Protokoll der Sitzung vom 11.02.2009

Wenn wir – das ist das, was Frau Thoben und Herr Weisbrich immer wieder in die Debatte bringen – die Geschichte des Thorium-Hochtemperaturreaktors in Nordrhein-Westfalen betrachten, wird deutlich, dass es eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen mit Milliardenkosten ist, die die öffentliche Hand in der Folge getragen hat und tragen wird. Der Thorium-Hochtemperatur-Versuchsreaktor in Jülich wurde vor langem abgeschaltet, weil er mürbe war und Radioaktivität freigesetzt hat, also auch nicht aus Ausstiegsgründen. Jetzt soll er um ein paar Hundert Meter versetzt werden. Es wird Jahrzehnte dauern, bis man ihn wirklich stilllegen kann. Im Übrigen kostet nur der Abriss für diesen kleinen Versuchsreaktor um die 500 Millionen €.

Die Errichtung des „großen“ Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop, der nur drei Jahre und das auch nur im Teillastbetrieb gelaufen ist, hat 2 Milliarden € öffentliche Mittel gekostet. 400 Millionen € kostet der sichere Einschluss bis jetzt. Milliarden wird der Abriss kosten. Und das alles wird von der öffentlichen Hand finanziert. Das ist doch wirklich kein Beleg für eine wirtschaftliche Nukleartechnik, mit der man in die nächste Reaktorgeneration einsteigen könnte.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Und bei der Endlagerfrage haben wir doch gerade den Offenbarungseid erlebt. Uns ist die Asse als sicheres Endlager verkauft worden. Jetzt kommt heraus, dass dort schon 1988 radioaktiv verseuchte Lauge einfach nach unten in die untersten Bergwerksschichten gepumpt worden ist. Das heißt: Radioaktiv verseuchtes Wasser wird irgendwann wieder austreten.

Die Bundesregierung hat aktuell das Gesetz zur Kostenübernahme für die Sanierung der Asse im Schnellverfahren durchgebracht: 2,5 Milliarden € wird es kosten, diese 170.000 als Versuchsmüll ungeordnet eingelagerten Fässer auf öffentliche Kosten zu entsorgen. Diejenigen, die es verursacht haben, werden nicht zur Kasse gebeten.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Fazit: Keine atomaren Traumtänzereien jetzt! Sie sollten eigentlich Ihre Arbeit machen und dafür sorgen, dass auch im Energiebereich kurzfristig Arbeitsplätze geschaffen werden, anstatt eine Debatte um Arbeitsplätze anzufangen, die es in den nächsten 15, 20 Jahren in Nordrhein-Westfalen nicht geben wird. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Priggen. – Für die SPD spricht der Kollege Römer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Priggen hat ja völlig Recht: Unser Land steht vor großen Herausforderungen. Ich möchte das, was er hier angemahnt hat, aufnehmen und verstärken: Jetzt brauchen wir klare Konzepte und starke Führung, um in der Krise zu bestehen und gestärkt aus der Krise herauszukommen. In der Klima- und Energiepolitik taumelt diese Landesregierung aber orientierungslos umher.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ein Teil dieser Landesregierung hat bereits die energiepolitische Geisterfahrt in die Vergangenheit aufgenommen. Diese Landesregierung – das ist inzwischen völlig klar geworden –, hat keinen Kompass für die Zukunft. Klare Konzepte bei dieser Landesregierung absolute Fehlanzeige, Frau Thoben.

Wir brauchen in dieser nicht einfachen Situation mehr denn je den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, um diese schwierige Aufgabe gemeinsam und solidarisch zu meistern. Aber in der Klima- und Energiepolitik reißt diese Landesregierung längst zugeschüttete Gräben wieder auf, treibt unsere Gesellschaft in längst überwundene Auseinandersetzungen. Diese Landesregierung, meine Damen und Herren, setzt auf Spaltung, wo längst versöhnt worden ist. Starke Führung – Fehlanzeige bei dieser Landesregierung!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Franz Müntefering hat völlig Recht: Die richtigen Antworten auf diese tiefgreifende Krise der Wirtschafts- und Finanzordnung sind sozial und demokratisch.

(Beifall von der SPD)

Das macht den entscheidenden Unterschied zu Schwarz-Gelb aus. Besonders in dieser Krise liegt Privat vor Staat völlig daneben, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Beifall von der SPD)

Besonders in dieser Krise wirkt Freiheit vor Gleichheit nur noch wie dummer, wie tumber Schnack.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das sieht man an den Umfragen!)

Aus der selbsternannten Koalition der Erneuerung ist doch schon längst die Koalition der Ernüchterung, die Koalition der großen Sprüche und die Koalition der gebrochenen Versprechen geworden. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, verabschieden Sie sich endlich von Ihrer Koalitionsvereinbarung! Die Wirklichkeit hat sie längst überholt. Sie sind heute schon eine Koalition von gestern.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, in dieser Zeit sind ganz konkrete, ganz praktische Antworten auf die entscheidende Frage gefordert, wie Nordrhein-Westfalen aus dieser schwersten Krise herauskommt. Und ausgerechnet in dieser Zeit bricht die CDU eine Phantomdebatte um die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken vom Zaun. Als ob die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken die Antwort auf die Krise wäre!

Und der stellvertretende Ministerpräsident, Herr Pinkwart, legt sogar noch eins drauf. Er will lieber heute als morgen neue Atommeiler in Deutschland bauen.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, das Thema Atomkraft ist viel zu sensibel, als dass wir es Ihrer Dampfplauderei überlassen dürften.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Gerade bei der gefährlichen Atomkraft haben die Menschen einen Anspruch darauf, klar zu erfahren, was diese Regierung mit ihnen und mit ihrer Zukunft vorhat. Bei uns jedenfalls gibt es klare Kante.

(Zuruf von Christian Weisbrich [CDU])

Mit der SPD wird es kein Wackeln beim Atomausstieg geben – auch kein Zappeln. Wir sind und bleiben vertragstreu.

(Beifall von der SPD)

Mit der SPD wird es auch keine neuen Atomkraftwerke geben, schon gar nicht in NordrheinWestfalen; Reiner Priggen hat darauf hingewiesen.

(Christian Lindner [FDP]: Irgendwann braucht man die SPD auch gar nicht mehr!)

Herr Lindner, hören Sie gut zu! – Wir stehen zu unserer Entscheidung von 1994, als wir unter der politischen Führung von Johannes Rau das letzte

Atomkraftwerk in Nordrhein-Westfalen abgeschaltet haben.

Wir werden verhindern, dass Nordrhein-Westfalen wieder zum Atomland wird. Darauf können die Menschen in unserem Land sich verlassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Eines ist klar: Unsere Argumente gegen die Atomkraft bleiben richtig.

Beispielsweise wird behauptet, wir seien von Atomkraftwerken umzingelt. Ich empfehle einmal einen Blick auf die Fakten. Ende 2007 waren weltweit 439 Atomkraftwerke in Betrieb. Von 1989 bis 2007 stieg die Zahl der Atomkraftwerke weltweit lediglich von 423 auf 439. Das ist eine Steigerung um schlappe 3,6 % in fast 20 Jahren, also um etwa 0,2 % pro Jahr. Daraus einen Boom abzuleiten, wie ich das lese und aus den Reihen der Regierungskoalition höre, ist mehr als abenteuerlich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Diese weltweite Stagnation ist im Übrigen nicht politisch begründet. Die meisten Menschen in der Welt sind schlicht klug genug, die Finger von der Atomkraft zu lassen. Diese Zahlen stehen für die Wirklichkeit.

Darüber können auch Werbekampagnen nicht hinwegtäuschen – auch keine Werbefeldzüge mit sympathischen jungen Frauen, wie sie das Deutsche Atomforum jetzt offensichtlich vorbereitet. Im Übrigen bin ich ganz sicher, dass sich besonders junge Frauen mit Blick auf ihre Kinder von solchen Werbekampagnen eher abgestoßen denn angezogen fühlen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Weltweit bietet der Ausbau der Atomenergie überhaupt keine Perspektive zum Schutz unseres Klimas; Reiner Priggen hat darauf hingewiesen. Der Anteil der Atomkraft liegt bei 2,5 %. Damit leistet sie keinen nennenswerten Beitrag. Wenn sie denn einen leisten sollte, müsste man die Welt mit Atomkraftwerken zupflastern. Das wird niemand mitmachen, hoffe ich.

Meine Damen und Herren, es gibt keinen vernünftigen Grund, jetzt von der Renaissance der Atomenergie zu fantasieren. Dennoch können CDU und FDP – das werden wir ja gleich noch einmal hören – offensichtlich nicht davon ablassen. Ihr aus Nordrhein-Westfalen stammender Generalsekretär Pofalla hat sich für eine Laufzeitverlängerung ausgesprochen.

(Demonstrativer Beifall von Christian Weis- brich [CDU])

Obwohl die CDU auf ihrem letzten Bundesparteitag noch einen Beschluss gegen neue Atomkraftwerke in Deutschland gefasst hat, kommt aus ihren Rei

hen jetzt der Ruf nach neuen Atommeilern. Herr Pinkwart hat noch eins draufgesetzt.

Ich sage ganz deutlich – Sie können ja gleich widersprechen –: Sie von CDU und FDP planen offensichtlich, Nordrhein-Westfalen wieder zum Atomland zu machen. Damit kündigen Sie den Atomkonsens auf und versuchen, den gesetzlich beschlossenen Atomausstieg auszuhebeln. Wir machen das nicht mit.

Das sollen die Menschen wissen. Ich bin gespannt auf die weitere Debatte. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Römer. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Weisbrich.