Meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 111. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Bevor wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen – da dies die erste Sitzung im neuen Jahr ist – Glück, Gesundheit und alles Gute für 2009 wünschen.
Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Wir treten nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein. – Die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 13. Januar 2009 gemäß Artikel 38 Abs. 4 der Landesverfassung eine Sondersitzung des Plenums zu folgendem Thema beantragt:
Pakt für Beschäftigung und Stabilität in Deutschland – Auswirkungen und Konsequenzen für Nordrhein-Westfalen
Die Voraussetzungen für die Einberufung einer Sondersitzung lagen vor. Eine Einladungsfrist war gemäß § 20 unserer Geschäftsordnung nicht zu wahren.
Bevor ich der Vertreterin der Landesregierung als erster Rednerin das Wort erteile, weise ich Sie auf Folgendes hin:
Nach § 79 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung können Antragsteller/innen zu Beginn einer Beratung das Wort ergreifen. Dem steht das jederzeitige Rederecht für Mitglieder der Landesregierung entgegen.
Der Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 15. Januar mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, von ihrem Recht nach Artikel 45 Abs. 1 Satz 3 der Landesverfassung Gebrauch zu machen.
Deshalb spricht als erste Rednerin Frau Ministerin Thoben, der ich für die Landesregierung das Wort erteile. – Frau Thoben, bitte schön.
(Ewald Groth [GRÜNE) : Mehr als peinlich! –: Johannes Remmel [GRÜNE]: Kleinste Münze! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Opposition möchte eine Regierungserklärung zu Konsequenzen für Nordrhein-Westfalen aufgrund von Eckpunkteentscheidungen, die in Berlin getroffen worden sind und deren Konkretisierung sowie Spezifizierung und vor allen Dingen deren Umsetzung in Verwaltungsvereinbarungen gerade heute in Berlin zwischen dem Bund und den Bundesländern in ersten Schritten beraten werden. – So viel zur Logik Ihres Antrags.
Jetzt aber zur Lage! Die gegenwärtige Vertrauenskrise auf den Weltfinanzmärkten und die darauf folgenden Krisen in allen wichtigen Wirtschaftsregionen der Welt sind anders und vor allem globaler als alles, was wir bisher erlebt haben. Die Weltfinanzkrise ist eine Bewährungsprobe der Marktwirtschaft, nicht ihr Ende, wie manche es meinen oder sich wünschen.
Die Welt hat aus zurückliegenden Krisen jeweils gelernt bzw. lernen müssen. Das muss und wird auch dieses Mal geschehen. Am Ende werden die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens sowohl national als auch global verbessert und angepasst sein, sodass die Marktwirtschaft besser als vor der Krise funktionieren kann. Diese Lernfähigkeit war und ist die Stärke einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung.
Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Maßnahmen. Es kommt darauf an, dass wir rasch handeln, eingefahrene Denkschablonen beiseite lassen und uns bemühen, die MaastrichtKriterien trotz allem auch im Jahre 2009 einzuhalten.
Deutschland und Nordrhein-Westfalen stehen am Beginn eines schwierigen Rezessionsjahres. Aktuelle Prognosen erwarten für Deutschland den schärfsten Abschwung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Das aktuelle Prognosespektrum wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute für das Jahr 2009 reicht von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland um 0,8 % bis zu einem Rück
Die in kurzen Abständen deutlich nach unten revidierten Prognosen wie die große Spanne der geäußerten Erwartungen sind Ausdruck der das übliche Maß übersteigenden Unsicherheiten über die kommende Entwicklung. Ursachen für die Unsicherheiten sind die rasante Verschlechterung der Wirtschaftsdaten auf breiter Front sowie die Tatsache, dass nahezu alle wichtigen Wirtschaftsregionen der Welt parallel in den Abschwung geraten.
Die Informationen der amtlichen Statistik sind auch für Nordrhein-Westfalen eindeutig. Die Rückgänge bei den Auftragseingängen – die letzte Zahl ist vom November – betragen immerhin 29 %. Der Abschwung der Industrie des Landes fällt also noch etwas schärfer aus als im Bund insgesamt. Dabei sind sowohl die Inlandsnachfrage als auch die Nachfrage aus dem Ausland deutlich geschrumpft. Beim Letzteren weist der aktuelle Eckwert des letzten Monats einen Rückgang um 33 % gegenüber dem Vorjahr aus.
Der Nachfragerückgang trifft alle Branchen. Wie zu Beginn einer Rezession zu erwarten, gehen die Ordern für Vorleistungsgüter für Investitionsgüter besonders stark zurück. In der Stahlindustrie Nordrhein-Westfalens haben sich die Aufträge binnen Jahresfrist am aktuellen Rand mehr als halbiert.
Meine Damen und Herren, die globale Finanzmarkt- und Vertrauenskrise trifft die Realwirtschaft Deutschlands und Nordrhein-Westfalens mit großer Wucht. Die engen Verflechtungen mit der Weltwirtschaft wirken leider auch in der Rezession.
Zum Gesamtbild der Lage gehören aber nicht nur die sich rasant verschlechternden Daten; zum Gesamtbild gehört auch die im Kern sehr gute Verfassung unserer Unternehmen. Sie haben die vergangenen Jahre genutzt, um ihre Wirtschaftskraft beeindruckend zu steigern und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Deshalb bekommen wir immer auch noch positive, wenn auch nicht euphorische Meldungen zum Beispiel aus der Maschinenbaubranche. Dort sagt man: Wenn der Abschwung nicht zu lange dauert, sind wir, wenn wir Pech haben, auf einem Produktionsniveau wie im Jahr 2005; das ist zwar schmerzhaft, aber auszuhalten.
Als Frucht des zu Ende gegangenen Aufschwungs – lassen Sie mich auch das erwähnen – lag die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland im Durchschnitt um knapp 600.000 Personen über dem Niveau des Vorjahres. Auch Nordrhein-Westfalen hat ein Beschäftigungsniveau, das um knapp 120.000 Beschäftigte höher als das des Vorjahres ist. Das ist Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen von Gewerkschaften, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Arbeitgebern und vielleicht ein ganz kleines bisschen auch von der Politik.
Meine Damen und Herren, zur notwendigen Ehrlichkeit gehört es, klar zu sagen, dass der Staat konjunkturelle Krisen nicht verhindern kann. Er kann und muss allerdings seinen Beitrag leisten, die Ausschläge zu dämpfen. Bei den Maßnahmen, die er ergreift, sollte und muss er darauf achten, dass sie nachhaltig und unter längerfristigen Gesichtspunkten verantwortbar sind.
Die Bundesregierung und die Landesregierung haben besonnen, kraftvoll und wirksam auf die Krise reagiert. Ausgangspunkt und Brennpunkt der gegenwärtigen Krise ist die instabile Verfassung der internationalen Finanzmärkte; ich habe es bereits gesagt. Deshalb war und ist es richtig, dass zunächst international abgestimmte Maßnahmenpakete zur Stabilisierung der Finanzmärkte ergriffen wurden und werden. Das Stichwort in diesem Zusammenhang ist das Finanzmarktstabilisierungsgesetz. Der Staat engagiert sich durch die Maßnahmen des SoFFin mit hohem finanziellen Einsatz an der Bekämpfung des Brandherdes der Krise.
Jetzt kommt es, um im Bild zu bleiben, darauf an, das Übergreifen des Brandes auf die Realwirtschaft einzudämmen. Sinnvoll sind Maßnahmen, die nicht nur die Nachfrage stärken, sondern die Rahmenbedingungen für einen mittelfristig höheren Wachstumspfad verbessern. In diese Richtung wirken die Konjunkturprogramme der Bundesregierung und die Maßnahmen des Landes.
Noch einmal: Wichtig ist, dass wir uns auf Maßnahmen konzentrieren und Dinge tun, die auch bei längerfristiger Betrachtung in Ordnung sind. Deshalb sind die Schwerpunkte Bildung und Infrastruktur auf jeden Fall richtig.
Im Oktober hat die Bundesregierung den Rettungsschirm für die Banken aufgespannt. An der Absicherung dieses Rettungsschirms wird sich das Land beteiligen – im Maximalfall übrigens mit einer Summe von 1,7 Milliarden €.
Im November hat die Bundesregierung ihr erstes Konjunkturpaket geschnürt. Das Land ist daran mit 600 Millionen € beteiligt. Zusätzlich dazu wird das Land im Haushalt 2009 konjunkturwirksame Infrastrukturinvestitionen in einem Volumen von 2,4 Milliarden € tätigen.
Meine Damen und Herren, der Koalitionsausschuss der Bundesregierung hat sich am Montag dieser Woche auf ein zweites Konjunkturpaket mit einem Volumen von 50 Milliarden € verständigt. Das Bundeskabinett hat das Paket am Mittwoch beschlossen.
Am Donnerstag mahnen die Grünen die Verwaltungsvereinbarung zwischen Land und Kommunen als Konsequenz aus diesen auf Bundesebene ver
Zusammen mit dem ersten Maßnahmenpaket vom November stehen damit rund 80 Milliarden € für die Jahre 2009 und 2010 zur Stabilisierung der Konjunktur zur Verfügung. Die Gesamtsumme entspricht einem Anteil von rund 3 % am Bruttoinlandsprodukt. Diese Zahl illustriert die gewaltige Kraftanstrengung der öffentlichen Haushalte für die Menschen in unserem Land und zur Bewältigung der Wachstumskrise. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg schätzt, dass durch das zweite Konjunkturpaket bis zu 250.000 Arbeitsplätze erhalten werden können.
Derzeit – gerade heute – tagen die Länder zusammen mit dem Bundesfinanzminister, um Details der Umsetzung in ersten Schritten zu besprechen. Deshalb kann der Finanzminister heute nicht hier sein. Vor konkreter Verabredung zwischen Bund und Bundesländern – das nochmals – kommt der Ruf nach einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Land und Kommunen. Auf die Idee muss man erst mal kommen.
Natürlich verabreden wir ein Maßnahmenbündel. Wer den Eindruck erweckt, das sei ein Sammelsurium und möglicherweise sei er so klug, eine einzige Maßnahme zu kennen, mit der man in einer nie gehabten Situation gegensteuern kann – das kann nur Frau Löhrmann.
Ich bin anders groß geworden; ich weiß, dass nicht nur jeder einzelne Fehler machen kann, sondern auch ganze Gruppen dazu imstande sind.