Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Herr Minister, Sie haben hier ein Referat gehalten, das Ihnen ohne große Probleme den großen Schein

im Besonderen Verwaltungsrecht an der Uni gebracht hätte. Das will ich gar nicht bestreiten. Ich bitte Sie aber ganz herzlich, aus Ihrer Passivität herauszukommen und Ihrer Aufgabe und Verantwortung gerecht zu werden. Gehen Sie darüber hinaus, einfach an den Unglücksort zu eilen.

(Zuruf von der CDU)

Der Antrag, den Bündnis 90/Die Grünen hier vorgelegt haben, hat sicherlich Schwächen. Ich will das ganz offen und ehrlich sagen. Er ist schnell gestrickt. Ich nehme an, das geschah mit dem Ziel, das politische Copyright zu haben. Nichtsdestotrotz werden wir ihm zustimmen. Das hat Herr Kollege Wißen auch schon gesagt. Ein klares und eindeutiges Signal der hierin zum Ausdruck gebrachten Fragestellung hat bei uns Vorrang vor Detailkritik.

Die jetzt zur Klärung anstehende entscheidende Frage betrifft die technische Aufsicht. Vor allem geht es um die Delegation dieser Aufsicht auf einen Bauherrn. Sind das in Zukunft noch die richtigen Instrumente? Hält man sich, wenn man vonseiten der Bezirksregierung Düsseldorf schon die technische Aufsicht delegiert, noch genügend Sachverstand zurück, um gleichsam die Delegationsverantwortung weiter aufrechterhalten und ausüben zu können?

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Diesen Fragen sollten wir uns gemeinsam und ohne Schaum vor dem Mund zuwenden, und zwar ohne dies parteizupolitisieren. Deshalb bitte ich herzlich darum, auf diese sachliche Ebene zurückzukehren.

Wenn die Präsidentin dies gestattet, kann Kollege Papke jetzt noch seine Frage stellen.

Bitte schön, Herr Abgeordneter Papke.

Herr Kollege Börschel, auch wenn wir gerade festgestellt haben, dass Sie nicht persönlich die führende Position bei den Kölner Verkehrsbetrieben einnehmen, wie es vielleicht mancher vermuten mag, so liege ich aber sicherlich nicht fehl in der Wahrnehmung, dass Sie der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion der Stadt Köln sind und die SPD dort zusammen mit Linksextremisten und Grünen über eine Mehrheit verfügt.

(Zurufe von der SPD)

Das sind doch die Fakten; das darf ich doch wohl einmal sagen.

(Zurufe von der SPD – Unruhe)

Herr Kollege Börschel, die Verantwortung für das, was in Köln leider passiert ist, liegt zunächst einmal erkennbar bei denjenigen, die in den Gremien der Stadt Köln unmittelbar Verantwortung tragen.

(Zuruf von der SPD: Frage!)

Sie gehören zu denjenigen, die dort Verantwortung tragen. Deshalb frage ich: Mit welchem Recht stellen Sie sich in einer solchen Debatte hierher, zeigen auf den neuen Verkehrsminister des Landes Nordrhein-Westfalen und sprechen von dessen Verantwortung?

(Beifall von FDP und CDU)

Das würde ich gerne einmal von Ihnen hören.

Herr Kollege Papke, Sie haben sich bemüht, in Ihrem Zwischenreferat wenigstens andeutungsweise zwei Fragen unterzubringen. Ich will versuchen, auf diese zu antworten.

Erstens. Es ging um die Frage, ob ich Vorsitzender der Ratsfraktion der SPD in Köln bin. – Wenn ich es addiere, waren es sogar drei Fragen. – Ich antworte klarer und einfacher als beispielsweise der Oberbürgermeister in einem wirklich legendären imaginären Interview mit Jürgen Becker in den Mitternachtsspitzen: Ja. – Man kann das nämlich auch einfacher beantworten, als es der Oberbürgermeister damals getan hat.

Zweitens. Meine Fraktion erhebt in Köln den Anspruch darauf, gestaltend und verantwortlich zu agieren und sich Mehrheiten immer dort zu sammeln, wo es der jeweiligen Sachlage angemessen ist.

(Zurufe von der CDU)

Kolleginnen und Kollegen, regen Sie sich doch nicht auf.

Wir bilden in Köln zusammen mit den Grünen ein sogenanntes Kernbündnis. Ein Kernbündnis deswegen, weil wir keine eigene Mehrheit haben. Jeder Demokrat und jede Demokratin in Köln ist herzlich eingeladen, sich an diesen Mehrheiten zu beteiligen.

(Zurufe von der CDU)

Die FDP tut das übrigens gelegentlich, Herr Kollege Papke, wie auch die CDU.

(Beifall von der SPD)

Wie Sie wissen, geschah dies nicht zuletzt letzte Woche anlässlich der Wahl eines FDP-Bürgermeisters in Köln. Diese kam nur zustande, weil SPD, Grüne und FDP gemeinsam eine Mehrheit gebildet haben. Ich glaube, da sind Ihre Parteifreunde in Köln mitunter weiter als Sie es hier sind.

Alle Beteiligten im Rat – dazu gehöre ich selbstverständlich auch-, in der Verwaltung, in den Verkehrsbetrieben, in den Stadtwerken, in der Landesregierung, bei der Bezirksregierung Köln und bei der Bezirksregierung Düsseldorf tragen Verantwortung. Darauf will ich noch einmal hinweisen.

Wir alle miteinander müssen uns doch überlegen, welchen Teil der Verantwortung wir nach dem heutigen Wissensstand so nutzen müssen, dass daraus eine konstruktive Erkenntnis für die Zukunft gezogen werden kann.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Dann fangen Sie bitte bei sich selbst an!)

Dass es an konstruktiven Erkenntnissen für die Zukunft bei Ihnen gelegentlich mangelt, Herr Kollege Papke, haben wir allzu oft erlebt. Das ist bedauerlich für dieses Haus.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Börschel. – Ich erlaube mir den Hinweis auf § 33 der Geschäftsordnung, in dem das Thema Zwischenfragen behandelt ist. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Hollstein das Wort.

Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Mein Kollege Heinz Sahnen hat in seiner Rede die wesentlichen Dinge deutlich dargelegt; dem möchte ich nichts Fachliches hinzufügen. Als Kölner möchte ich aber ca. vier Wochen nach diesem schrecklichen Unglück einige Bemerkungen zum Umgang mit diesem Unglück machen.

Aus heutiger Sicht ist festzustellen, dass unmittelbar nach der Katastrophe allen Betroffenen schnell und umfassend geholfen wurde. Dabei standen Fragen der Notversorgung, der unbürokratischen wirtschaftlichen Hilfe, aber auch der menschlichen Anteilnahme im Vordergrund. Dies haben der Krisenstab und insbesondere der Oberbürgermeister in vorbildlicher Form gehandhabt.

(Lachen von Gerd Stüttgen [SPD])

Ebenso rasch und ohne jeden Verzug erfolgten die notwendigen Sicherungsmaßnahmen sowie die Einleitung der Bergung sowohl der beiden Vermissten als auch der Kulturgüter. Lassen Sie mich an dieser Stelle wie meine Vorredner den Familien der beiden Opfer ausdrücklich unser Mitgefühl aussprechen. Die Trauerfeier im Kölner Gürzenich unter Beteiligung von zwei christlichen und einem muslimischen Geistlichen war dafür eine ergreifende Manifestation in diesem traurigen Zusammenhang.

Ich möchte mich auch dem Dank an alle Helfer, die zum Teil schon mit ihren Institutionen genannt worden sind, ausdrücklich anschließen.

Lassen Sie mich aber auch unser aller Betroffenheit über den Verlust unschätzbar wertvoller Kulturgüter aussprechen. Herr Kollege Wißen, als Historiker wissen wir, wovon wir reden; ich stimme Ihnen ausdrücklich zu.

Die Bestürzung und die Sorge waren nicht nur in Köln und in der Fachwelt der Archivare groß. Es hat sich gezeigt – das ist ein erfreulicher Aspekt –, dass unter schrecklichsten Umständen die Solidarität, die Hilfsbereitschaft und die Unterstützung für das Historische Archiv in Köln und weit darüber hinaus grenzenlos waren. Auch das, meine Damen und Herren, ist Köln und ein Teil der Kölner Mentalität.

Sie besteht eben nicht nur aus Klüngel in seiner negativsten Form, aus Korruption, aus Beraterverträgen, aus Stadtverdienern, aus Verantwortungslosigkeit und aus „et hätt noch immer jot jejange“. All das gab es; all das gibt es – leider – in Köln, aber auch anderswo. In meiner Heimatstadt hat das einen Namen, der viele Vorurteile erfüllt; das macht häufig genug betroffen.

Die präzise und sachliche Aufklärung des Unglücks muss erfolgen, und -ich bin sicher – sie wird erfolgen. Aber für Präzision und Sachlichkeit ist Zeit erforderlich. Es geht auch um Schuld und um Verantwortung; darin stimme ich mit Martin Börschel ausdrücklich überein. Es geht um rechtliche, politische und moralische Verantwortung. Es geht nicht nur um ein Bauchgefühl oder um den gesunden Menschenverstand.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle darf es nicht um Wahlkampf gehen. Die Kölner CDU und der Oberbürgermeister haben hierzu einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Vielleicht kann ich die Zwischenfrage von Frau Kollegin von Boeselager beantworten: Herr Kollege Börschel ist, wie er gesagt hat, natürlich nicht Mitglied des Aufsichtsrates der KVB; er ist aber an entscheidender Stelle in den Aufsichtsgremien der Stadtwerke tätig, zu deren Konzern die KVB gehören.

(Zustimmung von Martin Börschel [SPD] – Zurufe von der CDU: Aha! – Zurufe von der SPD: Was will uns das denn sagen? Was soll diese Frage? – Weitere Zurufe)

Mit hoher Wahrscheinlichkeit, meine Damen und Herren, war der Einsturz des Archivs und seiner Nachbargebäude keine überraschende Naturkatastrophe. Wahrscheinlich gab es Vorzeichen und Warnsignale. Es ist peinlich genau zu prüfen, ob diese ernst genug genommen wurden und ob beispielsweise die Baustellen in ausreichendem Maße kontrolliert wurden. Sobald diese Fragen – ich sage ausdrücklich – durch Sachverständige und durch die Staatsanwaltschaft zweifelsfrei geklärt sind, müssen sicherlich personelle Konsequenzen gezogen werden. Auf dem eingeschlagenen Weg der Erneuerung bilden wir die Vorhut.

Ich bin zuversichtlich, dass das schreckliche Unglück vom 3. März für viele und hoffentlich für sehr viele Menschen ein Signal zum Umdenken ist. Es geht dabei nicht darum, ob man in Köln eine UBahn bauen kann. Es geht auch nicht darum, ob

man andere und sicherlich emotional umstrittene Infrastrukturmaßnahmen realisieren kann. Es geht vielmehr darum, für die Bürgerinnen und Bürger politische Entscheidungen und Verwaltungshandeln noch besser und transparenter zu machen. Zugegebenermaßen macht die meist große Komplexität dieser Aufgaben und Fragen dies nicht immer wirklich einfach.

Dabei sind – in diesem Punkt müssen wir ehrlich mit uns selbst sein – Unfälle, Pannen und Fehler nicht komplett auszuschließen, solange Menschen handeln. Wahrscheinlich sind sogar Unglücke und Katastrophen nicht gänzlich zu vermeiden. Aber es geht darum, alles dafür zu tun, dass diese Umstände so unwahrscheinlich wie irgend möglich werden. Ich habe Zweifel, dass der vorliegende Antrag an dieser Stelle wirklich weiterhilft.

(Beifall von CDU und FDP)