Ich hoffe, dass wir uns einig sind, dass dies eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, also auch eine Aufgabe, an der sich die Länder beteiligen müssen. Allein ein solches gemeinsames Bekenntnis des Landtags rechtfertigt die heutige Sondersitzung.
Vertrauen zurückgewinnen bei den Menschen – das erreicht man nur, wenn man geschlossen handelt und wenn Politik hier an dieser Stelle und zum jetzigen Zeitpunkt Geschlossenheit zeigt. Die Bürgerinnen und Bürger warten auf eine gemeinsame Verpflichtung zur Verantwortung.
Dass diese Entschlossenheit und Geschlossenheit der Großen Koalition Früchte trägt, sieht man an der wenn auch immer noch wackeligen Erholung der Aktienmärkte. Die Große Koalition hat in dieser schwierigen Lage Handlungsfähigkeit bewiesen. Diese Handlungsfähigkeit muss Politik jetzt insgesamt durchtragen.
Natürlich müssen die Ministerpräsidenten die Interessen ihrer Länder im Blick haben. Sie, Herr Ministerpräsident, verhandeln die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen. Dabei haben Sie unsere Unterstützung. Doch es gilt dabei, die Verantwortung für das Ganze nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Summe von Einzelinteressen ergibt eben nicht ein mögliches großes Gesamtinteresse. Die Menschen erwarte eine Lösung, die trägt und die ihnen wieder ein Stück Sicherheit geben kann.
Über das, was jetzt getan werden muss, sind wir uns im Großen und Ganzen, denke ich, einig. Doch wir müssen diese Krise – auch das ist heute wichtig – zu einer grundsätzlichen Neubestimmung zentraler politischer Positionen nutzen.
Erstens. Die Bundesregierung und vor allem auch der Finanzminister haben klargemacht: Der maßlosen Profitgier einiger skrupelloser Banker und Manager müssen wir dauerhaft einen Riegel vorschieben.
Ich nenne dafür die Stichworte: Wir müssen die Banken in die Pflicht nehmen, in Zukunft wieder solider zu wirtschaften und auf unseriöse, undurchschaubare Finanzprodukte zu verzichten, die zu diesem weltweiten Desaster geführt haben. Wir als Sozialdemokraten reden auch in diesem Zusammenhang nicht nur über Mindestlöhne, sondern ebenfalls über sittenwidrig hohe Einkommen, meine Damen und Herren.
Zweitens – und das ist wichtig, in dieser Situation festgehalten zu werden –: Das freie, ungeregelte Spiel der Märkte, der Kräfte auf den Finanzmärkten, ist gescheitert. Das System hat seinen Offenbarungseid geleistet.
Es ist interessant, wer jetzt alles nach dem Staat ruft. Selbst der Chef der Deutschen Bank lässt sich zitieren mit: Ich glaube nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes.
Meine Damen und Herren, um zukünftige Krisen dieser Art zu vermeiden, sind international abgestimmtes Handeln und eine Regulierung der Finanzmärkte notwendig. Dafür setzen wir Sozialdemokraten uns schon lange ein.
Nein, wir haben uns dafür schon lange eingesetzt. Es lohnt sich ein Blick in unser Hamburger Grundsatzprogramm. Da haben wir unter der Überschrift „Globalisierung gestalten – sozial und fair“ genau diese Punkte aufgelistet. Zu dem Zeitpunkt waren andere Parteien noch auf einem stramm neoliberalen Kurs und haben dem ungehemmten Wettbewerb gehuldigt – unter anderem in Leipzig, Herr Ministerpräsident.
Wir vertrauen auf die Fähigkeiten der Menschen statt auf die Regulierung durch Staat und Bürokratie.
Herr Ministerpräsident und meine Damen und Herren von CDU und FDP, würden Sie auch heute noch so formulieren?
Ja? Sollen die Menschen in diesem Land tatsächlich auf einen Herrn Funke vertrauen, den wegen Unfähigkeit aus dem Amt gechassten Ex-Chef von Hypo Real Estate? Sollen die Bürgerinnen und Bürger noch immer auf die Fähigkeiten der Bankberater vertrauen, die ihnen diese hoch riskanten Papiere angedreht haben?
Herr Ministerpräsident, Sie setzen Staat und Bürokratie gleich. Damit diffamieren Sie den Staat in seiner notwendigen Regelungsfunktion. Diese Regelungsfunktion muss der Staat einnehmen.
Das passt in Ihren Reden nicht mehr zusammen. Sie tragen immer noch die Monstranz des „Privat vor Staat“ vor sich her. Verabschieden Sie sich doch davon!
Die weltweite Entwicklung macht schließlich eines deutlich: Ohne einen handlungsfähigen Staat wäre eine Rettung in dieser Situation nicht möglich. – Das ist doch ein ganz entscheidender Punkt.
Die Zeit ist deshalb überfällig für eine Kurskorrektur dieser falschen Ideologie, wie wir sie schon seit Beginn Ihrer Regierungszeit in Nordrhein-Westfalen fordern.
Viertens. Unstreitig ist auch, dass bei den Landesbanken Handlungsbedarf besteht. Wir müssen hier zu einer stärkeren Fusion und Kooperation kommen. Heute kann aber niemand mehr behaupten, wie es anfangs ja der Fall war, dass es Private besser können.
In einem Leitartikel der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag heißt es unter der Überschrift „Was die Not lehrt“ – ich zitiere –:
Die Entstaatlichung der Daseinsvorsorge war eine Gefahr für die Demokratie, weil niemand mehr mit seiner Stimme Einfluss darauf nehmen konnte, was dort passiert; das entschied im schlimmsten Fall eine Briefkastenfirma auf den Kaimaninseln. Das kann nicht länger so sein.
Die Krise habe die Augen dafür geöffnet, was falsch gemacht worden sei. So passe das System der Sparkassen angeblich nicht in das EU-Bild vom freien Wettbewerb. In diesem Zusammenhang heißt es in dem Text weiter:
Herr Ministerpräsident, das haben die Bürgerinnen und Bürger auch erkannt. Die Zuwächse in dreistelliger Millionenhöhe, die die Sparkassen zurzeit bei den Einlagen verzeichnen, zeigen das ja.
Die Bankprofis – das hat mich besonders überrascht – wissen auch, dass die Einlagen bei den Sparkassen sicher sind. So hat der frühere Chef der Deutschen Bank Hilmar Kopper in der „Zeit“ auf die Frage, welcher Bank die Menschen ihr Geld noch anvertrauen könnten, eingeräumt:
Wenn sie es zur Sparkasse um die Ecke bringen oder zur Deutschen Bank, bekommen sie weniger Zinsen, aber das Geld ist sicher.
Das Problem der Menschen in Nordrhein-Westfalen ist aber, Herr Ministerpräsident, dass bei Ihnen die Sparkassen nicht mehr sicher sind. Das ist doch der Kern des Problems.