Protokoll der Sitzung vom 18.09.2008

Zur Beurteilung des vorliegenden Antrags hilft als Erstes ein Blick auf das Prostitutionsgesetz und die deutsche Rechtslage. Mit diesem Gesetz war die Intention verbunden, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten zu verbessern und für mehr Transparenz und damit eine bessere Kontrolle der Branche zu sorgen. Die Evaluation des Gesetzes durch die Bundesregierung hat Anfang 2007 deutlich gemacht, dass das Prostitutionsgesetz seine Ziele nur in Teilen erreicht hat.

Nur 1 % aller Prostituierten besitzt einen Arbeitsvertrag. 87 % sind zwar krankenversichert, davon al

lerdings 93 % nicht als Prostituierte. Die Ausstiegsmöglichkeiten aus der Prostitution sind durch das Prostitutionsgesetz nicht erkennbar verbessert worden. Auch die Aussage, es werde weniger Kriminalität geben, ist nicht umgesetzt worden. Auch das war eine Zielsetzung des Gesetzes.

Nach einem solchen Evaluationsergebnis ist es folgerichtig, dass die Bundesregierung die Prioritäten neu justiert hat. Handlungsbedarf sieht sie künftig vor allem darin, den Schutz der Prostituierten zu verbessern, und zwar insbesondere durch einen besseren Schutz für die Opfer von Menschenhandel, die Anhebung der Schutzaltersgrenze bei sexuellem Missbrauch von 16 auf 18 Jahre und Hilfen zum Ausstieg.

Ein Ergebnis ist, dass beispielsweise das Ordnungs- und Gewerberecht in den Kommunen auf Prostituierte und Bordelle unterschiedlich angewandt wird. Das greift auch der vorliegende Antrag auf. Dafür habe ich durchaus Verständnis.

Man muss aber zur Kenntnis nehmen, dass sich die im Antrag geforderten „landesrechtlichen Anpassungen“ – wie Sie sie nennen – dort verbieten, wo es sich um Bundesrecht handelt. Das ist bei allen wesentlichen Rechtgebieten, wenn man einmal das Gaststättengesetz ausnimmt, der Fall. Im Bericht der Bundesregierung ist bereits zu lesen, was auf Ebene der Gesetzgebung zu tun ist. Alle Empfehlungen, die in dieser Evaluierung stehen, sind Hinweise an den Bundesgesetzgeber und eben nicht an den Landesgesetzgeber.

Sie haben hier – insbesondere die Frau Kollegin Meurer – einen großen Teil Ihrer Reden der Frage gewidmet, ob wir einen runden Tisch brauchen oder nicht.

(Gerda Kieninger [SPD]: Das steht auch im Antrag!)

Wir müssen aufpassen, dass wir irgendwann nicht mehr alle nur an runden Tischen sitzen, statt zu handeln oder zu arbeiten.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich darf dem Plenum einmal sagen, wer alles an diesem dann effektiv arbeitenden runden Tisch sitzen soll, den Sie vorschlagen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das hat Frau Meu- rer vorgelesen!)

Frau Steffens, da sitzen nach Ihrem Antrag: „die zuständigen Landesministerien, Beratungsstellen für Prostituierte in autonomer und kirchlicher Trägerschaft sowie der Gesundheitsämter, Prostituierte und BordellbetreiberInnen, die LAG Recht/Prostitution, Interessensvertretungen der Prostituierten (Gewerkschaften, Bund sexueller Dienstleistungen, Hurenorganisationen) , VertreterInnen der Polizei, der Ausländerbehörden, der Arbeitsagentur, der Finanzbehörden und der kommunalen Spitzenver

bände“. Insbesondere die Nennung Letzterer hat mich besonders beeindruckt, denn die kommunalen Spitzenverbände sitzen fast nur noch an runden Tischen.

Ich finde den Ansatz, den wir gehen, nämlich vor Ort anzusetzen – wo man weiß, wo die Bordelle sind und wer die Akteure sind, welche Polizeidienststelle weiß, wo Prostitution angesiedelt sind –, zehnmal effektiver, als hier auf Landesebene für 18 Millionen Menschen zu sehen, wie man einer Prostituierten in Dortmund oder sonstwo hilft.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau Steffens? – Bitte schön, Frau Steffens.

Herr Minister Laschet, sind Sie sich darüber im Klaren, dass sämtliche Experten und Expertinnen in der Anhörung, die Sie jetzt auch aufzählen könnten, die aus den Bereichen Polizei, Justiz und Finanzministerium stammten, alle einen solchen runden Tisch in dieser Zusammensetzung für notwendig hielten, weil die kommunalen Probleme, die von Kommune zu Kommune unterschiedlich behandelt werden, nicht in einer Kommune entschieden werden können. Prostituierte gehen mitunter nicht nur in einer Kommune ihrem Gewerbe nach, sondern manchmal in drei oder vier Kommunen. Wenn sich dann an der Stadtgrenze die Rechtslage ändert, kann nicht die eine Kommune für ihre Nachbarkommune entscheiden. Deswegen haben die Expertinnen das anders gesehen und anders empfohlen.

Die Rechtslage von einer Kommune zur anderen ist nicht unterschiedlich, denn Bundesrecht gilt in Dortmund genauso wie in Gelsenkirchen, Essen und anderswo.

(Britta Altenkamp [SPD]: In Aachen auch?)

Auch in Aachen. Obwohl: Wir sind alle katholisch; da gibt es so etwas nicht.

(Heiterkeit)

Im Ernst: Frau Steffens, das Bundesrecht ist für alle gleich. Aber wie man vor Ort mit dem Problem umgeht und beim Ausstieg hilft, muss vor Ort mit den Akteuren besprochen werden. Ich glaube nicht, dass Sie das landesweit mit einem so riesigen runden Tisch schaffen. Ich habe eben alleine schon mindestens fast 20 Personen aufgezählt, die sich über eine solche Frage unterhalten sollen.

Frau Kollegin Steffens, in der Anhörung ist allerdings deutlich geworden, dass wir bundesweit das einzige Programm zur Förderung des Ausstiegs aus der Prostitution haben und das sehr gute Projekte

sind. Frau Westerhorstmann hat das Projekt Madonna in Bochum erwähnt. KOBER vom Sozialdienst katholischer Frauen in Dortmund gehört ebenfalls dazu.

Unser Ansatz besteht darin, den Ausstieg zu erleichtern und vor Ort zu ermöglichen, dieses Gesetz, das ein Bundesgesetz ist, anzuwenden. Das ist sinnvoller als ein runder Tisch, wie Sie ihn in den Mittelpunkt Ihrer Aktivitäten gestellt haben.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Laschet. – Meine Damen und Herren, wir kommen zum Ende der Beratungen.

Der Ausschuss für Frauenpolitik empfiehlt in Drucksache 14/7129, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/5220 abzulehnen. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Damit ist diese Beschlussempfehlung mit großer Mehrheit angenommen.

Ich rufe auf:

14 Entschlossen gegen K.O.-Tropfen handeln!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/5019

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Frauenpolitik Drucksache 14/6905

Ich weise darauf hin, dass der Antrag gemäß § 79 Abs. 2 Ziffer b unserer Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Frauenpolitik mit der Maßgabe überwiesen wurde, dass eine Beratung und Abstimmung erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung erfolgt. Beschlussempfehlung und Bericht liegen nun vor.

Ich eröffne die Debatte und gebe Frau Steffens von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Antrag im September letzten Jahres gestellt, weil vermehrt Hinweise von Frauennotrufen kamen, bei denen potenzielle Opfer angefragt haben, weil die Zahl der Opfer immer größer wurde und Verdachtsfälle immer häufiger, weil Kliniken vermehrt von Frauen berichtet haben, die eine Klinik aufgesucht haben, weil sie den Verdacht hatten, während der Zeit eines „Filmrisses“ vergewaltigt worden zu sein.

Berichten zufolge hat auf dem Schwarzmarkt ein neuer Boom des Pornomarktes mit bewusstlosen Opfern um sich gegriffen. Es gibt immer mehr Frau

en, die unter der Einwirkung von K.-o.-Tropfen vergewaltigt worden sind und auch das dubiose Gefühl hatten, gefilmt worden zu sein. Einige dieser Fälle sind mit Personen bekannt geworden.

Es gibt in diesem Bereich also eine Zunahme. Aber aufgrund einer nicht spezifischen statistischen Erfassung liegen keine Zahlen vor, um wie viele Fälle es sich handelt. Es gibt zum Teil Kliniken, die immer wieder Zahlen erheben. Es gibt Zahlen, die die Beratungsstellen nennen. Klar ist: Wir wissen nur, dass das Problem immer größer zu werden scheint. Selbst die Justizministerin spricht mittlerweile von einer hohen Dunkelziffer. Wir wissen aber nicht, wie viele Fälle es wirklich sind.

Klar ist: Diese K.-o.-Tropfen sind relativ schwierig nachweisbar, und zwar nach Verabreichung noch acht Stunden im Blut und zwölf Stunden im Urin. Mehr Zeit bleibt nicht. Wir kommen später noch dazu: Es gibt mittlerweile die Ansage, man könne K.o.-Tropfen über die Haaranalyse nachweisen; aber diese Nachweismethode ist sehr umstritten und auch innerhalb der Mediziner sehr fraglich.

Die Polizeien in Köln und Bochum machen mittlerweile abends Runden und versuchen aufzuklären. Das Interesse daran ist extrem hoch. Sehr viele junge Frauen sind nach wie vor nicht darüber informiert, welche Risiken und welche Folgen es gibt und wie man, zum Beispiel durch Schutz des eigenen Glases, des eigenen Getränks, solche Übergriffe verhindern kann.

Wir haben dann diesen Antrag formuliert, und ich muss sagen, dass ich auch da mal wieder sehr erstaunt bin über die Debatte. Eigentlich fordern wir nämlich gar nicht viel. Wir fordern, dass man sich auf Bundesebene dafür einsetzt, dass es genau zu dieser Substanz – zu GBL/GHB – und auch zu den verwandten Medikamenten einen beschränkten Zugang gibt.

Das Problem, das wir heute haben, ist nämlich: Die Substanz ist geruchlos, sie ist farblos, und sie ist ganz einfach zu erhalten. Man kann sie über Internetrecherche relativ schnell und zu einem relativ geringen Preis erhalten. Sie ist nach wie vor nicht eingefärbt und auch nicht geruchlich gekennzeichnet. Man hat also keine Chance, zu merken, wann und wo diese Substanz in ein Glas gefüllt worden ist.

Wir wollten also, dass man sich auf Bundesebene dafür einsetzt. Die entsprechende Kommission beschäftigt sich mit dem Thema nach wie vor und immer wieder. Es kommt ab und zu Bewegung hinein. Dann scheint es wieder stillzustehen.

Aber klar geworden ist ziemlich schnell: Es gibt auf Landesebene keine Unterstützung dafür, die Frauen in diesem Bereich zu schützen.

Die weiteren Forderungen von uns betrafen lediglich Fort- und Weiterbildung, Aufklärung, Erhebung einer genauen Statistik – also Öffentlichkeitsarbeit, Zah

len, Daten, Fakten, das Informieren von Menschen in diesen Bereichen.

Aber die Antworten hießen einmal wieder: Das ist alles nicht nötig, Zahlen brauchen wir nicht, alles nicht so wichtig; es sind ja nur geringe Zahlen. Wir brauchen das nicht, und alles, was notwendig ist, tun wir.

Das, was ein bisschen Freude brachte, war, als zumindest von der Justizministerin – wenn auch nicht vom Frauenminister – eine Broschüre mit dem Titel „Lass Dich nicht K.-O.-TROPFEN!“ in Umlauf kam.

(Die Rednerin hält eine Broschüre hoch.)

Es ist schön, dass etwas passiert. Allerdings muss ich auch da zwar nicht das Haar in der Suppe suchen, aber doch sagen: Es gibt dort ein Problem, weshalb ich finde, dass diese Broschüre eher gefährlich als hilfreich ist. – Dort steht nämlich, K.-o.Tropfen könnten zwar noch Monate später durch die Untersuchung einer Haarprobe des Opfers nachgewiesen werden. Trotzdem empfiehlt sie, dass man schnell zum Arzt geht. Aber es sind dort keine Zeiten und keine Fristen angegeben.