickelten Regeln sind jetzt in einem Handlungskonzept zur Bekämpfung möglicher weiterer Steigerungen von Infektionszahlen zusammengefasst worden.
In vier Stufen wird das Vorgehen adäquat zur jeweiligen Lage bestimmt. Dabei möchte ich noch einmal unseren dezentralen Ansatz sehr klar hervorheben: Regionaler Bezug und lokale Aktivitäten haben sich in unserem Flächenland gerade bei einem erhöhten Infektionsaufkommen sehr bewährt. Landkreise und kreisfreie Städte handeln angemessen, konsequent, professionell und erfolgreich, sodass bisher vorübergehende Hotspots eingedämmt werden konnten. Das bleibt deswegen auch weiter die Grundlage unseres Vorgehens.