Protokoll der Sitzung vom 11.02.2009

Danke schön, Herr Römer. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Weisbrich.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn meine beiden Vorredner gemessen an dem Tagesordnungspunkt knapp am Thema vorbeigeredet haben

(Zurufe von SPD und GRÜNEN)

es geht hier um die Position in NordrheinWestfalen; dazu hat Herr Kollege Priggen praktisch gar nichts gesagt –, bin ich doch froh, dass Rot und Grün diese Aktuelle Stunde beantragt haben.

Ich erinnere an die explodierenden Stromkosten und die Schließung energieintensiver Unternehmen in Nordrhein-Westfalen – ich habe hier ein Flugblatt, in dem sich IG Metall und IG BCE für die Zukunft des Rheinwerks Neuss stark machen, Herr Kollege Römer; das sind Ihre früheren Freunde, die Sie heute nicht mehr riechen können –

(Lachen von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Gehen Sie einmal zum HNO-Arzt!)

sowie an die Verlagerung deutscher Arbeitsplätze ins Ausland, ohne dass es zu einer Reduzierung der weltweiten CO2-Emissionen kommt. Angesichts dieser Tatsachen ist es höchste Zeit, mit den Illusionen rot-grüner Energiepolitik aufzuräumen.

Meine Damen und Herren, Sie wollen in dieser von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde erfahren, wie wir zur Kernenergie stehen. Dafür hätte es dieses Antrags nicht bedurft. Unsere Position ist seit Jahren unverändert und glasklar. Wir haben sie auf unserem Landesparteitag im Mai 2004 einstimmig beschlossen.

Ich darf aus diesem Beschluss zitieren: Kernenergie

bleibt als Option für die Zukunft aus ökonomischen und ökologischen Gründen unverzichtbar. Um vorhandenen Ängsten in der Bevölkerung über die Risiken der großtechnischen Anwendung entgegenzuwirken, muss vordringlich die

Frage der Endlagerung gelöst werden, die von der rot-grünen Bundesregierung in unverantwortlicher Weise verzögert wird. …

Durch die Atomausstiegspolitik von Rot-Grün sind kerntechnische Kompetenz und SicherheitsKnow-how künftig gefährdet. Diese müssen in Deutschland bewahrt werden. Der deutsche Sicherheitsmaßstab darf als Schrittmacher für die internationale Entwicklung der nuklearen Sicherheit nicht verloren gehen.

Das ist unsere Position. Daran halten wir unverändert fest.

Sie können ruhig zugeben, dass dieser knapp gefasste Beschluss geradezu visionär war, wie man sieht, wenn man die weltweite Energieszene heute betrachtet. Denn mittlerweile – das müssten Sie auch zugeben, Herr Römer; offensichtlich lesen Sie nicht genügend Zeitung – tun das alle. Die Italiener, die Schweizer, die Franzosen, die Briten, die Finnen und – große Überraschung! – jetzt auch der Vorreiter in der Ausstiegspolitik, die Schweden, haben ihre Beschlüsse revidiert und sind nun auch für neue Kernkraftwerke – was wir noch gar nicht gesagt haben.

Alle Welt setzt also auf Kernkraft. Russland will zusätzliche schwimmende Atomkraftwerke bauen. Die USA entwickeln wartungsfreie Minikraftwerke. In Frankreich wird die übernächste Generation von Reaktoren erforscht, die nicht nur Strom, sondern auch Trinkwasser und Wasserstoff liefern werden.

Die Europäische Kommission – man beachte: Die Europäische Kommission – und das Europäische Parlament haben sich erst jüngst genauso wie der Weltklimarat für die Fortsetzung der Kernenergienutzung ausgesprochen. Nur SPD und Grüne wollen die Scheuklappen nicht ablegen. Ja, wo sind wir denn? Glauben Sie, außer Ihnen sei die ganze Welt verrückt geworden? Unterstellen Sie den Parlamenten und den Regierungen anderer Nationen, den internationalen Organisationen, sie würden die Bevölkerung aus Absicht oder Dummheit gefährden?

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Das ist doch Blödsinn, das macht doch niemand. Das kann doch einfach nicht Ihr Ernst sein. Ihre Ideologie ist völlig wirklichkeitsfremd.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Leicht beieinander wohnen die Gedanken. Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen. Wo eines Platz nimmt, muss das andere rücken.“ Das hat schon Schiller gewusst. Genau dazu passt der Bericht in der jüngsten Ausgabe des „Spiegel“, dass trotz Solar- und Windenergieboom in Europa kein Gramm CO2 eingespart wird, dass selbst die Grünen langsam an ihrer eigenen Energiepolitik irrewerden. Das ist ein niederschmetterndes Ergebnis angesichts der Multimil

liarden, die die rot-grüne Politik den Stromkunden jedes Jahr erneut aus der Tasche zieht.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Jetzt, meine Damen und Herren, zeigt sich, dass unsere Forderung nach einem ausgewogenen Energiemix, nach Energieforschung ohne Denkverbote und ohne ideologische Scheuklappen von Anfang an richtig war, wenn Energie sicher, sauber und bezahlbar bleiben soll.

Genauso richtig ist die Position der Landesregierung, die sie in ihrer Energie- und Klimaschutzstrategie dargestellt hat. Sie müssen nur einmal hineinschauen, dann brauchen Sie solche Fragen wie heute zu der Aktuellen Stunde nicht mehr zu stellen. Kernenergie ist für die Landesregierung als Brückentechnologie für den Klimaschutz unentbehrlich, auch wenn in Nordrhein-Westfalen kein Strom aus Kernenergie erzeugt wird und keine neuen Standorte für Atomkraftwerke geplant sind.

Durch die Verlängerung der Nutzung der Kernenergie, meine Damen und Herren, könnten in Deutschland ab 2020 jährlich bis zu 150 Millionen t CO2 vermieden und in der Stromerzeugung bis zu 7 Milliarden € Kosten eingespart werden. Sehen Sie denn nicht, welch gigantisches Umwelt- und Konjunkturprogramm das ist? Darauf kann man doch nicht einfach aus ideologischen Gründen verzichten. Das kann doch kein vernünftiger Mensch mehr nachvollziehen.

Ich sage für die CDU-Fraktion an dieser Stelle ein ganz klares Ja zum Klimaschutz. Damit die Tassen aber finanziell im Schrank bleiben und unsere Energieversorgung nicht von Energiebezügen aus politischen Krisenregionen abhängig wird, brauchen wir die Verlängerung der Laufzeit vorhandener Kernkraftwerke, um Zeit zu gewinnen für die Einführung CO2-armer Kohlekraftwerke und erneuerbarer Energien, die ohne horrende Subventionen bezahlbar sind. Dabei bleiben die Sicherheit und die zügige Lösung des Entsorgungsproblems oberstes Gebot.

Meine Damen und Herren, was Herr Gabriel als Umweltminister – und vor ihm schon Herr Trittin – an dieser Ecke betreibt, ist eine Unverschämtheit. Er hetzt gegen Kernenergie, schürt Angst mit dem Argument, es gäbe kein Endlager, sabotiert aber gleichzeitig seit Jahr und Tag die Einrichtung eines sicheren Endlagers in Gorleben

(Beifall von CDU und FDP – Widerspruch von den GRÜNEN)

und verschweigt, dass wir ein solches Endlager umgehend auch dann – oder vielleicht gerade dann – brauchen, wenn unsere Kernkraftwerke abgeschaltet werden.

(Barbara Steffens [GRÜNE]: Das wird doch immer mehr!)

Es ist doch nicht so, dass das Abschalten das Endlager überflüssig machte.

Deswegen sage ich zum Schluss: Wenn Sie etwas Gutes für die Menschen im Land tun wollen, dann treten Sie Herrn Gabriel sonst wo hin, damit er bei der Lösung der Endlagerfrage endlich aus den Puschen kommt.

(André Stinka [SPD]: Fragen Sie mal Herrn Wulf, ob er das haben will, Herr Weisbrich! Das ist doch Quatsch! – Heike Gebhard [SPD]: Haben Sie keine Enkel?)

Stärken Sie mit der Landesregierung und uns gemeinsam die Sicherheits- und Entsorgungsforschung. Bestehen Sie nicht länger auf dem Ausverkauf deutscher und nordrhein-westfälischer Technologiekompetenz. Und unterlassen Sie auch bitte die wahrheitswidrige Behauptung, diese Koalition plane neue Kernkraftwerke in Nordrhein-Westfalen! – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP – Norbert Römer [SPD]: Das müssen Sie Herrn Pinkwart sa- gen! – Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Danke schön, Herr Weisbrich. – Für die FDP spricht nun Herr Ellerbrock.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Jetzt kommt noch die Steigerung!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich noch des Jahres 1980? Schweden, Vorbild der SPD, steigt aus der Kernkraft aus. 1986, Parteitagsbeschluss der SPD: Wir steigen aus der Kernkraft aus. 1994: 2030 steigen wir in Deutschland aus.

(Zuruf von der SPD: Welche Regierung war das denn?)

Die Schweden haben das nie ernst gemeint, sie haben es nie richtig verwirklicht.

(Frank Sichau [SPD]: Das kann doch nicht wahr sein!)

Jetzt machen Sie die Rolle rückwärts und sagen: Wir gestehen ein, dass dies eine falsche Entscheidung war. Wir setzen wieder auf Kernkraft.

(Frank Sichau [SPD]: Wer sagt das denn?)

Was hat es denn für Konsequenzen, 2030 auszusteigen? Das hat auch in Nordrhein-Westfalen Konsequenzen. Die kerntechnischen Lehrstühle in Aachen wurden eingespart. Kollege Priggen und Kollege Römer sagten eben, das sei ein Verweigern von Regierungshandeln.

(Zustimmung von Reiner Priggen [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, vielleicht haben Sie irgendetwas nicht mitbekommen. Dieser Forschungsminister hat dafür gesorgt, dass die Lehrstühle für Kerntechnik in Aachen neu besetzt werden vor dem Hintergrund: Wir müssen, wenn wir bei dem Beschluss bleiben, 2030 Leute haben, die den Schalter umdrehen, die die Entsorgung fahren können. Oder wollen wir auf das Chinese Nuclear Waste Development Center, die russische und sibirische Atommüll GmbH, die indische Entsorgungsgesellschaft oder EDF setzen? – Nein, wir müssen die eigenen Anlagen in Europa in Eigenverantwortung zurückbauen können. Deswegen ist es richtig, dass die kerntechnischen Lehrstühle eingerichtet wurden. Das ist Verantwortung vor Ort, das ist Regierungshandeln. Das mag aus Ihrer Sicht vielleicht nicht relevant sein, weil Sie nicht verantwortungsvoll handeln. Aber es war richtig.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, der Kollege Priggen, den ich ob seiner rationalen Argumentation schätze – genauso wie Herrn Römer, dem ich allerdings nicht eine rationale Argumentation unterstelle,

(Frank Sichau [SPD]: Oh!)

das wäre viel zu viel; die Rede eben hat bewiesen, dass er völlig neben der Spur war –, sagte gerade, dass 2 % des Primärenergiebedarfs durch Kernkraft ersetzt werden. Rational wäre es richtig gewesen, zu sagen: 14 % des weltweiten Strombedarfs werden durch Kernkraft gesichert.

(Beifall von FDP und CDU)