Protokoll der Sitzung vom 17.12.2008

Im Übrigen haben Sie hier eigentlich überhaupt kein Mandat. Sie haben Ihr Mandat von den Grünen geklaut. Insofern halten Sie sich einmal ein bisschen geschlossen!

(Beifall von der CDU – Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Ich komme auf den öffentlichen Finanzen zurück. Wie ich schon sagte, geht es mir gar nicht um den Schuldenstand. Dieser ist jedem bekannt.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Ja, Herr Sagel. Beruhigen Sie sich bitte wieder!

(Weiterer Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktions- los] – Unruhe – Glocke)

Ja, diese alte Blockflötendiskussion. Der Unterschied ist: Sie haben direkt die ganze SED mitsamt Vermögen übernommen. Seien Sie also einmal ein bisschen ruhig!

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Und Sie haben die Blockflöten übernommen!)

Wir haben überhaupt keine Blockflöten übernommen.

Meine Damen und Herren, wir führen hier eine Landtagsdebatte. Diese darf nicht hauptsächlich aus Zwischenrufen bestehen. Herr Lindner hat das Wort.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Danke, Frau Präsidentin. Ich hätte die Zwischenrufe von Herrn Sagel aber ausgehalten.

Ich nehme noch einen Anlauf: Gleichwohl geht es um Finanzpolitik, gar nicht um den Schuldenstand. Mir geht um die Frage, wie wir eigentlich die Nachhaltigkeit unserer öffentlichen Haushalte prüfen.

Dieser Landtag hat im Haushaltsgesetz 2003/2004 beschlossen – ich erinnere mich deswegen so gut, weil es ursprünglich eine Initiative meiner Fraktion war –, dass wir zukünftig regelmäßig die öffentlichen Finanzen einer Nachhaltigkeitsuntersuchung unterziehen wollen. Wenn ich mich recht erinnere, war es in § 7b Haushaltsbegleitgesetz 2003/2004 geregelt. Damals war Peer Steinbrück noch Finanzminister.

Haben Sie von SPD und Grünen seinerzeit einen solchen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt? Sie führen die Nachhaltigkeit auch bei öffentlichen Finanzen oft im Wort. Es gab im Haushaltsbegleitgesetz 2003/2004 eine gesetzliche Verpflichtung. Sie haben nichts vorgelegt.

Unter Punkt 15 steht der Nachhaltigkeitsbericht heute auf der Tagesordnung. Dieser bezieht sich aber nicht auf Ihre Verantwortungszeit. Wir als Koalition haben das Thema angeschoben, damit es in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Sie sind der gesetzlichen, von Ihnen selbst beschlossenen Verpflichtung damals nicht nachgekommen, die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen zu prüfen.

Das zeigt, wie wenig glaubwürdig SPD und Grüne gleichermaßen in Bezug auf Nachhaltigkeit sind. Es ist nichts dahinter. Die Parteien, die in NordrheinWestfalen für Nachhaltigkeit stehen – im Bereich der öffentlichen Finanzen, im Bildungsbereich, im Familienbereich

(Karl Schultheis [SPD]: Sagen Sie nicht, das sei die FDP!)

und in Fragen der öffentlichen Infrastruktur –, sitzen hier drüben.

Deshalb ist es richtig und gut, dass wir uns heute mit dem demografischen Wandel beschäftigen. Ich darf Ihnen versprechen, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir uns mit diesem Thema befassen. Es muss ein regelmäßiger Punkt unserer Landtagsberatungen sein. – Schönen Dank.

(Beifall von FDP und CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Dritter Punkt, Christian! Du hast drei Punkte angekündigt!)

Danke schön, Herr Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Asch.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Das, was uns die Landesregierung heute Morgen als Unterrichtung geliefert hat, war eine sehr müde, sehr unambitionierte Vorstellung.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das müssen wir hier gemeinsam konstatieren.

Um im Bild zu bleiben – Herr Laschet, Sie scheinen ja schon etwas in Silvesterlaune zu sein und haben „Dinner for One“ zitiert –: Zu dem, was Sie hier heute Morgen abgeliefert haben, kann man nur sagen: The same procedure as every year.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es war nämlich eine Aneinanderreihung aller angeblichen Wohltaten, die Sie hier über das Land ausgießen und immer wieder aufführen, aller möglichen Pakte, Pakt mit der Jugend, Pakt für Familien, Ihrer Bildungspolitik, Ihrer Schulpolitik,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Alles nur der Pakt fürs Image!)

über die Sie sich noch nicht einmal in der Koalition einig sind. All das haben Sie hier zum wiederholten Male ausgebreitet und sich mit Eigenlob überhäuft.

Aber von dem, was wir brauchen, was dieses Land benötigt, nämlich Strategien, zukunftsgerichtete Strategien, um den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen, haben wir heute Morgen kein Wort gehört.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Laschet, Sie hätten uns alle besser aufgeweckt, wenn Sie uns hier den James gemacht hätten und kurz in der Mitte des Plenums über den Tiger gestolpert wären. In der Politik machen Sie das ja manches Mal. Wenn Sie das auch heute Morgen gemacht hätten, wären wir alle besser wach geworden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Diskurs über den demografischen Wandel ist geprägt einerseits von Ignoranz. Viele wollen ihn gar nicht wahrnehmen. Ihnen scheint das Problem zu komplex zu sein. Andere reagieren mit überzogenen Katastrophenszenarien und sehen den Krieg der Generationen auf uns zukommen. Die Vergreisung der Gesellschaft und das Ende unserer sozialen Sicherungssysteme werden vorausgesagt.

Wir Grüne wollen die Situation weder ignorieren noch dramatisieren, sondern wir wollen ausloten, welche Chancen in diesen demografischen Veränderungen, in diesen tiefgreifenden Veränderungen für unsere Gesellschaft, für unser Land NordrheinWestfalen liegen.

Wir haben zu diesem Thema im letzten Jahr einen großen Kongress ausgerichtet, bei dem wir die vielfältigen Dimensionen des demografischen Wandels beleuchtet und analysiert haben. Eine ganz wesentliche Erkenntnis war dabei, dass der Wandel erst dann wirklich zielführend gestaltet werden kann, wenn wir ihm rational begegnen. Dazu gehört auch, mit einigen Mythen aufzuräumen, die sich mit diesem Wandel verbinden.

Da wäre zum Beispiel der Mythos, die Deutschen sterben aus, weil sie immer weniger Kinder bekommen. Wir wissen aber – das sagen uns die Statistiker, und wir haben das in der Enquete für Kinder auch sehr deutlich gehört –: Seit dem Pillenknick in den 70er-Jahren ist die Geburtenrate bei 1,7 Kindern pro Paar stabil geblieben. Also auch hier stimmt die Argumentationsfigur nicht, alles werde schlimmer. Gleichwohl führt natürlich diese anhaltend niedrige Geburtenrate dazu, dass nicht genug Kinder geboren werden, um die Sterblichkeitsrate auszugleichen.

Nun gibt es in Deutschland in der jüngsten Zeit eine gewisse Tendenz, auf diese Entwicklung mit gezielter Bevölkerungspolitik zu reagieren. Ich meine, in Deutschland sollte sich angesichts der bevölkerungspolitischen Maßnahmen im deutschen Faschismus so etwas von selbst verbieten. Abgesehen davon haben ähnliche Versuche

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

in einer anderen totalitär geprägten Politik auf deutschem Boden, nämlich der der DDR – die hat das Gleiche versucht –, wenig Erfolg erzielt.

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

Das liegt daran, dass die Entscheidung für Kinder eben nicht von einigen wenigen Faktoren abhängt. Genau hier liegt die Chance für unsere Gesellschaft, nicht Bevölkerungspolitik zu betreiben, meine Damen und Herren, sondern unser Land insgesamt kinderfreundlicher und familienfreundlicher zu gestalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dazu gehört eine ganze Palette von Maßnahmen und nicht nur irgendwelche Pakte, die auf dem Papier stehen. Dazu gehören eine kinderfreundliche Stadtplanung, Verkehrsberuhigung, Freiflächen, in denen Kinder Räume haben zum Spielen und zur Bewegung. Dazu gehören ganz wesentlich eine bedarfsgerechte Betreuungssituation von klein an, familienunterstützende Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gestalten, und gut ausgestattete erreichbare Bildungsinstitutionen.

Das Ermutigende und Erfreuliche dieser Erkenntnis ist, dass damit auch den Bedürfnissen einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft entsprochen wird, denn eine kinderfreundliche Stadt ist auch eine altenfreundliche Stadt, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn die Räume und die Verkehrsplanung eher an Fußgängern ausgerichtet sind, wenn wir verkehrsberuhigte Zonen nicht als Ausnahme, sondern als Normalfall schaffen und Infrastruktureinrichtungen wohnortnah im Quartier vorhanden sind, dann kommt das den Kleinen wie den Älteren zugute.

Deshalb liegen die großen Herausforderungen für die Gestaltung des demografischen Wandels in der lokalen Quartiersplanung. Die müssen wir von Landesseite unterstützen und müssen neue kommunale Spiel- und Entscheidungsräume eröffnen.

Die Expertenanhörung des Ausschusses für Generationen zu unserem Grünen-Antrag „ Leben im Alter im Wohnquartier sichern“ hat das in sehr eindrucksvoller Weise und anhand von kommunalen Beispielen deutlich gemacht. Statt den Krieg der Generationen vorauszusagen, gilt es, die Chance für generationenübergreifende Projekte und Planungen zu ergreifen, meine Damen und Herren.

Es hilft nicht, lediglich darauf hinzuweisen, wie sich denn ein Jugendlicher angesichts der Überzahl von älteren Menschen wohl fühlen wird, sondern es geht darum, ganz konkret Möglichkeiten der Begegnung, des gemeinsamen Wohnens, des gegenseitigen Unterstützens zu schaffen. Hier sind Räume zu schaffen, in denen die Alten ihre Kompetenzen einbringen können. Da kann es sein, dass sie den Jugendlichen beim Vokabelnlernen helfen und dann im Anschluss von denselben Jugendlichen den Einkauf erledigt bekommen. Das ist ein fruchtbares