Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Killewald. – Für die FDP spricht Herr Dr. Romberg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eins muss man den Grünen lassen: Sie machen konsequente Haushaltsanträge für das, was sie inhaltlich wollen, und debattieren dies dann auch inhaltlich hier im Plenum.

(Zuruf von Monika Düker [GRÜNE])

Wenn Sie meinen, dass das Ihr politischer Schwerpunkt ist, dann ist das so.

Was Herr Kollege Killewald gemacht hat, ist überhaupt nicht korrekt.

(Beifall von FDP und CDU)

Er hat den Ministerpräsidenten die ganze Zeit angegriffen, aber die SPD-Fraktion hat bei den Haushaltsberatungen selbst keinen einzigen Antrag eingebracht und auch im Ausschuss nicht gesagt: Okay, wir wollen ein Programm für Wohnungslose;

(Norbert Killewald [SPD]: Waren Sie bei den Verhandlungen nicht da?)

wir machen einen Finanzierungsvorschlag. – Sie haben dem Antrag der Grünen im Ausschuss noch

nicht einmal zugestimmt. Sie haben sich enthalten. Also: Was ist mit der Konsequenz? – Herr Killewald, Sie können sich nicht hier hinstellen und nur schöne Worte machen. Sie müssen dann auch Taten zeigen, und die haben Sie nicht gezeigt.

(Beifall von FDP und CDU)

Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit sind selbstverständlich Probleme von besonderer Tragweite und Komplexität. Die Ursachen sind entsprechend vielfältig: Verschuldung, Alkoholprobleme, Verlust des Arbeitsplatzes, Trennungen. Menschen, die ihre Wohnung verlieren, verlieren die elementare Basis für ihr persönliches Sicherheitsgefühl und ihre Selbstbestimmungsmöglichkeiten, woraus sich viele weitere Folgeproblematiken entwickeln können.

Vor diesem Hintergrund wurde 1996 das Landesprogramm Wohnungslosenhilfe aufgelegt. Das Ziel bestand darin – das will ich hier noch einmal betonen –, die Kommunen bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, dieses Problem vor Ort in den Griff zu bekommen und neue Ansätze zu erproben.

Das Antragsvorhaben der Grünen ist vor allem deswegen fragwürdig, weil die Ebenen der Zuständigkeit nicht beachtet werden. Die Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit fällt nun einmal in den Verantwortungsbereich der Kommunen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Wenn Sie einmal in die anderen Bundesländer schauen, dann sehen Sie, dass die das übrigens auch so machen.

Das grundsätzliche Problem bei der Einführung von Modellprogrammen besteht darin, dass einige Akteure im politischen Raum den Erprobungscharakter immer so interpretieren, als handele es sich insgesamt um eine dauerhafte Strukturförderung. Im Falle des besagten Programms gab es diese Förderung über zwölf Jahre, und – es wurde eben schon erwähnt – es gab 130 Modellprojekte. In diesen 130 Modellprojekten ist wirklich viel Know-how gewonnen worden – Herr Kern hat das gesagt –, das jetzt allen Kommunen zur Verfügung gestellt bekommen, um daraus für sich entscheiden zu können, in welchen Schwerpunkten sie sich weiterentwickeln wollen.

Noch ein Wort zu Statistik: Diese wurde in Nordrhein-Westfalen weiterentwickelt, um die Transparenz zu verbessern. So werden jetzt auch Alter, Geschlecht und Zuwanderungsgeschichte erhoben. Ebenso wird zwischen Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit unterschieden. Auch auf diese Weise wird die Grundlage zur effektiven Verhinderung und Bekämpfung von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit optimiert.

Die sozialen Absichten der Grünen sind wie gewohnt lediglich an den Folgen des Problems orien

tiert. Wir als Koalitionsfraktionen halten unseren Lösungsansatz für umfassender und nachhaltiger, denn wir sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis von präventiven Maßnahmen und unmittelbaren Hilfen für die Betroffenen. Darüber haben wir gestern in der Gerechtigkeitsdebatte schon ausführlich gesprochen.

Natürlich ist auch Prävention wichtig: maßgeblich Bildungsangebote, gute Rahmenbedingungen für Arbeitsplätze, aber natürlich auch optimierte Behandlungsangebote, zum Beispiel für psychisch Kranke, die besonders gefährdet sind von Obdachlosigkeit. Das alles gehört in den präventiven Teil, der hier in der Debatte mal wieder ein bisschen zu kurz kam. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Uhlenberg.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Weil die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag gestellt hat, um das sensible Thema Wohnungslosigkeit wider besseres Wissens politisch zu nutzen, lautet die erste Aufgabe hier im Plenum, schlicht noch einmal die Tatsachen festzuhalten, was von meinen Vorrednern der Koalitionsfraktionen schon zu einem guten Stück geleistet worden ist. Dann wird nämlich deutlich, meine Damen und Herren, dass Ihr Antrag von falschen Voraussetzungen ausgeht.

Worum geht es? – Die alte Landesregierung hatte angesichts veränderter Bedarfslagen in der Wohnungslosenhilfe nach neuen Wegen zur Vermeidung und Beendigung von Wohnungsnotfällen gesucht. Das 1996 hierzu aufgelegte Programm „Wohnungslosigkeit vermeiden – dauerhaftes Wohnen sichern“ hatte das Ziel, neue Hilfsansätze zu entwickeln und zu erproben. Diese sollten nach dem Auslaufen der Förderung zu einem dauerhaften Angebot in den Kommunen verstetigt und in die örtlichen Hilfssysteme integriert werden. In zwölf Jahren Modellförderung, meine Damen und Herren, ist dies mehr als gelungen.

Das Förderprogramm hat eine Vielzahl – die Zahl ist eben schon genannt worden: knapp 140 Projekte – von unterschiedlichen und erfolgreichen Handlungsansätzen unterstützt. Das Programm hat zahlreiche Hinweise für die Hilfelandschaft gebracht, in welcher Form das Regelinstrumentarium weiterentwickelt werden kann.

Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das war eine wichtige Impulsfunktion des Landes. Aber dennoch bleibt festzuhalten: Die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit war und ist

eine kommunale Aufgabe, Frau Abgeordnete Steffens.

(Beifall von der CDU)

An diesen Zuständigkeiten wollte auch das Programm der damaligen rot-grünen Regierung nichts ändern.

(Beifall von der CDU)

Ziel war vielmehr, den Trägern der Wohnungslosenhilfe die notwendige Unterstützung anzubieten, um den veränderten Anforderungen mit geeigneten Mitteln begegnen zu können. Die Förderung hat sich in diesem Kontext immer als Anschubfinanzierung zur Erprobung neuer Ideen verstanden. Dementsprechend sind einzelne Handlungsansätze – in 43 Orten – immer zeitlich befristet gefördert worden. Die Finanzierung einer flächendeckenden Implementierung der erprobten Maßnahmen, meine Damen und Herren, war niemals vorgesehen.

(Beifall von der CDU)

Das im Rahmen des Programms entwickelte Instrumentarium wurde und wird jedoch in vielfältiger Weise dokumentiert und kommuniziert. So kann es in den Kommunen in die bestehende Hilfelandschaft integriert werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass Wohnungslose bzw. von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen in ihrer Zusammensetzung extrem heterogen sind und die Angebote der Beratung und Unterstützung entsprechend differenziert sein müssen, ist nun wirklich nichts Neues. Die im Antrag angesprochenen Zielgruppen, zum Beispiel Frauen, Jugendliche, Menschen mit Zuwanderungshintergrund sowie ältere Menschen, stehen schon seit einiger Zeit im Fokus verschiedener geförderter Projekte.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Wow!)

In den letzten Jahren hat sich aber herausgestellt, dass sich die Probleme häufig nicht mehr mit dem Instrumentarium des Landesprogramms lösen lassen. Immer deutlicher ist geworden, dass wir auf Dauer nur dann Erfolg haben können, wenn wir Konzepte zur Wohnraumversorgung entwickeln, die wohnungspolitische Ziele mit sozialpolitischen und städtebaulichen Konzepten verbinden.

Es kann aber nicht die Aufgabe des Landesprogramms Wohnungslosenhilfe sein, den vielfältigen, im Antrag beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungen entgegenzuwirken. Auch das war niemals Zielsetzung dieses Programms und könnte angesichts des Mittelvolumens auch gar nicht sein. Den beschriebenen Problemlagen muss bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt begegnet werden und nicht erst dann, wenn Wohnungslosigkeit unmittelbar droht oder bereits eingetreten ist.

Dieser Herausforderung stellt sich die Landesregierung jetzt und in Zukunft. Beispielhaft nennen will

ich in diesem Zusammenhang das Wohngeld, das je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern getragen wird.

(Beifall von der CDU)

Durch die am 1. Januar 2009 in Kraft tretende Wohngeldreform werden künftig wieder wesentlich mehr Menschen wohngeldberechtigt sein.

(Beifall von der CDU)

In den anderen Fällen greifen die Regeln der Sozialgesetzgebung und bieten nachhaltige Unterstützung. Mit dem Pilotprojekt „Aktivierung in der Sozialhilfe“ strebt das Land an, passgenaue Hilfen aus einer Hand zu ermöglichen. Auch so leistet das Land einen wichtigen Beitrag zur Prävention und Behebung sozialer Notlagen.

Die Landesregierung hat zudem darauf hingewirkt, dass sich die in Nordrhein-Westfalen an der gesundheitlichen Versorgung beteiligten Institutionen, zum Beispiel die gesetzlichen Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung, die Ärztekammer Westfalen-Lippe und die kommunalen Spitzenverbände, auf ein bundesweit einmaliges Konzept verständigt haben.

Es ist ein Konzept, mit dem die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen in NordrheinWestfalen durch die sogenannten mobilen Dienste auf eine finanziell tragfähige Basis gestellt wird. Im vergangenen Jahr wurde darüber hinaus die bisherige Wohnungsnotfallstatistik in Nordrhein-Westfalen weiterentwickelt und gibt nun nicht nur Auskunft über die unmittelbar von Obdachlosigkeit Betroffenen, sondern auch über die von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen sowie die strukturelle Zusammensetzung der genannten Personengruppen. Nach Abschluss der Modellphase wird im kommenden Jahr ein ausgezeichnetes Instrumentarium existieren, um Bedarfe in der Wohnungshilfe frühzeitig zu erkennen, um entsprechend zu reagieren.

Ich darf noch einmal die Zahlen nennen, meine Damen und Herren, weil sie in der Tat sehr aussagekräftig sind. Ich meine, darüber sollte man auch ein Stück froh sein, dass laut des Statistischen Landesamtes die Anzahl der Wohnungslosen zwischen 1996 und 2007 bei uns in Nordrhein-Westfalen – hören Sie gut zu! – von 52.500 auf 13.807 gesunken ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, das ist ein Fortschritt. Wenn zum Beispiel in einer Stadt wie Düsseldorf die Anzahl von 3.627 auf 1.037 reduziert worden ist oder in Rheine von 90 auf 24, eine entsprechend kleinere Kommune, oder in Bielefeld von 1.456 auf 215, dann ist das ein Fortschritt.

(Beifall von der CDU)