ehrbaren, vorsichtigen, umsichtigen Kaufmann, vom eisernen Helmut, vom starken Mann im Kabinett Rüttgers,
(Martin Börschel [SPD] ruft, während er auf die Ministerbänke deutet, auf denen lediglich Minister Dr. Linssen sitzt: Er ist heute der Einzige!)
vom Sanierer der Landesfinanzen oder Ähnlichem war die Rede. Meine Damen und Herren, der Finanzminister der Superlative war geschaffen.
Die Amtsvorgänger waren bei solchen selbst verliehenen Prädikaten eher vorsichtiger und bescheidener. Zu Recht! Denn nach drei Jahren Amtszeit zeigt sich, dass seit Regierungsübernahme im Juni 2005 und heute eine Menge passiert ist. Selten ist ein Finanzminister so schnell von der Realität eingeholt worden. Selten war die Kluft zwischen eigenem Anspruch und eigenem Handeln so groß wie heute.
Um diese tiefe Kluft deutlich zu machen, ist es hilfreich, die Texte von Dr. Linssen oder seiner Fraktion nachzulesen. Das haben wir getan; wir haben uns die Mühe gemacht, in die Archive zu gehen. Dabei ist uns eine Menge Material in die Hände gefallen. Heute möchte ich drei Punkte herausgreifen, die aus unserer Sicht besonders aktuell und prekär sind.
Erstens. Der Schuldenberg. Der Finanzminister sagte am 8. Dezember 2005 völlig zu Recht – das ist erst drei Jahre her – auf seiner eigenen Pressekonferenz:
Wir müssen konsolidieren, weil das strukturelle Defizit des Landeshaushalts ohne Gegensteuern ins Uferlose anwachsen würde.
Interessant ist allerdings, dass Sie bestätigen, dass 106,8 Milliarden € Schulden von Rot-Grün übernommen zu haben. Das war in Zeiten wirtschaftlich schwieriger Situationen mit deutlichen Steuermindereinnahmen; große Sparpakete für Beamte und Beamtinnen sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung wurden verabschiedet. Von 106,8 Milliarden € sind die Schulden – meine Damen und Herren, Sie werden hören und staunen – am Ende des kommenden Jahres auf 121,8 Milliarden € angewachsen. Herr Finanzminister, das sind 15 Milliarden € neue Schulden. Ich rufe nochmals Ihr Zitat „Wir müssen konsolidieren …“ in Erinnerung und sage deutlich: versprochen – gebrochen!
Zweitens. Neue Schulden. Die CDU-Fraktion hat sich mit der FDP-Fraktion die Mühe gemacht, einen umfangreichen Antrag – Drucksache 14/2578 – im September des Jahres 2006 vorzulegen. Es geht
um die – so die Überschrift – „Streichung des kreditverfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestands der ‚Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts’“. Was ist das, meine Damen und Herren?
Es geht darum, dass wir in der Verfassung einen Artikel haben, der besagt: Eine Schuldenaufnahme ist möglich, wenn das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. Der Finanzminister und seine Fraktion sowie die FDP-Fraktion sagen in diesem Antrag – ich zitiere –:
Eine Kreditaufnahme zur Abwehr von gesamtwirtschaftlichen Störungslagen verspricht demnach keinen Erfolg; sie wirkt umso unheilvoller, je stärker sie die tatsächlich getätigten Investitionen übersteigt.
Meine Damen und Herren, der Finanzminister tut jetzt genau das Gegenteil dessen, was seine Fraktion in dem Antrag formuliert. Er nimmt 1,3 Milliarden € mehr Schulden auf ohne eigenes Programm zur Ankurbelung der wirtschaftlichen Konjunktur: ein Trittbrettfahrer in der wirtschaftlichen Krise. Meine Damen und Herren, auch an dieser Stelle: versprochen – gebrochen!
Drittens das Thema „Schuldenabbau und Steuereinnahmen“. Der Finanzminister hat sehr deutlich gemacht – in seiner Pressemitteilung vom 30. Oktober 2006 nachzulesen –, dass sein Kabinett und die Regierungsfraktionen bereits im Frühjahr beschlossen hätten – ich zitiere wörtlich –, „alle zusätzlichen Steuereinnahmen zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung zu verwenden. Die Landesregierung“– so heißt es vollmundig – „hält an ihrem Kurs der strikten Haushaltskonsolidierung fest, um die Nettoneuverschuldung weiter zurück zu führen.“ – So der Anspruch.
Jetzt schauen wir einmal, was passiert ist. Wir hatten Steuermehreinnahmen von etwas mehr als 7,6 Milliarden € – prognostiziert bis zum Ende des nächsten Jahres. Der Rückgang der Verschuldung beträgt 2,2 Milliarden €. Wenn man das richtig in den Taschenrechner eingibt, dann sind nur 30 % der Steuermehreinnahmen für eine geringere Neuverschuldung eingesetzt worden. Meine Damen und Herren, auch an dieser Stelle: versprochen – gebrochen!
Interessant ist, dass der Finanzminister im August hier im Parlament bei Einbringung des Haushaltsplanentwurfes 2009 selber gesagt hat, dass er – ich zitiere – „fast 90 % der für das Land disponiblen Steuermehreinnahmen in die Reduzierung der Nettoneuverschuldung“ hat fließen lassen. Meine Damen und Herren, diese Zahl ist bis heute nicht aufgeklärt. Ich unterstelle, Herr Finanzminister, dass Sie an dieser Stelle nicht seriös gerechnet haben.
Wir haben einen weiteren, dritten Punkt, der interessant ist. Dabei geht es um die Frage: Was passiert mit den 250 Millionen €, die wir in diesem Jahr noch an Steuermehreinnahmen haben? – Meine Damen und Herren, auch hier wird nicht das passieren, was Dr. Linssen damals versprochen hat. Nein, meine Damen und Herren, 250 Millionen €, die die Bürger in diesem Lande zusätzlich in die Steuerkassen gezahlt haben, werden als Risikoschirm für die Westdeutsche Landesbank verwendet. Also auch an dieser Stelle: versprochen – gebrochen!
Meine Damen und Herren, das sind nur einige Beispiele. Wir haben noch weitere. Die Diskussion ist noch nicht zu Ende; die Legislaturperiode dauert noch an. Sie zeigt aber heute schon: Alle selbst gesteckten Ziele sind nicht erreicht. Noch nie musste ein Finanzminister so schnell alle Positionen aufgeben. Es gibt sie nicht mehr, Herr Dr. Linssen, die eigenkreierte Marke vom harten Sanierer, vom seriösen Kaufmann, vom starken Mann in Rüttgers’ Kabinett.
Meine Damen und Herren, der selbst ernannte ehrbare Kaufmann ist zum fliegenden Händler abgestiegen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Walsken. – Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Weisbrich das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, lassen Sie mich direkt Klartext reden.
Dieser Antrag ist so dreist und so unverschämt, dass Sie, Frau Walsken, sich eigentlich in ein Mauseloch verkriechen müssten.
Sie glauben doch nicht im Ernst, dass wir uns eine solche Geschichtsklitterung gefallen lassen oder dass Sie bei den Bürgern im Land damit durchkommen.
Sie werfen uns eine Ausgabensteigerung von 5,43 Milliarden € seit der Abwahl von Rot-Grün vor. Dabei unterschlagen Sie als Bezugsgröße Ihren eigenen Nachtragshaushalt, den Sie im Februar 2005 noch beschlossen haben, und Sie unterschlagen bewusst Ihre Trickserei vor der Landtagswahl beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb und bei der Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft sowie im Länderfinanzausgleich, die unmittelbar nach der Wahl korrigiert werden mussten und einen zweiten Nachtrag erforderlich gemacht haben.
Die echte Differenz, Frau Kollegin Walsken, zwischen dem Haushaltsvollzug 2005, den Sie zu vertreten haben, und dem Haushalt 2009 beträgt deshalb nicht 5,43 Milliarden €, sondern nur 1,7 Milliarden €. Das ist dann eine Steigerung von etwas mehr als 3 % des Haushaltsvolumens in vier Jahren und damit nun wirklich ein echter Konsolidierungserfolg.
Am 19. November noch – also vor wenigen Wochen – hat Ihre Fraktionsvorsitzende, Frau Kraft, in einer Pressemitteilung behauptet, bis Ende 2009 werde die Koalition 12 Milliarden € neue Schulden machen.
Jetzt werfen Sie uns bereits 15 Milliarden € zusätzliche Schulden vor. Was gilt denn jetzt: 12 oder 15? – Ich darf es Ihnen sagen: Beide Zahlen sind total falsch, denn sie unterschlagen die Ist-Zahlen Ende 2005. Der Anstieg bis zum 31.12.2009 wird deshalb weit geringer sein. Aber das wird der Finanzminister ja wahrscheinlich noch klarstellen.
Falsch ist auch die von Ihnen behauptete Steuermehreinnahme. In der Pressemitteilung von Frau Kraft am 19. November waren das noch 7,76 Milliarden €. In Ihrem Antrag von heute sind Sie auf 7,65 Milliarden € zurückgegangen. Die Experten im Finanzministerium kommen beim besten Willen nicht auf diese Zahlen. Denen fehlen daran immer noch 500 Millionen €. Wenn Sie in Ihrer Mediengesellschaft bei der SPD noch irgendwelche zu versteuernden Gewinne haben, die noch nicht aufgedeckt sind, dann her damit. Wir können die Knete gut gebrauchen.
Sie behaupten, die Landesregierung habe 2006 entgegen ihrer Ankündigung nicht alle zusätzlichen Steuereinnahmen zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung eingesetzt. Der Finanzminister wird Ihnen exakt das Gegenteil beweisen. 2006 sind alle Steuermehreinnahmen zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung eingesetzt worden.
Sie behaupten weiter, von 2005 bis 2009 seien nur – eben haben Sie 30 % gesagt, in Ihrem Antrag stehen noch 29 % – 29 % der Steuermehreinnahmen zur Absenkung der Neuverschuldung genutzt worden. Frau Kollegin Walsken, das ist total falsch. Tatsächlich wurden bezogen auf 2009 65,9 % der dem Land nach Abrechnung des kommunalen Steuerverbundes verbleibenden Steuermehreinnahmen