Protokoll der Sitzung vom 21.06.2023

Tagesordnungspunkt 13: Mitteilungen der Präsidentin

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 14, das ist die Aktuelle Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 18.35 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr Herr Schriftführer von Danwitz mit. Herr von Danwitz, bitte!

Guten Morgen zusammen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Frau Kultusministerin Julia Willie Hamburg ab 14 Uhr, Wirtschaftsminister Olaf Lies, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung Wiebke Osigus sowie Wissenschaftsminister Falko Mohrs ab 17 Uhr, von der Fraktion der CDU Laura Hopmann und von der Fraktion der AfD Holger Kühnlenz.

Herzlichen Dank, Herr von Danwitz.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 14: Aktuelle Stunde

Wie aus der Tagesordnung zu ersehen ist, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der AfD und morgen die Anträge der beiden anderen Fraktionen behandelt werden sollen. Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich als bekannt voraus.

Ich eröffne die Besprechung zu dem Punkt

a) Digitalisierung als Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 19/1605

Ich erteile der Abgeordneten Sina Beckmann für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Frau Beckmann, bitte!

Sehr geehrte Präsidentin! Guten Morgen, liebe Kolleg*innen! Lassen Sie uns wieder mit ein paar Zahlen anfangen: 50 Milliarden Euro nach der Deutschen Steuergewerkschaft, gut 75 Milliarden Euro nach weiteren Expert*innen gehen Deutschland pro Jahr durch Steuerhinterziehung verloren - 50 bis 75 Milliarden Euro weniger für Bildung, Kultur, Katastrophen- oder Klimaschutz! In Niedersachsen sind es schätzungsweise zwischen 5 und 7 Milliarden Euro.

Wir sehen, wo überall Geld fehlt, und dann sind wir uns doch wohl einig: Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, um Steuerhinterziehung zu verhindern. Denn es gibt viel zu tun, und wir brauchen Gelder für Investitionen in eine gute Ausstattung der Rettungskräfte, für weiterhin gutes Essen an den Schulen oder auch für Solaranlagen auf den landeseigenen Dächern.

(Unruhe)

Einen Moment, Frau Beckmann!

Wir haben die Murmelphase des Tages noch längst nicht erreicht. Ich bitte um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit.

In unserem Antrag zur Aktuellen Stunde bringen wir Steuergerechtigkeit mit Digitalisierung in Verbindung. Doch wie passt das zusammen?

Digitalisierung betrifft uns in jeder Lebenslage, in jeder Branche. Die Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe, und sie wird natürlich immer wichtiger. Und die Bürger*innen erwarten von uns, dass es läuft - in Wirtschaft und Verwaltung. Doch wenn wir mal ehrlich sind, ist da noch ein weiter Weg zu gehen.

Die Digitalisierung ist - wie auch der Umgang mit dem Klimawandel - eine große gesellschaftliche

Herausforderung, vor der wir stehen. Und als Unternehmerin weiß ich, dass Herausforderungen immer auch Chancen sind. Nutzen wir also diese Chancen, mutig zu sein und die Dinge im Sinne der Gesellschaft zu gestalten!

Doch was meint Mut an dieser Stelle? - Konkret etwas Neues: die Einführung eines digitalen Steuermeldeportals. Es ist ein wichtiges Anliegen im gemeinsamen Koalitionsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, und ich möchte dem Finanzministerium unter Minister Gerald Heere danken, dass es hier so schnell handelt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Doch ist es eigentlich mutig, das einzufordern, bei dem sich die meisten von uns eigentlich einig sind? - Der Staat und auch das Land Niedersachsen stellen Infrastruktur, Förderinstrumente und auch Dienstleistungen zur Verfügung. All das muss ja bezahlt werden. Jede Steuerhinterziehung schwächt daher die Möglichkeiten für Investitionen in die Zukunft. Steuerhinterziehung ist unsolidarisch, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

In Baden-Württemberg gibt es seit zwei Jahren ein anonymes Online-Hinweissystem für die Meldung von Steuerdelikten. Das erleichtert den Finanzbehörden vor Ort die Arbeit und bringt Fälle der Steuerhinterziehung ans Licht, die sonst nicht aufgefallen wären. Und nicht zuletzt schafft es ein Bewusstsein dafür, dass Steuerhinterziehung herauskommen kann.

Wir wollen mit dem digitalen Steuermeldeportal kein Denunziantentum fördern.

(Widerspruch bei der CDU und bei der AfD)

Aber Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat!

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Deutschland verliert - ich wiederhole die Zahlen gerne - Schätzungen zufolge jedes Jahr 50 bis 75 Milliarden Euro durch hinterzogene Steuern. Dieses Geld fehlt in der Bildung, es fehlt in der Forschung, es fehlt in der Infrastruktur und im Kampf gegen den Klimawandel, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Eine anonyme Anzeige zu Steuerdelikten ist übrigens nichts Neues, das ist ja schon jetzt analog möglich. Aber mithilfe eines digitalen Steuermeldeportals holen wir diesen Prozess einfach mal ins 21. Jahrhundert und machen Dienstleistung bürgernah und servicefreundlich. Genau das ist der richtige Weg!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Denn auch in der Finanzverwaltung merken wir einen Fachkräftemangel. Und mit einem digitalen Meldeportal können wir unsere Finanzbeamt*innen entlasten, Prozesse optimieren und genau diesem Fachkräftemangel doch entgegenwirken.

Wäre das etwas Neues in Niedersachsen? - Nein. Denn wir haben in unserem Bundesland mit einem ähnlichen digitalen Tool bereits gute Erfahrungen gemacht. Das Landeskriminalamt arbeitet schon seit 2003 erfolgreich mit einem solchen System für die Aufdeckung von Korruption und Wirtschaftskriminalität, also Straftaten, die der Steuerhinterziehung ähneln.

Nun also ein digitales Steuermeldeportal. Ich bin fest davon überzeugt, dass es uns kurzfristig mehr Steuereinnahmen bringen wird. Wir können nach Baden-Württemberg schauen, dort schreiben sie seit zwei Jahren damit Erfolgsgeschichte. Jetzt wollen wir in Niedersachsen damit Erfolgsgeschichte schreiben, und ich bin froh, dass wir mit dem Möglichmachungsfinanzminister Gerald Heere nun das digitale Steuermeldeportal aufbauen. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Einen letzten Satz möchte ich Ihnen gerne noch mit auf den Weg geben: Ich freue mich, als Unternehmerin Steuern zu zahlen; denn das bedeutet, dass das Unternehmen gut läuft.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der AfD)

Vielen Dank, Kollegin Beckmann.

Werte Kolleginnen und Kollegen der AfD, Sie haben Ihre fünf Minuten gleich noch für Ihren Redebeitrag. Da können Sie alles unterbringen, was Sie zu sagen haben.

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Abgeordneten René Kopka das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Stunde „Digitalisierung als Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit“ macht deutlich, in welche Richtung sich Niedersachsen zukünftig entwickeln wird.

Deutschland verliert jedes Jahr Milliarden an Steuereinnahmen, die durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung verloren gehen. Steuergerechtigkeit und eine faire Finanzierung des Gemeinwesens sind die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Staatswesen und einen handlungsfähigen Staat. Die notwendigen Einnahmen für staatliche Investitionen in zukunftsträchtige Bereiche wie Bildung und Infrastruktur lassen sich nur durch eine konsequente Erhebung der fälligen Steuern erzielen.

Minister Heere hat bereits angekündigt, an einer digitalen Plattform zu arbeiten, mit der das Melden möglicher Steuervergehen im Land erleichtert werden soll. Das Landesamt für Steuern entwickelt derzeit dieses digitale Portal.

Bereits im rot-grünen Koalitionsvertrag wurde ein digitales Meldeportal für Steuerdelikte als Vorhaben aufgenommen, um zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Steuergerechtigkeit in Niedersachsen beizutragen. Wir als SPD-Fraktion unterstützen dieses Vorhaben. Aus unserer Sicht muss es allerdings kein anonymes Portal wie z. B. in BadenWürttemberg sein.

Die baden-württembergische Steuerverwaltung hat das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter bereits im Jahr 2021 eingeführt. Das neue Hinweisgeberportal bietet Bürgerinnen und Bürgern einen sicheren Kommunikationsweg, um Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze anzuzeigen. So ist das Land Baden-Württemberg Vorreiter für ein Meldeportal. Die ersten Daten sind vielversprechend, und es wird von positiven Erfahrungen gesprochen.

Schon jetzt ist es aber den Bürgerinnen und Bürgern möglich, Kontrollmaterial und Steuerdelikte schriftlich, per E-Mail oder mündlich an die örtlichen Finanzbehörden zu melden. Durch eine digitale Meldeplattform wird zukünftig für Bürgerinnen und Bürger eine niedrigschwellige Möglichkeit vorgesehen, um Hinweise auf Fälle von Steuerbetrug zu geben. Bei der technischen Umsetzung muss besonders darauf geachtet werden, die Anforderungen an die Wahrung des Steuergeheimnisses und des Datenschutzes zu gewährleisten.

In der Praxis sind derzeit eingehende Meldungen für die Finanzbeamten oftmals nicht verwertbar, da entscheidende Angaben fehlen. Positiv ist zu sehen, dass ein Portal, welches bei der Eingabe entsprechende Hinweise gibt, haltlose Anschuldigungen und damit unnötige Mehrarbeit in der Finanzverwaltung verhindern kann.