Also: Methusalem-Komplott, parteipolitische Diskussionen. Es sind Prognosen veröffentlicht worden, nach denen unsere sozialen Sicherungssysteme auf Dauer nicht mehr stabil wären. Alles in allem war es eine Diskussion, die vor allen Dingen in Moll geführt worden ist.
Ich finde das unangemessen, weil der demografische Wandel zunächst einmal bedeutet, dass immer mehr Menschen immer länger leben und auch immer später pflegebedürftig werden. Das ist nichts anderes als eine zivilisatorische Errungenschaft. Vielleicht darf man sogar von einem Menschheitstraum sprechen.
Insofern sollten wir diese Diskussion vor dem Hintergrund einer großen Chance für unsere Gesellschaft führen, gerade auch für jede Einzelne und jeden Einzelnen. Allerdings, diese Chancen des demografischen Wandels, dieser Gewinn, der mit der veränderten Bevölkerungsstruktur zusammenhängt, ist gefährdet, wenn wir nicht heute die richtigen Weichen stellen, wenn wir nicht heute die Gesellschaft in den unterschiedlichen Bereichen auf diese großen und tiefgreifenden Veränderungen vorbereiten.
Das sind mitnichten nur Veränderungen etwa in den sozialen Sicherungssystemen, sondern in allen Lebensbereichen. Die Nachfrage nach Wohnraum verändert sich, öffentliche Infrastruktur wird in anderer Weise genutzt. Wenn beispielsweise die Bevölkerungszahl zurückgeht und es mehr Einpersonenhaushalte gibt, dann sind möglicherweise die Abwasseranlagen zu groß dimensioniert mit der Folge, dass es stinkt, weil nicht mehr genug Durchlauf in den Abwasserkanälen ist. Jeder wird merken und spüren, dass öffentliche Infrastruktur nicht nachhaltig angepasst und entwickelt worden ist. Man könnte viele weitere Beispiele aus dem Bereich von Bil
Mithin geht es um eine strategische Aufgabe. Diese strategische Aufgabe müssen die Kommunen, aber auch das Land als Moderator annehmen. Das muss systematisch erfolgen. Der Freistaat Sachsen ist hier seit 2002 Vorreiter in Deutschland. Gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung sind tiefgreifende strategische Konzepte unter Einbeziehung der Kommunen entwickelt worden.
Wir haben in der alten Legislaturperiode im Landtag oft darüber diskutiert. Ich muss bemängeln, dass die damalige rot-grüne Landesregierung in diesem Bereich nichts getan hat. Sie hätten von Sachsen lernen können. Sie haben sich damals dieses Querschnittthemas nicht angenommen. Es ist ein Verdienst dieser schwarz-gelben Regierungskoalition, dass wir uns jetzt erstmals im Landtag über das Querschnittsfeld des demografischen Wandels miteinander unterhalten können.
Es ist bedauerlich, dass die SPD sogar die Berechtigung für diesen Debattenpunkt heute infrage gestellt hat. Das zeigt, wie wenig Sie diese Herausforderung als zentrales strategisches Thema der Landespolitik erkannt haben.
Fraglos würde ich mir auch wünschen, dass wir gemeinsam in der Lage wären, den demografischen Wandel jenseits von einzelnen Maßnahmen noch stärker strategisch zu diskutieren. Aber ich habe es so verstanden, dass wir heute hier nur einen ersten Zwischenstand aus der interministeriellen Arbeitsgruppe Demografie entgegennehmen. Für einen späteren Zeitpunkt müssten wir eher über eine Art Masterplan nachdenken,
Ganz konkret haben wir aber unser Regierungshandeln als Koalition bereits an den Anforderungen des demografischen Wandels ausgerichtet. Ich will das an wenigen Beispielen deutlich machen.
Zum Bereich Bildung: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen wird bis zum Jahr 2015 um 15 % zurückgehen, aber nicht überall um den gleichen Prozentsatz. Die Bevölkerungsprognosen sind bekannt. Eben wurde schon gesagt: An manchen Stellen wird es noch Zuwächse geben. An anderen Stellen wird es sehr viel stärkere Einschnitte geben.
Das ist eine große Chance. Zurückgehende Kinderzahlen bieten uns nämlich die Möglichkeit, eine deutliche Qualitätsverbesserung zu erreichen, wenn wir nicht sparen, sondern nur die bestehenden Mit
tel fortschreiben, die heute in Bildung und Betreuung investiert werden. Das wollen wir als Koalition tun. Darüber hinaus stellen wir sogar noch zusätzliche Mittel bereit. Obwohl die Schülerzahlen und die Kinderzahlen sinken, gibt es zusätzliche Mittel. Als Beispiel nenne ich die 7.000 zusätzlichen Lehrerstellen.
Wie aber wollte es Rot-Grün machen? Was waren eigentlich Ihre Pläne? Wie wollten Sie eigentlich auf den demografischen Wandel im Bildungsbereich reagieren? Es gibt zum Beispiel die Mitteilung Nr. 346 des Städte- und Gemeindebunds aus dem Jahr 2004. Darin wird von einer Entscheidung des rot-grünen Kabinetts berichtet, wonach Demografiegewinne aus dem System Kindertageseinrichtungen bis zum Jahr 2015 vom Innenminister abgefordert worden sind, und zwar für die Haushaltskonsolidierung. Wir investieren zusätzlich in diesen Bereich, während Sie Geld abrufen wollten!
Wie ist das im Schulbereich gewesen? Ich rufe es noch einmal in Erinnerung. Wir haben 7.000 zusätzliche Stellen geschaffen. Sie hingegen hatten Pläne, auch dort die Demografiegewinne – welch ein zynisches Wort haben Sie da verwendet! – abzuschöpfen.
Bis in die nächste Legislaturperiode hinein wollten Sie 14.000 Lehrerstellen abbauen. Wir schaffen 7.000 zusätzliche Stellen und behalten die 14.000 Stellen im System. Das ist eine Reaktion auf den demografischen Wandel.
Er wird nicht zur Haushaltskonsolidierung missbraucht. Wir nutzen ihn, um die Qualität zu verbessern. In dieser Frage sind Sie gescheitert!
Wir müssen an anderen Stellen unser Bildungssystem demografiefest machen. Das ist zweifelsohne richtig und auch Gegenstand der politischen Diskussion. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es auch unterschiedliche Nuancierungen zwischen den beiden Regierungsparteien gibt.
Ich war dieser Tage im Kreis Euskirchen. Im Kreis Euskirchen wird es in absehbarer Zeit keine einzige Hauptschule mehr geben, die einzügig geführt werden kann. Darauf ist meiner Auffassung nach zu reagieren, vielleicht sogar noch über das hinaus, was das neue Schulgesetz ermöglicht.
Gleichwohl ist das kein Anlass für eine Systemdiskussion. Es ist kein Anlass für die Diskussion, ob man ein gegliedertes oder ein integriertes Schulsystem wählt.
Was uns unterscheidet, ist Folgendes: Wir als Freie Demokraten wollen Veränderungen an unserem Schulsystem, damit wir das gegliederte Schulsystem in Zeiten des demografischen Wandels erhalten können. Sie wollen den demografischen Wandel zum Anlass nehmen, um in Wahrheit endlich Ihre egalitären bildungspolitischen Vorstellungen umzusetzen. Das ist eine ganz andere Veranlassung.
Frau Kraft, es ist doch ein bisschen zu kleinlich, zu sagen, die Freien Demokraten wollten zwei Klassen.
Wenn Sie den Blick durch Deutschland schweifen lassen und Ihren eigenen Tellerrand hintanstellen, stellen Sie fest: In Baden-Württemberg gibt es jetzt ein Zwei-Säulen-Modell mit den sogenannten Werkrealschulen. Ihr SPD-Bildungssenator in Berlin hat gerade gesagt, er halte nichts mehr von einem integrierten Schulsystem.
Das, was Sie vertreten, wollen selbst führende Bildungspolitiker der SPD schon längst nicht mehr. Sie leben hinter dem Mond.
(Hannelore Kraft [SPD]: Was will denn die FDP in Schleswig-Holstein? Darüber können wir auch einmal sprechen!)
Als zweiten Bereich möchte ich die öffentlichen Finanzen ansprechen. Ich will Sie nicht weiter mit dem Schuldenstand behelligen, den Sie uns hinterlassen haben. Der ist Ihnen selbst nur zu gut bekannt.
Herr Sagel, dass ausgerechnet Sie als Politiker der Linkspartei hier dazwischenrufen, ist beachtlich. Ihre Partei hatte in der DDR einen Staatsbankrott zu verantworten.
Im Übrigen haben Sie hier eigentlich überhaupt kein Mandat. Sie haben Ihr Mandat von den Grünen geklaut. Insofern halten Sie sich einmal ein bisschen geschlossen!