Protokoll der Sitzung vom 29.01.2009

(Ute Schäfer [SPD]: Das ist die Realität! – Zu- ruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich möchte Ihnen zurufen: Geht es nicht einmal eine Nummer kleiner? Was Sie erzählen, ist doch grober Unfug. An anderer Stelle haben wir bereits darauf hingewiesen, welche zusätzlichen Leistungen wir anbieten.

Sie wissen so gut wie wir, dass Ganztagsangebote an vielen Gymnasien heute schon gelebte Praxis sind. Es ist dieser Regierung zu verdanken, dass wir endlich auch Ganztagsschulen an Gymnasien und Realschulen schaffen. 216 Gymnasien und Realschulen bekommen den Ganztag. Das sind mit einem Schlag rund 20 % der betroffenen Schulen. Bei den finanziellen Rahmenbedingungen ist das ein durchaus bemerkenswerter Kraftakt und hat eine ganz andere Dimension als das, was Ihre lokale Politik in diesem Bereich über Jahrzehnte bedeutet hat.

Vor dem Hintergrund der Gesamtproblematik ist es einfach etwas einfallslos, wenn Sie Ihre übliche Mäkelei über den Schulbereich fortsetzen. Die vom Land bereitgestellten 100.000 € für den Bau der Mensen sind zusätzliche Mittel für die Wahrnehmung einer eindeutig kommunalen Aufgabe. Das Land leistet dort Vorbildliches.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum eine Mensa unbedingt mehr als 700.000 € kostet. Der eine oder andere weiß, dass ich kommunalpolitisch aktiv bin. In meiner Kommune, in der wir im Moment die Haushaltsplanberatungen durchführen, werden wir sieben Schulen mit Mensen ausbauen. Die Vorgabe für jede Schule war, mit den 200.000 € auskommen zu müssen. Siehe da: Es gibt schon ganz

erstaunliche Konzepte, und die Schulen sind dazu in der Lage.

Was wir als Land an Kofinanzierung anbieten, ist in den meisten Fällen durchaus auskömmlich. Etwas anderes ist es, wenn Schulen schon so weit heruntergekommen sind, dass im Prinzip eine Grundsanierung stattfinden muss. Dann wird deutlich, dass der kommunale Träger hier und da nicht ganz das geleistet hat, was er eigentlich sollte.

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sind auch aufgefordert, bei Ihren Genossen in Berlin dafür zu sorgen, dass beim Konjunkturpaket II ausreichend Mittel für den Schulbereich bereitgestellt werden. Nach allem, was wir so hören, ist es sinnvoll, insbesondere bei Ihrem Parteigenossen Steinbrück ein schnelles und unbürokratisches Verfahren für dieses Programm und darin einen möglichst großen Schulanteil zu fordern.

Polemiken wie die Frage der Möglichkeit von Samstagsunterricht in einen Antrag aufzunehmen, ist müßig und eigentlich lächerlich. In diesen Fällen verhindern schon allein die Formulierungen eine Zustimmung.

Sie von der Opposition haben bildungspolitisch jeden Kompass verloren. Sie setzen nur auf Abstaubertore und das Schüren von Unzufriedenheit. Das ist zu wenig.

Der Duktus Ihres Antrages verrät, dass Sie nicht ernsthaft auf Zustimmung hoffen. Sonst würden Sie sich eine solch platte Polemik ersparen.

Zur Sache selbst: Die Zahlen für das Projekt „Kein Kind ohne Mahlzeit“ steigen. Diese Initiative kommt an. Wir alle haben gesagt, dass wir die Kinderarmut ernst nehmen und deshalb anfangen müssen.

Wir haben aber immer die – jetzt gerichtlich bestätigte – Auffassung vertreten, dass für den Unterhalt der Kinder der Bund mit seiner Sozialgesetzgebung zuständig ist. Diesbezüglich können Sie in Berlin bei Ihren Genossen von der SPD wichtige Arbeit leisten – und vor allem Lobbyarbeit.

Richtigerweise ist dieser Sektor jetzt nicht mehr im Schulministerium angesiedelt, weil es sich dabei um eine sozialpolitische und nicht um eine bildungspolitische Fragestellung handelt.

Wenn ich korrekt informiert bin, ist die Auswertung dieses Projekts für das erste Halbjahr 2009 vorgesehen. Danach wird die Landesregierung einen Vorschlag unterbreiten.

Ich wünsche mir sehr, dass die Bundesebene hier mit ins Boot kommt; denn die Mahlzeit für alle Kinder ist Teil der Grundsicherung für Kinder. Sie sollten Ihre Genossen in Berlin da nicht aus der Verantwortung lassen; denn trotz aller Antragspolemik Ihrerseits stimmen wir darin überein, dass kein Kind ohne Mahlzeit bleiben darf. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kaiser. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat handelt es sich hier im Schwerpunkt um einen sozialpolitisch motivierten Antrag, auch wenn die Bildungspolitik sowie Kinder und Jugendliche als Adressaten betroffen sind.

Weil dieses Thema heute im Rahmen der Haushaltsberatung an verschiedenen Stellen gestreift wurde, will ich einiges von dem richtigstellen, was immer wieder – aus meiner Sicht auch nicht ohne politische Absicht – fälschlicherweise behauptet wird.

Es ist stets gemeinsame Auffassung der Koalitionsfraktionen in diesem Haus gewesen, dass es dem Wesensmerkmal von Regelsätzen im Sozialgesetzbuch entspricht, sie in vernünftigen Abständen den Lebenswirklichkeiten – auch der Preisentwicklung – anzupassen.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Das ist Theo- rie!)

Regelsätze müssen sinnvoll dynamisiert und fortgeschrieben werden, damit sie eine realistische Verbrauchsstichprobe darstellen und auch die Preise repräsentieren, die in der Gesellschaft real für Waren zu zahlen sind.

Darüber hinaus müssen wir differenzierter berücksichtigen – dazu haben die Grünen heute in der Haushaltsberatung ebenfalls viel Falsches gesagt –, wie ALG-II-Bedarfsgemeinschaften im Einzelfall aussehen. So zeigt die Statistik, dass für die Hälfte der ALG-II-Bedarfsgemeinschaften der Bezug von Sozialtransfers nur eine von mehreren Einkommensquellen darstellt. Die Hälfte aller ALG-IIBedarfsgemeinschaften realisiert zusätzlich zu den Sozialtransfers weitere Einkünfte.

Von daher hängt die objektive Vermögenssituation längst nicht in allen Fällen mit der Qualität des Essens, das Kinder bekommen, zusammen.

Aus diesem Grund müssen wir zielgruppenspezifisch helfen. Deshalb gibt es einen Landesfonds. Wir wollen denen, die tatsächlich bedürftig sind, unter die Arme greifen, aber nicht mit der Gießkanne auf Kosten der Allgemeinheit immer mehr umverteilen.

In diesem Zusammenhang geht es insbesondere um eine Aufgabe, die in die Zuständigkeit fast aller anderen politischen Ebenen fällt, bei der es sich aber eben nicht um eine Aufgabe des Landes handelt. Es ist Aufgabe des kommunalen Schulträgers, vor Ort in der Umsetzung hierfür zu sorgen, und Aufgabe des Bundes, die Regelsätze so auszugestalten, dass Empfänger von Sozialtransfers wie zum

Beispiel ALG-II-Bedarfsgemeinschaften auch auskömmlich ausgestattet sind.

Genauso wie in vielen anderen Bereichen stellt sich das Land aber der Verantwortung. Aus sozialer Motivation heraus wird hier zusätzlich bildungspolitisch gehandelt – beispielsweise bei der Lehrerzuweisung nach Sozialindex, die Rot-Grün jahrelang bekämpft hat, als wir sie in der letzten Legislaturperiode in diesem Landtag beantragt haben, bei der Sprachstandsfeststellung, bei verstärkter frühkindlicher Förderung oder beim Ausbau der Ganztagsangebote.

Obwohl das Land nicht zuständig ist, übernimmt es Verantwortung – auch mit dem neuen Landesprogramm für Investitionsmaßnahmen in Ganztagsschulen zur Schaffung von Kantinen und Aufenthaltsräumen, für das alleine im nächsten Jahr 100 Millionen € zur Verfügung stehen.

Das Land unterstützt die kommunalen Schulträger mit jeweils bis zu 100.000 € und erhöht landesweit die Schul- und Bildungspauschale auf insgesamt 600 Millionen €. Das sind ebenfalls Rekordwerte. Mit diesen Mitteln können die Schulen vor Ort konkret arbeiten und Leistungen erzielen.

Diese Partizipation in der Breite der Kommunen des Landes ist uns wichtig. Wir freuen uns, dass die Programme angenommen werden – sowohl der Fonds für die wirklich Bedürftigen als auch die investiven Mittel, die für die Verbesserung der Schulgebäude-Infrastruktur ausgegeben werden.

(Beifall von der FDP)

Hilfe wird sowohl für individuell Bedürftige geleistet als auch an den Schulstandorten, die sich bewusst dafür entschieden haben und so gefördert werden wollen. Wie Sie wissen – das haben Sie heute Morgen ja unter ganz anderen Vorzeichen in der Haushaltsberatung angesprochen –, sind innerhalb des Programms noch Kapazitäten frei. Über 50 weitere Schulen sind herzlich gerne eingeladen, sich noch für den gebundenen Ganztag zu melden.

Das Ganze zeigt allemal, dass wir in Bereichen handeln, in denen Sie nicht gehandelt haben. Bei uns stehen auch noch Budgetmittel zur Verfügung, für die sich alle, bei denen entsprechender Bedarf besteht, noch bewerben können.

Sie von Rot-Grün haben sich all diesen Problemen, die Sie heute ansprechen, selber überhaupt nicht gewidmet. Das muss man klar sagen.

Wir raten Ihnen, dieses Thema nicht noch in der fünften und zehnten Facette mit marginalster Abwandlung wieder zu einer parlamentarischen Diskussion zu bringen. Mittlerweile bekommen wir von Ihnen zu diesem Themenkomplex nämlich im Monatsrhythmus immer wieder die gleichen Anträge mit denselben stereotypen Unterstellungen, obwohl wir Ihnen jedes Mal belegen können, dass wir in diesem Feld handeln, und zwar an all den Stellen,

an denen Sie es in der Vergangenheit unterlassen haben. Berücksichtigen Sie das bitte auch stets bei Ihren Bewertungen.

All das können Sie in der druckfrischen Landtagsdrucksache 14/8321 nachlesen. Darin finden Sie Hinweise, wie sehr unsere Programme tragen und dass es mehrere Dutzend kommunale Träger gibt, die ausdrücklich unserem Ratschlag gefolgt sind, kozufinanzieren und auch private Träger einzubeziehen, die die Angebote verantwortlich mitgestalten.

Das, was wir auf den Weg gebracht haben, trägt. Dies sollten Sie auch für Ihre Planungen beherzigen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Beer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kaiser, es ist schon spät am Tag, und gestern ist es lange geworden. Aber dass Sie bei der Geschichte des Landesfonds so vergesslich sind, erstaunt mich dann doch. Wollen wir etwas zu der Geschichte sagen? – Das ist von den Grünen angeschoben worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Ministerpräsident hat erst gezögert, bis er überhaupt reagiert hat. – Herr Rüttgers, erinnern Sie sich noch daran? Erst einmal 400.000 € aus dem eigenen Fonds, dann noch einmal 400.000 € dazu. Bis wir endlich bei den 15 Millionen € gelandet sind, ist es eine ganze Etappe gewesen. Das ist doch in Salamitaktik hinzugekommen, und es reicht heute noch nicht. Wir fordern das Recht auf eine warme Schulmahlzeit für alle Kinder in NordrheinWestfalen. Die Anhörung dazu hat uns aus allen Fachkreisen recht gegeben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich möchte noch einmal an das Buch erinnern, das ich heute Morgen schon mitgebracht hatte, Herr Kaiser.

(Sigrid Beer [GRÜNE] hält das Buch „Eltern, Lehrer, Schüler im Stress“ hoch. – Klaus Kai- ser [CDU]: Ich habe es nicht!)

Sie müssen es haben, es ist auch an Sie gegangen. Dann lesen Sie bitte das, was Ina Breuer am 27. November aufgeschrieben hat. Sie sagt:

Seitdem meine Tochter auf dem Gymnasium ist, hat sich das komplette Familienleben in Bezug auf Schule verändert. Zwei Stunden Hausaufgaben am Tag (und auch an den Wochenenden) sind normal und strapazieren den Alltag sehr. Die Kinder stehen unter einem enormen Druck,

der sich immer häufiger auch körperlich zeigt. Zeit für entspannte Stunden, Spielen oder Hobbys bleibt kaum noch. Ich frage mich auch, wie Kinder dieses Lernpensum ohne Unterstützung vonseiten der Eltern schaffen können. Also ein System, das nur für eine kleine, begrenzte Gesellschaftsgruppe gemacht ist.