Wir haben Quartiere und Stadtteile, die durch unterschiedliche Maßnahmen stabilisiert werden: Stadtteilbüros, moderierte Stadtteilkonferenzen und Bürgerbeteiligung. Das sind manchmal schwierige Prozesse, aber sie führen dazu, dass in den Stadtteilen wirklich Frieden herrscht. Ein Schwerpunkt des Programms ist es, die Wohnsubstanz zu erhalten. Ich halte diesen Aspekt für ausgesprochen wichtig. Wir haben bei dem Erhalt der Wohnsubstanz immer darauf geachtet, dass die Bürgerinnen und Bürger, die Akteure und die Eigentümer in diese Prozesse einbezogen wurden. Der Unterschied zu Frankreich ist also: Wir geben keinen Stadtteil in Nordrhein-Westfalen auf, und wir gehen auf die Bürgerinnen und Bürger in diesen Stadtteilen zu.
Aus der Verantwortung für das eigene Wohnumfeld und durch das Gefühl, tatsächlich mitgestalten zu können – das wissen wir seit vielen Jahren aus den Erfahrungen mit „Soziale Stadt“ –, entsteht das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein. Das ist für Migrantinnen und Migranten wichtig. Aber nicht nur für diese, denn in unseren Stadtquartieren wohnen Migrantinnen und Migranten nicht so konzentriert wie in Frankreich, sondern auch die deutsche Wohnbevölkerung beteiligt sich ein Stück an den Prozessen und Veränderungsprozessen in den Stadtteilen. Deshalb müssen wir gerade diese Aspekte des Programms „Soziale Stadt“ weiterentwickeln und weiterführen.
Ich bin der Auffassung, dass man diese Dinge sogar noch verstärken muss. Ich bin aber auch der Auffassung, dass es bislang sicherlich nicht gelungen ist – der ehemalige Minister Vesper weiß es, weil wir es im Migrationsausschuss auch mehrfach diskutiert haben –, die den Kommunen mit dem Programm „Soziale Stadt“ richtigerweise gestellte Aufgabe, ressortübergreifend zu arbeiten, in ganzer Breite in der Landesregierung gleichermaßen zu verwirklichen. Mir ist persönlich zu oft in Steine und nicht in die Menschen in diesen Stadtteilen investiert worden. Das muss sich ändern. An dieser Weiterentwicklung sollten wir alle gemeinsam arbeiten.
Uns geht es bei diesem Ansatz darum, dass der Staat ein Partner und nicht nur Ordnungsmacht ist. Man sollte jetzt auch einmal darüber reden – wenn man sich die Situation in Frankreich anguckt –, was man darüber hinaus noch unternehmen kann. Es geht ja nicht nur um Gebäude, sondern zum Beispiel auch um die Verstärkung der Jugendarbeit. Da haben Sie hier in Nordrhein-Westfalen die Chance, mit einem voll ausgestatteten Landesju
gendplan von 96 Millionen insbesondere die Ansätze der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder der Jugendverbandsarbeit ein Stück zu stärken.
Wir müssen die Stadtteilbüros ausbauen. Wir müssen – da unterstütze ich Herrn Minister Laschet ausdrücklich – auch die Integrationsarbeit weiterführen und weiter ausbauen. Das ist überhaupt keine Frage. Angesichts solcher Geschehnisse wie in Frankreich ist es sicherlich angebracht zu überlegen, ob es wirklich vernünftig ist zu sagen: Auch die Integrationspolitik muss ein Stück Beitrag zur Konsolidierung leisten. Ist es nicht vielmehr so, dass man den Beitrag zur Stabilität verstärken muss? Das ist eine Diskussion, der ich mich in der Vergangenheit gestellt habe und die Sie hier auch führen sollten.
Ich möchte Ihnen auch sagen, Herr Minister Laschet: So wichtig die Sprachförderung auch ist, sie ist nicht der zentrale Schlüssel, sondern ein wichtiger Baustein. Schauen Sie nach Frankreich: Die Jugendlichen in den Stadtteilen dort haben am allerwenigsten ein Sprachproblem.
Zu Ihrem Kollegen Bosbach: Man kann nicht direkt von den Muslimen in Frankreich auf die Muslime in Deutschland schließen. Die Muslime sind eine durchaus unterschiedliche, heterogene Gruppe, und deshalb sollte man auch nicht Dinge heraufbeschwören, die in der Form unter den Muslimen in Deutschland nicht vorhanden sind.
Wir haben das Problem der Perspektivlosigkeit bei den Jugendlichen auch in Deutschland. Das ist ganz sicher das Gefühl, das den Sprengstoff der Unruhen in Frankreich ausmacht. Aber wir haben keine Verhältnisse wie in Frankreich.
Ich möchte ein paar Stichworte nennen, die möglicherweise Ansatzpunkte geben, dies hier zu verhindern:
Wir haben den Föderalismus. Das ist ein wichtiges Gut, denn damit schaffen wir es, Dinge ganz anders zu regeln als im zentralistischen Frankreich.
Wir haben das duale Ausbildungssystem, das die Franzosen nicht haben. Ich sage Ihnen, sie werden versuchen, genau das jetzt zu erfinden. 20.000 staatlich geförderte, befristete Jobs für diese Jugendlichen, die jetzt aufgelegt werden, sind am Ende nur die Spitze des Eisbergs.
Wir haben die kommunale Selbstverwaltung, die ich für einen wichtigen Baustein halte, auch weiterhin Unruhen in unseren Stadtteilen zu verhindern. Wir haben nicht zuletzt die Ordnungspart
Aber ich sage Ihnen auch, Herr Schulte: Ich bin zutiefst der Auffassung, dass es auch in Zukunft nötig sein wird, Ungleiches ungleich zu behandeln, und das sind Stadtteile mit besonders schwierigen Situationen und sozialen Zusammensetzungen. Damit meine ich nicht nur die mit besonders vielen Migranten. Diese Stadtteile werden immer eine besondere Aufmerksamkeit und eine besondere Förderung brauchen.
Meine Redezeit ist leider zu Ende. Es gäbe zu diesem Thema noch viel zu sagen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Altenkamp. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Herr Abgeordneter Lindner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein wichtiges Thema, mit dem wir uns befassen, aber ich bedauere die Art und Weise, wie seitens der grünen Fraktion dieses Thema hier beantragt worden ist,
(Sylvia Löhrmann und Barbara Steffens [GRÜNE]: Was? – Horst Becker [GRÜNE]: Lesen Sie noch einmal nach!)
aber Sie stellen sich nicht den eigentlichen Problemen im Land und den Versäumnissen, die auch Ihre Fraktion mit zu verantworten hat.
Ich habe Ihnen sehr genau zu gehört. Ich habe nichts dergleichen gehört. Auch die Vorrednerin Britta Altenkamp hat gerade darauf aufmerksam gemacht, dass die fachlichen Zusammenhänge, die Sie hier insbesondere im Bereich der muslimischen Bevölkerung dargestellt haben, so nicht zu halten sind.
Die Situation in Frankreich ist mit der in Nordrhein-Westfalen nicht vergleichbar. Dort hat man die Zuwanderer – so liest man das dieser Tage – vor die Tore der Städte gesperrt. Es handelt es sich um Hochhaussiedlungen ohne Infrastruktur,
in denen es nichts gibt außer Wohnen. Es gibt keine Angebote für Jugendliche, keine Arbeit, keine Beratung.
Das ist bei uns in Nordrhein-Westfalen Gott sei Dank nicht der Fall. Zwar gibt es auch hier Stadtteile, die überwiegend von Zuwanderern bewohnt werden, aber diese Stadtteile befinden sich innerhalb der Kommunen. Deshalb wird die räumliche Ausgrenzung in Nordrhein-Westfalen die soziale Ausgrenzung nicht zusätzlich verschärfen können. Hinzu kommt eine soziale Infrastruktur, wenngleich auch eine, die verbesserungsbedürftig ist.
Wir müssen die Ursachen betrachten, die zu den Gewalttaten von Jugendlichen in Frankreich geführt haben. Dazu habe ich von den Grünen eben leider nichts gehört. Die Integrationspolitik in unserem Nachbarland ist gescheitert, weil sie nämlich im engeren Sinne gar keine war. In Frankreich ging man bekanntlich davon aus, es gehe alles von selbst, wie es auch Claudia Roth zuletzt in ihrer Rede auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen wieder ausgeführt hat: keine verbindlichen Regelungen bezüglich der Integration, alles multi-kulti, alles erlaubt im Namen einer anderen Kultur.
Deshalb muss Frankreich eine Warnung an uns sein, eine verbindlichere Integrationspolitik zu verfolgen, die sich um die Menschen, die zu uns kommen, kümmert und die die Verwirklichung ihrer Rechte im Auge hat, aber die auch die Pflichten für Zuwanderer formuliert. Grünes Laisserfaire hat sich nicht bewährt.
Das ist die eigentliche Konsequenz, die wir aus der von Ihnen beantragten Aktuellen Stunde ziehen müssen. Deshalb handelt die neue Regierungskoalition, obwohl sie noch kein halbes Jahr in Verantwortung steht.
Es hat erste Schritte gegeben. Ich will vorab darauf hinweisen, dass es die schwarz-gelbe Regierung aus Union und FDP in Nordrhein-Westfalen war, die bundesweit das erste und einzige Integrationsministerium eingerichtet hat, um zu unterstreichen, dass dies eine Aufgabe ist, die auch zu Recht Kabinettsrang beansprucht. In diesen Tagen wird auch über die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe beraten, die die unterschiedlichen Bemühungen in den Ressorts koordinieren helfen soll, damit Integrationspolitik in
Erstens: Grundsätze des Programms „Soziale Stadt“ sind zweifelsohne zu begrüßen, insbesondere der Ansatz der Zusammenarbeit, der auch von Britta Altenkamp hier erwähnt worden ist. Ein noch besseres Wohnumfeld in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf ist aber nicht allein mit dem Programm „Soziale Stadt“ zu verwirklichen. Was steckt dahinter? – Da geht es zum Beispiel um eine bildungs- und freizeitorientierte Infrastruktur in tristen Stadtvierteln, um Angebote für junge Menschen, um Treffpunkte, wie es auch die Grünen in der Beantragung der Aktuellen Stunde hervorgehoben haben.
Hier ist jedoch zu fragen, welche Regierungsmehrheit in Nordrhein-Westfalen es denn war, die über Jahre hinweg die offene Jugendarbeit als Förderbereich des Landesjugendplans diskriminiert hat.
Herr Becker, damals gehörten Sie diesem Parlament noch nicht an. Deshalb sind Sie da ahnungslos und sollten sich mal aktenkundig machen.
Ich bitte um Nachsicht: Sie brauchen sich doch nur Ihre eigenen Haushaltsanträge anzusehen. Darin ist vorgesehen, die Gelder für die offene Jugendarbeit bis zum Jahr 2007 auf 10 Millionen € zu reduzieren. Das hätte, wenn Sie wieder eine Mehrheit bekommen hatten, dazu geführt, dass von den 2.400 offenen Jugendeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen nur noch ein Handvoll übrig geblieben wäre. Das war die Politik Ihrer Regierung. Die ist abgewählt worden, und in diesem Punkt mindestens zu Recht.
Zweitens: Wir haben die stadtteilorientierte Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen in die Wege geleitet. Damit schaffen wir nicht nur ein Bildungsangebot für Kinder und ihre Eltern, son