Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Da komme ich gleich drauf. – Die Zahl der gerichtlich anhängigen Verfahren wegen der Umstände der Unterbringung der Gefangenen zeigt nämlich ganz deutlich, dass Sie während Ihrer Regierungszeit dazu eigentlich nichts gemacht haben. Denn Fakt ist, dass die meisten Vollzugseinrichtungen vor langer Zeit errichtet wurden und sich seither natürlich die Maßstäbe an eine Unterbringung von Gefangenen deutlich verändert haben. Während der zehnjährigen gemeinsamen Verantwortungszeit von SPD und Grünen wurden netto lediglich 320 Haftplätze neu geschaffen. Wir haben in NordrheinWestfalen rund 18.000 Haftplätze. Da können Sie das Verhältnis vielleicht auch selber einmal bewerten.

Die neue Landesregierung

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Die ist nicht mehr neu!)

Frau Düker hat von diesem ambitionierten Bauprogramm gesprochen – hat seit Mitte 2005 bereits ca. ein halbe Milliarde Euro in Baumaßnahmen des Justizvollzugs investiert.

(Zuruf von der SPD: Alte Beschlüsse!)

Sie hat insgesamt rund 2.600 Haftplätze, davon rund 1.300 für abgängige, marode bisherige Haftplätze und rund 1.200 zusätzliche Haftplätze, fertig gestellt bzw. sie sind im Bau oder im Haushalt abgesichert.

Die CDU-geführte Landesregierung investiert aber nicht nur in neue Haftplätze, sondern auch in die Verbesserung der baulichen Haftumstände in den alten Anstalten. Das haben Sie während Ihrer Verantwortungszeit unterlassen. Konkret wurden nach der Regierungsübernahme Hunderte von Gemeinschaftshafträumen in den Anstalten nachträglich mit modernen Sanitärkabinen ausgestattet. Das sollten Sie auch erwähnen. Wie Sie wissen, arbeiten wir Ihre Versäumnisse auf.

Spätestens nach der einschlägigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2002 hätte die rot-grüne Vorgängerregierung die Verbesserung der Haftbedingungen in den Anstalten in Angriff nehmen müssen. Frau Düker, Sie haben vorhin die Gerichte erwähnt. Warum haben Sie da nicht reagiert? 2002 hat das Bundesverfassungsgericht sich dazu geäußert. In den folgenden Jahren nach dieser Entscheidung bis zu Ihrer Abwahl im Jahr 2005, also in den drei Jahren vor 2005, haben Sie diesbezüglich praktisch nichts getan.

Sie müssten eigentlich auch wissen, dass wir im neuen Jugendstrafvollzugsgesetz bereits Standards zu Größe und Ausgestaltung von Hafträumen in unserem Bundesland festgesetzt haben und dies im Gesetzentwurf der Landesregierung zum Untersuchungshaftvollzug ebenfalls vorgesehen ist. Für den allgemeinen Vollzug hat das Justizministerium gleiches für Einzelhafträume festgelegt.

Das von Ihnen während Ihrer Verantwortungszeit nicht erstellte und nun angemahnte Konzept zur Haftvermeidung ist längst in Arbeit. Ihre Forderung nach der Abschaffung einer pauschalierten Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft lehnen wir ab. Das will ich ganz deutlich sagen.

Eines muss klargestellt werden. Möglicherweise haben Sie das nicht verstanden, Frau Düker. Bei der pauschalierten Haftentschädigung geht es nur um den immateriellen Schaden. Davon völlig unberührt ist der Ausgleich für tatsächlich eingetretene Vermögensschäden – vom Verdienstausfall bis zur Rentenversicherung – möglich. Sprechen Sie also bitte nicht nur von den 11 € oder vielleicht dann 25 €, sondern berücksichtigen Sie bitte auch diese Regelung!

Frau Düker, wir begrüßen es, dass die CDUgeführte Landesregierung im Bundesrat vor wenigen Wochen eine Gesetzesinitiative unterstützt hat, durch die der Entschädigungsbetrag für die immateriellen Schäden bei zu Unrecht erlittener Haft auf 25 € pro Tag heraufgesetzt werden soll. Sie haben das eben völlig falsch dargestellt. Ich glaube, es war

die Bundesratssitzung am 6. März. Sie können es noch einmal nachlesen, Frau Düker.

Wie Sie sehen, bedurfte es nicht erst Ihres Antrags, damit in den Bereichen Unterbringung von Gefangenen, Haftvermeidung und Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft in unserem Bundesland Positives geschieht. Festzuhalten ist, dass die CDUgeführte Landesregierung dabei ist, Ihre Versäumnisse Schritt für Schritt aufzuarbeiten und den Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen zeitgemäß zu gestalten und zu modernisieren. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Giebels. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Stotko.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der „Focus“ spricht am 4. Juli 2007 von menschenunwürdigen Haftbedingungen und meint die Türkei. Die „Welt“ berichtet am 24. Februar 2009 über menschenunwürdige Unterbringung und meint Guantanamo.

Dann wird erneut von einer menschenunwürdigen gemeinschaftlichen Unterbringung berichtet – und es handelt sich bei dem Bericht um eine Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm. Er bezieht sich nicht auf die Türkei oder auf Guantanamo, sondern auf Detmold.

Das muss man sich einmal vorstellen. In diesem Land leben Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie brauchen gar nicht darüber zu lachen; denn Sie sind dafür verantwortlich, Frau Ministerin.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU)

So ist es nämlich. Sie tragen dafür die Verantwortung.

(Zurufe von der CDU)

Sie wollten an die Regierung kommen. Da sind Sie seit vier Jahren und machen gar nichts.

(Zurufe von der CDU)

Es ist peinlich genug, dass die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen menschenunwürdig untergebracht sind.

(Zurufe von der CDU)

Sie müssen lauter schreien. Ich kann Sie ganz schlecht verstehen. Vermutlich war es aber auch nicht sinnvoll. Es ist besser, wenn ich es nicht höre.

Frau Ministerin, wir haben Sie nach dem Foltermord Siegburg darauf hingewiesen, dass 15,5 m² für vier Häftlinge zu wenig sind. Sie haben abgewunken und gesagt, das sei nicht so.

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller- Piepenkötter)

Natürlich haben Sie das gemacht: nach dem Tod eines Häftlings in Siegburg, nach einer Bedrohung und Strangulation in der JVA Gelsenkirchen.

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller- Piepenkötter)

Jede Woche kamen Nachrichten aus Ihrem Ressort. Jede Woche gab es Nachrichten über den Zustand des Rechtssystems in diesem Land. Peinlich und unangenehm!

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller- Piepenkötter)

Frau Ministerin, wenn ein Gericht die Enge im Gefängnis als nicht menschenwürdig bezeichnet, kann die Konsequenz nicht darin bestehen, irgendwelche Neubauten zu schaffen. Das reicht nicht.

Fast 18.000 Menschen saßen Ende Februar 2009 in unserem Land in Haft. Seit vier Jahren fordern wir Sie auf, Projekte zur Haftvermeidung auszuweiten. Das tun Sie nicht.

Wer aber vollere Gefängnisse bei sinkender Kriminalität produziert, muss sich nicht wundern. Wir benötigen Alternativen. Diese fordern wir von Ihnen ein. Fast 1.000 Häftlinge sitzen in NordrheinWestfalen, weil Sie Ihre Geldstrafen nicht bezahlen können.

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller-Piepen- kötter)

Warum machen Sie es nicht wie in Brandenburg? Arbeit statt Strafe für diejenigen. Warum können sie nicht ihre Zeit abarbeiten? Dadurch gelänge es Ihnen, Hafttage zu vermeiden.

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller-Piepen- kötter)

Es werden Millionen verschenkt. Letztendlich leben diese Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen.

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller-Piepen- kötter)

Sie rufen mir schon die ganze Zeit von der Seite zu, dass Sie das alles machen. Kommen wir doch einmal dazu: Im März 2008 haben Sie bei einem Pressefrühstück verkündet, es gäbe Modellprojekte zur Haftvermeidung. Sagen Sie uns gleich einmal, wie viele es seitdem gegeben hat. Wie viele zusätzliche Tage Haft wurden vermieden? Welche Kosten sind Nordrhein-Westfalen entstanden und welches Geld wurde eingespart? Ich höre gleich mit Interesse zu.

Sie haben im Februar 2008 aber auch im Ausschuss angekündigt, dass bis zum Herbst 2008 alle Zellen mit geeigneten Sanitärkabinen ausgestattet würden. Uns liegt jetzt ein Anschreiben von Mitarbeitern der JVA Duisburg-Hamborn vor. Ebenso wie

Kollege Giebels kenne ich die Situation selbst aus dem Besuch verschiedener Justizvollzugsanstalten. Bis heute – sechs Monate nach Ihrer Zusage – haben Sie es nicht geschafft, dies zu realisieren. Seien Sie ehrlich!

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller-Piepen- kötter)

Sie sagen, in allen Gefängnissen gibt es die Sanitärkabinen?

(Zuruf von Ministerin Roswitha Müller-Piepen- kötter)

Prima, das nehmen wir gerne auf.

Frau Ministerin, ich sage Ihnen, das ist eine Bilanz Ihres Scheiterns, Ihrer Probleme.

Liebe Frau Düker, leider findet die Aufhebung der Pauschale nicht unsere Zustimmung. Wenn man eine Pauschale einführt, muss der Häftling nicht noch um jeden einzelnen Euro streiten. Die Höhe der Pauschale mag eine Frage sein. Sie fordern aber eine Ungewissheit. Die Frage ist dann, ob ein Reicher eventuell eine höhere Pauschale bekommen muss als ein Armer. Das wollen wir nicht.

Ich freue mich schon auf die Diskussion im Ausschuss; denn CDU und FDP sowie letztendlich auch Sie, Frau Ministerin, werden Ihre Erfolge beim Programm „Schwitzen statt Sitzen“ präsentieren. Ich befürchte nur, ich muss nicht lange zuhören. Dabei kommt nämlich nichts herum.