Protokoll der Sitzung vom 26.10.2005

- Ja, wir haben Ihre Prioritätensetzung kritisiert. Diesen Streit werden wir, ahne ich, auch in der Zukunft durchaus haben.

Gleichzeitig mit Einsparungen haben Sie die Steuern und Abgaben erhöht. Der Wasserpfennig ist eingeführt worden. Die Studiengebühren sind nicht etwa bei den Universitäten verblieben, sondern zur Haushaltskonsolidierung aufgewandt worden und dergleichen mehr.

Da fand ich einen Kommentar von Nikolaus Blome, den man heute in der „Welt“ lesen konnte - in einem Punkt will ich das zitieren -, wirklich sehr treffend. Er schreibt hier über die Diskussion, die im Augenblick auf Bundesebene stattfindet: „Und wenigstens einmal sei es der Sprachverwirrung entgegengehalten: Sparen heißt 'weniger ausgeben' und nicht 'mehr einnehmen'.“

Das, meine Damen und Herren, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Punkt, auf den ich gerne noch etwas detaillierter eingehen möchte. Sie haben in den vergangenen Haushaltsberatungen immer wieder auf wegbrechende Einnahmen verwiesen.

(Gisela Walsken [SPD]: Steuereinnahmen!)

- Ja, zugestanden, auf wegbrechende Steuereinnahmen; "wegbrechend" insofern, als sie niedriger ausgefallen sind, als Sie sie vorher als Einnahmeansätze in den Haushalt eingestellt hatten.

(Gisela Walsken [SPD]: Als der Arbeitskreis Steuerschätzung geschätzt hat!)

Maßnahmen für Wirtschaftswachstum und Innovationen sind deswegen aber, um genau dieser Entwicklung gegenzuhalten, von Ihnen nicht erfolgt.

Wenn doch über viele Jahre - immerhin die letzten fünf Jahre konnte ich das hier im Parlament verfolgen - regelmäßig die Steuereinnahmen deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, dann ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass man unter dem Gesichtspunkt der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit Schulden in Schattenhaushalten versteckt. Weiterhin ist für mich nicht nachvollziehbar, dass man auch immer wieder mit viel zu optimistischen Einnahmeerwartungen operiert.

Ich bin an dieser Stelle dem Finanzminister sehr dankbar dafür, dass er den Gesichtspunkt des vorsichtigen Kaufmanns deutlich eingebracht hat. Ich meine, wir müssen viel sorgsamer davon ausgehen und dürfen uns die Welt weder nach Pipi Langstrumpf noch nach irgendjemandem sonst schön malen. Wir sollten die Einnahmeerwartungen im Zweifel eher vorsichtig und niedrig ansetzen. Jeder freut sich dann, wenn es hinterher mehr Einnahmen gibt, weil wir wieder Menschen in Beschäftigung haben, weil wir wieder eine prosperierende Wirtschaft haben und wir dann tatsächlich wieder Geld in den Schuldenabbau stecken können.

Was ich auch nicht nachvollziehen und billigen kann, ist, wie Sie es dann, wenn Sie die ganze Zeit zu niedrige Einnahmen und wiederholt Einnahmen unterhalb der Einnahmeerwartung haben, verantworten können, langfristige Verpflichtungen über Legislaturperioden hinaus einzugehen, für die Sie dann möglicherweise - egal, wie auch immer die Mehrheitsverhältnisse in einem Parlament aussehen - zwischendurch einfach die Legitimation der Bürgerinnen und Bürger hätten erfragen müssen.

Das, was ich am allerwenigsten billige, ist, dass Sie die Ausgaben nicht angepasst haben und dass wir nicht zu einer Angleichung der Ausgaben an die Einnahmen gekommen sind.

Ich darf noch einmal Nikolaus Blome aus der „Welt“ zitieren. Ich fand diesen Kommentar wirklich sehr bemerkenswert:

„Es rächt sich, dass wegen eines verqueren Verständnisses vom starken Staat dessen Ausgabenseite nie ernsthaft durchforstet wurde - auch nicht dann übrigens, als die Steuer

sätze unter der rot-grünen Regierung gesenkt wurden. Sich gleich großen Aufwand zu leisten bei verminderten Einnahmen, mündete in immer neue Schulden.“

Er hat das kurz und knapp und - wie ich finde - sehr zutreffend beschrieben. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir gemeinsam in die Diskussion über die Fragen eintreten, was wir uns im Land Nordrhein-Westfalen noch leisten können und welche Prioritäten wir setzen.

Ich sage in aller Klarheit: Dafür bin ich auch bereit, die Verantwortung zu übernehmen, die die Bürgerinnen und Bürger mir übertragen haben. Ich sage Ja zu dieser Verantwortung, die gerade angemahnt wurde, Ja dazu, dass die Haushalte wieder verlässlich sind, dass die Haushalte transparent die tatsächliche Finanzsituation des Landes Nordrhein-Westfalen abbilden. Ich sage Ja dazu, die Einnahmen und Ausgaben klar in eine Waage zu bringen, den Bürgern Perspektiven zu eröffnen und die Kindern von der verfehlten Politik, die Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben, endlich zu entlasten und ihnen wieder neue Chancen zu eröffnen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Frau Freimuth. - Als Nächstes hat Herr Jäger von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute den zweiten Nachtragshaushalt des Jahres 2005 und stellen fest, dass die finanzielle Situation des Landes Nordrhein-Westfalen wie der meisten Bundesländer und des Bundes ernst, bedenklich und gelegentlich sogar dramatisch ist.

Wir haben eine neue Landesregierung, die zwar nicht das Recht dazu hat, aber dem Reflex verfällt, das, was war, möglichst dramatisch, und das, was kommen wird, möglichst schön darzustellen. Das kann man ihr noch nicht einmal vorwerfen. Was man ihr vorwerfen kann, ist, dass sie es so stümperhaft tut. Das ist zugleich eine Beleidigung unserer Intelligenz, weil Sie meinen, wir merken es nicht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Heute findet hier eine gewisse Legendenbildung statt. Um dem vorzubeugen, möchte ich drei Punkte herausgreifen.

Erstens. Der ehemalige finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Diegel, hat vor wenigen

Tagen erklärt, der Schuldenstand des Landes von Nordrhein-Westfalen betrage 110 Milliarden €. Tatsächlich weist der Nachtragshaushalt einen Schuldenstand von 103 Milliarden € aus. Somit starten Sie 7 Milliarden € günstiger und nehmen trotzdem 2,2 Milliarden € an neuen Schulden auf.

Zweitens. Es ist der erste Nachtragshaushalt, den ich als Parlamentarier erlebe, der auf der Einnahmenseite überhaupt keine Veränderungen vorsieht,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

als würden die Steuereinnahmen genauso hoch sein, wie man es im Januar geschätzt hat. Der gleiche Finanzminister, der diesen Nachtragshaushalt vorlegt, veröffentlicht im Internet, dass er eine Mehreinnahme von 685 Millionen € erwartet. Das ist wirklich stümperhaft, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie können diese 685 Millionen € vielleicht in Ihre Kriegskasse legen. Es ist aber gar nicht Ihr Geld. Auf 23 %, mithin auf 137 Millionen €, haben die 396 Gemeinden in Nordrhein-Westfalen Anspruch. Sie entziehen den Gemeinden dieses Jahr das Geld zur Erledigung ihrer Aufgaben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie enthalten den Gemeinden das vor, worauf sie nach der Verfassung Anspruch haben.

Drittens. Der Finanzminister hat unmittelbar nach Amtsantritt eine Haushaltssperre verkündet und gesagt, 30 bis 100 Millionen € werden dadurch eingespart. Davon findet sich in diesem Nachtrag nicht ein Euro. Dagegen werden an anderer Stelle Mehrausgaben verzeichnet. Ich nenne einmal ein Beispiel, um einen Beleg Ihrer Ahnungslosigkeit aufzuzeigen.

Unter anderem werden 15 Millionen € mehr für Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen ausgewiesen, deren Zuwendungen wir im letzten Jahr gegen den erbitterten Widerstand vonseiten des Landtags um 1,5 % gekürzt haben. Sie sind wie die Lemminge nach draußen gelaufen und haben Unterstützung zugesagt. Frau Freimuth, wissen Sie eigentlich, dass für diese Kürzung um 1,5 % vielerorts die Kommunen eingetreten sind? Wissen Sie eigentlich, dass die Leiterinnen und Leiter der Ersatzschulen in Nordrhein-Westfalen stillschweigend lachen, weil Sie diesen Ausfall doppelt finanzieren?

(Beifall von der SPD)

Die Ersatzschulen brauchen nicht nur keine Kürzungen hinzunehmen, sondern sie bekommen von Ihnen auch noch 1,5 % mehr. Sie werfen das Geld praktisch mit vollen Händen zum Fenster hinaus.

Ich habe leider wenig Zeit. Ich komme noch einmal auf Herrn Papke zurück: Herr Papke, dass wir bei Ihrer Rede gelacht haben, bitte ich wirklich zu entschuldigen.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das macht mir nichts!)

Unter der Voraussetzung, dass Sie wirklich ernst gemeint haben, was Sie gesagt haben, dürften wir nicht lachen. Dann hätten Sie nur volles Mitleid verdient, Herr Papke.

(Beifall von der SPD)

Fazit ist: Diese neue Landesregierung pumpt die Neuverschuldung künstlich auf. Vorhandene Mehreinnahmen werden verschwiegen. Das, was Sie den Menschen in diesem Land vor dem 22. Mai versprochen haben, nämlich einen rigorosen Sparkurs und eine Konsolidierung, findet sich in Ihrem Entwurf nicht mit einem einzigen Euro wieder.

(Edgar Moron [SPD]: Richtig!)

Das kann man nicht mehr mit mangelnder Erfahrung oder mangelnder Kompetenz begründen. Das ist ein Akt von Hilflosigkeit und Mutlosigkeit. Er gewährt einen Ausblick darauf, wie Ihr Haushalt 2006 aussehen wird. - Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Jäger. - Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Lux.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einen kleinen Aspekt zur Sprache bringen, der die Kommunen in unserem Lande betrifft und der in diesem Nachtragshaushalt angesprochen wird. Es geht um die Aufhebung der investiven Bindung für die Mittel aus Hartz IV, die sogenannten Entlastungsmittel, die von der alten Landesregierung und vom Landtag als Investitionsmittel bereit gestellt worden sind, obwohl jeder wusste, dass das nicht ging.

Ich möchte gar nicht weiter auf den Bereich Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit eingehen. Hier ist genügend darüber gesprochen worden, mit welchen Tricks versucht worden ist, die

Verschuldungsgrenze zurückzudrängen bzw. die Investitionsquote zu erhöhen.

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Investitionsbindung für die 230 Millionen € mit diesem Nachtragshaushalt wegfällt. Es hat sich herausgestellt, dass die Kommunen diese Gelder gar nicht für Investitionen zur Verfügung haben, sondern die Mittel im Verwaltungshaushalt für die Deckung der Kosten zur Wohnungsversorgung benötigen. Das ist vernünftig. Das wird mit diesem Nachtragshaushalt nachvollzogen.

Ich möchte an dieser Stelle aber gleichzeitig darauf hinweisen, dass es im Interesse der Kommunen notwendig sein wird, auch zukünftig dafür zu sorgen, dass die zugesagte Entlastung der Kommunen um 2,5 Milliarden € tatsächlich eingehalten wird.

Ich muss schon sagen, wir sind etwas verwundert, dass die alte Bundesregierung noch einen Entwurf beschlossen hat, wonach sie den Kommunen diese Entlastung entziehen und auf Null setzen will. Das ist nicht hinzunehmen. Ich möchte an dieser Stelle auch im Namen der Kommunen die Landesregierung ausdrücklich bitten,