Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

Der Staat engagiert sich mit einem hohen finanziellen Einsatz an der Bekämpfung des Brandherdes der Krise. Konjunkturelle Strohfeuer sind nicht erfolgversprechend. Das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit. Sie sind darüber hinaus nach meiner Einschätzung auch nicht finanzierbar.

Wichtig und richtig ist es demgegenüber, die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung weiter zu verbessern. Dazu gehören zum Beispiel sichere und verlässliche Voraussetzungen für den Bau von Neuanlagen der Energiewirtschaft, insbesondere für den Bau neuer Kohlekraftwerke. Im Gegensatz zu diesen Forderungen enthält der Entwurf der EU-Richtlinie zum Emissionshandel für den Zeitraum 2013 bis 2020 große Unsicherheiten über die letztlich zu zahlenden Kosten. Er enthält damit massive Investitionshemmnisse.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich unterstreiche: 30 Milliarden € an Neubauprogrammen ließen sich aus Mitteln, die bei der Energiewirtschaft vorhanden sind, schnell auf den Weg bringen. Helfen Sie mit Frau Kraft, nicht nur nicken!

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Um den Investitionsstau aufzulösen und die notwendige Energie so effizient wie möglich zu erzeugen, plädiere ich dafür, insbesondere den Neuanlagen kostenlose Zertifikate zuzuteilen. Wir werden gemeinsam mit allen Gewerkschaften in unserem Land noch einen weiteren Vorstoß in diese Richtung unternehmen. Wir sind da in bester Gesellschaft. Das würde insbesondere in NordrheinWestfalen zusätzliche Investitionen beschleunigen, zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und die Energieversorgung auf längere Sicht sichern.

Darüber hinaus sage ich hier frank und frei: Ich setze mich auch dafür ein, dass die Laufzeiten der bestehenden Kernkraftwerke verlängert werden.

(Beifall von CDU und FDP)

Beim Ausstiegsbeschluss wurde die Laufzeit auf 32 Jahre beschränkt. Die technische Nutzungsdauer beträgt mindestens 40 Jahre; bei neueren Kernkraftwerken, deren erste Teilgenehmigung nach 1973 erteilt wurde, sogar 50 bis 60 Jahre. Eine Verlängerung auf diese Laufzeitdauer bedeutet kein zusätzlich technisches Risiko. Aber alle, die Wachstums- oder Konjunkturprogramme aus Verschuldung zusätzlich finanzieren wollen, sollten sich diese Finanzierungsquelle mal einen Moment überlegen.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Erlöse aus der Laufzeitverlängerung könnten im Rahmen einer Vereinbarung mit der Kraftwerkswirtschaft zumindest teilweise in die Finanzierung innovativer Energietechnologien, in die energetische Gebäudesanierung, in den Klimaschutz investiert werden. Sie könnten zum Beispiel auch für die Finanzierung eines Anreizprogramms für den Umstieg auf schadstoffärmere Autos eingesetzt werden.

Die Versorgungsunternehmen haben bereits Gesprächsbereitschaft zum Einsatz eines Teils der Erlöse für das Allgemeinwohl gezeigt.

(Zuruf von der SPD)

Zu klären ist die zu erwartende Größenordnung, die aber in jedem Fall mehrere Milliarden Euro pro Jahr betragen würde.

Meine Damen und Herren, in der aktuellen Situation – so sagen die Forschungsinstitute – ist es hilfreich, dass sich die Finanzlage des Staates in den vergangenen Jahren erheblich verbessert hat. Daher – so die Institute – ist es möglich und sinnvoll, die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen. Wir werden auf diese Frage noch zurückkommen müssen. Ich warte auf Ihren Beitrag und darauf,

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

dass Sie bei all den Investitionsprogrammen, die wir verabredet haben, zum Beispiel den Bau zusätzlicher Fachhochschulen usw., mitmachen. Herr Eiskirch, ich bin sehr gespannt. Die Steuerschätzung wird uns noch zu Problemen bei der Haushaltsberatung führen. Ich wünsche uns allen ganz viel Einsicht und Verantwortungsbewusstsein.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Frau Löhrmann hat beim letzten Mal zwei „besonders bahnbrechende“ Vorschläge gemacht. Einmal hat sie sich mit dem Staat gleichgesetzt. Das hat mich ein wenig gewundert. Da sollte sie vielleicht einmal Herrn Schirrmacher lesen. Ganz kurz:

Der Politiker als Retter des Staates ist immer noch nicht der Staat selbst. Aber die Gefahr besteht, dass er ihn sich wie eine Blume ins Knopfloch seines neuen Outfits steckt.

Frau Löhrmann, das nächste Mal tragen Sie die Kommata mit vor: ich, wir, der Staat, dann versteht man besser, was Sie meinen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sylvia Löhr- mann [GRÜNE])

Außerdem hat Frau Löhrmann den „bahnbrechenden“ Vorschlag gemacht, man sollte so was wie eine TORIN-Steuer einführen.

(Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Ich habe einen Nachteil, Frau Löhrmann. Ich habe das Fach studiert. Das hilft manchmal.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Ich suche seit der Forderung von Frau Löhrmann verzweifelt ein empirisch relevantes Stück Papier, auf dem steht, wie man das eine Geschäft vom anderen unterscheidet. Ich warte auf Ihre Vorschläge. So ist es eine schlichte Luftnummer, unseriös, und es spiegelt etwas vor, was Sie mit dem, was Sie vorschlagen, nicht erreichen können. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Thoben. – Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat zwölf Minuten länger unterrichtet, als vereinbart. Die Fraktionen können sich entsprechend darauf einstellen.

Als Nächste hat die Rednerin der SPD das Wort. Frau Walsken, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Thoben, wenn Sie die Regierungsverantwortung in diesem Land nicht mehr wollen, dann können Sie uns das sagen. Wir übernehmen die gerne.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Aber noch regieren Sie. Solange erwarten wir Ihre Vorschläge. Damit wird sich mein Kollege Thomas Eiskirch sicherlich gerne gleich auseinandersetzen. Ich möchte zunächst auf das zurückgreifen, was uns der Finanzminister in dieser Unterrichtung vorgetragen hat, und dazu ein paar Anmerkungen machen.

Meine Damen und Herren, die aktuelle Krise – das ist sicher – ist eine der größten politischen Herausforderungen der jüngsten Geschichte. Es ist auch klar, dass es jetzt zu verhindern gilt, diese Krise auf die Realwirtschaft in Nordrhein-Westfalen durchschlagen zu lassen. Es geht um den Erhalt von Unternehmen, um den Erhalt von Arbeitsplätzen in diesem Land und um die Sicherheit von Sparkonten und Einlagen bei unseren Banken und Sparkassen.

Wir alle wissen: In der Wirtschaft spielt die Psychologie eine wichtige Rolle. Das oberste Ziel, durch schnelles, konzentriertes und entschlossenes Handeln für Vertrauen und damit für Stabilität zu sorgen, ist mit dem in der Geschichte beispiellosen Rettungsplan, dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, voll gelungen.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat in hohem Maße Handlungsfähigkeit gezeigt. Finanzminister Steinbrück und die Bundeskanzlerin haben verlorenes Vertrauen der Menschen in die Politik zurückgewonnen. Eindrucksvoll hat die politische Bühne der im Zuschauerraum versammelten Finanzwirtschaft gezeigt, dass der Staat durch schnelles, zielgerichtetes Handeln Maßnahmen und Lösungen in Krisenzeiten festlegen kann. Und es ist nun an der Finanzwirtschaft, an den Finanzinstituten, ihren Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten.

Meine Damen und Herren, viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande haben sich allerdings in den letzten Tagen gefragt, welchen Beitrag die Regierung Rüttgers leistet oder welchen Einfluss das Tandem Rüttgers und sein Finanzminister in Berlin haben

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

oder was dem Ministerpräsidenten und seinem Finanzminister oder auch der Wirtschaftsministerin, die in den letzten zwei Wochen abgetaucht ist, zur Krisenbewältigung in unserem Lande einfällt. Die Antworten werden die Bürgerinnen und Bürger lange suchen, auch nach dieser Unterrichtung. Bei genauem Betrachten und Analysieren der Situation fällt sehr schnell auf, dass diese Regierung in Berlin nicht einmal annähernd das erreicht hat, was sie selbst erreichen wollte.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Erstens. Noch exakt vor einer Woche hat der Finanzminister von diesem Rednerpult aus gesagt, der Eventualausfall für dieses Land werde 1,4 Milliarden € betragen. Jetzt wissen wir, er wird 1,65 Milliarden € betragen. Meine Damen und Herren, das sind 250 Millionen € mehr an Belastungen für den Landeshaushalt, den die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande aufbringen müssen, verdammt viel Geld. Und wie viel Geld das ist, wird erst deutlich, wenn man weiß, dass man mit 0,1 % dieser Zusatzbelastungen die Kindpauschalen nach dem KiBiz global um 25 % erhöhen könnte, damit die Entlastung der Eltern von viel zu hohen Gebühren, die Beitragsbefreiung für die unteren Einkommensgruppen, die Erhöhung der Gehälter der pädagogischen Fachkräfte, die Erhöhung der Qualifikationen dieser Fachkräfte, die Bereitstellung kostenfreier Mahlzeiten bei ganztägigen Angeboten erreicht und insgesamt die pädagogische Qualität verbessert werden könnte.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, von diesem Pult aus hat vor einer Woche der Ministerpräsident Rüttgers den Menschen in diesem Land versprochen – ich zitiere wörtlich –:

Wir in Nordrhein-Westfalen arbeiten daran, dass die negativen Auswirkungen der Krise auf unser Land so gering wie möglich ausfallen.

Bei genauem Hinsehen kann ich nur sagen: schlechte Arbeit, Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Ergebnis von 1,65 Milliarden € möglichen Belastungen zeugt nicht von Ihrer Durchsetzungskraft in Berlin.

Zweitens, Westdeutsche Landesbank. Auch hier zitiere ich gerne noch einmal den Ministerpräsidenten. Er sagte:

Wir wollen erreichen, dass die Leistungen des Landes etwa bei der Absicherung der WestLB angerechnet werden.

Meine Damen und Herren, ein Rettungsschirm in Höhe von 5 Milliarden € sollte in das von allen Ländern zu tragende Paket eingerechnet werden – so auch der Finanzminister.

Genau das Gegenteil ist festgelegt. Das Land zahlt für seinen Landesbankenanteil natürlich extra, wenn der Berliner Rettungsplan in Anspruch genommen werden soll. Das zeigt, dass der NRW-Finanzminister auf der Berliner Bühne keine Rolle gespielt hat, mit seinen Forderungen nicht einmal zur Kenntnis genommen wird.