Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lehrerausbildung hat Erneuerungsbedarf. Dies bezweifelt niemand. Darüber nachgedacht und erprobt wird nicht erst seit dem Regierungswechsel 2005. Das, was wir aber seitdem in den letzten Monaten und Jahren zum Thema erlebt haben, ähnelt mehr und mehr einer unendlichen Geschichte.

(Ute Schäfer [SPD]: Das stimmt!)

Denn die Lehrerausbildung soll im Sinne des Bologna-Prozesses reformiert werden. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstrukturen soll erfolgen – dies auch, um einen europaweiten Austausch für die Studierenden zu ermöglichen. Eine europaweite Ausrichtung und internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse halte ich für sehr erstrebenswert.

Zur Umstellung wurde der Modellversuch „Gestufte Studiengänge in der Lehrerausbildung“ bereits im

Jahr 2003 eingerichtet. Seit dem Regierungswechsel 2005 gibt es zur Lehrerausbildung in NRW leider kein einheitliches Reformieren mehr. Einerseits will das Ministerium für Schule und Weiterbildung vieles bis in das kleinste Detail festschreiben, andererseits will das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie möglichst viel Verantwortung auf die Hochschulen schieben. Wenn zwei in zwei verschiedene Richtungen ziehen, dann ist ein sinnvolles Gestalten im Sinne einer Gesamtsteuerung nur schwer möglich.

Die unterschiedlichen Herangehensweisen der Ministerien führten im Verlauf der Ausbildungsreform dazu, dass sie nicht in dem Maße vorwärtskam, wie es angekündigt wurde. Denn meine Kollegin, Frau Apel-Haefs, bekam im Juni 2006 auf eine Kleine Anfrage die folgende Auskunft: Das Konzept des LABG soll Ende 06 vorliegen. Die rechtlichen Grundlagen werden in 07 geschaffen, und das neue Modell wird in 08 eingeführt.

Heute in der letzten Plenumssitzung in 2008 haben Sie es immerhin noch geschafft, den Gesetzentwurf zur Einbringung vorliegen zu haben.

Was ist geschehen? – Es war nicht so einfach wie gedacht, die unterschiedlichen Philosophien der beiden Ministerien in einem Gesetzentwurf zu bündeln. Insofern bleibt in diesem Entwurf eine Reihe von Fragen offen.

Da wäre zum einen das ungeklärte Problem der Zentren für Lehrerausbildung. Frau Beer ist darauf schon eingegangen. Es ist gut, dass der Fakultätsrang für die Zentren nach vielen Protesten mittlerweile vom Tisch ist. Aber ist es noch überhaupt nicht klar, wie die Organisation erfolgen soll. Hierzu wird im Artikel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs extra der § 30 des Hochschulgesetzes geändert. Wie werden also die Zentren für Lehrerausbildung an autonomen Hochschulen gestaltet, wenn sie Entscheidungs-, Steuerungs- und Ressourcenkompetenz zuerkannt bekommen? – Der Gesetzentwurf bleibt diese Antwort noch schuldig.

Gleiches gilt für die Probleme bei der Organisation des Praxissemesters. Große Universitäten stellt dies vor große Probleme. Denn die Schulen sind nicht nur in den Universitätsstädten selbst, sondern auch im jeweiligen Umland. Da mag sich das Umland dann über die Praktikanten freuen, aber wie genau gelangen die Studierenden konkret in die Fläche? Sie sind als Studierende in ihrem Wohnsitz schließlich an die Universitätsstadt gebunden. Soll ein Studierender für fünf Monate seinen Wohnsitz wechseln?

Nicht geklärt ist zudem der Umgang mit dem Bachelor-Studium. Ist der Bachelor bereits berufsqualifizierend, oder braucht es dafür doch noch den Master? Wird es zwischen Bachelor und Master einen Numerus clausus geben? Was ist mit Studierenden, die einen Bachelor außerhalb der Lehrerausbildung

gemacht haben? – Das haben Sie gerade schon angedeutet. Es wird wohl funktionieren, dass dann ein Masterstudiengang möglich ist. Aber wie sieht das mit einem Bachelor von einer Fachhochschule aus? – Bisher gibt es darauf keine Antworten.

Auch die Akkreditierung der Studiengänge wird uns in unseren Beratungen beschäftigen müssen. Sie soll zu bundes- und europaweit anerkannten Studiengängen führen. Frau Ministerin Sommer hat sich mit ihrem Ministerium ein Vetorecht erstritten. Dies ist nicht im Sinne autonomer Hochschulen, weckt jedoch vielleicht die Erkenntnis, dass nicht alles nach dem Mantra „Privat vor Staat“ machbar ist.

Hinzu kommen Probleme auch bei der finanziellen Ausgestaltung. Spätestens hier zeigt sich eine besondere Krux des LABG. Durch das Assistenzpraktikum, die Zentren für Lehrerausbildung, das verlängerte Studium, die Praxissemester und die Qualifizierung der Fachleiter entstehen Mehrkosten von ca. 327 Millionen €, denen Minderbedarfe von nur 221 Millionen € gegenüberstehen. Nun fragt man sich: An welchen Stellen entstehen diese Minderbedarfe oder Einsparungen? Das ist einfach zu ermitteln, denn die Referendarszeit wird ja verkürzt, zuerst auf 18 Monate und dann höchstwahrscheinlich auf zwölf Monate. Die praktische Ausbildung wird also über das Praxissemester in die Studienzeit verlegt und dort natürlich nicht bezahlt.

Und warum ist das Praxissemester nur mit einer Dauer von fünf Monaten angesetzt? Fünf Monate sind doch kein ganzes Semester. Ist es dann also nur eine Praxisphase? Für diese werden – wie wir in der letzten Ausschusssitzung gerade erst wieder diskutiert haben – Studiengebühren erhoben. Eine Öffnungsklausel des MIWFT ist in diesem Zusammenhang ja nicht zu erwarten. Wer zahlt also die Zeche? Das sind insbesondere die Studierenden selbst.

Das LABG ist im vorliegenden Gesetzentwurf also eine Mischung, die im Zusammenspiel zweier gegeneinander arbeitender Ministerien entstanden ist. Der Satz von Herrn Minister Pinkwart während der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gesetzes lautete – er sagte es auch gerade noch einmal –: Wir schaffen klare Verantwortlichkeiten. – Mir scheint das in diesem Zusammenhang noch ein frommer Wunsch zu sein, aber Weihnachten steht ja vor der Tür. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Boos. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Brinkmeier das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, beim Thema Leh

rerausbildung kann jeder von uns mitreden, nicht nur wir, die wir als Abgeordnete im Landtag darüber diskutieren, sondern natürlich alle diejenigen, die schon einmal einen Lehrer oder eine Lehrerin vor der Nase gehabt haben. Das sind wir nun einmal alle im Lande, auch die Zuschauerinnen und Zuschauer hier auf der Tribüne.

Ich sehe auch gerade, es sind junge Leute anwesend, die wahrscheinlich gerade noch in der Ausbildung stecken. Wenn ich die nach ihren Erfahrungen mit Lehrerinnen und Lehrern fragen würde, würden sie sicherlich auch sagen, dass sie sehr viele Lehrer haben, die sich wirklich engagiert und toll einsetzen. Wir müssen aber auch offen sagen – jeder von uns hat die Erfahrung gemacht –: Es gibt gute und weniger gute Lehrer und Lehrerinnen. Das, was der Staat tun kann, damit es möglichst viele gute Lehrer und Lehrerinnen gibt, das ist unsere Aufgabe. Der müssen wir nachkommen.

Bei unserem Gesetzentwurf zur Reform der Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen haben wir ein klares Ziel vor Augen gehabt, nämlich: Mit diesem neuen Gesetz soll für die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich auch die Ausbildung professioneller, profilierter und praxisnäher werden. Bis zum Wintersemester 2011/2012 soll das an den Universitäten entsprechend umgesetzt werden.

Ich glaube, wir sind nicht vermessen, wenn wir sagen: Das, was wir jetzt anstreben, ist eine echte Qualitätsrevolution

(Beifall von der CDU)

für die Lehrerinnen und Lehrer und vor allem natürlich – Herr Pinkwart hat es gesagt – für die Schülerinnen und Schüler in unserem Land.

Einen Punkt möchte ich aus hochschulischer Sicht hervorheben, nämlich die neuen Zentren für Lehrerbildung, die wir auch in dieses Gesetz hineinschreiben. Diese neuen Zentren für Lehrerbildung, die die Hochschulen in Eigenregie bilden, stellen sicher, dass die Interessen der künftigen Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr zu kurz kommen.

Wir verabschieden uns damit auch von der Tatsache, dass sich diese jungen Menschen doch manchmal – das haben wir bei vielen Gesprächen gehört – wie das fünfte Rad am Wagen fühlen. Ein Referendar hat uns gesagt, zu Beginn seiner Referendarsausbildung sei der Spruch zu hören gewesen: Vergesst einmal alles, was ihr an der Uni gelernt habt! – Das wurde denen gesagt. Ich glaube, es ist auch nicht gewagt zu behaupten, dass manchmal an der Schule gesagt wird: Vergesst erst einmal alles, was ihr überhaupt in der Ausbildung gelernt habt, denn jetzt kommt ihr erst richtig ins kalte Wasser! – Das ist dann die Praxis.

Es kann aber nicht gut sein, wenn in einzelnen Phasen der Lehrerausbildung gesagt wird: Das, was ihr vorher gelernt habt, ist nicht unbedingt der Weisheit

letzter Schluss. – Wir müssen also für eine stärkere Verzahnung sorgen. Ich glaube, darüber haben wir auch Konsens. So habe ich jedenfalls die Vorreden verstanden, dass wir darauf achten müssen, das zu erreichen.

Die eigenständigen Zentren für die Lehrerbildung an den Hochschulen werden einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Sie werden durch Entscheidungs- und Ressourcenkompetenz gestärkt. Fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Inhalte werden dann vermehrt Teil des Studiums werden.

Wir stellen damit übrigens auch die Berufung der notwendigen Professoren auf neue Beine. Denn methodische und didaktische Fähigkeiten werden auch bei den Ausbildern eine größere Rolle spielen müssen und eine realitätsnahe Ausbildung garantieren. Schließlich wollen wir nicht am Markt vorbei ausbilden lassen.

Hier will ich auch die ganz klare Erwartungshaltung an die Hochschulen formulieren, dass die bisherige Berufungspraxis klar verbessert werden muss. Uns allen ist bekannt, dass für Professorenstellen, bei denen die Didaktik im Vordergrund stehen sollte, nicht unbedingt die besten Didaktiker genommen werden müssen. Da muss sich klar etwas verbessern. Dazu wollen wir durch dieses Gesetz unseren Beitrag leisten.

Dieses Ausbilden-Lassen ist wirklich auch eine wichtige Neuerung in der Lehrerausbildung. Im Sinne des Hochschulfreiheitsgesetzes erfolgt aber keine ministerielle inhaltliche Detailsteuerung des Studiums. Wir schreiben nicht nur „Hochschulfreiheitsgesetz“. Wir meinen es auch so mit der Freiheit für die Hochschulen. Auch hier sieht man, dass wir diese Reform als Reform verstehen und eben nicht nur ein Stückwerk abliefern.

An die Stelle der operativen staatlichen Kontrolle tritt dann die Akkreditierung als Qualitätssicherungs- und Entwicklungsmaßnahme, die auch die ländergemeinsamen Standards für die Bildungs- und Fachwissenschaften und die Didaktiken beachtet. Wir sichern mit diesen Standards die fachliche Qualität und die bundesweite Anerkennung. Das Land greift bei der neuen Lehrerausbildung erst nach dem Referendariat beim Abschließen des Staatsexamens direkt ein.

Meine Damen und Herren, die große Anzahl der positiven Stellungnahmen im Vorfeld dieses Gesetzentwurfs zeigt uns, dass wir wirklich auf dem richtigen Weg sind und eine überfällige Reform auf den Weg bringen. Frau Beer hat sich ja gerade bemüht, die eine Stellungnahme, die etwas harscher war und über die ich mich in der Öffentlichkeit auch schon entsprechend geäußert habe, hervorzufischen.

Sie verschweigen dabei die große Anzahl der positiven Stellungnahmen. Ich freue mich darauf, Ihnen einmal die Liste zu zeigen, in der aufgeführt ist, wer

sich positiv und konkret über diesen Gesetzentwurf geäußert hat. Ich habe sie hier liegen.

Übrigens ist es kein Spargesetz. Sie haben eine falsche Aussage getroffen, Frau Beer. Wir stellen zusätzliches Geld ein, weil uns das so wichtig ist. Darauf sind wir stolz.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, damit setzt dieser Gesetzentwurf auf eine Stärkung der Verantwortung der wissenschaftlichen Hochschulen und entspricht der Zielsetzung des Hochschulfreiheitsgesetzes.

Es ist ein langer Weg; denn wenn es spätestens im Jahr 2011 verpflichtend beginnt, wird es bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts dauern, bis die ersten Lehrerinnen und Lehrer nach den neuen Rahmenbedingungen in die Schulen kommen. Dann wird es noch einige Jahre dauern, bis dort eine kritische Masse erreicht ist, sodass die Kultur noch stärker in die Schulen getragen wird. Ich hoffe, im Vorfeld des Gesetzes können wir sehr konstruktiv miteinander darüber streiten, wo noch Verbesserungen möglich sind. Der Rahmen ist gesetzt; über einzelne Details können wir sicherlich noch reden. Wir freuen uns auf die Diskussion und werden es im Mai verabschieden. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? – Nein, gut.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Brinkmeier. – Als nächster Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Kollege Lindner gemeldet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich habe noch gut zwei Minuten Redezeit. Das reicht nicht für eine umfassende fachliche Würdigung aus wissenschaftspolitischer Sicht, aber doch zumindest dafür, um einige wenige Aspekte noch einmal hervorzuheben.

Wir als FDP-Fraktion begrüßen, dass es gelungen ist, die Praxisanteile zu verstärken und sie auch früher in die Lehrerausbildung zu integrieren. Junge Menschen sind damit in der Lage, bereits zu Beginn der Ausbildung zu prüfen, ob dieses Berufsfeld für sie wirklich das Richtige ist, ob sie neben der fachlichen Frage geeignet sind, in der Klasse vor Schülern die notwendige Autorität zu entfalten.

(Zuruf von der SPD)

Durch die Bachelor-/Master-Struktur ist Flexibilität in der Ausbildung erreicht worden. Das begrüßen wir. Zu einem späteren Zeitpunkt können noch Entscheidungen revidiert, kann noch ein anderer Berufsweg eingeschlagen werden. Das ist die Polyvalenz, die uns wichtig war und ist. Diese ist durch das Bachelor-/Master-System erreicht worden.

Außerdem will ich hervorheben, dass wir in diesen Tagen mit dem Lehrerausbildungsgesetz einen ersten und wichtigen Teil der Neuregelung des Berufsfeldes Lehrer abschließen können. Aber das ist immer noch nicht das Ende der Neugestaltung dieses Berufsfeldes insgesamt; denn die Lehrerausbildung muss wie jede andere Ausbildung ein lebenslanges und berufsbegleitendes Lernen sein. Das gilt für diese Qualifikation besonders. Deshalb müssen wir verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die Weiterqualifikation unserer Lehrerinnen und Lehrer in didaktischer und fachlicher Hinsicht zu forcieren. Da gilt es, eine intensive Diskussion auch über innovative Instrumente zu führen.

Wir als Freie Demokraten favorisieren eine Anlehnung an die Punktesysteme bei Ärzten, respektive eine Anlehnung an die Möglichkeiten für Hochschullehrer, für ein Semester vom Dienstbetrieb freigestellt zu werden. Solche Anwendbarkeit auf den Lehrerberuf zu diskutieren, schien uns spannend zu sein. Wir glauben, das muss ein nächster Schritt in dieser Diskussion sein.

(Beifall von der FDP)