Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

Die Lasten für die Sparkassen und für die öffentlichen Versicherungen werden nunmehr vom Bund zu 65 % getragen. Die Lasten für die Landesbanken und Zweckgesellschaften, die deren Risikopositionen übernommen haben, werden von den Ländern entsprechend ihrer Anteile zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes getragen. Wir tragen also nicht 100 % der Lasten, die eventuell aus einer Fondsmitgliedschaft der WestLB entstehen könnten – wie vom Bundesfinanzminister geplant –, sondern „nur“ 38 % entsprechend unserer Beteiligung an der Bank.

Eine weitere Rechtsverordnung über Einzelheiten der Abwicklung und Auflösung des Fonds bedarf der Zustimmung des Bundesrates, wie ich vorgetragen habe. Die Länder können damit bei wichtigen, sie betreffenden Detailregelungen mitbestimmen.

Meine Damen und Herren, kurz zur Auswirkung auf die WestLB: Die Eigentümer haben frühzeitig durch Ausgliederung der strukturierten Wertpapiere auf die Krise reagiert. Wir hatten per 31. 3. dieses Jahres das Portfolio in Höhe von 23 Milliarden € mittels der Garantie von 5 Milliarden €, die von den Regierungsfraktionen in diesem Parlament mitgetragen wurde, ausgegliedert. Die WestLB ist sicherlich nach der Risikoabschirmung nicht mehr so stark von der Krise betroffen wie andere Banken, aber auch sie prüft das Paket.

Ich glaube, dass wir auf die Wettbewerbsfähigkeit und auf die Ratingrelevanz einer solchen Mitgliedschaft schon achtgeben müssen. Darüber laufen die Verhandlungen der Eigentümer. Der DSGV hatte am Montag einen Versuch gestartet, gemeinsam mit den Landesbanken und den Sparkassen dieses Paket zu akzeptieren. Dieser Versuch ist gescheitert. Sie haben mitbekommen, dass die BayernLB gestern erklärt hat, von den Möglichkeiten des Fonds Gebrauch zu machen.

Die Auswirkungen auf die Börse will ich auch kurz erwähnen. Am Montag, 13.10.2008, hat es die Stabilisierung gegeben. Wir haben sicherlich sehr volatile Märkte und müssen auch weiterhin mit solch volatilen Märkten rechnen. Aber die Auswirkungen auf den Interbankenhandel sind, was die ersten Anzeichen angeht, positiv zu vermerken.

Eine kurze Bewertung: Das Paket ist richtig und sicherlich alternativlos. Es mangelte an Vertrauen; dieses Paket kann und wird, wie ich hoffe, Vertrauen schaffen. Schädlich sind aber die Diskussionsbeiträge der letzten Tage von Verantwortlichen, die vor allen Dingen aus Bankenkreisen stammen. Ich glaube, dass man vielen Managern in Erinnerung rufen muss, dass es zum Unternehmerdasein gehört, Verantwortung zu übernehmen, die rechte ethische Haltung zu haben und auch hin und wieder Demut zu zeigen.

(Beifall von CDU, SPD und FDP – Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Nach meiner Auffassung bedeutet eine Mitgliedschaft im Fonds, das heißt die Inanspruchnahme der gesetzlichen Möglichkeiten, keine Stigmatisierung. Ich wünschte mir, dass in diesen Tagen von einigen Damen und Herren nicht so sehr an die betriebswirtschaftliche, sondern mehr an die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Finanzmarktstabilisierungsgesetzes gedacht wird.

Wenn Sie lesen, dass zum Beispiel die ING Groep in den Niederlanden 10 Milliarden € allein aus dem Grund in Anspruch genommen hat, dass es zur Seriosität in diesen Tagen gehört, an den Möglichkeiten, die der niederländische Staat bietet, teilzunehmen, sollte dies zu denken geben.

Meine Damen und Herren, ich halte fest: Die Politik ist für vieles, was sie in den letzten Monaten getan oder versäumt hat, sehr oft gescholten worden. Wenn ich Ihnen vorhin nicht umsonst die Agenda der letzten zehn Tage vorgetragen habe, kann man feststellen, dass hier Vorbildliches geleistet wurde. Dies kann man auch gegenüber der Wirtschaft mit Fug und Recht für die Politik in Anspruch nehmen!

(Beifall von CDU, SPD und FDP)

Ich gebe nie die Hoffnung auf, dass selbst die Opposition diesmal sagen wird: Das habt ihr in Berlin und Düsseldorf wirklich gut gemacht!

(Beifall von CDU und FDP – Ewald Groth [GRÜNE]: In Berlin: ja! – Zurufe von der SPD)

Wir haben, meine Damen und Herren, keine Systemkrise, obwohl sie von vielen gerade aus dem linken Spektrum beschworen wird. Die soziale Marktwirtschaft funktioniert; aber sie funktioniert nur, wenn eine Ordnung existiert und wenn Regelungen vorgegeben werden.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Privat vor Staat!)

Wir sehen das zum Beispiel beim Umweltschutz, wo wir das auch praktizieren, weil es der Markt sicherlich nicht erfüllen kann. So ist es in diesem Bereich auch: Es wurde versäumt, ausreichende Regelungen vorzuschreiben und zu praktizieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Sicherlich waren daran viele beteiligt. Auch die Politik des leichten Geldes in den USA hat zu den unglaublichen Vorfällen beigetragen. Wir ziehen die Erkenntnis aus diesen Ereignissen, dass die Aufsicht reformiert werden muss. Das ist etwas Selbstverständliches.

Dass die Gier bei Bankern sehr ausgeprägt war und sich daran im zweiten Zug zum Teil auch die Bürger beteiligt haben, gehört zu den Feststellungen, die wir treffen können. Wie die Lemminge sind sie alle in diese Papiere hineingeraten; wie die Lemminge haben sie jetzt die Abschreibungen vorgenommen. Ich wünschte mir eine stärkere individuelle Verantwortung derjenigen, die Verantwortung zu tragen haben.

(Beifall von der CDU)

Dass es Folgen für die Eigenkapitalausstattung geben könnte, gehört auch zu den Erkenntnissen dieser Tage. Jeder muss sich fragen, ob er mit der Eigenkapitalausstattung auskommt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Finanzmarktstabilisierungsgesetz das beste Konjunkturprogramm überhaupt sein kann, wenn es angenommen wird, wenn die Wirkungen, wie prognostiziert, eintreten. Wir sollten in Ruhe die nächsten drei bis vier Wochen abwarten und nicht allen Keynesianern hinterherlaufen, die meinen, sie müssten all das, was Sie sich schon immer gewünscht haben, in einem Konjunkturprogramm unterbringen.

(Beifall von CDU und FDP)

Darin stimme ich auch völlig mit dem Bundesfinanzminister überein, der noch am Montag in Essen erklärt hat, dass er gegen Konjunkturprogramme der alten Art, wie sie immer praktiziert worden sind, ist. Seine Feststellung „Damit wird nur Geld verbrannt“ teile ich hundertprozentig.

Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Ausblick auf den Landeshaushalt schließen. Ich hatte beim letzten Mal betont, dass es für 2009 und 2010 keine Auswirkungen gibt. Nach den heutigen Erkenntnissen würde ich behaupten: vielleicht sogar bis 2012 oder 2013. Denn der Fonds muss erst abgewickelt werden, bevor die Beteiligung der Länder in Kraft tritt. Wir haben eine maximale Belastung von gut 1,6 Milliarden €. Wir haben zusätzlich die Belastung aus dem am 31. März selbst errichteten Schirm von noch einmal 3,8 Milliarden €. All das sind maximale Belastungen. Wenn das Rettungspaket zieht – da bin ich sicher –, wird die Belastung sehr viel geringer ausfallen.

Die Folgen, über die wir in den nächsten Tagen nachzudenken haben, sind die Auswirkungen auf die Konjunktur. Die Wachstumsprognosen sind von 1,2 % auf 0,2 % herabgesetzt worden. Das wird Auswirkungen auf die Steuerschätzung im November haben. Darüber haben wir uns auch am letzten Mittwoch kurz ausgetauscht. Man sollte hinsichtlich Steueränderungen, die jetzt im Gespräch sind, sehr vorsichtig sein. Allein die Änderung des Kindergelds und der Kinderfreibeträge kostet das Land Nordrhein-Westfalen im nächsten Jahr 250 Millionen €. Bei der Kranken- und Pflegeversicherung wird spekuliert, ob man die steuerliche Entlastung nicht vorziehen sollte. Dies kann unser Land bis zu 900 Millionen € kosten. Auch das muss überlegt werden.

Wir haben mit unserem Haushalt weiterhin stark in Bildung und Innovation investiert. Dies sind die gezielten Impulse, von denen auch der Bundesfinanzminister gesprochen hat. Damit sind wir wohl haushaltsmäßig gut gerüstet. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Finanzminister. – Die zweite Rednerin für die Landesregierung ist Frau Wirtschaftsministerin Thoben. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gegenwärtige Vertrauenskrise auf den Weltfinanzmärkten ist eine Krise neuer Dimension. Ich verstehe die Unsicherheiten, die viele Menschen angesichts dieser Krise erfasst. Zugleich warne ich aber davor, Schreckensszenarien auszumalen und die Menschen noch weiter zu verunsichern.

Die Weltfinanzkrise ist eine Bewährungsprobe der Marktwirtschaft – nicht ihr Ende, wie manche meinen oder sich sogar wünschen. Am Ende werden wir die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens so verbessert und angepasst haben, dass die Marktwirtschaft besser dasteht als vor der Krise.

Wir sollten uns auch in der aktuellen Situation an die Fakten halten und mit einer Analyse beginnen, die die Lage ausleuchtet. Klar ist: Die globale Finanzmarkt- und Vertrauenskrise wird auch in der Realwirtschaft Deutschlands und NordrheinWestfalens deutliche Spuren hinterlassen. Wir können uns von weltweiten Turbulenzen nicht abkoppeln; dazu sind wir zu eng mit der Weltwirtschaft verflochten. Nach einer aktuellen Einschätzung besteht Anlass zu ernster Sorge, aber – das ist mir wichtig – kein Anlass zu schwarzem Pessimismus.

Der Internationale Währungsfonds hat seine Prognosen für das kommende Jahr Anfang Oktober deutlich nach unten korrigiert. Im Jahresdurchschnitt

rechnet er für die Industrieländer im kommenden Jahr nur noch mit einem Wachstum von 0,5 %.

In den Vereinigten Staaten hat sich das Wachstum nach einer robusten ersten Jahreshälfte zuletzt erheblich abgekühlt. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass die gesamtwirtschaftliche Produktion in den USA im laufenden zweiten Halbjahr sowie zu Beginn des Jahres 2009 sinken wird. Erst im weiteren Verlauf des kommenden Jahres dürfte sie sich wieder erholen. Im Jahresdurchschnitt 2009 rechnet der Fonds mit einem Wachstum von 0,2 %. Im Durchschnitt dieses Jahres soll das Wachstum bei 1,6 % liegen.

Auch in Deutschland hat sich die Konjunktur spürbar eingetrübt. Im ersten Quartal lag das Wachstum im Vorjahresvergleich noch bei beachtlichen 1,8 %. Von einem hohen Niveau ausgehend ist die Wirtschaft im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,5 % geschrumpft. Sollte die wirtschaftliche Leistung auch im dritten Quartal zurückgegangen sein – die amtliche Schätzung hierzu steht noch aus –, befände sich Deutschland nach technischer Definition schon in einer Rezession.

Aus der aktuellen Sicht der Forschungsinstitute wird die konjunkturelle Eintrübung in Deutschland moderat bleiben. Auf das gesamte Jahr 2008 bezogen wird ein Wirtschaftswachstum von knapp 2 % erwartet. Für das kommende Jahr liegen die Erwartungen zwischen 1,1 und 0 %. In diesem Erwartungshorizont liegt auch die Prognose der aktuellen Gemeinschaftsdiagnose, die letzte Woche veröffentlicht wurde. Sie prognostiziert für Deutschland in diesem Jahr ein Wachstum von 1,8 %. Im nächsten Jahr soll das Wachstum in der Basisvariante bei 0,2 % liegen. Unterstellt ist dabei, dass die international ergriffenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors greifen.

Die bisherige Entwicklung, aber auch die Erwartungen für die nahe Zukunft zeigen: Die Turbulenzen beeinträchtigen natürlich auch die Realwirtschaft. Die Schockwellen werden aber abgefedert und erreichen bei Weitem nicht die Dimension der finanziellen Ausschläge.

In Nordrhein-Westfalen folgt die wirtschaftliche Entwicklung weitgehend dem Bundestrend. Im ersten Halbjahr 2008 lag das Wirtschaftswachstum exakt auf der Höhe des Bundes bei 2,4 %. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Vergleich zum Vorjahr um gut 123.000 Personen oder um 2,2 % gestiegen. Die Zahl aller Erwerbstätigen hat mit 8,6 Millionen € im Jahresdurchschnitt 2007 den bisher absoluten Höchststand erreicht, der je in Nordrhein-Westfalen gemessen wurde. Zugleich ist die Zahl der Arbeitslosen im aktuellen Jahresvergleich um rund 80.000 oder 9,8 % zurückgegangen.

Aber auch in Nordrhein-Westfalen deuten die Frühindikatoren auf die konjunkturelle Eintrübung hin.

Wie im Bund sinken auch in Nordrhein-Westfalen seit Jahresbeginn die Auftragseingänge der Industrie. Das betrifft die Bestellungen sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland. Wie im Bund hat sich der NRW.BANK.ifo-Index seit dem Frühjahr deutlich eingetrübt.

Am 10. Oktober 2008 habe ich Spitzenvertreter der nordrhein-westfälischen Kreditwirtschaft eingeladen und mit ihnen über die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Krise gesprochen. Ziel des Treffens war ein Austausch über Fakten und ein Austausch über die Beurteilung der realwirtschaftlichen Lage. Es ging mir darum, uns wieder auf die Kernfragen der Realwirtschaft zu konzentrieren, insbesondere auf die für Wachstum und Beschäftigung zentrale Frage der Mittelstandsfinanzierung durch die nordrheinwestfälische Kreditwirtschaft.

Das Ergebnis dieses Sondertreffens zu diesen Fragen war ermutigend. Die Kernbotschaft des Treffens lautet – ich zitiere –:

Die Mittelstandsfinanzierung in NordrheinWestfalen ist trotz der aktuellen Verwerfungen auf den internationalen Kapitalmärkten verlässlich und stabil. Sie ist für die nordrhein-westfälische Kreditwirtschaft ein „gesetztes Feld“, ein zentrales Segment ihres Geschäfts.

Zwar sind die Kreditkonditionen etwas angestiegen, die Konditionen der Kredite sind langfristig gesehen aber insgesamt weiterhin auf einem durchaus akzeptablen Niveau.

Sinkende Rohstoff- und Energiepreise, die rückläufige Inflationsrate und die Leitzinssenkung der Notenbanken verbessern das schwieriger gewordene, durch rückläufige Wachstumsraten geprägte wirtschaftliche Umfeld. Wir müssen vor diesem Hintergrund wieder stärker die realwirtschaftlichen Herausforderungen für Wachstum und Beschäftigung in den Blick nehmen.

Diese Einschätzung der Spitzenvertreter der nordrhein-westfälischen Kreditwirtschaft deckt sich mit den am 9. Oktober veröffentlichten Ergebnissen einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Danach erhalten die meisten deutschen Firmen trotz der dramatischen Finanzkrise weiterhin ohne größere Probleme Kredite bei Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Dabei sagten 73 % bei den knapp 3.500 befragten Unternehmen, dass sich die Bedingungen bei der Kreditvergabe für sie nicht verschlechtert hätten.

Ausgangs- und Brennpunkt der gegenwärtigen Krise bleibt die instabile Verfassung der internationalen Finanzmärkte. Deshalb ist es richtig, dass international abgestimmte Maßnahmenpakete zur Stabilisierung der Finanzmärkte ergriffen wurden. Der Finanzminister hat hierzu gerade das Notwendige gesagt: Es ist richtig, die Krise an ihrer Wurzel zu bekämpfen. Die Bundesregierung hat hierbei unsere volle Unterstützung.

Parallel zum akuten Krisenmanagement wird es darauf ankommen, die Regulierungen der Finanzmärkte im internationalen Rahmen neu zu regeln. Zu einer funktionierenden Marktwirtschaft gehören Transparenz, Regeln, ja, auch Verantwortung. Die Regeln müssen beispielsweise stärker als bisher sicherstellen, dass Handlungsfreiheit und Verantwortung zusammenfallen. Auch die erst vor wenigen Jahren geänderten Bilanzierungsregeln müssen überdacht werden, um krisenverschärfende Effekte abzumildern, die mit diesen Änderungen verbunden sind.

Den wieder lauter werdenden Forderungen nach Konjunkturprogrammen traditioneller Art erteile ich eine klare Absage.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Staat engagiert sich mit einem hohen finanziellen Einsatz an der Bekämpfung des Brandherdes der Krise. Konjunkturelle Strohfeuer sind nicht erfolgversprechend. Das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit. Sie sind darüber hinaus nach meiner Einschätzung auch nicht finanzierbar.