Protokoll der Sitzung vom 17.12.2008

Aber Sie machen alles andere als das: Sie nehmen den Kommunen die Finanzkraft, um diese Aufgaben zu erfüllen. Mit Ihrer Finanzpolitik in NordrheinWestfalen sind Sie im Moment auf dem Weg, die Kommunen auszuhungern. Sie stärken die Kommunen nicht. Das wäre ein Signal für die Kultur und auch für die Theaterlandschaft in NordrheinWestfalen.

Ich komme noch einmal zu dem Inhalt, nämlich zu der Frage, warum jetzt ausgerechnet das Schauspielhaus Essen und das Schauspielhaus und die Oper Köln. Das ist auch aus dem Expertenbericht abgeschrieben. Der Expertenbericht hat es bei den Bühnen Essen damit begründet, dass sie so erfolgreich sind und dass Essen Kulturhauptstadt wird. Bei Köln wird es damit begründet, dass sie so schlecht waren und dass in den letzten Jahren so furchtbar gekürzt worden ist. Denen müsse man jetzt einmal ein bisschen unter die Arme greifen, denn sie sollten schließlich international in Konkurrenz treten.

Beide Aussagen sind so nicht falsch, aber auch nicht mehr zeitgemäß. Wir wissen heute, dass der so gelobte und auch von mir sehr wertgeschätzte Anselm Weber von Essen nach Bochum geht. Die Arbeit, die Essen so herausragend gemacht hat, ist ja ein Verdienst von Personen, hier auch in Person von Herrn Weber. Herr Weber geht aber nach Bochum. Müssen wir jetzt den Antrag schnell umschreiben und erklären: „Wir meinen gar nicht Essen, sondern wir meinen jetzt eigentlich Bochum“?

Oder Köln: Die Arbeit in Köln ist im Expertenbericht noch als ganz schrecklich, als inhaltlich qualitätslos usw. beschrieben worden. Wir wissen aber, dass inzwischen Karin Beier dort ist

(Marc Jan Eumann [SPD]: Und eine sehr gu- te Arbeit leistet!)

und eine hervorragende Arbeit macht. Da stimmt wenigstens das Ergebnis, wenn auch die Begründung nicht mehr stimmt. Sie sehen, wie schnelllebig das in Theatern ist.

Wenn man fragt, welches Theater wirklich herausragend sei, sage ich: Im Prinzip sind einzelne Leistungen von Theatern herausragend. Sehen Sie sich die Liste der besten Theater der letzten Jahre an. Es werden ja Preise dafür vergeben. Sie finden Chemnitz und Stuttgart und übrigens auch das (Staats) theater Düsseldorf mit seiner MacbethAufführung von Herrn Gosch.

Sie finden immer wieder herausragende, international beachtete Stücke, mit denen weltweit auf Tournee gegangen wird, und Sie finden Flops. Das ist das Leben von Theatern: Es ist einmal top, und dann gibt es wieder einen Flop. Meistens hat das etwas damit zu tun, dass man einen guten Regisseur findet, ein gutes Händchen für ein bestimmtes Thema hat, konsequent inhaltliche Diskussionen führt und dem Theater ein Gesicht gibt. Es hat auch etwas mit Personen zu tun.

(Beifall von der SPD)

Lassen Sie uns darüber diskutieren, wie man das stärken kann und den Kommunen die Kraft gibt, diesen manchmal schwierigen und auch manchmal schräg stehenden Personen Raum zu geben, um etwas entwickeln zu können. Ich glaube, das ist der

viel bessere Ansatz, als im Schnellschuss zwei Theatern Geld zu geben.

Wenn man es im Vergleich zu dem sieht, was die Theater haben, stellt man fest, dass das Peanuts ist, um einmal dieses Wort zu bemühen. Wir reden hier über 300.000 € für Köln. Köln hat einen Theateretat von 47 Millionen €. Was machen da 300.000 € aus? Ich meine, man muss auch einmal auf dem Teppich bleiben. Das ist ein großes Gewitter, eine große Aufregung, und am Schluss ist das, was wir hier vorfinden, ein Papiertiger.

Wir möchten eine solide, eine gute Diskussion über die Zukunft der Theaterförderung in NordrheinWestfalen. Wir wollen die Diskussion auch anhand des Expertenberichts mit denen führen, die Theater machen. Das sind die Intendanten, das sind die Kommunen. Wir wollen die Diskussion mit denen führen, die die Kultur genießen und auch einmal kritisch betrachten. Das sind die Zuschauerinnen und Zuschauer. Das sind die Organisationen, zum Beispiel der Kulturrat und andere.

Mit denen würden wir uns gerne auf einen Weg machen. Aber wir werden nicht bereit sein, hier einfach einmal kurz vor Weihnachten solche Schnellschüsse zu beschließen. Sie sind uns auch noch schuldig, zu sagen, woher eigentlich die Deckung kommt.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zum Schluss. Sie können gerne einen Antrag zum Haushalt stellen. Wir sind auch bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Aber hier so zu tun, als sei das ein Grundsatzantrag zur Zukunft der Förderung der Theaterlandschaft in Nordrhein-Westfalen, das ist wirklich zu klein-klein und zu provinziell. Da müssen Sie noch ein bisschen nacharbeiten. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Marc Jan Eumann [SPD]: Der Antrag wäre besser in der Schublade geblieben!)

Danke schön, Frau Nell-Paul. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege Keymis.

Kolleginnen und Kollegen! Ich will natürlich gerne auf ein paar Punkte eingehen, die schon geäußert wurden, und dann zu unserem Entschließungsantrag kommen.

Es ist natürlich der Situation geschuldet, Claudia Nell-Paul, in die wir durch diesen Antrag und die direkte Abstimmung gestellt sind, dass wir uns überlegt haben, auch einen Antrag zur direkten Abstimmung zu stellen. Also: Die Tatsache, dass es eine direkte Abstimmung gibt, erfordert eine direkte Entschließung. Das ist kein Schnellschuss, sondern der Situation geschuldet, in die wir parlamentarisch gestellt sind.

Ich finde es auch bedauerlich und schließe mich da den Aussagen meiner Vorrednerin ausdrücklich an, dass wir den Expertenbericht, den wir noch nicht sehr umfangreich diskutiert haben – wir hatten dazu im Kulturausschuss einen kurzen ersten Austausch, haben uns dort aber nicht im Einzelnen mit den Fachfragen befasst –, jetzt bereits beginnen parlamentarisch umzusetzen.

Natürlich ist es so, wie Kollegin Nell-Paul schon gesagt hat: Es handelt sich bei dem Antrag jedenfalls dem Inhalt nach um die Umsetzung von Vorschlägen, die im Expertenbericht formuliert sind. Dabei habe ich einen etwas anderen Eindruck als die Kollegin Nell-Paul: Es ist vermutlich ein Antrag, den sich die Staatskanzlei insoweit gewünscht hat, als das Thema Staatstheater allgemein nicht gut ankommt. Der hier heute nicht anwesende Kulturstaatssekretär hat ja schon mehrfach öffentlich geäußert, das Thema Staatstheater sehe er in weiter Ferne. Für den Fall ist das leider gar kein Verdienst der FDP-Fraktion, sondern es ist das Verdienst der Staatskanzlei, die gesagt hat: Das nehmt uns mal wieder vom Tisch!

Das habt ihr natürlich ganz geschickt gemacht, indem ihr gesagt habt: Gut, ziehen wir den Inhalt heraus. Essen und Köln sind im Moment die aus Sicht dieser Experten wichtigen Theater. Die werden wir ab 2012 mit einer Förderauszeichnung versehen. – Das ist letztlich der Vorgang. Damit ist eine Diskussion vom Tisch genommen, die sich aus dem Expertenbericht zunächst einmal ergab, nämlich die zu Staatstheatern. Die wollen wir alle nicht, weil wir die Systematik von Staatstheatern hier nicht kennen und nicht wollen. Staatstheater gehören in einen Freistaat wie Bayern. Da hat das Tradition. Da werden sie vom Land, vom Freistaat finanziert. Das hat gute, alte Gründe. Ob das insgesamt gut ist, ist eine ganz andere Frage. Aber da ist es so.

Hier ist es anders. Bei uns sind die Kommunen die Träger ihrer Häuser. Sie haben das am Beispiel Münster, Herr Kollege Sternberg, sehr eindrucksvoll deutlich gemacht. Ich könnte Ihnen ein anderes Beispiel nennen: Mönchengladbach. Da war es der für die CDU einmal sehr wichtige Politiker Pferdmenges, der das Theater quasi in das Haus hinein gestiftet hat. – Sie nicken. Wenn ich Ihnen jetzt noch sage, wie die CDU Mönchengladbach mit diesem Theater seit vielen Jahren umgeht, dann werden wir hier alle, zumindest die, die sich für das Theater engagieren und interessieren, in Heulen und Zähneklappern ausbrechen.

(Beifall von den GRÜNEN – Dr. Stefan Ber- ger [CDU]: Unverschämtheit!)

Das Haus steht seit Jahren ungenutzt leer. Man macht im Grunde nichts daraus, obwohl es das zentrale Theaterhaus in der Stadt Mönchengladbach ist und man es – es gab übrigens gerade vor Ort von den Grünen einen entsprechenden Vorschlag – wieder nutzen könnte, bevor man auf an

dere Situationen ausweicht. Das, was da geplant war, das berühmte Einkaufszentrum, hat sich ja bis heute nicht realisiert.

Also: Der Umgang mit den Theatern in den Kommunen ist – wie in Mönchengladbach – nicht gut. Aber an sich gehen die Kommunen mit ihren Theatern halbwegs pfleglich um – bis auf die, die immer stärker in die Verschuldungsspirale geraten sind. Ich nenne an erster Stelle Oberhausen. Genau da führen wir eine Diskussion. In Oberhausen ist das Theater zum Sparen aufgefordert und soll Zug um Zug Hunderttausende an Theatermitteln einsparen. Dass das die Stadt mit ihrem 1,6 Milliarden Schulden umfassenden Haushalt rettet, wage ich zu bezweifeln. Aber die Diskussionen werden so geführt.

Hagen ist ein weiteres Beispiel. Auch da ist das Theater aufgefordert worden – schon im Sommer 2007 –, seinen Etat um 800.000 € zu kürzen. Es soll das in der Folge noch einmal um 500.000 € tun, mit entsprechenden Maßgaben. Insgesamt sind das rund 1,3 Millionen €. Das ist für ein solch kleines, bescheidenes, gutes Theater wie das in Hagen eine große Summe Geld. Dann ist der Ratsbeschluss auch noch konditioniert nach dem Motto: Wenn das nicht klappt, dann schaffen wir bitte das Ballett ab. – Klar, das ist personalintensiv, außerdem interessiert es angeblich am wenigsten, insofern wird das zur Disposition gestellt.

Der grüne Kollege im dortigen Stadtrat hat gesagt: Es ist Quatsch, so zu arbeiten. – Völlig klar! Er hat auch verstanden, warum, und sagt: Man kann an einem Theater so nicht sparen; denn das Hauptsegment sind die Personalkosten. Wenn man bei einem Theater kürzt, kürzt man das Personal weg.

Jetzt komme ich auf Ihren Punkt, Herr Sternberg. Sie haben gesagt, dass es beim Theater auf die Personen ankommt. Es kommt darauf an, wer da arbeitet. Nur, wenn ich den Häusern nach und nach das Geld dafür wegnehme, dass sie Leute engagieren, die dort die Arbeit tun, dann habe ich am Ende kein Personal und auch kein Theater. Das ist die Logik, die Systematik.

Deshalb stimmt Ihr Antrag an der Stelle nicht. Frau Kollegin Nell-Paul hat das schon angesprochen. Sie haben zwei Theater aus dem Expertenbericht „abgeschrieben“. Das halte ich für einen Fehler – wie auch der Expertenbericht an sich einen Fehler enthält; denn in ihm wird behauptet, NRW gäbe nicht genug Geld für die Theater aus. Der Förderetat des Landes ist klein. Unsere Beteiligung über das GFG an den Kulturausgaben des Landes ist wesentlich größer. Wir haben einen Anteil von rund 23 % im Ausgleich zwischen Land und Kommunen. In Bayern beträgt der 11 %. Wir müssen die Fakten doch kennen – Sie kennen die im Grunde ja auch –, wenn wir zu solchen Themen hier das Wort führen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vor dem Hintergrund gibt NRW mit den Kommunen gemeinsam natürlich sehr viel Geld für Theater aus. Das ist auch prima so. Wir haben die reichste und dichteste Theaterlandschaft.

Jetzt muss ich etwas zu Ihrem Antrag sagen und dann zu unserem Entschließungsantrag. In Ihrem Antrag machen Sie, finde ich, einen ganz fatalen Fehler. Sie behaupten nämlich – ich will es nicht so hart formulieren –, ein bisschen unüberlegt aus dem Expertenpapier abgeschrieben:

Trotz dieser großen Vielfalt werden nur selten Arbeiten nordrhein-westfälischer Theater deutschlandweit und im europäischen Raum als herausragend wahrgenommen.

Jetzt muss ich wirklich einmal sagen, Kolleginnen und Kollegen: Wir waren doch gerade in Paris bei eurem Kulturjahr, das die Regierung da veranstaltet. Ich habe da beide Augen zugedrückt und gesagt: Gut, ich bin zwar Oppositionsabgeordneter, aber das ist eine tolle Sache. Wir wollen das kulturpolitisch unterstützen. – Das Programm die Theater betreffend heißt übrigens „westwärts 08“, „westwärts 09“. Das finde ich gut, das fördern wir, das unterstützen wir politisch. – Das Ergebnis ist, dass Sie so etwas in den Antrag schreiben.

Ich habe in unseren Entschließungsantrag ganz bewusst hineinformuliert: Es ist falsch, wie Sie es geschrieben haben. Es ist richtig, zu sagen: Immer wieder werden Theaterarbeiten der NRW-Bühnen auch deutschlandweit im Berliner Theatertreffen, im europäischen Raum, zum Beispiel im Rahmen der Gastspielaufführungen von „westwärts 08“, „westwärts 09“ und sogar in Übersee – ich erinnere an New York „Die Soldaten“, eine großartige Aufführung, die da gastiert hat – als herausragend wahrgenommen. Das ist doch so!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Etwas anderes zu sagen wäre falsch. Im Grunde reden Sie das Land klein, wo es schon groß ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das halte ich für eine ganz schwierige kulturpolitische Aufstellung.

Herr Kollege, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Sternberg.

Gerne, natürlich.

Bitte schön.

Herr Keymis, ist Ihnen bekannt, dass es sich bei der von Ihnen angeführten Übernahme der RuhrTriennale-Produktion „Die Soldaten“ gerade nicht um eine Pro

duktion unserer nordrhein-westfälischen Theater handelt?

Herr Sternberg, mir ist natürlich bekannt, dass es sich nicht ausdrücklich um eine Produktion nordrhein-westfälischer Stadt- oder Landestheater handelt. Aber es handelt sich um ein Theaterprodukt aus NRW.

(Beifall von der SPD)

Irgendwie müssen wir das doch einmal zusammenbringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

NRW soll sich kulturpolitisch nach außen darstellen, das ist Ihre Forderung. Ich unterstütze das ja, aber dann machen Sie es doch nicht klein-klein, indem Sie sagen: Das können die einzelnen Theater nicht. Ich behaupte einfach einmal, dass ein Theater wie Hagen aufgrund seiner Aufstellung gar nicht in der Lage ist, Produktionen herauszubringen, die wie „Die Soldaten“ auftreten.