Protokoll der Sitzung vom 07.02.2024

Sie sagen, Sie müssen darüber mit dem Bund verhandeln, Herr Ministerpräsident. In Schleswig-Holstein und Hamburg gibt es überhaupt keine Auflagen für Flächenkompensation. Da gibt es jetzt schon Handeln! Da kann man jetzt schon aktiv werden! Daran könnten wir uns ein Beispiel nehmen. Dann wären wir hier im Land Niedersachsen auch schneller in der Abwägung dieser Entscheidung.

(Starker Beifall bei der CDU)

In Haren, in Kirchwahlingen, in Altenwahlingen, in Schweiburg, in Waperlesiel - überall das gleiche Bild: In den Gesprächen, die wir geführt haben, wurde überall darauf hingewiesen, dass die Planungsbehörden und das NLWKN immer wieder auf der Bremse stehen.

Und der schlimme Höhepunkt, Herr Ministerpräsident, ist dabei Hitzacker. In Hitzacker an der Elbe gibt es erhebliche Schwachstellen in der Deichlinie, und das mittlerweile seit einem Jahrzehnt. Ich weiß noch, wie ich selbst als junger Abgeordneter in diesem Parlament mit vielen von Ihnen 2013 im Haushaltsausschuss die Mittel für die Ertüchtigung der Deiche in Hitzacker freigegeben habe. Seitdem stehen dort 43 Millionen Euro zur Verfügung, aber passiert ist bislang nichts. Das NLWKN und die Behörde für das Biosphärenreservat - beides Behörden des Umweltministeriums - streiten sich seitdem wegen naturschutzfachlicher Belange und bringen keine Planung zustande.

Ich habe Ihnen dazu noch vor Weihnachten einen Brief geschrieben, und Herr Ministerpräsident, ich will es ganz klar sagen: Ich könnte nicht gut schlafen, wenn ich das zu verantworten hätte.

(Starker Beifall bei der CDU)

Seit zehn Jahren warten die Menschen dort, dass der Deich ertüchtigt wird. Jetzt werden Sie sagen: Das liegt am EU-Recht, das liegt am Bundesrecht, da können wir gar nicht anders vorgehen. Aber in § 4 Satz 1 Nr. 6 des Bundesnaturschutzgesetzes ist sogar klar geregelt, dass Flächen, die dem Hochwasserschutz dienen, dieser bestimmungsgemäßen Nutzung zuzuführen sind und dies zu gewährleisten ist. Das bedeutet, dass Natur- und Landschaftsschutz nach dem Gesetz hinter dem Hochwasserschutz zurückzutreten haben.

Sachsen-Anhalt hat im Gegensatz zu uns die Lehren aus dem Hochwasser 2003 gezogen und die Elbdeiche seit 2013 durchgängig erhöht. Es ist dieselbe Elbe, es gilt dasselbe Naturschutzrecht, aber im Gegensatz zu uns haben sie auf viele Planfeststellungsverfahren verzichtet, haben breite Trassen

gezogen und haben es so ausgelegt, dass der Schutz der Menschen am Ende vorgeht. Genau das erwarte ich. Die Menschen in Niedersachsen haben ein Recht auf eine Regierung, die die Menschen an die erste Stelle setzt. Erst die Sicherheit für die Menschen und dann der Schutz der Natur. Das ist die Abwägung, die Sie treffen müssen.

(Starker Beifall bei der CDU)

Sie führen jetzt Gespräche mit dem Bund. Das ist auch richtig. Es ist gut, dass wir das Planungsbeschleunigungsgesetz auf den Hochwasserschutz ausdehnen wollen. Aber wir erwarten klar, dass Sie schon als Land anfangen und handeln und dass Sie nun unverzüglich auch im Wege eines Erlasses diesen Vorrang des Schutzes der Menschen beim Hochwasserschutz regeln. Wir erwarten, dass Sie in allen relevanten Landesgesetzen - Deichgesetz, Wassergesetz und auch Raumordnungsgesetz - ein überragendes Interesse für den Hochwasserschutz aufnehmen.

Wenn Menschen ihr Schicksal in die Hand von Regierungen legen - Herr Ministerpräsident, damit haben Sie selbst im Wahlkampf geworben -, dann muss diese Hand auch mal tatsächlich zupacken.

(Beifall bei der CDU)

Es geht hier heute nicht um Opposition gegen Regierung.

(Sebastian Zinke [SPD]: Das ist uns gar nicht aufgefallen! - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU)

- Ich merke, dass unsere Botschaften wenigstens angekommen sind, dass Sie selbst den Eindruck haben, dass Sie da in den letzten zehn Jahren wirklich geschlafen haben.

(Beifall bei der CDU)

Es geht darum, dass die Menschen spüren, dass sie in ihrer Not nicht allein sind - nicht heute und auch nicht in Zukunft -, dass wir jetzt schnell handeln und die Maßnahmen auf das Gleis setzen, dass wir vom Erlass über die Gesetzesänderung die Vorfahrt für den Schutz der Menschen definieren, dass wir ein Investitionsprogramm auf den Weg bringen, dass wir im Nachtragshaushalt schnell Handlungsmöglichkeiten schaffen,

(Sebastian Zinke [SPD]: Das machen wir heute!)

damit am Ende, bevor die Hochwasservergesslichkeit wieder eintritt, mehr Sicherheit für die Menschen in Niedersachsen herrscht.

Mehr Sicherheit ist machbar. Aber fangen Sie jetzt an und handeln endlich!

Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lechner. - Für die Fraktion der SPD hat sich deren Vorsitzender Grant Hendrik Tonne zu Wort gemeldet. Herr Tonne, bitte!

(Beifall bei der SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist gut und ein absolut richtiger Schritt, dass wir heute zu Beginn dieser Plenarsitzung die Gelegenheit haben, zu dem Hochwasser, das stattgefunden hat, und zu den Folgen miteinander in den Austausch zu treten.

Das kann man machen, um auch noch einmal die Botschaft sehr klar und sehr deutlich in den Vordergrund zu stellen, dass Staat und Gesellschaft, insbesondere auch unsere Blaulichtfamilie, gut funktioniert haben. Ich finde, schon allein das ist ein wirklich wichtiges Signal in diesen Zeiten, in denen häufig der Eindruck besteht, dass egal, wohin man schaut, alles schwierig ist.

Ich will das deshalb gleich an den Anfang stellen, weil ich glaube, dass es auch deshalb gut ist, um insbesondere ein sehr deutliches Dankeschön aus diesem Landtag nach draußen zu senden. Mehr als 140 000 Menschen haben sich über alle Maßen in diesem Land engagiert. Ich finde, darauf darf Niedersachsen stolz sein, und darauf dürfen die Menschen stolz sein. Wir richten unseren Dank an alle, die genau das für unser Land getan haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN sowie vereinzelt bei der CDU)

Es ist diesem unermüdlichen Einsatz zu verdanken, dass das Hochwasser bewältigt wurde. Die Weihnachtstage - wir alle haben das mitbekommen -, die eigentlich der Besinnlichkeit mit Zeit im Rahmen der Familie und für Abstand vom Alltag dienen, wurden geopfert, um sich für den Schutz unserer Gesellschaft, von Leib, Leben und Eigentum einzusetzen. Die formaljuristische Beschreibung ist: Es war eine

ebenen- und organisationsübergreifende Gesamtanstrengung. - Wir übersetzen das mal: Die Räder haben wirklich gut ineinandergegriffen, und es hat funktioniert. Dafür können wir auch rückblickend sehr dankbar sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Ich will daher gleich zu Beginn sagen, dass wir es für absolut richtig und angemessen halten, dass sich die Landesregierung auch gemeinsam mit dem Landesfeuerwehrverband sehr schnell darüber Gedanken gemacht hat, wie man den Dank gegenüber den Helferinnen und Helfern zum Ausdruck bringen kann, auch über eine parlamentarische Debatte hinaus.

Ich finde, häufig stehen wir dem Eindruck gegenüber, dass in unserer Gesellschaft Menschen vornehmlich an sich selbst denken. Gelegentlich muss der Satz „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht“ widerlegt werden. Wir können feststellen: Der Gesellschaft ist dieser Gemeinsinn eben nicht abhandengekommen. Alle diese Menschen haben mit ihrem persönlichen Einsatz das Gegenteil bewiesen, gezeigt, dass in Niedersachsen zusammengehalten wird, und damit Schlimmeres verhindert.

Wenn dafür jetzt auch mit entsprechenden Ehrenzeichen gedankt wird, wenn es vor allen Dingen auch möglich ist, das mit dezentralen Festen - dort, wo man das auch gemacht hat - zu feiern, dann ist das richtig, dann ist das angemessen, dann hat das unsere ausdrückliche Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Dieses Hochwasser war - das wurde schon mehrfach gesagt - ein wirklich außergewöhnliches Hochwasser. Es hat uns einmal mehr vor Augen geführt, dass der Klimawandel real ist. Fast das gesamte Binnenland ist betroffen.

Wir haben zu Recht alle vor Augen, dass wir wieder damit rechnen müssen. Wir wissen nicht, in welchem Umfang. Wir wissen nicht, wie schnell. Aber wir müssen uns vor Augen führen: Das, was passiert ist, kann wieder passieren. Deswegen gilt es auch, Lehren aus diesem Hochwasser zu ziehen.

Auch der Letzte sollte aber langsam verstanden haben, dass die überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen des letzten Jahres, insbesondere im Dezember, nicht ein bloßes zufälliges Wetterereignis waren, sondern ein weiterer Beweis für eine

grundsätzliche Veränderung der klimatischen Bedingungen in Niedersachsen. Damit müssen wir umgehen, darauf müssen wir uns einstellen.

Meine Damen und Herren, die Bilder unseres nahezu komplett überschwemmten Niedersachsens gingen durch ganz Deutschland und darüber hinaus. In diesem Zusammenhang zeigte sich, dass es nicht nur einen Zusammenhalt unter Niedersachsen gibt, sondern dass die Hilfsbereitschaft weit darüber hinausgeht.

Neben der Unterstützung aus anderen Bundesländern kam es zu vielen Hilfsangeboten aus den Reihen der Mitglieder der Europäischen Union. Ich will beispielhaft Österreich, Frankreich, Dänemark und Schweden nennen. Nach der Aktivierung des europäischen Katastrophenschutzmechanismus haben uns schließlich auch Einsatzkräfte aus unserem Nachbarstaat Frankreich bei den Maßnahmen gegen das Hochwasser geholfen - geschichtlich der erste Einsatz eines EU-Katastrophenschutzmoduls hier in Niedersachsen.

Wir hätten uns - davon gehe ich aus - alle miteinander auch eine andere Form der Zusammenarbeit und des Zusammenhalts über Ländergrenzen hinweg vorstellen können. Doch verdeutlicht diese breite europäische Unterstützungsbereitschaft, wie wertvoll europäische Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Um das ganz deutlich zu sagen: Es wird immer wieder Herausforderungen geben, denen wir uns stellen müssen. Die Antwort auf diese Herausforderungen kann nur mit einem Mehr an Gemeinsamkeit und Solidarität und eben nicht mit einem Mehr an Abgrenzung erreicht werden. Wer in solchen Situationen von Dexit oder Ähnlichem fabuliert, dem muss geantwortet werden: Ein Dexit ist ausschließlich für Dumme, und das belegt auch diese Lage.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Wir erleben immer mehr die Auswirkungen globaler Entwicklungen und Ereignisse direkt hier bei uns in Niedersachsen. Diesen potenziellen Herausforderungen gilt es stark, gilt es gemeinsam entgegenzutreten. Auch daraus leiten wir übrigens ein klares Signal mit Blick auf Europa und die Europawahl ab: Mehr Europa ist gut. Wir konnten das gerade unmittelbar spüren.

Meine Damen und Herren, ich habe den Klimawandel angesprochen und die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Ich habe nach den ersten Tagen in diesem Jahr mit Erschrecken zur Kenntnis genommen, dass es augenscheinlich auch hier unter uns immer noch Einzelne gibt, die mit den Herausforderungen des Klimawandels intellektuell überfordert zu sein scheinen.

Man war sich nicht zu blöde, wildeste Verschwörungstheorien auch noch nach vorne zu stellen. Anders kann ich mir die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion nicht erklären, in der sie unter anderem fragt, ob „die Landesregierung von den Betreibern der Harzer Talsperren gefordert“ hat, „im Jahr 2023 insbesondere im letzten Quartal möglichst viel Wasser einzustauen“. Das ist der Versuch, eine Erzählung aufzubauen und der Landesregierung eine direkte kausale Verantwortung für die Hochwasserlage zum Jahreswechsel zuzuschreiben. Ich finde das schäbig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, das ist das perfide Erzählen von Geschichten, von Unsinn unter dem eigenen Aluhut. Das dürfen wir als solches niemals stehen lassen.