In vier Stufen wird das Vorgehen adäquat zur jeweiligen Lage bestimmt. Dabei möchte ich noch einmal unseren dezentralen Ansatz sehr klar hervorheben: Regionaler Bezug und lokale Aktivitäten haben sich in unserem Flächenland gerade bei einem erhöhten Infektionsaufkommen sehr bewährt. Landkreise und kreisfreie Städte handeln angemessen, konsequent, professionell und erfolgreich, sodass bisher vorübergehende Hotspots eingedämmt werden konnten. Das bleibt deswegen auch weiter die Grundlage unseres Vorgehens.
Unser Ziel ist es gerade, landesweite Maßnahmen so gut wie irgend möglich zu vermeiden. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg für unser Flächenland richtig ist, und ich verbinde diese Feststellung mit einem herzlichen Dank an die niedersächsischen Kommunen für ihre erfolgreiche Arbeit in den bisherigen Monaten, gerade auch in schwierigen Situationen. Herzlichen Dank dafür!
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, das alles klingt unter dem Strich in Ihren Ohren wahrscheinlich besorgt, und wir als Landesregierung sind uns dessen in der Tat „gewahr“, wie wir es auf gut Niedersächsisch sagen. Gibt es also keine Hoffnungsschimmer? Doch, die gibt es, und ich will sie hier nicht unterschlagen:
Nach Ankündigung des Bundes sollen sehr schnell Schnelltests zur Verfügung stehen, und das wäre dann wirklich ein echter Fortschritt. Für Pflegeheime und Krankenhäuser ist die Finanzierung sichergestellt. Dort ist der Einsatz als Erstes vorgesehen. Ich hoffe sehr, dass wir auf diese Weise diese ganz besonderen Risikoherde noch wesentlich schneller und besser unter Kontrolle bekommen können. Bestenfalls gelingt es auf dieser Grundlage dann auch, gleichzeitig mehr Sicherheit und mehr Freiheit, z. B. bei Besuchsregelungen, möglich zu machen.
Nach dieser ersten Stufe ist sicherlich in den darauf folgenden Wochen und Monaten eine Ausdehnung zu erwarten, über deren Grundsätze zwischen Bund und Ländern zu sprechen ist. Von anlasslosen Tests zunächst abzusehen und sich auf Risiken und auf besondere Anlässe zu konzentrieren, erscheint mir dabei weiterhin der richtige Weg.
Fortschritte sind ebenfalls aus dem Bereich der Impfstoffforschung zu berichten. Weltweit befinden sich inzwischen neun Impfstoffkandidaten in einer klinischen Erprobung, und erste Teillieferungen von zugelassenen Impfstoffen sind womöglich am Jahresanfang möglich; das ist jedenfalls die Hoffnung. Auch niedersächsische wissenschaftliche Institutionen sind dabei außerordentlich aktiv: Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in
Braunschweig, die Medizinische Hochschule Hannover, Twincore und das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung sind da besonders hervorzuheben.
Als Land bereiten wir uns derzeit darauf vor, dass man mit Impfungen beginnen kann: Impfbesteck wird beschafft, die Logistik und die Kühlung des Impfstoffs werden sichergestellt, und gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen bereiten wir Impfzentren vor.
Allerdings muss ich auch Wasser in den Wein gießen: Wir wissen eben nicht, wann Impfstoff tatsächlich zur Verfügung steht. Außerdem werden aller Voraussicht nach für jede Person zwei Impfungen im Abstand von vier bis sechs Wochen notwendig sein. Und schließlich müssen wir in Anbetracht eines weltweit riesigen Bedarfs auch ansonsten realistischerweise mit Verzögerungen rechnen.
Aber immerhin: Wie lange es nun auch genau dauern mag, bis durch Impfungen eine Herdenimmunität erreicht werden kann - allein die Fortschritte in der Forschung werden viele von uns und auch ich ganz persönlich als ausgesprochen ermutigend empfinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist also das Bild, das sich uns derzeit darstellt: Wir sind am Beginn der kälteren Jahreszeit, und wir starten von einem höheren Infektionsniveau, als wir es uns gewünscht hätten. Die Risiken sind unübersehbar. Deswegen müssen wir auch weiterhin den Infektionsschutz in den Mittelpunkt unseres Vorgehens stellen.
Aber wir wissen zugleich auch, was wir können: Deutschland und auch Niedersachsen sind heute wesentlich besser aufgestellt als vor acht Monaten. Der weit überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger macht mit und hilft durch eigene Vorsicht, das Virus in Schach zu halten. Und die Forschung macht uns noch nicht ganz schnell, aber immerhin doch absehbar Hoffnung, dass wir Corona zurückdrängen können.
Bis dahin muss es bei unseren Zielen bleiben: Wir wollen Leben retten! Wir wollen die Gesundheit von Bürgerinnen und Bürgern schützen! Wir wollen und müssen unser Gesundheitswesen handlungsfähig erhalten! Und wir wollen unserer Wirtschaft die dringend notwendige Möglichkeit zur Erholung geben!
Die nächsten Monate versprechen durchaus anstrengend zu werden; da müssen wir nicht drum herumreden. Aber die Bundesrepublik ist doch insgesamt bis jetzt mit dieser Herausforderung wesentlich besser klargekommen als manche andere Gesellschaft. In Niedersachsen gilt das noch einmal verstärkt. Deswegen können wir auch in der nächsten Etappe die Herausforderungen meistern, wenn wir alle uns anstrengen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Und das muss unser gemeinsames Ziel sein.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vielleicht geht es Ihnen so wie mir: Den Satz „Noch nie habe ich so gern in Deutschland gelebt wie jetzt“ habe ich noch niemals zuvor so oft gehört wie in den letzten Monaten. Da ist doch auch etwas dran. Ein Staat, der besonnen und gleichzeitig konsequent reagiert. Eine Gesellschaft, in der sich viele Menschen um den Zusammenhalt kümmern und sich auch ganz persönlichen mit in die Verantwortung begeben.
Lassen Sie uns auf dieser Grundlage weitermachen! Lassen Sie uns mit Umsicht und mit Vorsicht in die nächsten Monate gehen. Das ist die beste Grundlage dafür, dass wir in Niedersachsen diese Krise auch weiter erfolgreich meistern werden.
Ich stelle fest, dass die Erklärung 20 Minuten gedauert hat. Für die nun folgende Aussprache erhalten, wie Ihnen bekannt, die beiden großen Fraktionen ebenfalls je 20 Minuten und die kleinen Fraktionen je 14 Minuten. Jedes fraktionslose Mitglied des Hauses, das sich zu Wort meldet, erhält eineinhalb Minuten Redezeit.
Nun hat die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, Frau Hamburg, das Wort. Bitte, Frau Kollegin!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, wie kann man in diesem Haus 20 Minuten reden und doch so wenig Antworten auf die Herausforderungen Niedersachsen geben? Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir unverständlich.
Den ganzen Sommer über regierte bei Ihnen mit dem Fünf-Stufen-Plan das Prinzip Hoffnung. Sie haben keine Herbstvorsorge getroffen. Dabei hätte ich mir gerade in dieser Zeit, in der alle Probleme und Handlungsoptionen auf dem Tisch lagen, beherztes Handeln von Ihnen gewünscht, Herr Ministerpräsident. Transparenz wäre gewesen, wenn Sie nicht nur den Lockerungsplan geliefert hätten, sondern gleich auch die Konsequenzen bei steigenden Infektionszahlen mit.
Das hat Ihre Landesregierung jetzt am letzten Montag, den 5. Oktober 2020, getan. Sie haben ein Ampelsystem etabliert. Herr Ministerpräsident, Herbstbeginn war am 22. September, und unsere Kommunen sind bereits seit mehreren Wochen von diesen steigenden Infektionszahlen betroffen und hätten sich die Antworten deutlich früher gewünscht.
Ihre Rede wird den vielen Baustellen in Niedersachsen überhaupt nicht gerecht. Ich sage Ihnen deutlich zu Ihrer Schwerpunktsetzung: Es gibt mehr als Fußball und Großunternehmen in unserem Bundesland, Herr Ministerpräsident.
Was ist mit Antworten auf die Fragen zu Weihnachtsgottesdiensten und zu Laternenumzügen, der vielen Kulturschaffenden, des Sozialbereichs und zur Armutsprävention in unserem Land? Hier
Die Pflegekräfte freuen sich natürlich immer über Anerkennung, Herr Ministerpräsident. Aber Sie geben keine Perspektive auf eine bessere Bezahlung und keine Perspektive auf bessere Arbeitsbedingungen. Applaus und Dankeschön in irgendwelchen Veranstaltungen reichen doch bei Weitem nicht aus. Und dann schießt Herr Mädge noch den Vogel ab. Als Leiter der Tarifkommission sagt er den Pflegekräften, sie sollten sich doch besser um zu Pflegende kümmern als zu streiken.
Das Gleiche gilt bei der Perspektive für Unternehmen. Sie beschreiben ja ganz richtig, dass Niedersachsen hier in einer Krise steckt und dass gerade die Großunternehmen massive Probleme haben. Aber wo sind denn Ihre ganz konkreten Antworten? Was machen Sie und Herr Althusmann denn konkret? Und wie verbinden Sie das mit den Zukunftsperspektiven? - Es ist in Niedersachsen doch schon längst bekannt, dass wir nicht nur die Corona-Krise haben. Wir haben auch noch eine Klimakrise mit erheblichen Transformationsherausforderungen. Auch da brauchen die Unternehmen Antworten. Wie denken Sie das zusammen, Herr Ministerpräsident? - Keine Antworten!
Das Gleiche gilt für den Bereich der Kulturschaffenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. 100 000 Menschen sind betroffen, das sind allein die Kulturschaffenden, von anderen Soloselbstständigen, der Eventbranche, dem Messebereich ganz zu schweigen. Was ist Ihre Antwort? - Seit Monaten wissen wir, dass die Hilfsprogramme nicht wirken. Sie kommen schlichtweg nicht an. Dort muss nachgesteuert worden. Kein Wort dazu von Ihnen!
Das 10-Millionen-Euro-Programm, das Sie erwähnt haben, subventioniert ja nur Kulturveranstaltungen. Davon wird ein Großteil nicht profitieren, weil die Betreffenden nicht zu diesen Veranstaltungen eingeladen wird. Rechnen Sie das doch einmal runter! 10 Millionen Euro durch 100 000 - das ist relativ einfach -: 100 Euro pro Kulturschaffender, wenn man es einmal im Mittel nimmt. Das kann doch
(Beifall bei den GRÜNEN Dann möchte ich noch ein anderes Thema anspre- chen. Sie haben beispielsweise beim Fußball ex- treme Lockerungen für die Veranstaltungen. Wa- rum gilt das nicht auch für die Kulturbranche, Herr Ministerpräsident? - Gleichberechtigung! Wenn man ein Hygienekonzept zulässt, dann doch nach gleichem Maß. (Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)
Ich hätte hier gern einem Kulturschaffenden meine Redezeit gegeben. Sie wissen, dass das nicht geht. Aber wir haben den Hannoveraner Rapper Spax eingeladen. Er wird Ihnen in der Mittagspause gern einmal in seiner Sprache einen Eindruck davon vermitteln, wie die Realität von Kulturschaffenden in Niedersachsen eigentlich aussieht. Sie sind herzlich eingeladen, sich ein Bild zu machen und mit uns gemeinsam Antworten für die Kulturschaffenden zu entwickeln.
Zum Bereich der Schulpolitik: Was haben Sie da gesagt? - Dass nur 48 von 3 300 Schulen betroffen sind. Herr Ministerpräsident, dass Sie die 49 Schulen in Friesland nicht hinzugerechnet haben, kann ich ja fast verstehen; denn dann wäre die Zahl doppelt so groß.
(Johanne Modder [SPD]: Die sind morgen wieder am Start! Das hat er auch gesagt! Einfach mal zuhören!)
- Sie sind morgen wieder am Start. Das ist mir klar. Aber er hat die Zahl nicht genannt. Es sind 100 Schulen und nicht 48. Das ist doch ein gravierender Unterschied.
Gerade Friesland zeigt doch, was passiert, wenn Infektionszahlen in Landkreisen steigen, was das bedeutet und wie wir uns vorbereiten müssen, damit die Schulen in Niedersachsen weiter funktionieren. Unser Ziel muss es doch sein, Schulschließungen zu vermeiden. Dazu habe ich von Ihnen, Herr Ministerpräsident, hier und heute kein Wort gehört. Wo ist denn Ihr Herbstplan für die Schulen? Wo ist er? - Ich habe nichts gesehen. Vielleicht kommt er Weihnachten. Ich würde mir für die Schulen wünschen, er wäre früher da.