Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass es einige von Ihnen geschafft haben, pünktlich im Landtag zu sein; die Verkehrsverhältnisse sind wegen des eingebrochenen Winters etwas schwierig.

Ich eröffne die 107. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen und heiße Sie herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

An diesem schönen Wintertag haben drei Kollegen Geburtstag, denen ich im Namen des Hohen Hauses sehr herzlich gratuliere. Dr. Wilhelm Droste von der CDU-Fraktion wird heute 48 Jahre, Herr Kollege Rolf Einmahl 59 Jahre und Herr Marc Ratajczak 35 Jahre alt. Alles Gute im Namen des Hohen Hauses!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde

Wie positioniert sich NRW in Sachen Klimaschutz vor dem Hintergrund der Konferenz in Posen und des EU-Gipfels in Brüssel?

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8032

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zum oben genannten Thema eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Herrn Abgeordneten Priggen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da mich gerade ein Kollege aus der CDU-Fraktion darauf angesprochen hat, sage ich: Das ist heute draußen keine Klimaveränderung, sondern normales Wetter, wie es das im Winter für gewöhnlich gibt. Sie sind ja auch hervorragend damit klargekommen, wie die Präsenz zeigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

In den letzten zwei bis drei Monaten gab es eine intensive politische Debatte über die Finanzmarktkrise. Seitdem haben wir auch eine intensive Debatte darüber, ob es ein Übergreifen auf die Realwirtschaft gibt und was man vonseiten der Politik dagegen tun kann. Wir haben die Diskussion um die Konjunkturprogramme der Bundesregierung. Diese Diskussionen – das habe ich in den Medien verfolgt – gab es auch auf dem CDU-Parteitag. Landauf, landab wird darüber diskutiert, was gemacht werden kann und muss, auch vor dem Hintergrund dessen, was bei den Zulieferern in der Automobilindustrie passiert.

Gleichzeitig haben wir eine intensive Diskussion um die Klimaschutzziele. Es gibt viele Hoffnungen an den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, dass ab Januar die ewige Blockiererrolle der USA bei diesem Prozess aufgebrochen wird. Derzeit finden zwei Konferenzen statt. Die eine Konferenz in Posen, die zwei Wochen dauert, soll die Weltklimakonferenz in Kopenhagen im nächsten Jahr vorbereiten, die ein Erfolg werden muss. Darüber hinaus tagt der EU-Rat am 11. und 12. Dezember, der das EU-Klimapaket beschließen soll. Dabei wird es um so wichtige Punkte wie den Emissionshandel gehen, bei dem die Parameter für die Stromwirtschaft definiert werden müssen. Wir konnten den Medien entnehmen, dass bei der Autoindustrie ein Kompromiss gefunden worden ist, der in Brüssel wahrscheinlich so durchgeht. Wir hören, dass die Autoindustrie vor Freude über das Ergebnis weint, das zu einer Verzögerung beim Klimaschutz führt.

Die Frage ist, wo in dem ganzen Prozess Nordrhein-Westfalen steht. Dazu möchte ich einige Fakten rekapitulieren. Nordrhein-Westfalen ist mit rund 16 Millionen t CO2-Emissionen pro Person eines der Länder auf der Welt, die die höchsten Emissionsraten pro Kopf haben. Wir sind kein kleines Land, sondern bevölkerungsmäßig fast so groß wie Australien. Wir stehen an siebzehnter Stelle der großen Wirtschaftsnationen der Welt. Deswegen ist es nicht unwichtig, was wir machen. Umgerechnet emittiert ein Deutscher 16-mal so viel Kohlendioxid wie ein Inder.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Deutschland emittieren wir 16 t CO2 pro Person und Jahr; in Indien beträgt dieser Wert 1 t. Auf einen Deutschen kommt dreimal so viel CO2 wie auf einen Chinesen.

Im Mai haben wir die sehr interessante Tagung von Frau Ministerin Thoben in Essen besucht. Dort hat uns Prof. Schellnhuber, der Leiter des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, gesagt: Allein der Meeresspiegelanstieg, der aus der jetzt nicht mehr zu verhindernden Erwärmung folgen wird, beträgt 20 m – bei zwei Grad Erwärmung.

Diese Zahl ist so unglaublich, dass der Wirtschaftsausschuss, als er im August beim Potsdam Institut war, explizit hierzu nachgefragt hat. Mir wur

de berichtet: Kollegen aus den Reihen der CDU haben Herrn Schellnhuber explizit gefragt, ob er diese Zahlen, nach denen zwei Grad Erwärmung zu einem Anstieg des Meeresspiegels um 20 m führten, ernst meine. Er hat das bestätigt. – Aus diesen Prozessen wird deutlich, wie eindringlich die Mahnung an uns ist.

Die Frage ist: Was macht Nordrhein-Westfalen vor diesem Hintergrund?

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Fehlanzeige!)

Drei volle Regierungsjahre der neuen Mehrheiten sind vorüber: 2006, 2007 und 2008. Und die Weichen für 2009 sind gestellt.

Man kann zusammenfassen: Sie haben als Klimaschutzziel formuliert, 33 % der CO2-Emissionen bis 2020 zu reduzieren. Das wäre ambitioniert, aber Ihr Handeln ist praktisch auf dem Nullpunkt; Sie tun überhaupt nichts.

(Beifall von den GRÜNEN)

In Nordrhein-Westfalen kommen 60 % der Emissionen aus den Kraftwerken, rund 20 % vom Verkehr und 20 % aus den Haushalten. Wir alle wissen, dass sich die Emissionen des Verkehrs nicht reduzieren. Wenn man genau hinsieht, stellt man fest: Die Motoren sind besser geworden. Die Fahrleistung der Fahrzeuge ist konstant. Aber die Zahl der Fahrzeuge nimmt zu. Das heißt: Bei den 20 % aus den Haushalten müsste das große Reduktionsziel erreicht werden. Das geht aber nicht. Also muss man bei der Kraftwerkstruktur CO2-Reduktionen schaffen.

Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben zwölf Kraftwerksbaustellen in Nordrhein-Westfalen, bei denen die Planungen sehr weit fortgeschritten sind. Mehr als die Hälfte davon ist bereits im Bau. In der Bilanz werden sich die Emissionen Nordrhein-Westfalens aus Kraftwerken nicht um 40 %, wie die Bundesregierung plant, und nicht um 33 % reduzieren, wie Sie gesagt haben. Sie werden sich vielmehr erhöhen.

Das kann man durch einfachste Mathematik nachvollziehen. Wenn man die Stilllegungsplanungen, die nicht in ihren Genehmigungsbescheiden stehen, die aber von Unternehmen geäußert worden sind, und wenn man vernünftige Laufzeiten annimmt, braucht man nur zu saldieren. Dann kommt man zum Ergebnis: Die Emissionen werden zunehmen.

Ich stelle fest, dass auf dem Weg weiter fortgeschritten wird. Der Ministerpräsident hat in seinen neuesten Äußerungen gesagt, bei den Firmen seien Milliarden in der Reserve, die in neue Kraftwerke investiert werden könnten. Offensichtlich ist der Ministerpräsident in der komplexen Materie nicht zu Hause. Denn sonst würde er die Kraft-WärmeKopplung fordern und wissen, dass das die modernen Kraftwerke sind, die wir in Nordrhein-Westfalen dringend brauchen,

(Beifall von den GRÜNEN)

da bei ihnen gleichzeitig Strom erzeugt und Wärme genutzt wird. Es ist der größte Irrsinn, dass wir den dichtesten Besiedlungsraum Europas, das Ruhrgebiet, rundum mit Kondensationskraftwerken zupflastern, bei denen 60 % der Energie in die Luft geht und bei denen innen alles mit importiertem russischen Erdgas beheizt werden muss. – So verrückt ist das.

Stattdessen sollte die Kraft-Wärme-Kopplung eingesetzt werden. Dann sollten die Investitionsmilliarden der Unternehmen genutzt werden, um im Ruhrgebiet, in Düsseldorf, im Kölner Raum und in den weiteren Ballungszentren die Kraft-Wärme-Kopplung einzusetzen, wodurch die Importe von Gas und Öl reduziert würden. Gleichzeitig gilt es, den alten Gebäudebestand zu sanieren. Das wären Konjunkturprogramme, die richtig sind.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Aber zu fordern, dass weitere Kohlekraftwerke gebaut werden, bei denen jeweils 60 % der Energie ungenutzt an die Umgebung abgegeben werden, ist ein falscher Weg. Das ist kein vernünftiges Konjunkturprogramm. Das vergrößert nur die Hypotheken Nordrhein-Westfalens.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich bin gespannt. Ich habe in der Redeliste gelesen, dass die Ministerin gleich antworten wird. Die Landesregierung hat uns im April versprochen, dass sie ein zusätzliches Gutachten in Auftrag gegeben will, mit dem die Potenziale der Kraft-Wärme-Kopplung in Nordrhein-Westfalen untersucht werden. Ich habe die Ankündigung dieses Gutachtens als Drückebergerei gegenüber der vorhandenen Verantwortung empfunden; denn wir wissen bei der Kraft-WärmeKopplung sehr genau, was wir machen müssten. Man könnte also auch handeln.

Wenn ein wirklich gutes Gutachten vorgelegt würde, hätte man ja eine vernünftige Grundlage. Nach meinem Kenntnisstand ist es aber bis heute, ein halbes Jahr später, nicht in Auftrag gegeben worden –

(Wolfram Kuschke [SPD]: Ach nein!)

geschweige denn, dass wir wüssten, wann es vorliegt. Deswegen lauten die spannenden Fragen, die uns die Ministerin gleich erläutern kann: Ist es in Auftrag gegeben? Wann liegt es denn vor? – Dann könnte man endlich Handeln.

Was Sie vorschlagen, stellt kein vernünftiges Konjunkturprogramm dar. Es würde die schweren Hypotheken Nordrhein-Westfalens in diesem Bereich nur noch vergrößern und für die nächsten Jahrzehnte festlegen. Deswegen sollte man sich da verständigen.

Gegen die Kraft-Wärme-Kopplung hat niemand etwas. Aber man muss etwas dafür tun; denn sie kommt nicht von selbst! – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Priggen. – Meine Damen und Herren, für die CDU-Fraktion spricht nun der Kollege Lienenkämper.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Diese Aktuelle Stunde steht heute sozusagen unter der Überschrift „Vertiefung durch Wiederholung“. Ich bin dankbar für die Beantragung, weil es ein weiteres Mal Gelegenheit gibt, dem Hohen Haus die Position der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen zum Klimaschutz darzustellen. Jede Gelegenheit nehme ich wieder zum Anlass, damit die ehrliche Hoffnung zu verbinden, dass irgendwann auch mal eine Lernwirkung einsetzt. Aber Sie wissen ja: Mit der Hoffnung ist das manchmal so eine Sache. Ich gebe sie trotzdem nicht auf.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wir auch nicht! Die Hoffnung ist nämlich grün!)

Das integrierte Energiekonzept der Landesregierung ist, wie Sie wissen, im ersten Halbjahr 2008 verabschiedet worden. Bestandteil dieses Konzeptes ist völlig zu Recht das klare Bekenntnis zu den Klimaschutzzielen der EU und auch zu denen der Bundesregierung – also unter anderem die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 20 % bis 2020 gegenüber der Zielzahl 2005 oder die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 33 % gegenüber 1990. Von 1990 an ist das Thema diskutiert worden. Sie haben in der rot-grünen Regierungszeit bis 2005 dazu herzlich wenig zustande gebracht und fordern jetzt ein Handeln der Landesregierung, das längst erfolgt.

Bestandteil unseres Konzeptes ist auch, und zwar bewusst, der Verzicht auf energiepolitische Irrfahrten.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Der Klimaschutz ist wichtig. Genauso wichtig sind für uns aber Versorgungssicherheit und bezahlbare Energie. Wir müssen sehen, dass ganz NordrheinWestfalen den Klimaschutz der Welt – so groß wir auch sind – nicht alleine wird regeln können.

Deutschland ist beim Klimaschutz insgesamt auf einem guten Weg. Für 2007 können wir feststellen, dass die Treibhausgase im Vergleich zum Anfang der 90er-Jahre um insgesamt 22,4 % zurückgegangen sind. Wir können weiter feststellen, dass für die Zielperiode 2008 bis 2012 eine weitere Reduzierung um 21 % erreicht werden kann und erreicht werden wird. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern da zitiere ich das Bundesumweltministerium wie folgt: