Protokoll der Sitzung vom 16.01.2009

(Unruhe von der SPD)

Das Maßnahmenpaket umfasst die Förderung der Kreditsicherung für die Unternehmen, die verstärkte Qualifizierung der Arbeitnehmer, die Unterstützung privater und öffentlicher Investitionen und die Entlastung der Bürger von Steuern und Abgaben. Mit dem Kredit- und Bürgschaftsprogramm für die Wirtschaft werden bei der KfW insgesamt 100 Milliarden € für die Bürgschafts- und Kreditvergabe zur Verfügung gestellt. Mit diesem Deutschlandfonds soll vor allem den Unternehmen geholfen werden, die wegen der Finanzkrise keine ausreichenden Bankkredite mehr bekommen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Doch keine Ver- staatlichung!)

Was tun wir in Nordrhein-Westfalen? Wir haben zusammen mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gerade vor wenigen Tagen im Branchendialog Maßnahmen verabredet, die den Unternehmen den Zugang zu Bundes- und Landesangeboten, zu Hilfsangeboten erleichtert. Dazu gehören:

1. Einrichtung einer Infohotline für die Erstinformation, vertrauliche Erstgespräche, da wir damit rechnen müssen, dass auch bei uns die Zahl der Firmen, die Schwierigkeiten bekommen oder schon haben, zunehmen wird.

2. Einrichtung eines landesweiten Netzwerks Unternehmenssicherung mit regionalen Partnern ab Januar 2009. Dort werden das Land, die Kammern, die Wirtschaftsförderung, die NRW-BANK und weitere Experten vertreten sein.

3. Verstärkte Nutzung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Krisenmanagement.

4. Auflage eines speziellen Programms für Unternehmen vor Insolvenz bzw. im Insolvenzverfahren. Da ist eine Lücke in den Förderbedingungen. Zukünftig können wir mit einem Insolvenzplanverfahren die notwendige Beratung begleiten und Umstrukturierungsbeihilfen bei einer Neustartfinanzierung anbieten.

5. Standardbürgschaften werden zur Verfahrensbeschleunigung direkt bei PWC eingereicht und bearbeitet werden.

6. Das Land erhöht vorsorglich den Bürgschaftsrahmen auf 1,5 Milliarden €, damit wir auf jeden Fall handlungsfähig bleiben.

Auf Bundesebene gibt es einen zweiten Punkt: die Beschäftigungssicherung durch Entlastung bei Sozialversicherungsbeiträgen. Hier geht es um die teilweise Entlastung der Arbeitgeber von Sozialversicherungsbeiträgen. Es wird der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung abgesenkt. Das wird nach unserer Einschätzung helfen, die Beschäftigung zu sichern.

Dann gibt es Erleichterungen bei der Einkommensteuer. Derzeit kann ich Ihnen die Auswirkungen auf den Landeshaushalt nicht nennen. Wir müssen davon ausgehen, dass von dem Volumen ungefähr 10 % bei uns ankommen, also zusätzliche Einnahmenausfälle bedeuten. Der Finanzminister rechnet gerade die Details.

Außerdem gibt es das kommunale Investitionsprogramm „Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand“. Dort wird der Bund insgesamt 14 Milliarden € zur Verfügung stellen: 4 Milliarden € für zusätzliche Bundesinvestitionen und 10 Milliarden € für das kommunale Investitionsprogramm.

Inhalt und Finanzierungsschlüssel im Detail – noch einmal – werden heute in einem ersten Schritt in Berlin beraten. Das gilt auch für die Frage, welche inhaltlichen Schwerpunkte spezifiziert gemeint sind.

Deshalb kann ich Ihnen heute nicht sagen, was auf uns zukommt.

(Kopfschütteln von Johannes Remmel [GRÜNE] – Britta Altenkamp [SPD]: Das ist auch keine Neuigkeit!)

Ich finde das Kopfschütteln bei Ihnen so was von unverständlich, das kann ich Ihnen überhaupt nicht schildern.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Jo- hannes Remmel [GRÜNE] – Unruhe von der SPD)

Eines können wir Ihnen aber versichern – das hat der Ministerpräsident schon vor wenigen Tagen getan –: Die Mittel werden bei den Kommunen ankommen, und es werden alle Kommunen daran teilhaben können.

(Beifall von CDU und FDP – Unruhe von der SPD)

Ihrem lautstarken Getöse entnehme ich, dass Sie Folgendes zu ärgern scheint: Sie sprechen pausenlos von der Unsicherheit der Kommunen, und wir treffen nach Spitzengesprächen in einem sehr guten Klima Verabredungen.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD: Och!)

Schrecklich.

Es gibt noch einen Punkt, den wir konkretisieren müssen. Natürlich will der Bund, dass es sich um zusätzliche Investitionen handelt. Da wird man zum Beispiel mit der Frage umgehen müssen: Ist „zusätzlich“ nur das, was bisher nicht in Kommunalhaushalten steht, oder will man plötzlich auch schon mittelfristige Finanzplanung einbeziehen und sagen: „Das ist abgefrühstückt“?

(Zuruf von der SPD)

Dabei bleibe ich; das weiß auch die Fraktion, der ich angehöre – nicht als Abgeordnete, aber als Mitglied der Landesregierung –, dass ich mich lieber mit Sachverhalten als mit Beschimpfungen befasse.

(Beifall von CDU und FDP – Lachen von der SPD – Zuruf von der SPD: Weiter so!)

Die derzeitige Debatte wirft also mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Meine Damen und Herren, noch einmal: Das Programmvolumen wird bei den Kommunen ankommen. Alle Kommunen werden sich beteiligen können. Über die Details wird zwischen Bund und Ländern gerade eine Verabredung zur Spezifizierung getroffen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Souveräne Regie- rungsarbeit sieht anders aus!)

Eines ist aber ganz wichtig. In diesem Zusammenhang werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen,

die das flexibilisierte Beihilferecht auf EU-Ebene bietet. Wir werden für den Übergangszeitraum von zwei Jahren die Wertgrenzen für eine vereinfachte Vergabe öffentlicher Aufträge weiter anheben. Wir werden die Verfahren beschleunigen, weil wir sicher sind, dass das nicht nur der regionalen Wirtschaft gut tut, sondern auch dafür sorgt, dass man gewünschte Maßnahmen tatsächlich schneller umsetzen kann.

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen – das trage ich hier mit großem Nachdruck vor –, dass die öffentlichen Investitionen gut 8 % der Gesamtinvestitionen ausmachen. Wer sich hier immer noch freut, dass er durch die Blockade von Großvorhaben private Investitionen in unserem Land nicht zulässt, sondern sie ins Ausland treibt, der muss ganz andere Fragen beantworten als die, die Sie heute hier stellen. Über 90 % der Investitionen sind private Investitionen.

(Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD)

Meine Damen und Herren, ungewöhnliche Zeiten verlangen nach ungewöhnlichen Maßnahmen. Unsere Überzeugung ist: Die jetzt ergriffenen Maßnahmen sind notwendig und sinnvoll. Wir müssen sie ganz, ganz schnell umsetzen.

(Zurufe von der SPD)

Wichtig ist dabei aber auch, von Anfang an daran zu denken und zu arbeiten, mit ungewöhnlichen Maßnahmen verbundene Verschuldungen in ruhigeren Zeiten wieder zurückzuführen.

Die Landesregierung – man tut das ja nicht gerne; ich darf es aber einmal sagen – könnte sich hier eigentlich loben: Auf Landesebene haben wir seit 2005 eine deutlichere Schuldenreduzierung hinbekommen als auf Bundesebene.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Zurufe von der SPD: Mein Gott! Grundrechnen schwach!)

Auch bei diesem neuen Maßnahmepaket sind wir sehr daran interessiert, dass verbindlich verabredet wird, wie man wieder aus der Verschuldung herauskommen will.

Auf Landesebene haben sich die Partner im Branchendialog übrigens am 13. Januar dieses Jahres darauf verständigt, gemeinsam alles zu tun, um Unternehmen und ihren Beschäftigten Brücken durch die Krise zu bauen – auch mit zusätzlichen öffentlichen Investitionen. Wir haben einen Zukunftspakt für Wachstum und Beschäftigung vereinbart.

Konkret geht es darum, Arbeitsplätze zu sichern, Unternehmen zu schützen, über Kurzarbeit Beschäftigung zu sichern, das Instrument der Transfergesellschaften weiter zu verbessern, das Bürgschaftsverfahren zu vereinfachen und zu beschleu

nigen sowie das Insolvenzrecht verstärkt zur Unternehmenssicherung zu nutzen.

Zusammen mit allen Beteiligten werden wir – da bin ich mir sicher – die Krise meistern.

Meine Damen und Herren, in einer solchen Situation kauft man sich zunächst etwas Zeit. Wir müssen aber auch darauf achten, dass wir nichts tun, was unter langfristigen Gesichtspunkten falsch ist.

Wohin wollen wir also? Ich bin überzeugt, dass sich Deutschland im Rahmen der Europäischen Union sehr selbstbewusst mit eigener Erfahrung und Tradition bei der Formulierung von Zukunftszielen und damit verbundenen Regelungen einbringen wird. Wir werden unsere Kraft selbstbewusst einsetzen, selbstbewusst unseren Weg beschreiben und hoffen, dass uns viele auf europäischer Ebene bei den Rahmenbedingungen, von denen wir uns eine langfristige Verbesserung versprechen, folgen.

Dazu werden maßgeblich auch sehr harte und ungewohnte Spielregeln für internationale Finanzmärkte gehören.

Jetzt aber ist es wichtig, die verabredeten Eckdaten auf Bundesebene in Gesetze zu gießen und sie schnell durch den Bundesrat zu bringen, damit sie in Kraft treten können. Ich lade die Opposition zu einem konstruktiven Gespräch darüber ein. Wir als Landesregierung stehen jedenfalls für diese Vorhaben und werben dafür.

(Anhaltender Beifall von CDU – Beifall von der FDP)

Danke schön, Frau Thoben. – Meine Damen und Herren, für die SPD spricht nun Frau Kraft.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Thoben, Ihr Gesprächsangebot nehmen wir gerne an. Eigentlich hätten wir uns dieses Gespräch aber heute hier im Parlament vorgestellt, wo es hingehört.