Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Viertens. Integrationsfähigkeit und Integrationswilligkeit unterstützen.

Fünftens. Stärkung der Gremien im Bereich der kriminalpräventiven Räte sowie praktische Projekte, wie sie zum Beispiel die Polizei in Düsseldorf seit einem Jahr sehr erfolgreich durchführt.

Wir wissen – damit komme ich zum Schluss –, dass die Polizei nur die schlimmsten Entwicklungen angehen, aber keine Problemlösungen anbieten kann. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Wittke das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Auch hierzulande gibt es in der Tat in einigen Städten Gebiete mit einer Konzentration von sozialen und ökonomischen Problemen. Sie sind aber, wie alle Redner in dieser Debatte festgestellt haben, mit den sozialen Brennpunkten in Frankreich sicherlich nicht vergleichbar.

In diesen Stadtteilen greifen die Städte landesweit zum Instrumentarium des Programms „Sozialen Stadt NRW“. Es gibt zwar eine Konzentration von Problemstadtteilen im Ruhrgebiet und insbesondere in der Emscher-Region. Wir haben es aber auch mit einem landesweit auftauchenden Problem zu tun. Arbeitslosigkeit, Armut – insbesondere auch Kinderarmut – und hoher Migrantenanteil des Stadtquartiers führen zu Problemen in der Bildung, im Schulsystem und beim Image des Stadtteils. Es kommt schließlich zum Wegzug der sozial und wirtschaftlich stabilen Familien im Quartier.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, genau deshalb werden wir zum 1. Januar nächsten Jahres die Ausgleichsabgabe in diesen Stadtquartieren streichen. Denn wir wollen, dass insbesondere die Leistungsträger, die Starken in diesen schwachen Stadtteilen verbleiben.

(Beifall von der CDU)

Wir können uns in akademischen Sonntagsreden und hehren Debatten wechselseitig versichern, wo Handlungsnotwendigkeiten sind. Wenn es dann aber um die Umsetzung von tatsächlichen Maßnahmen geht, sollten wir so ehrlich sein, sie gemeinsam anzupacken. Wir sollten dabei ideologische Vorbehalte über Bord werfen. Deshalb möchte ich in dieser Debatte darum werben, dass Sie den Weg, den die Regierungskoalition eingeschlagen hat, mit uns gehen. Helfen Sie mit, die schwachen Stadtteile zu stärken, indem Sie nicht die wenigen Starken durch ein längst überkommenes Instrument, die Fehlbelegungsabgabe, aus diesen Stadtteilen heraustreiben.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, soziale und ethnische Integration beginnt in der Nachbarschaft, im Quartier. Das Programm „Soziale Stadt NRW“ will an Ort und Stelle die Eigenverantwortlichkeit der Bewohner, der Vereine und der Organisationen in den Stadtteilen stärken.

Ziel des ressortübergreifenden Programms, an dem 38 Stadtteile in 28 Städten in NordrheinWestfalen beteiligt sind, ist es, die Menschen zu befähigen, das Stadtteilleben selber aktiv zu gestalten. Wohnungspolitische und städtebauliche Maßnahmen helfen in diesem integrierten Ansatz ebenso wie wirtschafts-, arbeitsmarkt-, bildungs- und umweltpolitische Maßnahmen, diese Stadtquartiere zu stabilisieren und damit Parallelgesellschaften in unseren Städten zu verhindern.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auf Dauer mit einem friedlichen Nebeneinander in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen nicht auskommen werden. Wir benötigen ein friedliches Miteinander. Wir müssen deshalb alles daransetzen, Parallelstrukturen und Ghettobildungen in unseren Städten zu verhindern.

Dies wird uns nur gelingen, wenn auch die Eigenverantwortlichkeit der Bewohner, der Vereine und der Organisationen in den Stadtteilen gestärkt wird. Strategien der Hilfe zur Selbsthilfe und die Einbindung verschiedener Partner – von Wohnungsunternehmen, Kirchen und Religionsgemeinschaften über die Vereine bis hin zu örtlichen Unternehmen – sind für den Erfolg der Stadtteilansätze ebenso wichtig wie die soziale und ethnische Integration aller gesellschaftlichen Gruppen und die Einbindung der Schulen als zentrale Handlungsorte in städtischen Problemgebieten. Stadtteilbüros können darüber hinaus einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die unterschiedlichen Handlungsansätze zu bündeln und neue Programme und Ideen auf den Weg zu bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit wird das vom Landtag im November 2002 einstimmig beschlossene Programm „Soziale Stadt NRW“ von der neuen Landesregierung konsequent fortgeführt, aber auch weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung wird vor allem in zwei Bereichen stattfinden:

Zum einen müssen wir noch stärker als bisher interdisziplinär arbeiten. Das heißt, wir müssen ressortübergreifend Maßnahmen auf den Weg bringen. Ich bin froh darüber, dass Minister Laschet mit dem Integrationsministerium diese Aufgabe der Koordination wahrnehmen wird. In der Tat werden wir diese große gesamtpolitische Herausforderung nur in den Griff bekommen, wenn Schul-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Städtebau- und Integrationspolitik ineinander greifen.

Zum anderen werden wir stärker als in der Vergangenheit auf die Nachhaltigkeit der Maßnahmen achten. Denn wir brauchen keine Strohfeuer und auch keinen Aktionismus. Wir müssen genau

darauf achten, dass das wenige Geld, das noch zur Verfügung steht, tatsächlich dort eingesetzt wird, wo es langfristig Erfolge zeitigt. Wir müssen Stadtteile wieder dazu bringen, sich am Ende selbst helfen zu können. Einen dauerhaften Tropf der öffentlichen Hand werden wir uns nicht leisten können. Dafür gibt es viel zu viele Herausforderungen und Stadtteile, in denen wir tätig werden müssen.

In diesem Sinne lade ich Sie alle ein, in dem Geist der Diskussion, der diese Aktuelle Stunde mitgetragen hat und den ich als sehr wohltuend empfunden habe, weil er deutlich gemacht hat, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, diesen Weg zusammen fortzuentwickeln und zu gehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Als nächster Redner steht für die Fraktion der CDU Kollege Wüst auf der Rednerliste.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass ich den Kollegen Vesper so gut gelaunt erlebt habe. Denn ich hatte – ähnlich wie mein Vorredner Herr Engel – den Eindruck, es ginge im Antrag der Grünen nur darum, ihm ein bisschen weiße Salbe auf die vielleicht beginnende Herbstdepression zu schmieren. – Das war offensichtlich nicht der Fall. Insofern bin ich erfreut, dass er so guter Laune war. Es wäre auch ein bisschen kleine Münze gewesen, angesichts von drei Toten in 14 Tagen und einem Ausnahmezustand in einer der ältesten Demokratien Europas diesen Antrag zu schreiben. Er greift nämlich an mehreren Stellen zu kurz.

Ich habe allerdings bezüglich der ruhmreichen Städtebaupolitik eine interessante Stelle gefunden. Ich erlaube mir zu zitieren:

"Auch in deutschen Städten gehören Armutsinseln und ethnisch geprägte Nachbarschaften längst zur Realität. Dabei hat die sozialräumliche Differenzierung in den letzten Jahren noch zugenommen zwischen Städten, Regionen und Stadtteilen – messbar am sogenannten A-Faktor: Armut, Arbeitslosigkeit, Alter und Ausländeranteil."

Das ist nicht etwa eine kritische Bestandsaufnahme von CDU oder FDP, sondern steht im Zukunftsforum der SPD vom vergangenen Wochenende, aufgeschrieben von Frau Altenkamp und Herrn Kapschack.

Meine Damen und Herren, es ist prima, wenn die SPD an dieser Stelle die Realitäten anerkennt. Aber es wirft auch ein Licht darauf, wie selbstverliebt die Grünen ihre eigene Politik bewerten, wenn der eigene Koalitionspartner schon kritisch beleuchtet, was gelaufen ist.

(Lachen von Horst Becker [GRÜNE])

Selbst wenn man, Herr Becker, Ihre Selbstgerechtigkeit durchgehen ließe,

(Horst Becker [GRÜNE]: Das müssen Sie noch einmal nachlesen!)

gibt es mehr Punkte als nur den Städtebau, die für das Geschehen in Frankreich – in Paris und anderswo – ursächlich sind. Wenn ich mir die vielen kleinen anderen Ursachen ansehe, frage ich mich, warum sich die Grünen nicht ein bisschen mehr Mühe gegeben haben. Ich habe die Vermutung, die Antwort darauf zu kennen:

(Zurufe von den GRÜNEN)

Sprachprobleme von Migranten gab es bei den Grünen lange nicht. Sprachprobleme haben Sie immer geleugnet. Wenn vonseiten der CDU früher auf Sprachprobleme hingewiesen wurde, haben Sie gesagt, das sei ausländerfeindliche Hetzerei.

Parallelgesellschaften bis hin zu rechtsfreien Räumen, Metin Kaplan – das war bei Ihnen alles billige Polemik und übertriebene Panikmache. Die Abschiebung von Kaplan haben Ihre Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag als billigen Wahlkampf abgetan.

Ich erinnere an eine fast schon historisch geglaubte Aufweichung des Gewaltbegriffs bei den Grünen. Auf Ihrer Homepage findet sich heute noch „Gewalt als politisches Mittel“, nämlich in der Präambel des alten Grundsatzprogramms, das sie offensichtlich noch wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Einher damit geht der aufgeweichte Eigentumsschutz, in den letzten Wochen noch in der „Bild“Zeitung von führenden Grünen propagiert. Stichwort „Graffiti“: Das sei in Wahrheit kein Eigentumseingriff, sondern eine Verschönerung des städtischen Lebensraums und Umfeldes.

All das gehört zur Tradition der Grünen. Deshalb kaprizieren Sie sich hier offensichtlich nur und ausschließlich auf den Städtebau. Wir haben in Deutschland andere städtebauliche Voraussetzungen als in den Banlieus. Das ist wahr. Aber Krawalle und Gewalt gibt es auch bei uns. Und die haben viele Ursachen. Maikrawalle in Berlin sind schon seit Jahren Tradition. Ich nenne wei

terhin die Chaostage in Hannover, die es seit den 80er-Jahren gibt, die Hooliganszene bei bestimmten Fußballspielen, gewaltbereite Auseinandersetzungen bei Castortransporten oder globalisierungskritischen Demonstrationen. Die Ursachen sind vielfältig und gehen über das Thema Städtebau weit hinaus.

Zum Thema Jugendarbeitslosigkeit habe ich bisher von Ihnen kein Wort gehört. Dazu ist Ihnen offensichtlich genauso wenig eingefallen wie in den vergangenen zehn Jahren. Die neue Mehrheit wird in diesem Hause in Zukunft eine vernünftige Städtebaupolitik machen; das hat Minister Wittke eben klar gemacht. Zur Vermeidung von den Vorfällen, die in Frankreich zu beobachten sind, fällt uns gewiss einiges mehr ein als den Grünen.

Ich nenne das Werkstattjahr – 23.000 junge Menschen bekommen damit eine Chance, die RotGrün ihnen nicht gegeben hat –, eine bessere Sprachförderung, eine bessere Schulpolitik mit mehr Unterricht und höherer Qualität und auch einen anständigen Landesjugendplan. Sich hierhin zu stellen, wie es Frau Altenkamp getan hat und zu sagen: „Ihr müsst jetzt 96 Millionen € liefern“, wobei Sie das in der Vergangenheit nie geschafft haben, ist schon eine ziemliche Unverschämtheit. Wir investieren in die Zukunft von jungen Menschen und nicht nur in Beton und Steine. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aktuelle Stunde.

Wir kommen zu:

4 Profilbildung fortführen – Hochschulstandorte sichern

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/581 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung. – Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion der Kollege Schultheis das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der SPD-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung und die sie tragende Mehrheit hier im

Landtag auf, beim Hochschulzugang in NordrheinWestfalen nicht weitere direkte und indirekte Hürden aufzubauen.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Keine Sorgen!)

Ja, wir machen uns schon sehr viele Sorgen, Herr Kollege Kuhmichel. Wir haben auch allen Anlass dazu.