Protokoll der Sitzung vom 03.12.2008

Deutschland ist beim Klimaschutz insgesamt auf einem guten Weg. Für 2007 können wir feststellen, dass die Treibhausgase im Vergleich zum Anfang der 90er-Jahre um insgesamt 22,4 % zurückgegangen sind. Wir können weiter feststellen, dass für die Zielperiode 2008 bis 2012 eine weitere Reduzierung um 21 % erreicht werden kann und erreicht werden wird. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern da zitiere ich das Bundesumweltministerium wie folgt:

Dass Deutschland im Schnitt der Jahre 2008 bis 2012 sein Kyoto-Ziel erreichen wird, kann damit als gesichert gelten.

Das, meine Damen und Herren, ist für uns allerdings kein Grund, uns zurückzulehnen, sondern ein Grund, bei unseren Positionen zum Klimaschutz die besondere Struktur des Landes NordrheinWestfalen auch besonders zu berücksichtigen. Gerade wenn wir, meine Damen und Herren, den CO2Ausstoß weiter konsequent reduzieren wollen, müssen wir das Kraftwerkserneuerungsprogramm dringend und vorrangig umsetzen.

(Beifall von der CDU)

Und darin, meine Damen und Herren, liegt ein erhebliches Potenzial an Reduktionswirkung. Herr Kollege Priggen, es ist ja im integrierten Energiekonzept der Landesregierung kraftwerksscharf nachgewiesen, was gespart werden kann, wenn wir dies umsetzen. Jede einzelne Planung steht darin, auch die CO2-Reduktionen in Millionen Tonnen und auch der Zielkorridor 2020. Wenn Sie allerdings Ihre Position zur Vollauktionierung weiter so vertreten und meinen, bei den Energieerzeugern Liquidität abschöpfen zu können, dann werden Sie genau dafür sorgen, dass diese Liquidität für das Kraftwerkserneuerungsprogramm nicht zur Verfügung steht, und feststellen, dass wir auch die CO2-Ziele nicht erreichen können.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist doch eigentlich eine Frage der Logik. Deswegen verstehe ich an diesem Punkt Ihre Position nach wie vor überhaupt nicht.

Die CO2-Reduktion kann durch das Kraftwerkserneuerungsprogramm substanziell reduziert werden, und wir können gleichzeitig eines der größten Konjunkturprogramme für Nordrhein-Westfalen realisieren, zu dem der Staat keine einzige Mark an Subventionen geben muss und wird. Das wird die Energieindustrie selber schaffen, sie muss es schaffen, es liegt in ihrem und in unserem Interesse, dies zu tun.

Dann will ich noch etwas anderes ansprechen, meine Damen und Herren, den Emissionshandel. Auch der wird in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde völlig zu Recht erwähnt. Wir müssen die energieintensiven Industrien, die wir in Nordrhein-Westfalen haben, in besonderer Weise berücksichtigen. Deswegen ist es richtig, dass sich die Landesregierung von Anfang an an die Spitze derer gesetzt hat, die etwas für die energieintensiven Industrien tun.

(Beifall von der FDP)

Aus Nordrhein-Westfalen ist die „Allianz der wirtschaftsstarken Regionen Europas mit einem hohen Anteil an energieintensiven Industriebetrieben“ hervorgegangen. Aus Nordrhein-Westfalen kommen die Anstöße, was wir tun können. Allein bei der Vollauktionierung für die energieintensiven Industrien –

ich nehme die Glasindustrie heraus – entstehen Zusatzkosten von über 10.000 € pro Arbeitsplatz. Bei anderen Industrieformen ist es genau das Gleiche: Stahlindustrie, Aluminiumindustrie, Chemieindustrie, Glasindustrie, Zementindustrie, Papierindustrie, und ich könnte weitere aufzählen. Wenn wir die Vollauktionierung so durchführen, wie Sie das wollen, meine Damen und Herren von den Grünen, gefährden wir den Industriestandort NordrheinWestfalen. Wir gefährden Arbeitsplätze, und das dürfen wir gemeinsam nicht wollen.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen, meine Damen und Herren, ist es richtig, für dieses Ziel bis zum abschließenden Entscheidungstag in Brüssel weiter zu kämpfen. Wir brauchen da noch weitere Erfolge. Die zeichnen sich im Trilog und in anderen Gesprächen durchaus schrittweise ab. Sie fallen nicht vom Himmel und sind nur deswegen eingetreten, weil wir gekämpft haben – übrigens mit anderen zusammen.

Es ist eine gemeinsame Erkenntnis vieler, unter anderem des Landes Niedersachsen und der IGBCE, der IG Metall und der Wirtschaftsvereinigungen Metall und Stahl, die dazu ein gemeinsames Positionspapier erstellt haben. Ich würde mich freuen, Herr Kollege Römer, wenn Sie in Ihrer Entgegnung nicht wieder die gleiche Rede wie vor zwei Monaten in diesem Hohen Hause halten. Da haben Sie sich im Kern wieder auf streng sozialistische Subventionspolitik zurückgezogen.

(Zuruf von Wolfram Kuschke [SPD])

Sie haben Einnahmen aus dem Emissionshandel verteilt, die Sie überhaupt noch nicht haben und die Sie nach Ihrer Position auch gar nicht erhalten wollen, wenn man die richtigen Teile der Positionen für die energieintensiven Industrien nimmt. Sie haben wieder Geld verteilt, das Sie bei den Unternehmen vorher abschöpfen wollen. Das ist klassische sozialdemokratische – sage ich einmal – Umverteilungspolitik. Das wird uns nicht weiterbringen. Das, was die Landesregierung unternimmt, bringt uns weiter. Ich hoffe, es hat diesmal wenigstens gefruchtet, es noch einmal zu erklären.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lienenkämper. – Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Lienenkämper, von Bündnis 90/Die Grünen wird zu Recht die Frage gestellt, wie sich NRW in Sachen Klimaschutz positioniert. Ich bin auch auf das gespannt, was die Ministerin gleich erklären wird. Bisher ist der Befund bei der Klimaschutzpolitik dieser Landesregierung absolut trostlos.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Am 28. November dieses Jahres berichtete die „Financial Times Deutschland“, der nordrheinwestfälische Ministerpräsident und sein Kollege aus Niedersachsen hätten Frau Merkel aufgefordert, beim Klimaschutz auf die Bremse zu treten. Was tut die Bundeskanzlerin? Sie unterstreicht anschließend in einem Interview der ARD, dass sie trotz der Konjunkturprobleme an den vereinbarten Klimaschutzzielen festhalten wolle, und veröffentlicht diese Aussage als Antwort auf Herrn Rüttgers und Herrn Wulff gleich auf der Homepage der Bundesregierung.

Dann kommt der Parteitag der CDU. Sie sind ja gerade von dort zurückgekehrt. Frau Thoben und Herr Lienenkämper, dort hätten starke Landesverbände die Energie- und die Klimaschutzpolitik der CDU prägen können.

Nun habe ich heute Morgen von Minister Laschet in einem Interview des Westdeutschen Rundfunks gelernt, dass dann, wenn es auf dem CDUBundesparteitag ernst wurde – wie bei dem „tollen“ Beschluss, Deutsch als Landessprache im Grundgesetz zu verankern –, er und viele andere gar nicht auf dem Parteitag gewesen sind. Anschließend distanziert er sich dann von diesem Beschluss.

Herr Laschet und Frau Thoben, das verstehe ich nicht unter einem vernünftigen parteipolitischen Engagement im Kampf für sinnvolle Ziele. Man muss sich auf dem Parteitag für die Ziele einsetzen, die man verfolgt und vertritt, anstatt anschließend zu sagen: Damit habe ich aber nichts zu tun.

(Beifall von der SPD)

Frau Thoben, ich habe keinen Antrag aus Nordrhein-Westfalen zu den Zielen, die Sie in der Energie- und Klimapolitik verfolgen, gesehen. Fehlanzeige! Kein Braunkohlen-Benchmark, Herr Lienenkämpfer, keine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die Energiewirtschaft, keine Bremsversuche bei der Klimapolitik der Bundesregierung – nichts als unverbindliche Zeitungsüberschriften, Frau Thoben, ich will das noch einmal feststellen. Sie gefallen sich in dieser wichtigen Frage ganz offensichtlich in der Rolle der Oppositionspolitikerin.

Das haben Sie im Übrigen auch bei der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Mittelstand und Energie am 5. November 2008 in einer Antwort auf eine von mir gestellte Frage zugegeben. Dort haben Sie ausgeführt, Sie hätten ja auch gar nicht behauptet, mit den Vorstellungen Nordrhein-Westfalens bisher sehr erfolgreich gewesen zu sein.

Das ist doch der Punkt, Frau Thoben. Sie geben Presseerklärungen ab, aber sind mit Ihren Zielen überhaupt nicht erfolgreich – nicht einmal in Ihrer eigenen Partei.

(Beifall von der SPD)

Dabei steht die Union in vielfacher Verantwortung. Sie stellen die Bundeskanzlerin. Sie stellen den Bundeswirtschaftsminister. Sie stellen in diesem Land den Ministerpräsidenten.

Frau Thoben, Sie als Wirtschaftsministerin haben wichtige Verantwortung für das Industrie- und Energieland Nordrhein-Westfalen. Daher reicht es nicht, gestern, am 2. Dezember 2008, Grußadressen an die demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen nach Brüssel zu schicken. Das ist nicht genug. Man muss sich in der Verantwortung einer Landesregierung schon für die Interessen seines Landes und der Kolleginnen und Kollegen einsetzen – und zwar erfolgreich einsetzen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Klaus Kaiser [CDU])

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, Herr Lienenkämper, gestatten Sie mir zum Emissionshandel vorab nur zwei Anmerkungen.

Erstens. Deutschland fordert zu Recht – da sind wir völlig einig – Ausnahmen für die Industriesektoren wie Stahl oder Zement mit hohem Energieverbrauch, die dem harten globalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Hier ist ein Blick – dies empfehle ich Ihnen – auf die Ausgangslage wichtig.

Die Kommission der Europäischen Union hat einen Vorschlag vorgelegt, der unsere berechtigten Interessen nicht berücksichtigt. Im Umweltausschuss hat die Fraktion der Europäischen Volksparteien – dort sind Sie mit Ihren Mitgliedern des Europäischen Parlaments Mitglied; Ihre Mitglieder, auch aus Nordrhein-Westfalen, tragen dort Verantwortung – einen Vorschlag unterbreitet, der überhaupt nicht mit unseren Interessen übereinstimmt.

Frau Doyle als Berichterstatterin hat sogar noch widersinnige Verschärfungen durchgesetzt. Nach ihrem Willen soll die Industrie die Zertifikate von 2013 an stufenweise und ab 2020 vollständig bezahlen.

Herr Lienenkämper, das ist die Adresse, an die Sie sich wenden müssen – an die Leute in Ihren eigenen Reihen –, wenn Sie erfolgreiche Politik machen wollen.

(Beifall von der SPD)

Unser Umweltminister Sigmar Gabriel kämpft im Übrigen im Namen der gesamten Bundesregierung – wie ich finde, erfolgreich – dagegen, Industrie und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen.

(Zurufe von Christian Weisbrich [CDU] und Holger Ellerbrock [FDP] – Gegenruf von Hannelore Kraft [SPD])

Frau Thoben, Minister Gabriel hat mit der IG Metall eine gemeinsame Position dazu entwickelt, die wir unterstützen. Wo haben Sie, die Sie uns das ja immer erzählen wollen, denn eine gemeinsame Position dieser Landesregierung mit nur einer Ge

werkschaft zustande gebracht? Ich sehe da überhaupt nichts.

(Beifall von der SPD)

Sie geben Presseerklärungen ab und schreiben Grußadressen. In Ihrer praktischen Politik sind Sie aber völlig erfolglos.

Herr Lienenkämper, wir fordern gemeinsam eine Vollausstattung der Industrie nach branchenspezifischen Benchmarks. Wir wollen vor allem Investitionssicherheit durch zeitnahe Entscheidungen.

Frau Thoben, dazu passt es dann aber nicht, wenn Ministerpräsident Rüttgers bei der Bundeskanzlerin darum wirbt, dass alles das, was aus Gründen der Investitionssicherheit für unsere Industrie in Nordrhein-Westfalen Ende dieses Jahres dringend in Brüssel verabredet werden muss, noch herausgeschoben werden soll.

Herr Lienenkämper, deshalb wollen und brauchen wir auch einen Ausgleich für indirekte Belastungen, die beispielsweise dann entstehen, wenn Energieunternehmen die Zertifikatepreise auf alle übertragen. Da hätten Sie dem entsprechenden Antrag, den wir hier im Landtag eingebracht haben, zustimmen können.

(Beifall von der SPD)

Sie haben das abgelehnt. Sie machen nur Getöse und bekommen überhaupt nichts hin, weder in Ihren eigenen Reihen noch in der Öffentlichkeit. Wenn Sie an unsere Seite treten würden, könnten Sie Nordrhein-Westfalen an dieser Stelle konkret helfen.

Frau Thoben, ich bin gespannt, was Sie uns jetzt wieder erzählen. Herr Priggen hat zu Recht darauf hingewiesen: Sie haben großtönend über Klimaschutzziele geredet. Wir vermissen bis heute Ihre konkrete Vorstellung. Vielleicht erfahren wir gleich von Ihnen etwas. – Vielen Dank.