Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

ben. Sie ist eine Branche geworden, die gerade im Helferbereich Menschen die Teilnahme an Arbeit ermöglicht, die sonst kaum mehr in der Wirtschaft eingestellt werden.

Weiterhin ist sie für manche Menschen – deshalb gehen viele zu Zeitarbeitsfirmen – ein letzter Notnagel. Denn dass bei Zeitarbeitsfirmen ein so hoher Anteil von Arbeitslosen unterkommt, liegt nicht daran, dass die Menschen ihre normalen Arbeitsverhältnisse kündigen, um zur Zeitarbeit zu wechseln. Die Wahrheit ist vielmehr, dass die Menschen, wenn sie schon viele Bewerbungen geschrieben haben, diese Branche in der Regel als letzte Möglichkeit in Betracht ziehen. So läuft es praktisch.

Die Wahrheit ist aber auch: Nach unserer Studie gelingt es 31 % der Menschen, die bei Zeitarbeitsfirmen anfangen, durch die Zeitarbeit ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis in einem Unternehmen außerhalb der Zeitarbeitsbranche zu finden.

(Beifall von Walter Kern [CDU] – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Das ordne ich dem Thema Licht und nicht dem Thema Schatten zu. Wenn ich weiß, dass eine ABM, die den Staat sehr viel Geld kostet, nur eine Eingliederungsquote von 24,8 % hat, der Ein-EuroJob eine von 16 %, kann sich die Quote bei der Zeitarbeit – lasst uns streiten, ob es 30 oder 32 oder 28 % sind – sehen lassen.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Wahr ist auch, dass die Zeitarbeit in einem erheblichen Umfang so funktioniert, dass sie eine Aufgabe, die sie übernehmen sollte, als wir vor einigen Jahren das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gelockert haben, nämlich Menschen nach der Entleihung wieder weiterzuverleihen, zu wenig erfüllt und dass der Anteil derjenigen, die nur für eine Verleihdauer angestellt werden und danach wieder gehen können, sehr groß ist. Das ist eigentlich keine große Kunst, Leiharbeit zu veranstalten, wenn ich mich so verhalte.

Die Bewertung, ob ein Unternehmen Leiharbeit gut organisiert, hängt vielmehr daran, wie oft es ihm gelingt, Menschen, wenn die Verleihdauer in einem Betrieb ausgelaufen ist, eine neue Perspektive in einem anderen Betrieb zu eröffnen, ohne ihnen zu kündigen.

Das ist der Grundgedanke; daran muss man arbeiten. Aber das lässt sich durch eine gesetzliche Regelung, dass sie den Zeitarbeiter niemals entlassen dürfen, auch wenn sie keine neue Arbeit für ihn finden, also mit dem Synchronisationsverbot, nach meiner Meinung auch nur unzureichend erledigen. Denn unsere Studie sagt auch, dass auch unbefristet eingestellte Zeitarbeiter, wenn man über den Daumen gepeilt zwei Wochen lang keine Arbeit für sie gefunden hat, entlassen werden.

An diesem Punkt möchte ich gerne ansetzen. Denn wir haben Programme, die es den Zeitarbeitsunternehmen ermöglichen, die Menschen eine gewisse Zeit zu halten, wenn man keine neue Firma gefunden hat, und die Zeit für Qualifizierung zu nutzen. Es gibt auch eine erhebliche Anzahl von Programmen, auch die Lohnkostenseite für die Zeitarbeitsfirmen in den Griff zu bekommen.

Das ist zum Beispiel das sogenannte WeGebAUProgramm der Arbeitsverwaltung, das auch Zeitarbeitsunternehmen nutzen dürfen. START NRW zum Beispiel nutzt dieses sehr stark. Ich finde, wir müssen mit der Zeitarbeitsbranche darüber reden, warum so viele andere Zeitarbeitsunternehmen dieses WeGebAU-Programm nicht in Anspruch nehmen. Denn es bedeutet im Grunde: Wir zahlen Lohnkostenzuschüsse, aber sie sind an eine Zeit der Qualifizierung gebunden. Da viele der in Zeitarbeit tätigen Menschen nicht über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügen, ist Qualifizierung erstens bitter notwendig und passt zweitens voll in das Programm. Aus diesem Programm fließen die Mittel aber nicht ab.

Das ist auch meine Antwort: Ich nehme dann Landesgeld in die Hand, wenn ich eine Sache für wichtig halte, bei der es in Deutschland keine Finanzierung gibt. Aber da, wo der Bund und die, die zuständig sind, finanzieren, muss man sich darum kümmern, dass diese Programme in NordrheinWestfalen besser laufen. Das werden wir zu Beginn des Jahres auch tun.

Das setzt aber voraus, dass die Arbeitgeberseite der Zeitarbeit auch bereit ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Hier kann die Branche beweisen, ob sie in dem Umfang wie ein ganz normaler Arbeitgeber bereit ist, soziale Verantwortung zu tragen.

(Beifall von der CDU)

Ein weiterer Punkt ist die Entlohnung. Wir haben uns damals im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz entschieden, der Branche mehr Freiheiten einzuräumen und das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zurückzunehmen, wenn die Branche Tarifverträge bekommt. Die Branche hat vorher keine Tarifverträge gehabt, weil galt, dass das bezahlt werden musste, was in den Verleihunternehmen üblich war: Equal pay.

Aber es ist doch unstreitig, dass die Entwicklung der Branche dahin, sich alles in allem wie ein normaler Arbeitgeber zu verhalten, erheblich in Gang gekommen ist, seitdem es dort Tarifverträge gibt. Damals, als es diese noch nicht gab und als wir Equal pay hatten, war diese Branche weithin noch als Seelenverkäufer verschrien. Dass die Zeitarbeit Tarifverträge bekommen hat, hat nach meiner Meinung ihr Image erheblich verbessert.

Ob man das wahrhaben will oder nicht, aber von der Rechtslage her ist Deutschland ein Land, das

auch ein pluralistisches Gewerkschaftssystem zulässt. Deswegen gibt es nicht nur eine Gewerkschaft. Ein Problem ist jetzt dadurch entstanden, dass eine dieser Gewerkschaften zwar einen Tarifvertrag gemacht hat, nach dem die Zeitarbeiter fast genauso viel verdienen wie nach DGB-Tarifvertrag, aber im Kleingedruckten steht, dass im ersten halben Jahr bestimmte Abschläge gemacht werden dürfen.

Den folgenden Satz habe ich mir gut überlegt: Ich finde, ein Tarifvertrag, der dafür da ist, einen anderen Tarifvertrag zu unterbieten, kann kein christlicher Tarifvertrag sein.

(Beifall von CDU, SPD und GRÜNEN)

Denn Auftrag von Gewerkschaften ist es, egal wie die Gewerkschaft heißt und wie sie sich gesellschaftspolitisch verpflichtet fühlt, die Arbeitsbedingungen von Menschen zu verbessern, und sie ist nicht dafür da, einen Tarifvertrag, der Arbeitsbedingungen beschreibt, grundsätzlich zu unterbieten.

(Beifall von CDU, SPD und GRÜNEN)

Was mir dieser Satz in den nächsten Wochen an Post bescheren wird, können Sie sich vorstellen. Aber deswegen habe ich ihn mir auch gut überlegt.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Ich hoffe, er wird ausreichend veröffentlicht!)

Nächster Punkt: Die Zeitarbeitsbranche ist auch davon gekennzeichnet, dass die Menschen oft sehr allein gelassen sind, was die Vertretung von Arbeitnehmerrechten angeht. Der gewerkschaftliche Bindungsgrad ist niedrig, Betriebsräte sind selten, Vertrauenskörper werden nicht gekannt, viele Zeitarbeiter haben eine unterdurchschnittliche Bildung. Unterdurchschnittliche Bildung bedeutet auch, dass es diese Menschen besonders schwer haben, sich zu wehren, wenn sie den Eindruck haben, nicht gut behandelt worden zu sein.

Deswegen habe ich mich zu Folgendem entschieden – das haben wir über Monate vorbereitet, weil all das nicht so schnell geht –: Mein Haus hat zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund in Nordrhein-Westfalen eine Hotline eingerichtet, wo Zeitarbeiter Hilfe, Rat und Rechtsschutz bekommen. Die Abmachung besteht darin, dass einerseits mein Haus die Hotline zu erheblichen Teilen finanziert, und andererseits der Deutsche Gewerkschaftsbund den Zeitarbeitern Rechtsschutz anbietet, indem er eine Sache ändert, die bei uns bei den Gewerkschaften üblich ist: Man muss ja Mitglied sein, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, sonst kriegt man keinen Rechtsschutz. Der DGB macht hier eine Ausnahme. Auch wenn sie vorher nicht in der Gewerkschaft waren und eintreten, bekommen sie von ihm den vollen Rechtsschutz.

(Beifall von CDU, FDP und GRÜNEN)

Ich habe als Minister den Rechtsschutz nicht organisieren können, weil das rechtlich nicht geht. Aber ich bin froh, dass wir hier eine Lösung gefunden haben.

Der DGB hat gesagt: Gut, dann werden wir einmal ein bisschen in Zeitarbeit investieren, obwohl wir von dort keine Mitgliedsbeiträge bekommen haben, denn wir können uns vorstellen, dass das ein Beitrag ist, um den Bereich für die Gewerkschaften mehr zu erschließen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Gut, dass wir Ge- werkschaften haben!)

Ja, das ist in Ordnung. Aber es ist auch gut, dass es diesen Arbeitsminister gibt, der als Einziger in Deutschland eine solche Hotline einrichtet.

(Beifall von der CDU)

Das hätte auch Herrn Scholz in Berlin einfallen können.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das können Sie ihm einmal sagen!)

Ja, die machen uns immer drei Wochen später alle Sachen nach. Es ist auch ganz in Ordnung, wenn sie sich hier abgucken, wie man regiert.

(Beifall von der CDU)

Diese Hotline läuft seit ein paar Wochen. Wir bekommen Anrufe nicht nur aus Nordrhein-Westfalen, sondern aus der ganzen Bundesrepublik. Ich habe auch gesagt: Ob die Leute in Nordrhein-Westfalen wohnen oder nicht, sie finden beim Arbeitsminister Karl-Josef Laumann Schutz. Sie werden von uns vertreten, und wir werden dann natürlich auch versuchen, die Dinge zu bearbeiten.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Sie sehen, wir sind dabei, eine Menge zu machen. Aber ich gehöre eben nicht zu den Menschen, die von vornherein sagen, wir müssen das alles über Gesetze regeln, sondern das, was hier geregelt werden muss, muss mit den vorhandenen Gesetzen, den vorhandenen Tarifverträgen und den vorhandenen Strukturen umgesetzt werden.

(Beifall von der CDU)

Diesen Weg gehe ich weiter; denn durch Gesetze ist das Land noch nie besser geworden. Man kann nicht alles staatlich regeln, sondern man muss dieser Branche – weil wir sie auch als flexibles Instrument brauchen – helfen, eine ganz normale Branche auf dem Arbeitsmarkt zu werden.

Am Ende gehört dazu auch, dass sich die Tarifverträge so nach oben schaukeln, dass die Leute auch mehr verdienen. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Als nächster Redner hat der Kollege Eiskirch für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass es eine solche Hotline gibt. Ich freue mich, dass der DGB, entgegen den üblichen Regelungen, eine Rechtsschutzzusage auch für diejenigen gibt, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, um den Menschen in dieser Branche, die nicht wissen, was sie in welcher Situation genau tun müssen, die Möglichkeit zu eröffnen, sich entsprechend zu verhalten.

Kolleginnen und Kollegen, ich nehme aber auch in der heutigen Diskussion wieder wahr, dass wir uns zwar in vielen der allgemeinen Punkte – ich lasse die FDP einmal außen vor – einig sind, dass aber der richtige Drive, dann auch zu handeln, seitens der regierungstragenden Fraktionen, hier der CDU, nicht spürbar ist.

(Beifall von der SPD)

Wir sind uns eigentlich einig, sagt Herr Kleff, dass es gleichen Lohn für gleiche Arbeit geben soll. Gleichzeitig sagt er aber, gesetzlich ändern wollten sie an der Stelle nichts. Minister Laumann sagt, die Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes wäre eigentlich richtig.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Aber ändern wol- len Sie nichts!)

Der Staat müsse nicht alles regeln, aber er müsse Rahmenbedingungen setzen, und das wäre eine Rahmenbedingung; ändern wollten sie hier aber eigentlich nichts.

(Beifall von Rainer Schmeltzer [SPD])