Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

(Dietmar Brockes [FDP]: Machen Sie mal Ihr Sakko auf, das platzt sonst!)

Herr Brockes, wir können uns gleich nebeneinander stellen, und ich fürchte, dass die Geschichte für Sie heute nicht gut ausgeht.

Deswegen sind also gezielt konjunkturfördernde Investitionen notwendig, und zwar von Bund und Ländern. Wir brauchen auch keine Strohfeuer oder Streuschüsse. Ich bin meinem Kollegen Reiner Priggen sehr dankbar, dass er der SPD-Landtagsfraktion die Gelegenheit gibt, diesen Satz zu sagen, den ich jetzt im Namen der SPD-Fraktion gerne

kundtue: Aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion von Nordrhein-Westfalen sind Konsumgutscheine kein geeignetes Mittel.

(Beifall von SPD, FDP und GRÜNEN)

Wir stimmen insofern der politischen Bewertung in dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich zu, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir fordern stattdessen beispielsweise, kurzfristig in Schulen und Kindertagesstätten zu investieren; denn das sind Investitionen in die Zukunft des Landes. Das sichert Arbeitsplätze, und das schafft vor allem Vertrauen.

Herr Petersen, Sie irren: Die Pläne, die Genehmigungen, sind doch alle schon vorhanden. Was fehlt, ist das Geld. Wenn wir jetzt kurzfristig Geld zur Verfügung stellen, dann hilft das dem Markt und den Menschen in Nordrhein-Westfalen.

Wenn die Investitionen in Bildung und Innovationen mit der ökologischen Erneuerung einhergehen, dann sind es die richtigen Investitionen, und diese Investitionen, meine Damen und Herren, können dann auch schuldenfinanziert sinnvoll sein.

Wir haben weiter den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ vorgeschlagen. Damit wollen wir insbesondere den verschuldeten Kommunen in NordrheinWestfalen wieder Luft zum Atmen geben. Denn auch sie brauchen Investitionen.

(Ralf Witzel [FDP]: Wer zahlt das denn al- les?)

Die Kanzlerin hat heute gesagt: Nach 20 Jahren Ostprogramm jetzt auch eine Erneuerung hier im Westen. – Es gibt Bedarf – auch hier in NordrheinWestfalen – für die Erneuerung von Gebäuden, von Straßen, von öffentlichen Gebäuden. Herr Priggen hat das alles gesagt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Kollege Priggen hat auch völlig recht – ich wollte es tatsächlich ein bisschen versöhnlicher machen, aber es fällt so schwer bei Ihnen, meine Damen und Herren von FDP und CDU –: Das, was Jürgen Rüttgers präsentiert hat, ist noch nicht einmal alter Wein in neuen Schläuchen, es ist alter Wein in alten Schläuchen. Den Haushalt zusammenzurechnen und als Konjunkturpaket zu verkaufen, ist wahrlich zu billig für das, was an Problemen ansteht.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos] – Ralf Witzel [FDP]: Was Sie wollen, ist ein teurer Spaß!)

Aber noch einmal: Ich möchte auf Schuldzuweisungen verzichten, denn es muss uns gemeinsam gelingen, Herr Kollege Witzel, die Maßnahmen schnell voranzubringen, die Beschäftigung und Investitionen sichern.

(Ralf Witzel [FDP]: Wer zahlt denn alles?)

Deswegen lohnt es nicht, einen Schwarzen Peter zu treiben: „39 Jahre SPD, die im Bund sind alle schuld“, sondern wir müssen schauen, welche Maßnahmen jetzt geeignet sind, hier das Richtige zu tun.

Ich sage ganz deutlich: Viele Punkte, die Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag vorschlagen, gehören ausdrücklich zu diesem Katalog. Darüber lohnt es sich nachzudenken, und das darf nicht mit einem Federstrich, Herr Kollege Petersen, beiseite geschoben werden.

Eine andere Maßnahme, die auch sehr wichtig ist, deutet sich an. Die EU hat jetzt Gott sei Dank grünes Licht gegeben, dass Kredite unter Marktpreis auf den Markt kommen können. Auch Bürgschaften sollen erleichtert werden. Aber, meine Damen und Herren, sprechen Sie mit Unternehmen. Trotz der Beteuerung der Banken haben wir faktisch eine Kreditklemme für mittelständische Unternehmen.

Basel II und die Ratings schnüren vielen Unternehmen in der jetzigen Situation tatsächlich den Hals zu. Deswegen appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns darüber nachdenken – jenseits der Rituale –, ob es uns beispielsweise gelingt, Basel II befristet auszusetzen. Gelingt es uns, Verabredungen zu treffen, die auf andere, frühere Ratings zurückgreifen, um die Kredite für die Unternehmen, die sie jetzt brauchen, so günstig wie möglich zu machen? – Das könnten Maßnahmen sein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die kurzfristig wirklich helfen und uns erfolgreich durch die Rezession steuern.

Wir alle wünschen, wir alle hoffen, wir setzen alles daran, die wirtschaftliche Talfahrt kurz zu halten und die Krise auf dem Finanzmarkt – das Beispiel des fantastischen Betrugs von Madoff ist ja nur ein weiteres Glied einer langen Kette – erfolgreich zu meistern.

Ich hoffe, dass wir dann nicht gleich vergessen, dass es die Gier war, die uns in diese Situation gebracht hat, dass wir nicht gleich vergessen, dass der Markt für die Menschen da ist und nicht umgekehrt, dass wir Spielregeln brauchen, die solche Auswüchse, die viele Volkswirtschaften an den Rand drängen, die viele, viele gesunde Unternehmen an den Rand der Existenz bringen und viele Menschen in die Verzweiflung treiben, verhindern helfen, und dass wir solche Exzesse in Zukunft vermeiden, und dass wir uns auch daran erinnern, dass mancher Rat mancher Ökonomen in eine wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Sackgasse geführt hat. Die Lehre sollten wir aus diesen schwierigen Zeiten ziehen, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Eumann. – Als nächster Redner hat für

die FDP-Fraktion der Kollege Brockes das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Eumann, wenn Ihnen mit der neu gewonnenen Weisheit einen Ratschlag geben darf, dann diesen: Machen Sie demnächst bei Ihren Reden das Sakko auf, dann redet es sich unverkrampfter, und dann können Sie zwischendurch auch einmal Luft holen.

(Beifall von FDP und CDU – Heiterkeit – Marc Jan Eumann [SPD]: Herr Brockes, wenn Sie mein Modeberater werden, dann nehme ich mir den Strick!)

Das macht sich dann besser und macht sich hoffentlich auch in Ihren Reden bemerkbar.

Einen anderen Punkt möchte ich Ihnen auch noch mitgeben. Da werde ich Ihnen wohl in naher Zukunft einmal etwas Literatur schenken müssen, damit Sie den Unterschied zwischen dem Laissez-faire-Liberalismus und dem Neoliberalismus, den Sie ja immer so als Teufelswerk an die Wand strahlen, auch einmal lernen

(Beifall von der FDP)

und hier keine Geschichtsklitterung mehr betreiben. Denn es sind die Neoliberalen, Herr Kollege Eumann, gewesen, die diese unsere soziale Marktwirtschaft mit begründet haben.

(Beifall von der FDP)

Ich sage ganz klar: Dies ist der richtige Weg. Der hat dazu geführt, dass es der Bundesrepublik so gut geht, wie es ihr trotz Wirtschaftskrise nach wie vor doch noch geht.

Meine Damen und Herren, wir haben einen Antrag zum Thema Konsumgutscheine vorliegen. Da möchte ich doch den Kollegen Eumann loben, der hier für die SPD-Landtagsfraktion klar gesagt hat, dass diese den Amokläufen von Frau Nahles im Bund nicht folgen wird.

(Beifall von der FDP)

Was diesen Punkt angeht, haben wir somit ja doch eine große Gemeinsamkeit hier im Plenum. Alle vier Fraktionen lehnen diese Amokläufe ab. – Ich hätte mir gewünscht, dass Sie heute Morgen bei der für Nordrhein-Westfalen mindestens genauso wichtigen Diskussion zum Emissionshandel auch nicht den Amokläufen des Umweltministers im Bund gefolgt wären,

(Thomas Eiskirch [SPD]: Da haben Sie keine Ahnung! Das ist der Unterschied!)

sondern die NRW-Interessen nach vorne gestellt hätten. – Da alle Fraktionen in diesem Punkt Einigkeit bewiesen haben, kann ich also das Thema Konsumgutscheine zur Seite legen und brauche die Argumente, die zum Teil schon vom Kollegen Petersen genannt wurden, nicht zu wiederholen.

Ich möchte deshalb auf die Mittel zu sprechen kommen, die im Antrag der Grünen zur Bekämpfung der Rezession angeführt sind. Denn so einig, wie wir die Konsumgutscheine ablehnen, so gilt es, dass wir Ihren Handlungsempfehlungen, Herr Kollege Priggen, nicht zustimmen können. Denn den Ansatz eines schön finanzierten Ausgabenprogramms mit dem Ziel der Vorbereitung eines sozialökologischen Umbaus unserer Gesellschaft, meine Damen und Herren, können wir natürlich nur ablehnen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, seit dem Regierungswechsel 2005 investieren diese Regierung und die sie tragende Koalition in die Zukunft unseres Landes. Seit dem zweiten Nachtragshaushalt 2005 haben wir die Ausgaben für Bildung allein im Schulbereich um 1,4 Milliarden € gesteigert.

(Beifall von der FDP)

Zum kommenden Schuljahr werden fast 7.000 Lehrer zusätzlich Dienst an unseren Schulen versehen. Bildung ist für uns die wichtigste und sicherste Zukunftsvorsorge überhaupt. Eine gute und zukunftsorientierte Ausbildung ist auch und gerade in der Krise das beste Mittel gegen spätere Arbeitslosigkeit. In der heutigen Wissensgesellschaft ist das Gut Bildung dabei nicht nur der zentrale Wachstumsmotor für die wirtschaftliche Entwicklung, sondern auch zentraler Faktor im Wettbewerb um den Produktionsfaktor Kapital, meine Damen und Herren.

Mit dem gleichen Ziel werden wir auch in den kommenden Jahren bis 2020 insgesamt 8 Milliarden € ausgeben zur dringend nötigen Sanierung der Hochschulen, die unter Rot-Grün teilweise in einen erschreckend maroden Zustand gekommen sind. Diese Ausgaben kommen als Nachfrage auch unmittelbar der Wirtschaft zugute. Die Kommunen erhalten zum Ausbau der Infrastruktur und der staatlichen Dienstleistungen vor Ort in diesem Jahr mehr Geld als jemals zuvor in der Geschichte Nordrhein-Westfalens.

Zusätzlich müssen wir die vom Bund beschlossenen Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur mittragen. Das Tätigen weiterer zusätzlicher Ausgaben verbietet sich aber, weil wir auf der anderen Seite auch die dringend notwendige Sanierung des Haushalts nicht aus den Augen verlieren dürfen.

Leider versprechen wir uns von den vom Bund bislang beschlossenen Maßnahmen außer unnötigen Belastungen der öffentlichen Haushalte auch nicht besonders viel. Es handelt sich – um es mit den Worten des Sachverständigenrates als neutraler Stelle zu sagen – um ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, die ungeachtet ihrer Beurteilung im Einzelnen als Paket nicht dazu geeignet sind, einen nachhaltigen Konjunktureffekt auszulösen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Diese Erkenntnis scheint nach dem Gipfeltreffen am Sonntag insbesondere auch in der Bundesregierung mittlerweile herangereift zu sein. Aber leider verspricht das in Aussicht gestellte zweite Konjunkturpaket auch keine wesentliche Verbesserung.

Meine Damen und Herren, die FDP hat frühzeitig darauf hingewiesen, dass das einzige adäquate Mittel gegen die heranziehende Rezession Steuersenkungen in größerem Umfang sind.

(Beifall von der FDP)

In den vergangenen vier Jahren haben wir in Deutschland aber genau den gegenteiligen Weg beschritten. Die sogenannte Große Koalition hat Steuermehreinnahmen in Höhe von 160 Milliarden € ausgelöst. Ein Großteil davon ist auf die Erhöhungen der Mehrwertsteuer, der Versicherungsteuer und anderer sowie auf ein Abschöpfen der Bürger durch die kalte Progression zurückzuführen. Es ist an der Zeit, ihnen etwas zurückzugeben. Dies könnte durch Steuersenkungen sofort und unmittelbar geschehen. Durch eine einfache Anpassung in den Tarifformeln könnte die kalte Progression sofort ausgeglichen werden.