Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Solche Aspekte könnten in der politischen Arbeit eine größere Rolle spielen. Ich denke, dass wir uns über die Fraktionen hinweg gemeinsam dafür stark machen sollten, damit die jungen Menschen, die nach uns kommen, auch noch Spaß an der Zeitung haben, so wie sie ja auch Freude am Internet und an anderen medialen Angeboten haben.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Ich glaube, dass man lernen kann, mit der Zeitung umzugehen, dass man den Spaß daran, zu lesen und Buchstaben auf Papier zu entziffern, üben muss. Diese Medienkompetenz ist dann ein Stück Kulturkompetenz. Das sollten wir politisch gemeinsam fördern und vorantreiben. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Jetzt hat Herr Minister Krautscheid für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst für das Lob, das von allen Rednern für die Arbeit, die wir in die Beantwortung dieser Großen Anfrage gesteckt haben, verdientermaßen gespendet worden ist. Ich gebe das Lob natürlich weiter an all die, die daran beteiligt waren: an meine Mitarbeiter, aber auch an die Externen, an die anderen Ministerien.

Ich glaube, dass die Erkenntnisse, die wir aus der Beantwortung der Großen Anfrage ziehen können, zu einem besonders guten Zeitpunkt kommen, denn wir sind alle gemeinsam besorgt, wie sich unser Zeitungsmarkt, wie sich die Zeitungsvielfalt in Nordrhein-Westfalen weiter entwickeln wird.

Diese Entwicklungen passieren nicht isoliert. Wir hören jeden Tag besorgniserregende Meldungen aus anderen Ländern, etwa aus den USA, wo die 500 größten Zeitungen im letzten Jahr durchschnittlich 4,6 % an Auflagenhöhe verloren haben. Viele große Zeitungen haben sogar zweistellige Auflagenrückgänge zu verzeichnen. Die Tageszeitungen in den USA haben im letzten Jahr mehr als 24.000 Stellen gekürzt. Sie wissen, dass manche große Zeitungen schon gar nicht mehr gedruckt werden, sondern nur noch im Internet zu erhalten sind. Wir haben entsprechende Meldungen aus Frankreich und aus Großbritannien.

Das ist also kein exklusives Problem von Deutschland oder Nordrhein-Westfalen, sondern eine Entwicklung, die offenbar in allen westlichen Gesellschaften sehr ähnlich verläuft. Aber wir müssen analysieren, welche Ursachen dem zugrunde liegen

und ob der Staat in diesem Zusammenhang eine Aufgabe hat.

Wir wissen, es gibt sowohl konjunkturelle wie auch strukturelle Ursachen für diese Zeitungskrise. Wir wissen auch, dass der konjunkturelle Druck auf die Zeitungshäuser, der im Moment aufgrund des Rückgangs der Einnahmen aus der Werbung besonders hoch ist, nicht der eigentliche Treiber in dieser Krise ist. Das ist vielmehr der Strukturwandel in den Medien. Wir haben ein völlig verändertes Wettbewerbsumfeld. Die Zeitungen konkurrieren nicht mehr hauptsächlich mit anderen Zeitungen, sondern sie konkurrieren insbesondere mit dem Internet. Die Folge ist ein Verlust an Lesern und an Anzeigenkunden an andere Medien, eben auch ans Internet. Eine Trendstudie der Fachhochschule in Mainz geht davon aus, dass die Tageszeitungen bis zum Jahr 2018 rund 30 % ihrer Leser an das Internet verlieren werden.

Wir haben also ein geändertes Nutzungsverhalten. Es ist nicht so, dass die Bürgerinnen und Bürger generell ein geringeres Interesse an Nachrichten hätten. Sie suchen sich insbesondere Aktuelles aber immer häufiger im Internet. Man darf wohl sagen: Das ganz Aktuelle ist ans Internet verloren. Sie erwarten von ihrer Tageszeitung mehr Hintergrund, mehr Erklärung.

Eine Analyse des BITKOM vom Januar 2009 zeigt, dass besonders die Nachrichtenportale im Internet an Kunden gewinnen und ihre Reichweite ausbauen können. Die Top 20 der Internetseiten für Nachrichten, vor allen Dingen spiegel.de, haben im letzten Jahr fast 5 Milliarden Besucher gehabt. Hier sind auch einige nordrhein-westfälische Angebote ganz weit vorne.

Klar ist: Die Achillesferse ist die jüngere Generation. Zeitungen spielen bei der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. Wir haben bei einer Untersuchung des Forschungsverbundes Südwest aus den letzten Monaten gelernt: Obwohl in mehr als jedem zweiten Haushalt noch eine Tageszeitung abonniert ist, liest nur jedes fünfte Kind bis 13 Jahre überhaupt eine Tageszeitung.

Was aus interessanten Studien ebenfalls hervorgeht: Die immer geringere Nutzung von Tageszeitungen bei Kindern und Jugendlichen geht einher mit einem sinkenden Interesse an dem, was in der persönlichen Umgebung vor sich geht. Also: immer weniger Interesse für politische und gesellschaftliche Ereignisse und gleichzeitig ein geringeres Interesse für Tageszeitungen.

Umso wichtiger finde ich es, wenn Tageszeitungen in Nordrhein-Westfalen versuchen, Angebote insbesondere für jüngere Leser zu machen. Ich erinnere an das gute Beispiel der „NRZ“, die jeden Tag eine Kinder- und Jugendseite mit einer eigenen Redaktion unter Einbeziehung von Eltern und Lehrern

macht. Das sind Angebote, die Zeitungen auch für jüngere Leute attraktiv machen können.

Brechen wir die Zahlen der Studie auf NordrheinWestfalen herunter. Einige Kernergebnisse: Im Jahr 2008 lag die Gesamtauflage der Tagespresse in Nordrhein-Westfalen bei 4,3 Millionen Exemplaren, werktäglich verkauft. Davon entfielen auf die Lokal- und Regionalzeitungen 3,2 Millionen Exemplare, auf die Boulevardpresse, insbesondere „Bild“ und „Express“, rund 900.000 Exemplare und auf überregionale Zeitungen 230.000 Exemplare. Im Vergleich zu 2006, meine Damen und Herren, ist die Gesamtauflage um 4 % gesunken.

In Nordrhein-Westfalen – das ist die gute Nachricht – werden heutzutage 42 Tageszeitungen verlegt, von denen die Hälfte eine eigene Hauptreaktion für überregionale Berichterstattung unterhält. Meine Damen und Herren, damit ist Nordrhein-Westfalen unter den deutschen Flächenländern das Land mit der größten Zeitungsvielfalt. Mehr als drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger können zwischen mehreren Zeitungen mit lokaler Information wählen. Lediglich die Bürgerinnen und Bürger der Stadtstaaten Berlin und Hamburg haben ein besseres und breiteres Angebot.

Das heißt, wir dürfen derzeit feststellen: Trotz aller Besorgnis, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage hat Nordrhein-Westfalen seine starke Position und seine Zeitungsvielfalt erhalten können.

Aber wir alle wissen, meine Damen und Herren, diesem Druck struktureller, aber auch konjunktureller Art begegnen die Verlagshäuser mit Restrukturierungsmaßnahmen, die sicherlich von uns allen äußerst besorgt verfolgt werden. Wir wissen noch nicht, ob die Schließung einer Lokalredaktion immer auch das Ende der lokalen Berichterstattung ist. Es gibt jedoch Grund zur Besorgnis.

Ich denke, jeder Verlag, der jetzt zu Recht Kosten senkt, muss natürlich wissen und darauf achten, dass er nicht Äste absägt, auf denen er in Zukunft vielleicht noch sitzen möchte. Wir wissen, dass die lokale Berichterstattung das emotionale Bindeglied zwischen Lesern und Tageszeitung ist. Es wäre sicherlich verhängnisvoll, wenn unsere Verlage flächendeckend besonders in diesem Bereich Einsparungen vornehmen würden.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch kurz ergänzen: Nordrhein-Westfalen hat nach dieser Studie nicht nur die erfolgreichen Regionalzeitungen, sondern auch die reichweitenstärksten Angebote von Regionalzeitungen im Internet. Ich erwähne hier „RP Online“ mit 65 Millionen Besuchern im letzten Jahr, „Express“ mit 52 Millionen und „derwesten.de“ mit 49 Millionen. Diese gehören zu den 20 erfolgreichsten Online-Nachrichtenportalen in Deutschland.

Wir wissen, die Werbeeinnahmen sind schwach. Die Fluktuation der Leser vom klassischen Printbereich ins Internet erfolgt nicht 1:1. Die Migration der

Werbeeinnahmen vom Printmedium ins Internet geschieht ebenfalls nicht 1:1. Eins ist aber sicher: Egal ob im klassischen Printbereich oder im Internet: Die Qualität der journalistischen Berichterstattung ist entscheidend.

Wer in der letzten Woche, nach dem furchtbaren Amoklauf gesehen hat, wie viel Unsinn über Dienste wie Twitter verbreitet worden ist, wie viele Menschen dadurch verunsichert worden sind, der weiß, das auch im Internet und in den neuen digitalen Diensten Qualität und Zuverlässigkeit entscheidend sind.

Abschließend die Sicht und die Reaktion der Landesregierung: Wir halten nichts von den Rufen nach dem Staat, nach Subventionen, die nun hier und da zu hören sind, und die eben auch in der Debatte ein wenig zu vernehmen waren. Wer sich das Beispiel Frankreich, das uns Mahnung ist, anschaut, der wird sehr großen Abstand zu den Forderungen nach staatlicher Finanzierung und Unterstützung im Zeitungsmarkt halten.

Das, was Herr Sarkozy in Frankreich tut, hat entweder die Zielsetzung, einen Zustand, wie wir ihn etwa schon bei den Verteilsystemen im Grosso-Bereich haben, herbeizuführen, oder es hat ganz offen und unverschleiert die staatliche und politische Zielsetzung, große, starke Verlagshäuser durch Fusionen herbeizuführen. Das ist nicht unsere Zielsetzung und kann auch nicht Zielsetzung unserer Politik sein. Wir müssen uns auf unser Kerngeschäft, nämlich auf das Setzen der richtigen Rahmenbedingungen zurückziehen und

(Beifall von der FDP)

sollten Abstand nehmen von Ideen, unmittelbar durch Subventionen Einfluss auf einzelne Zeitungsprodukte zu nehmen.

Meine Damen und Herren, bei dieser Entwicklung der Verlage zu Medienhäusern, die eben schon angesprochen wurde, können wir etwas an den Rahmenbedingungen tun.

Sie wissen, in den nächsten Wochen gehen wir in die parlamentarische Beratung des neuen Landesmediengesetzes, wo wir zum Beispiel das Engagement von Verlagen in den neuen Medien, sei es im Internet oder beim lokalen Fernsehen, regeln wollen.

Auch beim Pressefusionsrecht – das ist heute bereits angesprochen worden – können wir Rahmenbedingungen positiv verändern, um die Konzentrationswirkungen, die es ohne Zweifel im Zeitungsmarkt in den nächsten Monaten verstärkt geben wird, in den Griff zu bekommen, zu steuern und Vielfalt im Zeitungsmarkt zu sichern.

Es ist eben gesagt worden, man könne das Käuferverhalten ja nicht steuern. Das ist im normalen Bereich sicherlich richtig. Aber wir alle wissen, dass wir etwas für die Affinität von jungen Menschen zu Zei

tungen tun müssen. Viel zu viele Jugendliche wachsen heute schon in Haushalten auf, wo die Tageszeitung eben nicht zu den normalen Lebensgewohnheiten gehört.

Deswegen sprechen wir zurzeit mit den Verlegern in Nordrhein-Westfalen, wie wir die Schulprojekte, die es heute schon gibt, massiv ausweiten können. Es ist ganz wichtig, dass mehr Schülerinnen und Schüler spüren, welchen Wert, welche Attraktivität eine tägliche Zeitung in einem Haushalt haben kann.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, die Studie zeigt uns: Die Zeitung wird sich in Zukunft massiv verändern. Sie wird wahrscheinlich weniger tägliche Leser, weniger Abonnenten haben. Sie wird ihre Inhalte ändern. Die Aktualität wird sehr stark ins Internet abwandern. Sie muss mehr Hintergründe erklären: in Zeiten der Globalisierung sicherlich eine ganz wichtige Aufgabe.

Wir finden aber, dass auch in Zukunft eine glaubwürdige, eine professionelle, eine gewissenhafte journalistische Arbeit für unsere demokratische Gesellschaft essenziell ist.

Es gibt gute und spannende Nachrichten für Innovationen aus dem Zeitungsmarkt. Von vorgestern liegt mir ein Bericht über ein Pilotprojekt in Köln am Seminar für Wirtschaftsinformatik für eine neue individuelle, aber gedruckte Zeitung vor. Ein spannendes Projekt mit einem neuen Patent für eine Studentengruppe. Das sind interessante Dinge und Projekte, die die Zeitung der Zukunft interessant und wohl auch erfolgsträchtig machen können.

Die Landesregierung wird daher die Weiterentwicklung unserer Verlage zu erfolgreichen Medienhäusern mit allen Möglichkeiten unterstützen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt noch Herr Abgeordneter Jarzombek das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne es am Ende des Plenartages noch unnötig in die Länge ziehen zu wollen, möchte ich noch einmal auf den Entschließungsantrag der Sozialdemokratischen Partei eingehen.

Herr Kollege Eumann, es sind zwei Dinge, die wir miteinander besprechen müssen. Das Erste ist: Wenn ich Ihren Entschließungsantrag lese, scheinen Sie mit der Beantwortung der Großen Anfrage offenbar nicht zufrieden zu sein. Denn Sie schreiben: Diese Fragen müssen noch einmal neu diskutiert werden. – Wir finden, dass die Landesregierung das eigentlich sehr gut beantwortet hat.

(Beifall von der CDU)

Wenn es aber die Auffassung der SPD-Fraktion ist, dass das Institut, das hier mitgearbeitet hat, nicht gut arbeitet, dann sollte die Landesregierung das überprüfen, ob man künftig auch noch andere bei der Beantwortung mit hinzuzieht. Dafür brauchen wir keine Anhörung.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Das Zweite, um das es hier geht, ist, dass Sie natürlich einen Fragekomplex haben, dem ein ganz maßgeblicher Teil fehlt, nämlich die Frage der Pressetransparenz. Wir haben in der letzten Plenarsitzung darüber schon einmal gesprochen. Das sind Fragen, die wir auch stellen müssen und die dazu gehören.

Wie kann es sein, dass eine Zeitung wie die „Neue Westfälische“ zu 57,5 % Ihrer Partei gehört, oben auf der Zeitung aber steht „Überparteilich – unabhängig“. Wie kann das sein?

(Beifall von CDU und FDP)