Schließlich können dort die Zusammenhänge fächerübergreifend hergestellt und erläutert werden. Speziell für junge Frauen ist dies ein wichtiger Ansatz, um sich stärker mit Naturwissenschaften zu beschäftigen. Auch das ist in der Anhörung ganz deutlich geworden.
Zweitens. Auch auf betrieblicher Ebene müssen nachhaltige Maßnahmen ergriffen werden. Die Förderung von dualen Studiengängen, die Hochschulbildung mit einer betrieblichen Ausbildung verbinden, ist dazu ein wichtiger Schritt. Zurzeit machen solche Modelle nur knapp 1 % aller geschlossenen Ausbildungsverträge aus. Eine Erhöhung auf mindestens 3 % wäre ein wichtiger Schritt – gerade in den bereits genannten natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern und Berufen.
Drittens. Für den doppelten Abiturjahrgang 2013 ist eine Studienplatzgarantie nötig. Um diese Spitze an Studienanfängerinnen und Studienanfängern aufzufangen, brauchen wir auch Kooperationen mit unseren Nachbarländern, die im Gegenzug die entsprechenden Finanzmittel pro Studienplatz erhalten müssen.
Viertens. Deutlich verbessert werden muss die Studienfinanzierung. Es muss unbedingt unabhängig vom Geldbeutel der Eltern möglich sein, ein Studium aufzunehmen. Im Moment ist das Gegenteil der Fall. Die Haupteinnahmequelle von Studierenden zur Finanzierung ihres Studiums ist die Unterstützung durch ihre Eltern, gefolgt von eigenen Nebenjobs. Das BAföG muss weiter aufgewertet werden.
Es macht Sinn, die Zahl der BAföG-Anspruchsberechtigten zu erhöhen und parallel ein Stipendiensystem aufzubauen. Dieses Stipendiensystem darf aber nicht nur auf leistungsbezogenen Kriterien beruhen, sondern muss auch soziale Kriterien berücksichtigen.
Fünftens. Soziale Barrieren müssen beseitigt werden, damit gerade auch Kinder aus bildungsfernen Schichten einen besseren Zugang zu den Hochschulen bekommen. Wie wir aus der EurostudentStudie wissen, gestaltet sich der Hochschulzugang für Kinder aus bildungsfernen Schichten nur noch in Bulgarien schwieriger als in Deutschland.
Für uns schließt das ganz ausdrücklich Kinder mit Migrationshintergrund ein. Dies ist meines Erachtens die bedeutendste gesellschaftspolitische Aufgabe, die zu mehr sozialer Gerechtigkeit führt. Wir fordern daher die schnellstmögliche Beseitigung der Studiengebühren.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, mit der Umsetzung dieser fünf wichtigen Punkte wäre schon viel erreicht, um dem heutigen und dem zukünftigen Mangel an akademischen Fachkräften zu begegnen.
Die Bildung und das Bildungssystem eignen sich definitiv nicht dafür, dem Spiel der Märkte überlassen zu werden. Es ist unsere Aufgabe, in NRW sicherzustellen, dass alle Jugendlichen einen gerechten Zugang zu Hochschulbildung bekommen.
Dies liegt nicht nur im Interesse der jungen Menschen, für deren Ausbildung wir hier einen wichtigen Teil der Verantwortung tragen, sondern steht im Zentrum des Interesses der Wirtschaft und der Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land.
In diesem Sinne bitte ich Sie hiermit um Zustimmung zu dem von uns vorgeschlagenen Katalog an Maßnahmen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über Art und Umfang des Fachkräftemangels haben wir in verschiedenen Ausschusssitzungen und Anhörungen schon sehr ausführlich diskutiert. Von der Analyse von Frau Kollegin Dr. Boos von der SPD teile ich sicherlich einige Punkte, aber längst nicht alle. In der Bewertung dieser einzelnen Fakten sind wir natürlich auch unterschiedlicher Meinung.
Ich möchte hier auf eine umfängliche Problembeschreibung verzichten. Ich denke, wir sind in der Debatte schon sehr weit. Ich möchte erst einmal schlicht konstatieren, dass wir von der Politik aus natürlich unseren Beitrag dazu leisten müssen, den Fachkräftemangel zu beheben.
Ein wesentliches Mantra, das Sie immer vor sich hertragen, ist die Abschaffung der Studienbeiträge. Das allein ist für uns Grund genug, diese Anträge abzulehnen. Das wissen Sie; wir haben das heute Vormittag wieder diskutiert; wir werden das sicherlich noch oft diskutieren. Das machen wir nicht mit. Die Gründe haben wir hinlänglich genannt. Die werden wir auch weiter nennen. Irgendwann kommt die Zeit, dann werden Sie uns folgen.
Über das Thema BAföG-Erhöhung las ich in einem der Anträge. Das ist erledigt. Das ist erledigt auch durch unsere Initiative. Um einer Legendenbildung
Aufbau von Stipendiensystemen: Das machen wir, da sind wir dran. Wir unterstützen übrigens auch den Aufbau von Stipendiensystemen, die sich schon aus der Region heraus gebildet haben. Das ist vorbildlich. Das entspricht auch unserer Zielsetzung, dass Eigeninitiativen unterstützt werden.
Ausbau der Studienplatzkapazitäten – das steht in den Anträgen, verbunden mit der Forderung, dass für Betriebe, die das anstreben, im Umkreis von 100 km eine duale Ausbildung möglich sein muss. Das machen wir. Wir betreiben den FH-Ausbau. Wir gründen neue Fachhochschulen, wir erweitern bestehende Fachhochschulen. Wir tun das, wir machen das.
Geschlechtersensible Maßnahmen und Maßnahmen für bildungsferne Schichten – Frau Dr. Boos hat es angesprochen –, Übergang Schule/Hochschule, gemeinsame Initiativen mit den Kammern, mit Gewerkschaften und Fachverbänden: Das läuft, das machen wir.
Frau Kollegin Seidl hat heute irgendwie ihren Krawalltag. Das, was sie sagt, ist so ideologisch geprägt. Das ist normalerweise – das muss ich den Zuhörern auf der Tribüne erklären – die Aufgabe des Kollegen Groth. Das schätzen wir immer so an ihm. Wir wissen das entsprechend einzuordnen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Der Beitrag von Frau Dr. Boos war da wesentlich nüchterner und analytischer; damit komme ich etwas leichter zurecht, aber das ist gar kein Problem.
Entscheidend ist, dass nicht nur etwas geschrieben wird, etwas gefordert wird oder suggeriert wird, dass nichts getan wird, sondern dass nachweisbar gehandelt wird. Und wir können nachweisen, dass gehandelt wird. Das passiert. Das müssen nicht nur wir zum Besten geben. Da können Sie auch die Akteure vor Ort fragen. Dann werden Sie sehen: Die Koalition handelt. Das Kabinett handelt. Hier gilt mein ausdrücklicher Dank nicht nur Minister Pinkwart, sondern auch allen anderen damit befassten Kabinettsmitgliedern, beispielsweise Frau Sommer und Frau Thoben. Die jeweiligen gesellschaftlichen Akteure sind über die Ministerinnen und Minister eingebunden. Das läuft.
Übrigens: Die Zahl der Studienanfänger in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern hat sich im vergangenen Wintersemester um über 10 % erhöht. Da ist doch schon ein Effekt zu sehen.
Frau Dr. Boos, Sie haben gesagt, wir sollten der Frage auf den Grund gehen, wieso wir überhaupt einen Fachkräftemangel haben. Das finde ich ganz interessant; denn wer eine solche Frage stellt und etwas für die Zukunft fordert, der sollte sich auch seiner Vergangenheit stellen. Ich habe ein Papier vom Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen mitgebracht: Hochschulkonzept NRW 2010 vom Sommer 2003.
Das heißt, es ist verantwortet von der damaligen Ministerin Hannelore Kraft. Ich möchte daraus zitieren. Der damalige Expertenrat hat Forderungen aufgestellt. In dieser Passage geht es darum, inwieweit das Ministerium damals diesen Forderungen entsprechen wollte. Ich will nur diese eine Passage aus dem Bereich Maschinenbau zitieren; ich könnte auch beliebige andere nehmen. Ich zitiere: Trotz der positiven Arbeitsmarktprognose legt die immer noch andauernde gravierende Unterauslastung nahe – das war damals das Thema in den Hochschulen –, eine deutliche Rückführung vorzunehmen. – Sie wollten eine Rückführung von ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen! Wie können Sie dann jetzt einen Ausbau fordern? Sie fordern geradezu das Gegenteil von Ihrem damaligen Handeln. Das ist so was von unehrlich!
Sie müssen erst einmal Ihren eigenen Fehler aus der damaligen Zeit zugeben. Sie sollten erklären, warum Sie das damals gefordert haben. Der Kollege Helmut Stahl, unser jetziger Fraktionsvorsitzender, hatte schon damals, in der letzten Wahlperiode, gefordert – das können Sie in Pressemitteilungen von damals nachlesen –, diesen Unsinn nicht zu tun. Sie wollten das machen. Und jetzt schreiben Sie Antrag um Antrag um Antrag und fordern den Ausbau. Es ist ja toll, dass Sie den Ausbau fordern. Nur: Sie fordern das jetzt, obwohl Sie es vorher anders gemacht haben. Wir fordern es nicht nur, wir machen es. Und deswegen machen wir die Sache besser.
Ich würde mich freuen, wenn bei allfälligen Debatten erst einmal über diesen Fehler Ihrer Vergangenheit diskutiert würde. Dann könnten wir vielleicht auch das Gefühl haben, dass hier alle Fraktionen gemeinsam das Ziel vernünftig und analytisch korrekt begründet vorantreiben. Das würde der Sache dienen. Solange das nicht geschehen ist, machen wir einfach mit unserem Ausbau und der Qualitätsentwicklung weiter. Das ist gut für die Menschen in unserem Land. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Damen und Herren! Es ist ohne Zweifel so, dass der Fachkräftemangel eines der ganz wesentlichen Zukunftsprobleme unserer Volkswirtschaft ist. Das ist auch nicht erst seit den Anträgen von SPD und Grünen bekannt, sondern schon längere Zeit. Das ist auch quantifiziert worden: 144.000 Fachkräfte fehlen. Übrigens, Frau Dr. Boos, es handelt sich dabei nicht ausschließlich um akademisch gebildete Fachkräfte, sondern auch in nichtakademischen Berufen gibt es einen solchen Fachkräftemangel. Das ist quantifiziert worden in einer Größenordnung von 28,5 Milliarden € Wohlfahrtsverlusten, von denen unsere Volkswirtschaft pro Jahr insgesamt tangiert ist. Das ist also ein eklatantes Problem. Das ist ein Problem, das seit vielen Jahren bekannt ist und das, so möchte ich sagen, durch eine bildungs- und leistungsfeindliche Politik verschärft worden ist, die die rot-grüne Vorgängerregierung formuliert hat.
Sie haben, wie Ihre heutigen Einlassungen zeigen – ich will das gleich an ein oder zwei Punkten darlegen –, auch nichts daraus gelernt.
Zum Beispiel – wir müssen ja die ganze Bildungskette betrachten –: Was waren die beiden wesentlichen und großen Forderungen, um gegen den Fachkräftemangel zu arbeiten, die wir in den letzten Monaten von der SPD in der Schulpolitik im engeren Sinne gehört haben? Das war zum einen die Forderung, man solle zukünftig einen Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss schaffen. Das ist eine Forderung der SPD: Rechtsanspruch auf Hauptschulabschluss! Ich bin tief davon überzeugt, dass jeder einen Schulabschluss haben soll. Aber man kann doch den Schulabschluss nicht durch einen Rechtsanspruch verschenken.
Die zweite Forderung, die heute ebenfalls von der SPD vorgetragen wurde: das naturwissenschaftliche Sammelfach. Das naturwissenschaftliche Sammelfach soll dazu beitragen, dass mehr Schüler in der Lage sind, ein naturwissenschaftlichtechnisches Fach zu studieren. Das glaube ich nicht! Mir will nicht einleuchten, dass die Reduzierung und Vermischung von Fachunterricht, die Verwischung der Grenzen zwischen den Disziplinen Chemie, Physik und Biologie junge Menschen anhalten soll, exzellent in Naturwissenschaft und Technik zu werden und diese Fächer zu studieren.
Das Gegenteil müssen wir machen: Wir müssen die Disziplinen stärken. Wir müssen ihnen Raum im Schulalltag geben. Wir brauchen exzellente Labore und Fachunterrichtsräume, exzellent gebildete Lehrer, Praxisbezug durch Kontakt mit Betrieben. Dadurch werden naturwissenschaftliche Fächer inte
Ihr naturwissenschaftliches Sammelfach, Frau Dr. Boos, hätte nur dann eine Berechtigung, wenn man es parallel als interdisziplinäres Fach zu den Einzeldisziplinen anbieten könnte. Als Ersatz für Einzeldisziplinen funktioniert es nicht. Das übrigens macht man in Baden-Württemberg. In BadenWürttemberg gibt es ein naturwissenschaftliches Sammelfach, aber eben parallel und nicht zulasten der Einzeldisziplinen.