Das Niedersächsische Wassergesetz bietet bereits die Möglichkeit zum Verzicht auf Planfeststellung und Plangenehmigung.
Im Rahmen der Umsetzung des „Paktes für Beschleunigung“ auf Landesebene werden wir dessen Beschleunigungen auch auf die Regelungen zum Hochwasserschutz in Landesgesetze übernehmen und auch auf den Bund einwirken, das ebenfalls zu machen. Die Landesregierung wird hierzu im Rahmen der Bund-Länder-Gespräche die Initiative ergreifen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Hochwasserschutz ist zu wichtig, um in den Verfahren einfach alles beim Alten zu lassen. Auch das ist eine Lehre aus unseren jüngsten Erfahrungen. Es ist selbstverständlich, dass wir die Erfahrungen aus dem Weihnachtshochwasser umfassend auswerten und dies in enger Abstimmung mit den Kommunen tun werden.
Jedes Hochwasser ist anders. Diesmal war zum Beispiel die Bedeutung mobiler Schutzanlagen wesentlich höher als bei früheren Ereignissen dieser Art. Die Organisation, die Ausstattung, die Taktik, aber auch der permanente Hochwasserschutz werden ein weiteres Mal zu überprüfen sein, um beim nächsten Mal noch besser vorbereitet zu sein. Ziel ist die Erstellung einer vorbeugenden, ressortübergreifenden Analyse auf Staatssekretärsebene einschließlich der daraus folgenden Schlussfolgerungen. Das wird dann sicherlich wiederum ein Thema im Landtag sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Weihnachtshochwasser war eine enorme Herausforderung, die in großen Teilen unseres Landes großes Unheil hätte anrichten können. Dazu ist es zum Glück nicht gekommen: durch ein funktionierendes Krisenmanagement, vor allen Dingen aber, wie ich sagte, durch den Einsatz Zehntausender Menschen, die den entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, Schlimmeres zu verhindern.
Diese Erfahrung ist für mich das eigentlich Entscheidende, wenn ich an diesen Jahreswechsel der ganz besonderen Art zurückdenke. Gemeinsinn und Zusammenhalt sind in unserer Gesellschaft eben doch weit verbreitet, auch wenn das immer wieder infrage gestellt wird. Ich finde, das ist auch
eine Ermutigung für ganz andere Herausforderungen, die sich uns stellen werden. Dazu zählen für mich übrigens auch die großen Demonstrationen, die wir aktuell in allen Teilen Niedersachsens erleben und auf denen sich Bürgerinnen und Bürger für unsere Demokratie starkmachen. Auch da geht es um Gemeinsinn und Zusammenhalt.
Gemeinsam können wir große Aufgaben bewältigen. Das hat der Jahreswechsel bei uns in Niedersachsen bewiesen. Lassen Sie uns daran anknüpfen! Diese Haltung werden wir sicherlich auch noch bei anderen Gelegenheiten brauchen. Ich finde jedenfalls: Der Umgang mit dem Hochwasser bei uns in Niedersachsen zum Jahreswechsel war dafür eine ganz wichtige Ermutigung.
Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten für die Regierungserklärung. Ich stelle fest, dass diese 22 Minuten gedauert hat.
Für die nun folgende Aussprache erhalten vereinbarungsgemäß die beiden großen Fraktionen ebenso viel Redezeit, wie die Landesregierung benötigt hat, also ebenfalls jeweils 22 Minuten. Die beiden kleinen Fraktionen erhalten jeweils halb so viel Redezeit wie die beiden großen Fraktionen. Für jede der beiden kleinen Fraktionen ergibt sich danach eine Redezeit von jeweils 11 Minuten. Ein fraktionsloses Mitglied des Hauses, das sich zu Wort meldet, erhält anderthalb Minuten Redezeit.
Ich stelle das Einverständnis mit dieser Handhabung fest und rufe die eingegangenen Wortmeldungen auf. Es hat sich zu Wort gemeldet der Vorsitzende der Fraktion der CDU. Herr Lechner, bitte!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den Weihnachtstagen und den Wochen danach haben massive Hochwasserwellen unser Land getroffen. Über Wochen hinweg waren große Teile Niedersachsens überflutet. Die Bedrohung durch brechende und unterspülte Deiche war allgegenwärtig, und vielerorts war die Lage tatsächlich kritisch.
Bei mir in Neustadt am Rübenberge hatten wir 6,15 m. Das 100-jährliche Hochwasser liegt bei 7,04 m. Es hätte tatsächlich keine 15 cm mehr weiter steigen können, sonst wären wir vor Ort in eine wirklich sehr schwierige Lage geraten.
Für viele war die Lage allerdings schon schwierig. Familien mussten aus ihren Häusern evakuiert werden. Teilweise gab es keinen Strom und keine Frischwasserversorgung mehr. Ihr Hab und Gut war in Teilen zerstört oder massiv beschädigt. Landwirtschaftliche und andere gewerbliche Betriebe wurden in Mitleidenschaft gezogen. Viele Menschen haben und hatten Existenzängste. Es ist unsere Verantwortung, sie dabei nicht alleinzulassen.
Gleichzeitig macht der Umgang mit dem Hochwasser in Niedersachsen Mut und gibt Zuversicht; denn es gab eine große Solidarisierung mit den Geschädigten und auch mit den Helferinnen und Helfern. Überall gab es Menschen, die Lebensmittel zur Verfügung stellten, die den Einsatzkräften Mittagessen kochten. Es gab Landwirte, die mit ihrem eigenen Gerät aushalfen und unterstützten. In Haren an der Ems gab es 2 000 Menschen, die nach einem Aufruf des Bürgermeisters bei der Deichsicherung halfen. Insgesamt war das eine wirklich bewundernswerte Solidarität, eine gemeinsame Leistung, die am Ende dazu geführt hat, dass wir diese Hochwasserlage bewältigen konnten. Diesen Geist und dieses Gefühl müssen wir uns bewahren, auch für dieses Jahr. Wir danken allen, die daran mitgewirkt haben!
Ein ganz besonderer Dank gilt auch unseren vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Einsatzkräften - auch allen denen, die in den kommunalen Krisenstäben mitgewirkt haben und die überall im Land einen bewundernswerten Dienst geleistet haben. Bei mir in Neustadt, so wie auch im ganzen Land, gibt es Einsatzkräfte, die von Weihnachten bis weit in den Januar hinein ununterbrochen im Einsatz waren, manchmal rund um die Uhr, bis zur Erschöpfung. Ich finde, das ist ein Engagement, das über das, was man von ehrenamtlichen Einsatzkräften eigentlich erwarten kann, weit hinausgeht. Deswegen möchte ich - ich glaube, im Namen des ganzen Hauses - diesen Hilfskräften, allen kommunalen Behörden, aber auch dem niedersächsischen Innen
ministerium für die Koordinierung dieser Hochwasserlage von ganzem Herzen danken. Das war wirklich eine gute Leistung!
Wir haben Vorschläge gemacht, wie man dieses außergewöhnliche Engagement wertschätzen könnte. Sie machen jetzt auch welche. Es ist richtig und wichtig, dass es eine Anerkennung wie eine Hochwassermedaille - oder, wie Sie es genannt haben, das Band - gibt. Es ist richtig und wichtig, dass auch das Land Geld in die Hand nimmt, um die ehrenamtlichen Helfer vor Ort zu unterstützen.
Frau Ministerin, auf die von Ihnen angekündigte Novelle zum Brand- und Katastrophenschutz warten wir jetzt allerdings wirklich schon ziemlich lange. Bisher hat sie den Landtag noch nicht erreicht. Wir legen Ihnen heute im Niedersächsischen Landtag einen Gesetzesvorschlag vor, mit dem wir die Freistellungsansprüche aller im Katastrophenschutz Beteiligten gesetzlich gleichstellen. Das ist längst überfällig. Sie können sich heute oder bei der nächsten Plenarsitzung dem anschließen, unserem Gesetzentwurf zustimmen, und dann haben wir hier, wie ich glaube, schon ein gutes Zeichen für die Ehrenamtlichen in Niedersachsen gesetzt.
Es ist unsere Aufgabe, nun schnell die akuten Schäden zu bewältigen und im Übrigen auch die Ausrüstung für die Katastrophenschutzeinheiten wieder aufzufüllen und zu ertüchtigen. Denn die eigentliche Hochwasserlage kommt aller Wahrscheinlichkeit nach sogar noch jetzt im Frühjahr, wo sie auch in den vergangenen Jahren immer aufgetreten ist.
Deswegen haben wir am 10. Januar einen Nachtragshaushalt vorgeschlagen und eingebracht. Es ist richtig und gut, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich dem am 16. Januar angeschlossen haben und Ihre ursprüngliche Idee, die Schäden mit nur 10 Millionen Euro zu bewältigen, über Bord geworfen haben. Mit den jetzt in Rede stehenden 111 Millionen Euro sind wir auf dem richtigen Weg und können, glaube ich, schnell und gut reagieren. Wir streiten uns noch über die Frage, wie das zu finanzieren ist, ob aus der Konjunkturrücklage oder aus der Rücklage des Landes. Das wird aber nicht der entscheidende Streit bleiben. Ich glaube, wir werden heute ein gemeinsames Zeichen setzen und diesem Nachtragshaushalt zustimmen.
Wichtig ist nur, dass jetzt auch die Richtlinien kommen. Sie haben eine in Kraft gesetzt, und das war, ehrlich gesagt, ein ziemliches Holterdiepolter und
ein ziemliches Chaos, worüber die Kommunen sich auch beschwert haben. Es ist jetzt wirklich wichtig und liegt in Ihrer Verantwortung, dass Sie die Richtlinien so in Kraft setzen, dass sie von den Menschen, für die sie gedacht sind, genutzt werden können und dass sie ihnen auch helfen. Dafür dürfen wir jetzt keine Zeit mehr verlieren.
Klar ist aber auch, dass wir dann, wenn wir 2 Millionen Sandsäcke einsetzen müssen, Herr Ministerpräsident, um diese Hochwasserlage zu bewältigen, im Hochwasserschutz noch nicht da sind, wo wir in diesem Land eigentlich sein sollten. Das haben Sie eben in Ihrer Regierungserklärung implizit selbst zugegeben.
Ich will Ihnen aber auch zurufen, dass Sie schon zehn Jahre für den Ausbau dieses Hochwasserschutzsystems verantwortlich sind. Wir müssen jetzt endlich dafür Sorge tragen, dass wir ein Hochwasserschutzsystem aufbauen, das in der Lage ist und so gut funktioniert, dass in Zukunft nicht wieder Ehrenamtliche mit einem bewundernswerten Einsatz im wahrsten Sinne des Wortes vor dem Wasser retten müssen. Das ist die Aufgabe und Verantwortung, die wir jetzt haben!
Dazu brauchen wir ein Fünf-Jahres-Hochwasserschutzprogramm. Ich will Ihnen einmal sagen, wie unser Nachbar Sachsen-Anhalt dabei vorgeht. Sachsen-Anhalt hat schon im Dezember 2022 ein solches 657 Millionen Euro schweres Hochwasserschutzprogramm aufgelegt. In dieser Strategie sind 195 Projekte zur Deichsanierung - zum Neubau, zur Ertüchtigung - sowie zum Bau von Hochwasserrückhaltebecken enthalten. Damit müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Sachsen-Anhalt für seine 300 km Deichlinie mehr Geld ausgibt als Niedersachsen für die 2 000 km Deichlinie, die wir haben. Das, Herr Ministerpräsident, ist zu wenig! Da haben wir Nachholbedarf. Das ist zu wenig!
So gibt es auch Beispiele, wo das schon verunglückt. Das Hochwasserrückhaltebecken in Bornhausen bei Seesen ist schon seit Jahren in Planung. Die Baukosten sollen jetzt 17 Millionen Euro betragen. In der Finanzierung fehlen 5 bis 6 Millionen Euro. Dieses Hochwasserrückhaltebecken würde die gesamte Lage des Flusssystems Weser entspannen. Aber Sie sind bisher nicht bereit gewesen, diese 5 bis 6 Millionen Euro für den Hochwasserschutz zu investieren. Ich finde, das ist zu wenig.
Das ist nicht der Geist Sachsen-Anhalts. Hochwasserschutz hat anscheinend nicht die Priorität. Es ist ein Geist, der die Menschen buchstäblich im Regen stehen lässt.
Ich bin bei Ihnen, Herr Ministerpräsident, dass dabei auch der Bund Verantwortung trägt. Sie haben ja auch öffentlichkeitswirksam mitgeteilt und zusammen mit den Regierungschefs von Bremen, Sachsen-Anhalt und Thüringen einen Brief an den Bundeskanzler geschrieben, in dem Sie fordern, dass es eine ähnliche Unterstützung wie bei den Hochwassern in 2017 und 2013 gibt. Nach unseren Informationen ist der Bund aber in keinster Weise bereit, tatsächlich zu helfen.
Das ist ja mittlerweile ein bekanntes Muster: Sie schreiben einen Brief, und der Bundeskanzler ignoriert ihn fröhlich. - Der Kanzler ist immer noch Mitglied Ihrer Partei! Ich sage es ganz klar: Ein Kanzler, der in Verden nur betroffen aufs Wasser starrt, der kann am Ende auch in Berlin bleiben!
Aber es ist nicht nur das Geld - das haben Sie treffend erkannt -, sondern von ganz besonderer Bedeutung ist, dass wir den Schutz der Menschen in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen. Dazu will ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, sagen, dass wir den Eindruck haben, dass das mittlerweile elf Jahre durch SPD und Grüne geführte Umweltministerium diese Abwägung nicht nach diesem Maßstab vollzieht.
In Oldenburg am Achterdiek mussten die Bäume in der Akutphase gefällt werden, weil sie drohten umzukippen und den Deich zu beschädigen. Ich kann Ihnen versprechen, dass es davor schon Menschen gab, denen aufgefallen ist, dass diese Bäume am Deich nichts zu suchen haben. Aber sie durften nicht gefällt werden, weil die Abwägungsentscheidung falsch getroffen wurde.
In Jork-Hinterbrack laufen die Planungen für die Deicherhöhung schon seit 2018. Vor Ort wollte man längst beginnen. Es wird aber berichtet, dass Naturschützer vom NABU, aber auch das Umweltministerium selbst, Herr Meyer, mit überzogenen Forderungen nach Flächen für den Naturschutzausgleich dort auf der Bremse stehen.
Sie sagen, Sie müssen darüber mit dem Bund verhandeln, Herr Ministerpräsident. In Schleswig-Holstein und Hamburg gibt es überhaupt keine Auflagen für Flächenkompensation. Da gibt es jetzt schon Handeln! Da kann man jetzt schon aktiv werden! Daran könnten wir uns ein Beispiel nehmen. Dann wären wir hier im Land Niedersachsen auch schneller in der Abwägung dieser Entscheidung.