Protokoll der Sitzung vom 30.01.2009

(Zurufe von der FDP – Gegenrufe von den GRÜNEN)

Aber, Sie haben in der letzten Sitzung dieses Hauses im Dezember eine umfassende Debatte zu dem Thema „Politische Partizipation von Migranten“ geführt

(Weitere Zurufe und Gegenrufe von FDP und GRÜNEN)

mit dem Unterschied, dass jetzt auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs debattiert wird, den Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, eingebracht haben.

Trotz aller politischen Differenzen, die Frau Asch gerade noch einmal aufgezeigt hat, muss ich Ihnen sagen: Respekt dafür! Natürlich gibt es zu dem Thema im Detail unterschiedliche Auffassungen. Das hat die Debatte im Dezember gezeigt. Ich darf hier noch einmal ganz deutlich auf den Beitrag des Kollegen Solf im Dezember verweisen, dem ich mich vollinhaltlich anschließe.

Zumindest – darauf hat Frau Asch ja hingewiesen – gibt es in diesem Hohen Hause breite Übereinstimmung dazu, dass die durchweg positiven Erfahrungen der 60 Kommunen, die in Modellversuchen Fortentwicklungen des Ausländerbeirates ausprobiert haben, in der zugesagten Neufassung des § 27 Gemeindeordnung ihren Niederschlag finden müssen, und zwar noch vor der Kommunalwahl.

Für uns als CDU steht fest – das sage ich in völliger Übereinstimmung mit dem Kollegen Solf –, dass wir aufgrund der Erfahrungen die bisherigen Ausländerbeiräte weiterentwickeln wollen und müssen. Es geht nicht mehr oder nur oder in erster Linie darum, Ausländern, die nicht EU-Bürger sind, eine Möglichkeit zur politischen Mitwirkung auf Gemeindeebene einzuräumen. Wir müssen vielmehr die Chance nutzen, mit Hilfe von Integrationsausschüssen oder Integrationsbeiräten die notwendigen Fortschritte bei der Integration zu erreichen.

Wir streben eine liberale Weiterentwicklung an,

(Zuruf von den GRÜNEN: Dann machen Sie es doch!)

die sich an der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP orientiert, in der es heißt:

Wir wollen die Integrations- und Migrationsarbeit verstärken. Es wird geprüft, ob die Ausländerbeiräte in den Städten und Gemeinden Integrations- und Migrationsausschüsse werden können.

(Zuruf von den GRÜNEN: Im Juni sind Wah- len, dann legen Sie es doch auf den Tisch!)

Die Auswertung der Ergebnisse der Modellkommunen und zahlreiche Gespräche mit Verantwortlichen in vielen Kommunen haben zum Teil massive Unterschiede in den Problemen und Fragestellungen vor Ort ergeben.

Während in vielen und besonders in industriell geprägten Kommunen Integrationsfragen häufig an Zuwanderern aus einem Staat festgemacht werden können, sind in anderen Kommunen Integrationsschwierigkeiten auch oder überwiegend bei deutschen Bürgern festzustellen, die als Spätaussiedler zu uns gekommen sind.

Aus diesem Grunde möchten wir einerseits den Kommunen möglichst weitgehende Entscheidungsspielräume überlassen, ob Sie sich für einen Integrationsausschuss – analog dem JAA – mit einer Mehrheit von Ratsmitgliedern entscheiden oder einen Integrationsbeirat unter Beteiligung von Ratsmitgliedern bilden möchten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das wollen wir auch!)

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb möchten wir das neue Integrationsgremium auch nicht gemeinsam mit den Kommunalwahlen wählen lassen, sondern den neu zu wählenden Räten diese Entscheidung überlassen.

(Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Weiterhin möchten wir den Kreis der Wahlberechtigten über den bisherigen Kreis der wahlberechtigten Ausländer hinaus moderat auf einen Kreis eingebürgerter Deutsche mit Zuwanderungsgeschichte erweitern.

(Beifall von der CDU)

Hierin stimmen wir auch mit den kommunalen Spitzenverbänden überein, die auch eine Öffnung befürworten. Dabei – und darin liegt die Schwierigkeit – ist ein Weg zu finden, wie man diese Öffnung sinnvoll beschränken kann. Es kann nicht sein, dass ein Bürger, der seit seiner Geburt Deutscher ist, dessen Großeltern aber als Ausländer – zum Beispiel aus der Türkei – nach Deutschland gekommen sind, wegen dieser Zuwanderungsgeschichte das Wahl

recht für den Integrationsbeirat erhält. Hier ein unbürokratisches und unkompliziertes Verfahren zu finden, ist, Frau Asch, eine noch nicht geklärte Frage.

Nur, damit kein falscher Eindruck entsteht – Sie haben zu Beginn Ihrer Rede noch einmal deutlich gesagt –: Unbeschadet aller vorhin festgestellten Gemeinsamkeiten lehnt die CDU aus verfassungsrechtlichen Gründen ein generelles Ausländerwahlrecht ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Landtag hat in der Vergangenheit bei der Behandlung von Migrations- und Integrationsfragen schon häufig zu einer viel beachteten Einigkeit gefunden. Wir als CDU würden es sehr begrüßen, wenn wir bei der Neuregelung des § 27 der Gemeindeordnung während der Ausschussberatung zu einer solchen Einigkeit finden könnten, weil sich das Thema weder für fundamentalistische Grabenkämpfe noch für ideologische Spielwiesen eignet.

Die offenen Integrationsfragen vor Ort verlangen eine pragmatische Lösung. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU, FDP und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Kollegin Altenkamp das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch einiges zu den Facetten dieser Diskussion, die mir gerade deutlich geworden sind, sagen. Ich habe auch erhebliche Zweifel daran, ob das, was wir hier gerade tun, anhand des Gesetzentwurfs der Grünen uns und die Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen und die kommunalen Migrantenvertretungen insgesamt wirklich in der Sache entscheidend nach vorne bringt. Aber das spare ich mir und gehe ein bisschen zurück in die Chronologie.

Es geht tatsächlich um ein Versprechen aller Fraktionen aus der letzten Legislaturperiode, dass man sich auf eine verbindliche Regelung zur Weiterentwicklung der politischen Partizipation von Migrantinnen und Migranten verständigt, wenn die 60 Städte evaluiert sind.

(Beifall von der CDU)

Es geht natürlich auch um ein Versprechen des Integrationsministers, diesen Schritt aktiv voranzutreiben. Deshalb ist es in der Tat etwas verstörend, dass immer noch kein Vorschlag der Landesregierung vorliegt. Sie können sich in der Tat wohl innerhalb der Regierung nicht einigen, denn die Position der Kolleginnen und Kollegen, die Angehörige dieses Hauses sind, sind hier am 18. Dezember deutlich geworden.

Ich will aber auch sagen, dass ich das Thema für zu wichtig halte, als dass wir noch länger einem Koalitionsgezänk zusehen.

(Beifall von der CDU)

Deshalb wird es langsam dringend Zeit, dass ein Vorschlag vorgelegt wird. Denn auch die Migrantenvertreterinnen und -vertreter müssen wissen, für welches Gremium sie überhaupt kandidieren wollen oder sollen.

(Beifall von SPD und CDU)

Der Antrag der Grünen – das hat Kollegin Asch beschrieben – entspricht in weiten Teilen dem Zwischenergebnis der Verhandlungen der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretung und des Innenministers. Er stellt sicherlich eine Diskussionsgrundlage dar; aber das Nonplusultra ist er aus unserer Sicht nicht. Dafür gibt es vor allen Dingen zwei Gründe.

Erstens. Er lässt offen, welches Gremium gebildet wird, nämlich entweder ein Integrationsrat, in dem die direkt von Migranten gewählten Vertreter die Mehrheit haben, oder ein Integrationsausschuss, in dem dann die Ratsmitglieder die Mehrheit haben.

Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen einen Integrationsrat, in dem die direkt von Migranten gewählten Vertreterinnen und Vertreter die Mehrheit haben, und zwar im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel. Ganz falsch wäre es, beide Gremien nebeneinanderzustellen. Aus meiner Heimatstadt kann ich Ihnen berichten, dass das dazu führt, dass sich diese beiden Gremien ineinander verschränken. Dann kommt gar nichts mehr heraus.

Die Erfahrungen aus den Städten, die schon ein solches Gremium, einen Integrationsrat, gebildet haben, zeigen, dass dies tatsächlich der beste Weg ist – sowohl bei der Wahlbeteiligung als auch beim Interesse der Migrantinnen und Migranten für die Inhalte, die in diesem Gremium besprochen werden. Sie fühlen sich mehr ernst genommen und werden auch tatsächlich von den Räten und Ratsmitgliedern mehr ernst genommen.

Das Schreiben der kommunalen Spitzenverbände lässt den Vorbehalt durch den Städte- und Gemeindebund deutlich werden, dass möglicherweise, wenn man es möchte, auch ein Ausländerbeirat bleiben kann. Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wird von der SPD abgelehnt. Wir wollen ein Gremium mehrheitlich durch Migranten besetzen, die direkt von Migrantinnen und Migranten gewählt worden sind.

(Beifall von der SPD)

Zweitens. Es gibt eine Erweiterung des aktiven Wahlrechts auf Eingebürgerte und auf Spätaussiedler. Wenn, dann sollte man es gleich mit der Änderung der Gemeindeordnung durch eine Verordnung oder durch einen Verfahrensvorschlag deutlich ma

chen. Denn es geht darum, ein möglichst unbürokratisches Verfahren zu finden.

Beispielsweise könnten wir uns vorstellen, dass Eingebürgerte und Spätaussiedler die Möglichkeit bekommen, sich vor der Wahl in ein Wählerverzeichnis einzutragen. Aber das muss nach unserem Dafürhalten gleichzeitig mit der Änderung der Gemeindeordnung diskutiert werden. Denn in der Tat stellt eine Erweiterung des aktiven Wahlrechts schon einen systematischen Bruch mit unseren sonstigen Wahlverfahren dar. Integrationspolitisch ist es sinnvoll, das aktive Wahlrecht für dieses Gremium zu erweitern; das ist gar keine Frage. Auf diese Art und Weise vermeidet man die Dominanz einer Volksgruppe im Integrationsrat.

Ein Hinweis sei auch erlaubt: Gerade bei den Spätaussiedlern stellen wir fest, dass Gruppierungen wie pro NRW diese als Zielgruppe für sich entdeckt haben. Deshalb, glaube ich, sollten wir als etablierte Parteien darauf hinwirken, dass sie genau in diese Gremien einbezogen werden und man sie nicht durch eine Verengung des aktiven Wahlrechts möglicherweise vor der Tür lässt.

(Beifall von SPD und CDU)

Denn deren Integrationsprobleme sind durchaus vergleichbar mit denjenigen, die wir zum Beispiel bei der türkischen Community erleben.

Das alles ist ein Prozess; das müssen wir uns immer wieder klarmachen. Es geht um Integration. Ein solches Gremium wie der Integrationsrat stellt letztlich eine Krücke dar; denn wir drücken uns mehr oder weniger immer um die Entscheidung für verfassungsändernde Mehrheiten für ein kommunales Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten, die eine gewisse Zeit – nach dem Willen der SPD sind es fünf Jahre – in einer Kommune leben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)