Ja, wir machen uns schon sehr viele Sorgen, Herr Kollege Kuhmichel. Wir haben auch allen Anlass dazu.
Auch die letzte Pisa-Studie, die heute morgen hier diskutiert worden ist, die Deutschland und Nordrhein-Westfalen bescheinigt, dass der schulische Erfolg aufs Engste mit der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler verknüpft ist, sollte für alle einmal mehr ein Signal sein, beim Hochschulzugang nicht weitere soziale Hürden aufzubauen.
Geradezu gebetsmühlenhaft muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass unsere Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und auch Politik, mehr junge Menschen mit Hochschulausbildung benötigt und nicht weniger.
Die geplante Einführung von Studiengebühren – in der Tat steht dieses Thema in diesem Kontext – ist ein riesiger Schritt in die falsche Richtung, dem nun weitere Schritte in eben diese Richtung folgen sollen.
Diese Politik der Landesregierung, Herr Minister Pinkwart, schadet nachhaltig dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen.
Es ist erforderlich, die Qualität von Forschung und Lehre an unseren Hochschulen durch Profilbildung zu stärken. Die SPD-geführte Landesregierung hat mit dem Hochschulkonzept 2010 diesen Prozess vorangetrieben. Die starke Beteiligung der NRW-Hochschulen an der Exzellenzinitiative belegt, wie richtig dieser Prozess war und ist.
Ja, diese Entwicklung heißt auch: Wettbewerb um Studierende, Drittmittel, um Lehrende und Forschende, wobei die Betonung aber auf „auch“ liegt. Denn Wettbewerb ist nicht das alleinige Ziel und schon gar nicht ein Ziel, das um seiner selbst willen betrieben werden darf.
Neben Wettbewerb und Konzentration auf die jeweiligen Stärken tritt die Kooperation, die zum Beispiel für die Entwicklung des Hochschulcampus Ruhr und nicht nur dort zur Zukunftsfähigkeit der Hochschulen von entscheidender Bedeutung ist.
Internationale Beispiele für arbeitsteilige, qualitätsorientierte kooperative Strukturen gibt es genug. Die Universität von Kalifornien zum Beispiel liefert hierfür den Beweis, im Übrigen eine staatliche Universität, die jetzt ihren zehnten Standort in Merced im Central Valley eröffnet – ein Beispiel dafür, dass es nicht um weniger gehen kann, sondern durchaus um mehr.
Profilbildung braucht Zeit und Verlässlichkeit beim Einhalten der Rahmenbedingungen. Die konservativ-neoliberale Koalition hier im Hause will den vereinbarten Zeitrahmen, der mit 2020 gesetzt ist, jetzt ohne Not verlassen und schadet damit dem Standort Nordrhein-Westfalen.
2010, Entschuldigung, Herr Minister. Ich werde mich bei Gelegenheit revanchieren und dann auch eine kleine Korrektur vornehmen.
Die Wettbewerbsbedingungen für die einzelnen Hochschulen sind ungleich, weil die Ausgangsbedingungen auch ungleich sind. Dem muss durch die Beibehaltung der Kappungsgrenzen bei der erfolgsorientierten Mittelvergabe Rechnung getragen werden. Das ist übrigens ein Instrument, das die SPD durch ihre Wissenschaftspolitik vorangetrieben hat.
Mit deren Abschaffung nimmt man sehenden Auges die Schädigung der Substanz einer Reihe von Hochschulstandorten in Kauf. Dies geschieht insbesondere in Regionen, die darauf angewiesen sind, dass alle Bildungsreserven ausgeschöpft werden. Wir jedenfalls stehen zur regionalisierten Strukturpolitik. Dazu gehört die regionale Verantwortung und Bindung auch der Hochschulen unseres Landes. Die Hochschulen brauchen ihre Regionen. Das gilt auch umgekehrt.
Prof. Ronge, der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz Nordrhein-Westfalen, hat in der Anhörung des Wissenschaftsausschusses in diesem Saal zum Antrag der SPD gegen die Abschaffung der ZVS gesagt, dass auch die Mobilität von Studierenden ihre Grenzen hat.
Darum geht es: die Kapazitäten wirklich auszuschöpfen. Frau Thoben, lesen Sie einmal genau nach, was Herr Prof. Ronge hier vorgetragen hat. Das ist aus meiner Sicht sehr klug und bekommt auch der Landesregierung.
Deshalb muss das Prinzip der Regionalisierung und die von Ministerpräsident Clement ausgesprochene Standortgarantie aufrechterhalten werden, und deshalb fordern wir, den Prozess der Profil- und Clusterbildung weiter zu unterstützen, die leistungsorientierte Mittelvergabe nicht undifferenziert vorzunehmen, die Kappungsgrenzen bis zur Umsetzung des Hochschulkonzepts 2010 beizubehalten und die Standortgarantie zu erneuern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und für die netten Anregungen der Landesregierung.
Vielen Dank, Herr Kollege Schultheis. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU Herr Kollege Kuhmichel das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schultheis von der rot-grünen Opposition, das ist schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ein Antrag, mit dem die SPD mit Blick auf die Hochschulpolitik meint, sie müsste uns den rechten Weg aufzeigen.
Aber das braucht sie natürlich nicht. Sorgt euch nicht, denn es wird alles gut. Das kann ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen.
Lieber Kollege Schultheis, Sie haben in Sachen Hochschulpolitik weiß Gott nicht immer den rechten Weg beschritten. Sonst wären Sie ja noch in der Regierungsverantwortung. Das ist der Auftrag, den wir jetzt bekommen haben, und den werden wir ausfüllen.
Ich wiederhole das, was ich beim letzten Mal zum Thema Bologna schon gesagt habe – das war auch so ein Antrag ohne Sinn und Hintergrund –: Was gut war, das führen wir weiter. Warum eigentlich nicht? Aber das, was schlecht war, machen wir besser. Und das werden wir Ihnen immer wieder zeigen.
Ich komme nun in aller Kürze zu Ihren Beschlussvorschlägen. Ich will die Zeit nicht unnötig in Anspruch nehmen und werde deshalb etwas weniger Redezeit benötigen. Es lohnt sich nämlich nicht sonderlich.
Stattdessen hätten Sie auch schreiben können: „Die Erde ist rund.“ Eine solche Bedeutung hat das, was Sie dort schreiben. Sie hätten aber etwas hinzuschreiben sollen, was Sie vergessen haben, was Ihrer Politik abgegangen ist: Sie hätten schreiben sollen, dass Sie das Ganze mit großer Verlässlichkeit im steten Dialog mit den Hochschulen machen wollen, dass Sie sich an Vereinbarungen und Verträgen orientieren und Prioritäten zugunsten der Hochschulen setzen. Das haben Sie unter Punkt 1 leider nicht formuliert. Das ist untergegangen.
Unter Punkt 2 kommen Sie zu der Erkenntnis, dass der Wettbewerb erst dann vollständig begonnen werden könne, wenn jeder Standort, wie vereinbart, genügend Zeit gehabt habe, sich und seine Strukturen darauf auszurichten. Das ist eine wunderbare Erkenntnis.
In den letzten Jahren haben Sie erst einmal die Gesamthochschulen umgetauft, weil Sie gemerkt haben, dass das sozialistische Experiment, das dahinter steckte, gescheitert war.
Wenn Sie diese ehemaligen Gesamthochschulen in den Wettbewerb schicken, dann haben sie tatsächlich Probleme. Darauf achten wir aber auch. Sie können uns beim Wort nehmen, dass sie ordentlich in den Wettbewerb einmünden können. Wir werden dafür sorgen, dass das Potenzial der Hochschulen in Lehre und Forschung bestmöglich ausgeschöpft wird.
In Ihrem Punkt 3 kommen Sie mit den Kappungsgrenzen. Das ist auch ein tolles Ding. Sie haben mit den Hochschulen für die Jahre 2004 bis 2006 Kriterien verabredet. Die Wirkung dieser Kriterien haben Sie durch die Kappung der Gewinne und Verluste aber wieder geschwächt. Sie wissen das.
Unter Punkt 4 steht die alte Leier von der Standortgarantie. Dazu gibt es erstens keinen Anlass, und zweitens ist es ein unverantwortlicher Versuch,
Es gibt derzeit überhaupt keinen Anlass, über irgendeinen Standort kritisch nachzudenken. Wenn Ihr Kollege Bollermann, der hier sitzt – es ist gut, dass er gekommen ist –, in der letzten Ausschuss-Sitzung einen Standort benannt hat, dann
Sie wissen genauso wie wir, dass ein ehrlicher Wettbewerb mit einer uneingeschränkten Standortgarantie überhaupt nicht vereinbar ist. Das schließt sich aus. Sonst wären Sie auch nicht auf die Idee gekommen, Duisburg und Essen zu fusionieren. Das steckt auch dahinter.
Das haben Sie per Zwang gemacht. Das war Mist. Aber Standortgarantie und uneingeschränkter Wettbewerb passen nicht zueinander.
Meine Damen und Herren, das soll es für heute gewesen sein. Wir werden uns Ihrer Sache annehmen. Normalerweise ist das der klassische Fall, in dem ein Antrag hier direkt weggestimmt wird. Das machen wir aber nicht. Wir überweisen ihn an den Ausschuss und machen es dort. – Danke schön.