Protokoll der Sitzung vom 18.03.2009

Ich eröffne die Beratungen und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wissenschaftsrat hat in einer beachtenswerten Stellungnahme im Juli 2008 darauf hingewiesen, dass die Qualität von Studium und Lehre an unseren Hochschulen dringend verbessert werden muss. Auch die Expertenanhörung im Wissenschaftsausschuss hat gezeigt: Wir brauchen neben der hoch professionalisierten Forschung eine ebenso starke zweite Säule für eine gute Lehre, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen.

(Beifall von GRÜNEN und Dr. Anna Boos [SPD])

Wissenschaftspolitisch ist das aber auch keine Glaubensfrage. Herr Brinkmeier hat dies im Ausschuss sogar mit seinen persönlichen Erfahrungen in den USA unterstrichen. Ich möchte Sie gerne noch einmal an Ihre Worte im Ausschuss erinnern, Herr Brinkmeier. Sie haben dort gesagt – ich zitiere –:

Die Lehre, die ich dort erfahren habe, war um Klassen besser als die Lehre, die ich an den Hochschulen in Deutschland erlebt habe.

Auch von Ihnen wird also durchaus Handlungsbedarf gesehen. – Vor diesem Hintergrund hat der Wissenschaftsrat gefragt: Was können wir tun, um die Lehre an den Hochschulen aufzuwerten? Mit welchen Instrumenten können wir das bewerkstelligen?

Gute Lehre ist unter anderem eine zentrale Frage der Hochschuldidaktik. Die Fähigkeit, zu lehren und Studierende zum Lernen anzuregen, wird an den meisten Hochschulen nur unzureichend sowie wenig systematisch vermittelt und gelernt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb führt der Wissenschaftsrat aus – ich zitiere wieder –:

Hochschullehrer aller Hochschularten sind als Lehrende weitgehend Autodidakten. Das Lehren lernen sie vielfach nur informell in der Durchführung von Lehrveranstaltungen. Sie lehren auf Erfahrungsbasis und ohne geregeltes professionelles Feedback. Ihr Engagement für die Lehre ist

zwar groß, ihnen fehlt jedoch die professionelle Qualifizierung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gerade in Nordrhein-Westfalen sind schon seit den 70er-Jahren gut funktionierende hochschuldidaktische Netzwerke sowohl an den Universitäten als auch an den Fachhochschulen entstanden. Das dort vorhandene Qualifizierungsangebot beruht allerdings auf einem freiwilligen Zusammenschluss verschiedener Initiativen an einzelnen Hochschulen und erzielt längst noch nicht die gewünschte Breitenwirkung.

In der sehr interessanten Diskussion im Ausschuss habe ich auch gelernt, dass in NRW eine Systematik bestehender fachdidaktischer Einrichtungen fehlt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben unterschiedliche Institutionalisierungsformate. Die einen forschen, und die anderen entwickeln Konzepte für die Weiterentwicklung der Weiterbildung. Beides ist wichtig und gut. Wir brauchen aber eine Systematisierung und eine Darstellung dieser Arbeit.

Die größte Ausstrahlungskraft hat übrigens die Hochschuldidaktik in Baden-Württemberg erzielt, wo alle Universitäten mit eigenen Einrichtungen in einer landesweiten Struktur kooperieren. Markenzeichen ist das baden-württembergische Zertifikat für die Teilnahme an einer landesweit abgestimmten und zugänglichen hochschuldidaktischen Weiterbildung.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen noch einmal sehr eindringlich unseren Antrag ans Herz legen. Stärken Sie die hochschuldidaktischen Einrichtungen an unseren Hochschulen, wirken Sie auf eine Verbindlichkeit der Angebote und deren Integration in die bestehenden Netzwerke hin, und regeln Sie, dass es eine Verpflichtung der Hochschullehrer zur Professionalisierung ihrer Lehrtätigkeit gibt, die spätestens bei der Berufung greifen muss.

(Beifall von GRÜNEN und Dr. Anna Boos [SPD])

Auch die SPD-Fraktion hat in ihrem Antrag ergänzende und sinnvolle Vorschläge gemacht. Nehmen Sie das mit in Ihr Konzept auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb. Hierfür braucht man nicht unbedingt ein Gesetz. Aber stellen Sie Verbindlichkeit her, damit wir im internationalen und nationalen Wettbewerb bei der Lehre in NordrheinWestfalen nicht ganz hinten anstehen! – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und Dr. Anna Boos [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Dr. Brinkmeier.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Seidl, Sie haben mich zitiert, genauso wie Sie das auch letzte Woche in unserer Debatte im Ausschuss getan haben.

Ja, ich habe in den USA, in Los Angeles, eine deutlich bessere Lehre erfahren dürfen als die, die ich hier an deutschen Universitäten erfahren durfte. Ich darf aber auch zur Kenntnis geben, dass das eine Hochschule war, an der man viele Tausend Dollar Studienbeiträge oder -gebühren zahlen musste, die ich durch ein Stipendium und durch Tätigkeit an der Hochschule sozusagen abgearbeitet habe. Ich glaube sagen zu dürfen, dass durch den hohen Mittelzufluss an dieser Hochschule eine exzellente Lehre stattfinden konnte. Wenn Sie daraus Folgerungen ziehen könnten, wäre ich Ihnen sehr denkbar. Denn dann wären wir am gleichen Tag wieder beim Thema Studienbeiträge.

Sie fordern in Ihrem Antrag – Sie haben es erwähnt, Frau Seidl – die Einrichtung für Professuren in der hochschuldidaktischen Forschung, den Ausbau von Netzwerken und eben mehr Verbindlichkeit bei der Fortbildung. Die SPD fordert in ihrem Entschließungsantrag noch mehr, unter anderem ein Graduiertenkolleg, eine Internetplattform und einen Wettbewerb; Frau Kollegin Dr. Boos wird das gleich sicherlich ausführen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an einer Universität haben gute Gründe, außer Kompetenzen in der Forschung auch Kompetenzen in der Lehre zu entwickeln und zu professionalisieren.

Für die Entwicklung von Lehrkompetenz sind individuelle Erfahrungen in der Lehre wichtig, aber nicht ausreichend. Eine systematische hochschuldidaktische Aus- und Weiterbildung ist unverzichtbar.

Die Professionalisierung didaktischer Kompetenzen wird zunehmend und grenzüberschreitend zu einer wichtigen Voraussetzung für die wissenschaftliche Karriere.

Den Lernerfolg und die Motivation von Studierenden zu fördern trägt erheblich zu einem kreativen und innovativen wissenschaftlichen Ausbildungsprozess und zur beruflichen Zufriedenheit von Lehrenden bei.

Erfolgreiche Lehre ist für die Attraktivität von Hochschulen wichtig und ein bedeutsames Qualitätsmerkmal.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich gerade vorgetragen habe, findet sich wortwörtlich auf der Homepage des Netzwerkes „hochschuldidaktik nrw“.

Wir haben in der Anhörung über dieses Netzwerk gesprochen. In diesem Netzwerk haben sich bereits acht Hochschulen aus Nordrhein-Westfalen zusammengetan. Die Ziele des Netzwerks sind die Qualitätsverbesserung von Lehre und Lehrprozessen an den Mitgliedshochschulen, die flächendeckende Professionalisierung für die akademische Lehrtätigkeit, basierend auf nationalen und internationalen Standards der Weiterbildung zur Entwicklung von Lehrkompetenzen, und die Institutionalisierung der Hochschuldidaktik an den Universitäten in Nordrhein-Westfalen.

Daraus leitet sich auch unsere Position ab. Wir halten es als CDU-Fraktion zu diesem Zeitpunkt nicht für notwendig, die sich von selbst entwickelnde Kooperation von Hochschulen in NordrheinWestfalen durch Maßnahmen seitens des Staates in eine bestimmte Richtung zu drängen. Vielmehr sollte man es begrüßen, dass – und zwar ganz im Sinne des Hochschulfreiheitsgesetzes – diese Thematik von den Hochschulen selbst in die Hand genommen wird. Es liegt doch im Interesse der Hochschulen selbst, eine bessere Wissensvermittlung zu gewährleisten. Schließlich lassen es sich im Zeitalter der Studienbeiträge die Studierenden nicht mehr gefallen, Vorlesungen von didaktischen Nieten besuchen zu müssen.

Ich bin mir sicher, dass wir mittelfristig sehen werden, dass sich weitere Hochschulen diesem Netzwerk anschließen werden. Die Hochschulen werden sehr viele Fortschritte in der Hochschuldidaktik vorweisen können, und zwar ohne die von der Opposition geforderte Verbindlichkeit. Aus diesem Grunde lehnen wir die vorliegenden Anträge ab.

Ich möchte mit einem Zitat von Herrn Prof. Speer aus der Anhörung schließen. Er hat gesagt:

Die Universität und die Universitätslehre brauchen Freiräume, aber keine Reglementierungen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP – Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Das ist aber einfach!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brinkmeier. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Dr. Boos das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben im Ausschuss zum Thema Hochschuldidaktik eine spannende Anhörung erlebt. Da berichtete einer der Experten, dass er mit jedem Studenten, mit jeder Studentin einmal während der Studienzeit ein ausführliches Gespräch über dessen oder deren Studienziele führt. Ein eingeladener Philosoph stellte dar, was intrinsische Motivation bedeutet, und ein anderer Experte, der über einen langen Zeitraum als Professor in der Hochschuldi

daktik arbeitete, kannte alle Tücken des Systems und schilderte sie eindrucksvoll.

Mir wird diese didaktische Anhörung in Erinnerung bleiben. Wir waren und sind uns im Ausschuss einig, dass die Didaktik im Hochschulalltag wichtig ist. Schade war es, dass es mit der Einigkeit bei der Abstimmung vorbei war. Da haben wir auf der einen Seite SPD und Grüne, die gemeinsam die hochschuldidaktische Forschung stärken wollen. Wir wollen hochschuldidaktische Einrichtungen ausbauen. Wir wollen gleichzeitig hochschuldidaktische Fortbildungen für das Lehrpersonal verbindlicher machen.

(Ralf Witzel [FDP]: Mehr Demokratie wollen Sie! – Gegenruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Auch noch wach?)

Auf der anderen Seite finden wir CDU und FDP. Auch wenn sie die Wichtigkeit der Hochschuldidaktik grundsätzlich anerkennen, betonen sie doch, dass sie aus dieser Erkenntnis keine Konsequenzen ziehen wollen. Stattdessen stellen sie wie üblich das freie Spiel der Kräfte heraus und setzen auf die Eigeninitiative und Selbstkontrolle der Lehrenden.

Zum Antrag der Grünen: Er geht in die richtige Richtung. Mit unserem vorliegenden Entschließungsantrag ist es uns aber wichtig, diesen auf Basis der Empfehlungen der Experten zu konkretisieren. Der Bologna-Prozess, die Umstellung auf Bachelor und Master, hat zu vielfältigen Veränderungen geführt. Wir stehen zu der Umsetzung des Prozesses. Wir sehen aber auch deutlich, dass ohne eine verantwortungsvolle Gestaltung die Probleme nicht kleiner werden. Ein Laisser-faire scheint aktuell nicht angebracht, aber eine Stärkung der Hochschuldidaktik kann viel zur Verbesserung der Lehre beitragen.

Unsere Forderungen im Einzelnen: Wir brauchen zunächst eine vernünftige Forschungsinfrastruktur. Wir wollen, dass es landesweit mindestens drei Professuren für die Hochschuldidaktik gibt. Diese sollen über einen Wettbewerb an die Hochschulen vergeben werden. Projekte in diesem Bereich sollen über einen Forschungs- und Entwicklungsfonds finanziert werden. Zudem brauchen wir auf Landesebene ein Graduiertenkolleg für die Hochschuldidaktik.

Gleichzeitig ist uns wichtig, dass die Hochschulen auf diesem Gebiet mehr miteinander kooperieren, um auch voneinander zu lernen. Ein passendes Mittel hierfür ist eine Ausweitung des Netzwerkes Hochschuldidaktik. Die Landesregierung steht hier in der Pflicht, zum Ausbau einer Struktur die nötigen Mittel bereitzustellen. Gleiches gilt für den Aufbau einer entsprechenden Internetplattform.

Um die hochschuldidaktische Infrastruktur zu erweitern, sollen zudem in einem landesweiten Wettbewerb Fachzentren eingeworben werden. Fachbezogene Didaktik ist dabei von fächerübergreifender Didaktik zu trennen. Die fachbezogenen Einrichtun

gen sollen als Ergänzung der fächerübergreifenden Institutionen an den Hochschulen dienen.

Die gesamte Verbesserung der Infrastruktur und der Forschungslage würde nur wenig bringen, wenn sie nicht auch von den Lehrenden an den Hochschulen genutzt wird. Es ist zu kurz gedacht, nur auf die Eigeninitiative der Lehrenden zu setzen. Nicht jeder Professor, nicht jede Professorin ist ein Naturtalent beim Erklären von Forschung. Wir fordern daher verpflichtende hochschuldidaktische Weiterbildung. So kann schnell und effektiv eine wirkliche Verbesserung der Qualität in der Lehre im Sinne der Studierenden erreicht werden.