Thomas Stotko

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Frau Ministerin, wenn ich es richtig verstanden habe, hat sich die Staatsanwaltschaft Essen um die Information gekümmert. Warum hat das Justizministerium auf eine Information der Öffentlichkeit verzichtet?
Frau Ministerin, die Frage von Herrn Stüttgen betraf einen anderen Bereich. Aber der Kollege Jäger wird das bestimmt aufgreifen. Ich möchte gerne eine andere Frage stellen.
Es ist so, dass aufgrund des Fehlers in Ihrem Verantwortungsbereich, nämlich des Nichtnotierens einer Frist seitens der Staatsanwaltschaft, ein Sexualstraftäter entlassen wurde. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, ergreift die Landesregierung, um die Bevölkerung vor den Gefährdungen zu schützen, die von diesem entlassenen Sexualstraftäter ausgehen?
Herr Minister, die Kollegin Gödecke hat Sie gerade schon einmal bezüglich der Begleitung durch Herrn Berger gefragt. Sie sagten, Sie möchten das überprüfen, weil Sie nicht dabei waren.
Ich zitiere aus der „Aachener Zeitung“ vom 1. Februar: Aber das war er wert, findet auch Boris Berger. Der Wahlkampfmanager aus Rüttgers Staatskanzlei schaut während Rüttgers Auftritt am Brückner-Tisch vorbei, umarmt und drückt den Autor, während sein Chef die Ovationen erntet.
Sie sind stellvertretend für die Staatskanzlei und den Ministerpräsidenten hier. Sie müssen doch wissen, ob der Herr Berger als terminbegleitender Referent der Staatskanzlei anwesend war und ob ein Dienstreiseantrag gestellt wurde.
Herr Minister Krautscheid, der Aspekt, wer welchen Humor aufweist und was Sie befürchtet haben, ist mir relativ egal. Ich unterstütze Ihren Spruch, dass hier berechtigte Fragen aufkommen.
Dass Sie den Wortbeitrag des Kollegen Schmeltzer als intellektuell nicht gelungen bezeichnen, gehört auch nicht zu Ihrem Ruhm, auch nicht bei einer Live-Übertragung im Internet. Vielmehr bewegt mich Folgendes: Wer Zeit dazu hat, die Karnevalsvereine in Gelsenkirchen nachzugoogeln, hatte auch Zeit, die zentralen Fragen zu beantworten. Deshalb will ich eine Frage wiederholen, die Sie nicht beantwortet haben, nämlich die Frage nach den Kosten.
Die Frage nach den Kosten haben Sie nach meinem Kenntnisstand so beantwortet: Im Jahr 2008 waren das einmal 7.140 €. Ich wiederhole die Frage und bitte diese Frage auch zu beantworten: Welche
Kosten sind für diese Karnevalsrede 2010 entstanden?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, Ihre letzten Worte waren, wir seien erstaunt oder irritiert, wenn Ihre Ergebnisse besser würden. Sie haben damit voraussichtlich nicht die Ergebnisse der FDP in Nordrhein-Westfalen gemeint; die befinden sich nämlich im freien Fall nach unten.
Die Bürger dieses Landes entscheiden auch über Ihre FDP-Sicherheitspolitik. Ihr Bündnis mit den Grünen, wo Sie sich freuen, dass man eine Gemeinsamkeit hat, verfügt über keine 20 % hier in Nordrhein-Westfalen. Das wird nicht ganz reichen, um Ihre Sicherheitsgesetze und Ihre Sicherheitsauffassung durchzusetzen.
Es lohnt aber auch nicht, dazwischen zu schreien. Wenn es nicht reicht, dass wir einmal nachschauen, was die Opposition zu Ihren Gesetzesentwürfen sagt, dann sehen wir doch einmal, was die CDUFraktion dazu ausführt. Da hat Herr Biesenbach am 1. September des letzten Jahres gesagt: Der Innenminister will die Polizei zahnlos lassen. – Da frage ich mich: Warum haben Sie darauf nicht reagiert? Ich frage mich aber auch, warum Herr Kruse nicht erwähnt, dass die CDU-Fraktion gesagt hat, ein Dünnbrett sei vorgelegt worden. Das sei nicht zustimmungsfähig. Das kommt aus Ihrer Fraktion, nicht aus den Reihen der Opposition, um das einmal so deutlich zu sagen.
Dann sagte Herr Kruse mit Anspielung auf genau diese Wortmeldung: Wir hätten uns mehr und es zeitlich etwas früher gewünscht.
Was hätten Sie sich denn mehr gewünscht? Der Kollege Lohn kommt ja gleich ans Pult. Er kann uns sagen, was Sie sich mehr gewünscht hätten und was dieser Innenminister, der mit Ihnen in einer Regierung sitzt, Ihnen nicht da hineingeschrieben hat. Das interessiert uns doch.
Stattdessen – das sage ich Ihnen ganz klar – stehen Sie für eine Kürzung der Polizeistellen.
Im Wortbeitrag von Herrn Engel habe ich mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass er Ihnen deutlich ins Stammbuch geschrieben hat, dass er keine Wachpolizei und keine Verhältnisse wie in Hessen will. Um es klar zu sagen: Es gibt also Unterschiede zwischen dem, was Sie für NRW fordern, und dem, was die FDP fordert.
Ich bin erstaunt, Herr Engel: Wer ist denn in Hessen in der Regierung? Ist das nicht die FDP mit 16 %? Haben Sie nicht mit Jörg-Uwe Hahn jemanden, der eine große Rolle spielt? Der hat sich offensichtlich nicht in Ihrem Sinne durchsetzen können.
Aber, Herr Engel, Sie haben freundlicherweise auch gesagt, es gehe darum, etwas auf verfassungsrechtlich hohem Niveau darzustellen. Hier haben wir den Verfassungsversagensminister sitzen. Das ist doch nicht ernst gemeint,
dass ausgerechnet aus diesem Ministerium etwas kommen soll, was verfassungsrechtlich auf hohem Niveau ist. Das kann weder Herr Engel meinen noch jemand von der CDU.
Jederzeit.
Aber gerne.
Herr Ellerbrock, das nehme ich gerne zur Kenntnis. Aber im Januar 2009 ist die FDP dort mit 16 % und drei Ministern, davon ein Superminister, in die Regierung gekommen. Sie haben doch alle Chancen gehabt, eine Polizei in Hessen durchzusetzen, wie Herr Engel sie für die FDP gerne hätte. Das haben Sie doch nicht getan.
Dazu hatten Sie jetzt ein Jahr Zeit. Es ist nichts gekommen.
Ich halte es mit Johannes Rau; ich will es Ihnen deutlich sagen. Er hat am 9. Oktober 2001 in Leipzig gesagt: „Die gelungene Verbindung von Freiheit und Sicherheit ist nichts Selbstverständliches.“ Dafür stehen unsere Vorschläge für eine neue Sicherheitsarchitektur hier in Nordrhein-Westfalen.
Wir sagen ganz deutlich: Die Polizeibeamten in Nordrhein-Westfalen vermissen die Eingriffsrechte, die Sie Ihnen jetzt nicht geben. Auf allen Veranstaltungen bei der GdP und wo auch immer wir sind, wird uns von den Polizeibeamten gesagt, dass sie kein Verständnis für das haben, was Sie hier vorle
gen. Diesen Unmut tragen wir in der heutigen Sitzung ins Plenum. Diesen Unmut werden die Bürgerinnen und Bürger am 9. Mai zur Wahlurne tragen. – Danke schön.
Besten Dank, Herr Kollege Lohn. Ich hatte Ihnen vorhin schon die Frage gestellt und möchte Sie noch einmal bitten, uns zu sagen, was sich die CDU im Gesetz mehr gewünscht hätte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war alles, Frau Ministerin?
War das wirklich alles, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen zu diesem Vorfall – egal wie man politisch dazu steht – erzählen? Sie halten hier eine langatmige Rede über die Frage, was im Vollzug alles passieren muss, also bei Ihnen noch nicht passiert ist. Zu den eigentlichen Vorwürfen sagen Sie aber gar nichts.
Da es relativ klar werden muss, wollen wir das hier auch noch einmal ganz deutlich machen. Frau Ministerin, im Ausschuss hatte ich Ihnen vorgeworfen, Ihre Strategie sei Vertuschen, Verharmlosen und Aussitzen. Hier sage ich Ihnen: Ihre heutige Strategie ist Vertuschen, Verharmlosen, Aussitzen und Anlügen. – Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen als Parlament machen.
Wir werden es auch direkt konkretisieren; das ist überhaupt kein Problem.
Erste Lüge: Laut dem Ausschussprotokoll 14/1016 – dankenswerterweise als Wortprotokoll erstellt – haben Sie ausgeführt, der Mitarbeiter habe ausgeholfen, „damit die Pforte nicht unbesetzt ist“. Das haben Sie hier nicht richtiggestellt. Sie haben kein Wort dazu gesagt, ob die Pforte zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht besetzt war. Ihre Aussage vor dem Ausschuss ist also eine Lüge, und die Berichte in den Zeitungen sind richtig.
Zweite Lüge: Sie haben im Ausschuss erklärt: „In der Pforte … waren alle Dienstposten … besetzt.“ Hier gilt das Gleiche, was ich Ihnen gerade schon gesagt habe. Dann gehen Sie ans Rednerpult und berichten, dass zum Zeitpunkt des Vorfalls jemand in dieser Pforte war. Was in der Presse steht, ist also gelogen.
Die dritte Lüge, die Sie gebracht haben: 2003 hat die SPD auf einen Platz an der Pforte reduziert. Auch darauf haben Sie die ganze Zeit – die Kollegin Düker hat darauf hingewiesen – nicht reagiert. Das ist gelogen, denn Sie haben es 2008 gemacht.
Die vierte und wichtigste Lüge, die von Ihnen kommt, ist: Wir waren machtlos, wenn ein JVABediensteter plötzlich die Seiten wechselt. Plötzlich, Frau Ministerin?
Herr Uhlenberg, Sie kennen sich in JVAs doch gar nicht aus. Es ist nett, dass Sie schreien, aber das lohnt nicht.
Ich will Ihnen die vierte und letzte Lüge noch einmal vortragen: Wir waren machtlos, weil der Bedienstete plötzlich die Seiten gewechselt hat. – Ihnen ist wochenlang bekannt, dass der JVA-Bedienstete vermutlich mit Geld und Drogen handelt, Ihnen ist ein Ermittlungsverfahren gegen diesen JVA-Bediensteten bekannt, und dann lassen Sie es auch noch zu, dass die Geldübergabe in der JVA stattfindet?! Selbst danach nehmen Sie den Mitarbeiter nicht raus, versetzen ihn nicht, suspendieren ihn nicht. Obwohl das Beamtenrecht das bei dringendem Tatverdacht zwingend vorsieht, lassen Sie ihn in diesem Knast.
Was tun Sie? – Sie lassen zu, dass dieser Mitarbeiter zwei Schwerbrecher rauslässt, vor denen die Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen Angst haben. Es ist unglaublich, dass Sie dazu nichts sagen. Die Verantwortung tragen allein Sie!
Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP – hauptsächlich war es die CDU –, antworten Sie mit den Worten „Geplänkel und Popanz“
auf die Frage danach, dass ein 57-jähriger Mitarbeiter in der JVA Aachen von den Tätern zusammengeschlagen wird, Angst um sein Leben hat. Dazu sagen Sie „Geplänkel und Popanz“.
Diese Täter haben aufgrund dieses Sicherheitsrisikos Geiseln genommen. Vor diesen Menschen hatten nicht nur die Bürgerinnen im Wahlkreis von Herrn Kutschaty Angst, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Ich will Ihnen nur sagen: Das ist nicht Geplänkel und Popanz, das sind die Tatsachen, die wir angefordert haben.
Sie haben für diese Angst gesorgt, sonst niemand. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Frau Ministerin: Sie tragen für dieses Sicherheitsrisiko die Verantwortung. Es ist Ihr Bereich, in dem das alles passiert. Sie sind heute dank einer Ministerpräsidentenkonferenz „Roswitha allein zu Haus“. Ich glaube, der Ministerpräsident ist froh, dass er nicht hier sein muss, weil er Ihnen kaum den Rücken stärken kann.
Ich will Ihnen am Schluss gerne eines auf Ihrem Weg mitgeben:
Erstens. Kollege Orth, Hunderte von Entweichungen zu benennen, macht keinen Sinn. Ich sage es der Öffentlichkeit noch einmal: Eine Entweichung bedeutet, dass jemand, der im offenen Vollzug ist, nicht um 18 Uhr, sondern um 18:03 Uhr zurück ist. Das war eine Entweichung. Tun Sie nicht so, als wären das Ausbrüche.
Ich zeige Ihnen gerne noch einmal die Bilanz aus dem Justizministerium:
Ein Rückgang der Ausbrüche bis 2004 auf null. Danach geht es bei Ihnen wieder hoch.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben die Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragt. Wir haben vor einer Woche einen Fragenkatalog überreicht, der bis heute nicht beantwortet wurde. Frau Ministerin, es ist Ihre Verantwortung. Ich sage nicht wie Frau Düker: „Setzen und sechs“ wie in der Schule. Stehen Sie auf und räumen Ihren Platz!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Den Gesetzentwurf haben wir, glaube ich, ausführlich genug diskutiert. Ich will insbesondere darauf hinweisen, dass wir durch unseren Antrag dafür gesorgt haben, dass es zu einer Sachverständigenanhörung gekommen ist. Das Schöne ist, dass das Parlament auf diese Anhörung reagiert. Ansonsten haben wir ja häufig genug eine gewisse Beratungsresistenz
bei den koalitionstragenden Fraktionen. Aber in diesem Fall ist es einmal so gewesen, dass die Anregungen der Sachverständigen in großer Menge aufgenommen wurden und zu einer Änderung eines Gesetzentwurfs geführt haben. Deshalb ist es umso besser, dass die SPD gemeinsam mit den Grünen diese Anhörung beantragt hat. Diese hat, wie ich finde, zu einer Verbesserung des Gesetzentwurfs geführt; das wollen wir ausdrücklich sagen.
Frau Ministerin, seltenst lobe ich die Arbeit der Regierung oder der sie tragenden Fraktionen. Das will ich hier aber einmal ausdrücklich für meine Fraktion tun.
Es ist müßig darauf hinzuweisen – ich will es trotzdem tun –, dass weiterhin drei Kritikpunkte bestehen, an denen wir hier auch festhalten wollen.
Der erste Kritikpunkt ist die Regelung zur Durchsuchung von Strafverteidigern. Wir sind weiterhin der festen Auffassung, dass wir, wenn Sie eine Formulierung gefunden hätten, die klargemacht hätte, dass es ein Regel-Ausnahme-Verhältnis ist, dass eine Durchsuchung also nur ausnahmsweise erfolgt, gesagt hätten: Dem, was Sie in § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 3 regeln, können wir zustimmen. In diesem Fall jedoch stellen Sie dem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege ein Armutszeugnis aus; denn Sie unterstellen, dass in der Regel eine Durchsuchung möglich ist. Das steht nach unserer festen Auffassung dem staatlichen Vertrauensvorschuss entgegen, den ein Rechtsanwalt im rechtlichen Verfahren genießt. Da hätten wir gerne mit Ihnen um eine Lösung gerungen. Das war offensichtlich nicht möglich.
Der zweite Kritikpunkt ist die Möglichkeit der Nacktuntersuchung von Untersuchungshäftlingen. Wir bleiben dabei, dass auch die jetzt vorhandene Fassung verfassungswidrig ist. Wir möchten weiterhin daran erinnern, dass Untersuchungshäftlinge Untersuchungshäftlinge sind, das heißt, dass für sie auch weiterhin die Unschuldsvermutung gilt. Wir reden hier ja über die Frage, dass durch generelle Anordnung nach jedem Besuch eines Untersuchungshäftlings durch seine Angehörigen, nach jedem Besuch durch seinen Verteidiger die Möglichkeit besteht, den Untersuchungshäftling nackt zu untersuchen. Das hat das Bundesverfassungsge
richt im Übrigen auch in diesem Jahr wieder einmal abgelehnt. Das heißt, die generelle und unabhängig vom Einzelfall getroffene Regelung ist verfassungswidrig. Wir halten das auch in diesem Fall für falsch.
Der dritte und letzte Kritikpunkt, den ich klarmachen will, betrifft eher die Systematik und auch das, was Sie, Herr Kollege Giebels, gerade gesagt haben. Wir hätten es weiterhin besser gefunden, NordrheinWestfalen hätte sich drei Vierteln der Bundesländer der Bundesrepublik angeschlossen und den gemeinsam getragenen Entwurf mitgestaltet. Denn jetzt passiert Folgendes: nicht nur, dass wir ein eigenes Gesetz bekommen – Herr Kollege, auch wir nehmen die Föderalismusreform ernst; trotzdem darf man gemeinsam mit anderen Ländern etwas schreiben –, sondern die Verteidiger in NordrheinWestfalen sind nun auch darauf angewiesen, sowohl die Systematik und Struktur des hiesigen Gesetzes kennenzulernen und auswendig zu lernen als auch den Zwölf-Länder-Entwurf und anderes. Es wäre schön gewesen, wenn man die hiesige Systematik dem Zwölf-Länder-Entwurf angepasst hätte. Das hätte die Arbeit der Strafverteidiger in Nordrhein-Westfalen erleichtert. Die werden es Ihnen demnächst danken.
Unsere Ablehnung zum Gesetzentwurf wird Sie nicht überraschen; das ist klar. Wir stehen zu unserem Änderungsantrag, den wir eingebracht haben. Aber, Frau Ministerin und liebe Kollegen der Koalitionsfraktionen, hören Sie genau zu: Ausnahmsweise – Sie haben völlig recht – will ich die regierungstragenden Fraktionen und die Regierung noch ein zweites Mal loben.
Denn mit Ihrem Änderungsantrag, den Sie heute kurzfristig eingebracht haben und den wir dennoch ausdrücklich unterstützen, machen Sie klar – das finde ich wichtig; das haben wir mit unserem Antrag und dem Hinweis auf die Frage der Aufzeichnung von Videos und akustischer Überwachung bewirkt –, dass Sie nicht vorhaben, die Aufnahmen selbst oder ihre dauerhafte Speicherung in dem Bereich zuzulassen. Deshalb werden wir – das wird Sie dann vielleicht doch nicht überraschen – diesen Änderungsantrag im Gegensatz zu Ihrem Gesetzentwurf unterstützen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Minister Krautscheid, um es zu vereinfachen, bleiben wir in NordrheinWestfalen. Ist der Herr Ministerpräsident auf die von Ihnen benannten acht Parteitermine durch die Staatskanzlei personell, inhaltlich, organisatorisch vorbereitet
und insbesondere vom Regierungssprecher oder von Mitarbeitern der Staatskanzlei begleitet worden?
Danke, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lohn, ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber dass es so schlimm kommt, habe ich wirklich nicht gedacht. Ich gehe darauf gleich noch einmal ein.
Wir reden über 40.000 Schusswaffen, aneinander gereiht ergibt dies eine Länge von sieben Kilometern, die diese Landesregierung für 93 € das Stück verkauft, für insgesamt 3,5 Millionen €. Dadurch geben Sie 40.000 Menschen in den USA die Gelegenheit, damit zu schießen.
Vielleicht, Herr Lohn, haben Sie völlig Recht: Früher, auch zu Zeiten einer rot-grünen Bundes- oder auch Landesregierung, hat man nicht darüber diskutiert. Aber heute, in einer Zeit, in der wir uns Vorfällen stellen – von Erfurt bis Winnenden, von Dunblane über Columbine bis nach Virginia und dem Vorfall von Emsdetten in 2006 –, muss Politik auch die Möglichkeit haben zu sagen: Das, was wir
damals gemacht haben, war nicht richtig, und wir machen es heute anders.
Was ist daran so schwierig? Das frage ich Sie. Dann sagen Sie, Herr Lohn, Sie haben die Risiken abgewägt, und behaupten ernsthaft – ich kann das gar nicht glauben –, die Haushaltskrise würde das verlangen. Es ist ernsthaft so, dass wir 3,5 Millionen € erwirtschaften müssen auf die Gefahr hin, dass mit unseren Waffen Straftaten begangen werden, und Sie sagen als Begründung: Ist ja nicht so schlimm; es ist keine Gefahr für Deutschland.
Mit der Argumentation verkaufen Kriegswaffentreiber quer durch die Welt ihre Waffen, weil sie sagen: Hauptsache, bei uns passiert nichts. Das kann keine Argumentation für Nordrhein-Westfalen sein. Das sage ich ganz klar, Herr Lohn. Mit uns würde es in Nordrhein-Westfalen derzeit keinen Waffenverkauf geben.
Aber ich will Ihnen auch etwas anderes vorhalten: Freundlicherweise weisen Sie darauf hin, dass § 63 der Landeshaushaltsordnung es bereits ermöglicht. Es ist eine Kann- und keine Mussbestimmung. Der Innenminister sah das bis vor Kurzem noch ganz anders, wenn ich das einmal sagen darf. Ich wäre froh, man würde nun vom § 63 derart Gebrauch macht, dass man sagt: Nein, wir brauchen gar nicht mehr das Parlament zu beschäftigen. – Der Antrag sagt das ja auch gar nicht. Der Antrag sagt: Schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, dass die Waffen nicht verkauft werden können. – Deshalb stehen wir auch hinter diesem Antrag.
An Ihrer Argumentation erstaunt mich Folgendes: Wir haben erst vor Kurzem hier zusammengesessen und ernsthaft und in aller Ruhe darüber diskutiert, dass Eltern ein mulmiges Gefühl haben, wenn in Schulen ihrer Kinder geschossen wird. Vollmundig hat die Frau Ministerien verkündet, Schießstände zu verbieten – bisher ohne Wirkung.
Und dann, als wenn es kein Emsdetten gegeben hätte, keine Diskussion über Schulschießstände, sitzt der Herr Innenminister letzte Woche im Innenausschuss. Wir debattieren über die Verschärfung des Waffenrechts; wir debattieren über Amokläufe. Und, Herr Innenminister, mit keinem Wort erwähnen Sie 40.000 zu verkaufende Waffen aus NordrheinWestfalen. Das ist eine Missachtung des Parlaments; das ist skandalös. Denn diese 40.000 Waffen gehen in Privathände und sonst nirgendwohin.
Deswegen sage ich Ihnen ganz deutlich: Der massenhafte Verkauf von Schusswaffen durch die schwarz-gelbe Landesregierung passt nicht in die heutige gesellschaftspolitische Debatte. Wer über die Verschärfung des Waffengesetzes debattiert, wer sich ernsthaft anstrengt, Amokläufe zu verhin
dern, der kann nicht im gleichen Atemzug den privaten Waffenbesitz vergrößern, um ein dickes Geschäft zu machen.
Aber gern.
Mir muss kein Fall bekannt sein. Jeder Fall, der noch nicht passiert ist, ist ein wichtiger Fall. Ich sage es Ihnen noch einmal – Sie haben offensichtlich nicht zugehört, Herr Lohn –: Eine Waffe, wie Sie selber sagen, ist in Hamburg irgendwie in Verwendung geraten. Können Sie garantieren, dass keine dieser 40.000 Waffen demnächst nach Deutschland zurückkehrt und hier für eine Straftat benutzt wird? Können Sie das garantieren? – Doch nicht ernsthaft.
Sensibilität ist offensichtlich keine Einstellungsvoraussetzung für einen Innenminister, Herr Wolf, aber die politische und moralische Verantwortung tragen Sie.
Dass es anders geht, Herr Kollege Lohn, sehen Sie in Schleswig-Holstein, in Hamburg, in Bremen. Dort werden auch nicht wegen einer Wirtschaftskrise Waffen in Privathände verscherbelt, sondern dort werden sie wie beim Zoll und bei der Bundespolizei verschrottet.
Mir wäre es lieber gewesen, Herr Kollege Kruse, wenn Sie ans Rednerpult gegangen wären. Denn interessanterweise haben Sie gestern – so ist es zumindest heute Morgen in der „WAZ“ zu lesen – die Aussage getätigt: Ich bin dafür, die Praxis zu überdenken, weil sie sehr sensibel ist.
Dazu, die Praxis zu überdenken, habe ich von Herrn Lohn gar nichts mehr gehört. Offensichtlich haben Sie Ihre Meinung schon geändert. Im WDR
haben Sie nämlich heute gesagt: Das ist doch dasselbe, als wenn man einen PC verkauft oder einen Schreibtisch. – Meinen Sie das ernst? Welcher PC hat Sie denn mal angegriffen? Von welchem Schreibtisch wurden Sie denn mal bedroht?
Von keinem hier in Nordrhein-Westfalen! Deshalb, lieber Kollege Kruse, haben Sie heute Gelegenheit dazu, den Kollegen Lohn und alle anderen von Ihrer Aussage „Das ist sehr sensibel, ich will das überdenken“ zu überzeugen. Denn wir werden im Gegensatz zu Herrn Wolf und Ihnen dem Antrag der Grünen zustimmen. – Herzlichen Dank.
Herr Minister Linssen, auf die Nachfrage der Kollegin Schäfer haben Sie stolz bekundet, der Whitehall-Fonds verfüge über ein Vermögen von 32 Milliarden. Wie viel von den 32 Milliarden dient dem Schutz der LEG?
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit einem Thema, das verständlicherweise mit viel Emotion und manchmal leider auch mit etwas wenig Sachlichkeit diskutiert wird, nämlich mit dem Sportschützentum in den Kellern von Schulen. Wir sind ausdrücklich dankbar für den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit dem richtigerweise der Versuch gemacht wird, sowohl die Kommunen als auch die Landesregierung in die Pflicht zu nehmen. Wir möchten aber auch sagen, dass es hier nicht darum gehen kann, Sportschützen zu kriminalisieren und als Attentäter abzustempeln.
Dort, wo Sportschützen verantwortungsvoll mit Waffen und Munition umgehen, sind sie Sportler und nichts anderes. Zahlreiche und sehr viele Vereine verhalten sich seit Jahrzehnten vorbildlich mit den Waffen und der Munition. Das muss hier noch einmal ganz deutlich zu deren Ehrenrettung gesagt werden.
Aber natürlich müssen auch wir uns fragen – nicht nur nach den Vorfällen an den einzelnen Orten –, ob die Sportler tatsächlich in unseren Schulen trainieren müssen, während sich die Eltern um ihre Kinder sorgen. Finden wir in Städten vielleicht andere Orte, an denen diesem Sport nachgegangen werden kann? Dabei darf man sicherlich auch nicht außer Acht lassen, dass es im großstädtischen Bereich vielleicht einfacher ist, einen Sportverein unterzubringen, als im ländlichen Raum, in dem städtische Gebäude klassischerweise einer Mehrfachnutzung unterworfen werden müssen, damit Vereine überhaupt eine Möglichkeit haben, tätig zu sein. Das muss man bei den weiteren Gesprächen nach unserer Einschätzung sicherlich auch berücksichtigen.
Wir reden aber auch über eine Selbstverpflichtung, und zwar nicht nur der Kommunen und Kreise sowie auch der Sportschützen, die Besorgnis der Eltern ernst zu nehmen. Deshalb muss, wie auch meine Vorredner richtigerweise gesagt haben, sichergestellt sein, dass Waffen und Munition an diesen Stellen getrennt voneinander ordnungsgemäß und sicher gelagert sind, wenn das überhaupt erforderlich ist, damit so etwas, was in Gelsenkirchen vorgekommen ist, nämlich ein Diebstahl von Waffen und Munition, ausgeschlossen ist. Auch da sind unsere Kreispolizeibehörden bzw. Polizeipräsidien gefragt.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich die Betroffenen nun an einen Tisch setzen und der Versuch
gemacht wird, zwischen den berechtigten Interessen der Eltern und den Wünschen der Tausenden von aktiven Sportlern einen Ausgleich zu finden. Wir als SPD-Fraktion unterstützen hier vorbehaltlos die Forderung, zeitnah Schießstände weder in Schulgebäuden noch in Kindertagesstätten unterzubringen. Dazu wäre es jedoch erforderlich, dass das Land Nordrhein-Westfalen endlich das Heft in die Hand nimmt. Frau Ministerin, das ist eigentlich das traurigste Ergebnis dieser Diskussion: Sie haben bis heute herzlich wenig getan.
Die Kleine Anfrage von Frau Düker und Frau Beer von Bündnis 90/Die Grünen ist von Anfang März. Sie können der Öffentlichkeit heute – Ende Mai, nach zweieinhalb Monaten – aber noch immer nicht sagen, wie viele Schießstände es an Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden gibt. Sie können noch immer nichts zu der Frage sagen, wie das in unserem Land geregelt werden soll. Damit lassen Sie letztendlich die Eltern wie auch die Schützen und ihre Vereine alleine.
Das ist eine Sache, die für uns als SPD-Fraktion unerträglich ist. Ich will Ihnen das auch deutlich sagen: Sie haben erst jetzt, nämlich am Sonntag, nachdem der Antrag auf die Tagesordnung gekommen war, angefangen, sich in der Presse dazu zu äußern und Ihre Forderung aufzustellen.
Dazu will ich Ihnen sagen: Die Forderung, die Sie aufstellen, nämlich „Schießstände raus aus den Schulen“ – das hat Ihr Kollege von der CDU gerade schon richtigerweise bemerkt –, können Sie doch gar nicht erfüllen. Sie können doch nur appellieren. Das müssen Sie den Leuten draußen aber auch sagen: dass Sie nur appellieren können und dass die Kommunen und Schützen eine Lösung finden müssen. Sie hatten seit zweieinhalb Monaten, seit der Kleinen Anfrage die Möglichkeit, dies zu tun.
Nach dem Vorfall in Emsdetten im November 2006 haben Sie der „Welt“ in einem Interview gesagt: Das Wichtigste ist, dass sich keiner verlassen fühlt. – Es wäre schön, wenn sich die jetzigen Sportschützen, Eltern und Kinder ebenfalls nicht verlassen fühlen würden. Sie haben die Chance, nun kurzfristig und schnell und nicht klassischerweise – wie Herr Minister Wolf – zeitnah und dann über Monate hinweg die Öffentlichkeit und die besorgten Eltern zu informieren. Agieren Sie endlich! Machen Sie endlich etwas! Das Schönste wäre, Sie unterstützten heute – wie auch wir – den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. – Schönen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der „Focus“ spricht am 4. Juli 2007 von menschenunwürdigen Haftbedingungen und meint die Türkei. Die „Welt“ berichtet am 24. Februar 2009 über menschenunwürdige Unterbringung und meint Guantanamo.
Dann wird erneut von einer menschenunwürdigen gemeinschaftlichen Unterbringung berichtet – und es handelt sich bei dem Bericht um eine Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm. Er bezieht sich nicht auf die Türkei oder auf Guantanamo, sondern auf Detmold.
Das muss man sich einmal vorstellen. In diesem Land leben Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie brauchen gar nicht darüber zu lachen; denn Sie sind dafür verantwortlich, Frau Ministerin.
So ist es nämlich. Sie tragen dafür die Verantwortung.
Sie wollten an die Regierung kommen. Da sind Sie seit vier Jahren und machen gar nichts.
Es ist peinlich genug, dass die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen menschenunwürdig untergebracht sind.
Sie müssen lauter schreien. Ich kann Sie ganz schlecht verstehen. Vermutlich war es aber auch nicht sinnvoll. Es ist besser, wenn ich es nicht höre.
Frau Ministerin, wir haben Sie nach dem Foltermord Siegburg darauf hingewiesen, dass 15,5 m² für vier Häftlinge zu wenig sind. Sie haben abgewunken und gesagt, das sei nicht so.
Natürlich haben Sie das gemacht: nach dem Tod eines Häftlings in Siegburg, nach einer Bedrohung und Strangulation in der JVA Gelsenkirchen.
Jede Woche kamen Nachrichten aus Ihrem Ressort. Jede Woche gab es Nachrichten über den Zustand des Rechtssystems in diesem Land. Peinlich und unangenehm!
Frau Ministerin, wenn ein Gericht die Enge im Gefängnis als nicht menschenwürdig bezeichnet, kann die Konsequenz nicht darin bestehen, irgendwelche Neubauten zu schaffen. Das reicht nicht.
Fast 18.000 Menschen saßen Ende Februar 2009 in unserem Land in Haft. Seit vier Jahren fordern wir Sie auf, Projekte zur Haftvermeidung auszuweiten. Das tun Sie nicht.
Wer aber vollere Gefängnisse bei sinkender Kriminalität produziert, muss sich nicht wundern. Wir benötigen Alternativen. Diese fordern wir von Ihnen ein. Fast 1.000 Häftlinge sitzen in NordrheinWestfalen, weil Sie Ihre Geldstrafen nicht bezahlen können.
Warum machen Sie es nicht wie in Brandenburg? Arbeit statt Strafe für diejenigen. Warum können sie nicht ihre Zeit abarbeiten? Dadurch gelänge es Ihnen, Hafttage zu vermeiden.
Es werden Millionen verschenkt. Letztendlich leben diese Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Sie rufen mir schon die ganze Zeit von der Seite zu, dass Sie das alles machen. Kommen wir doch einmal dazu: Im März 2008 haben Sie bei einem Pressefrühstück verkündet, es gäbe Modellprojekte zur Haftvermeidung. Sagen Sie uns gleich einmal, wie viele es seitdem gegeben hat. Wie viele zusätzliche Tage Haft wurden vermieden? Welche Kosten sind Nordrhein-Westfalen entstanden und welches Geld wurde eingespart? Ich höre gleich mit Interesse zu.
Sie haben im Februar 2008 aber auch im Ausschuss angekündigt, dass bis zum Herbst 2008 alle Zellen mit geeigneten Sanitärkabinen ausgestattet würden. Uns liegt jetzt ein Anschreiben von Mitarbeitern der JVA Duisburg-Hamborn vor. Ebenso wie
Kollege Giebels kenne ich die Situation selbst aus dem Besuch verschiedener Justizvollzugsanstalten. Bis heute – sechs Monate nach Ihrer Zusage – haben Sie es nicht geschafft, dies zu realisieren. Seien Sie ehrlich!
Sie sagen, in allen Gefängnissen gibt es die Sanitärkabinen?
Prima, das nehmen wir gerne auf.
Frau Ministerin, ich sage Ihnen, das ist eine Bilanz Ihres Scheiterns, Ihrer Probleme.
Liebe Frau Düker, leider findet die Aufhebung der Pauschale nicht unsere Zustimmung. Wenn man eine Pauschale einführt, muss der Häftling nicht noch um jeden einzelnen Euro streiten. Die Höhe der Pauschale mag eine Frage sein. Sie fordern aber eine Ungewissheit. Die Frage ist dann, ob ein Reicher eventuell eine höhere Pauschale bekommen muss als ein Armer. Das wollen wir nicht.
Ich freue mich schon auf die Diskussion im Ausschuss; denn CDU und FDP sowie letztendlich auch Sie, Frau Ministerin, werden Ihre Erfolge beim Programm „Schwitzen statt Sitzen“ präsentieren. Ich befürchte nur, ich muss nicht lange zuhören. Dabei kommt nämlich nichts herum.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor Edgar Moron sagt, wir sollten uns noch mehr beeilen, will ich es kurz machen. – Es ist schön, wenn man nicht als Erster redet.
Frau Ministerin, Sie haben gesagt, die Unschuldsvermutung ziehe sich wie ein roter Faden durch Ihren Gesetzentwurf. Das sehe ich nicht so. Ich greife nur eine Regelung heraus: die Anordnung von Arrest von bis zu vier Wochen gegenüber UHäftlingen ohne richterlichen Beschluss. Sie können nicht ernsthaft behaupten, hier gelte noch eine Unschuldsvermutung. Das ist nicht der Fall.
Herr Kollege Giebels, Frau Ministerin MüllerPiepenkötter hat gesagt, die Besuchszeiten seien ja verdoppelt worden. Sie selbst haben am 16. November 2007 im Plenum ausgeführt – ich will Sie gern zitieren –, verbesserte Besuchsmöglichkeiten seien eine wichtige Maßnahme zur Gewaltprävention im Strafvollzug. – Können Sie mir dann erklären, warum zwölf andere Länder vier Stunden gewähren und Sie nur zwei? – Nein, können Sie mir nicht erklären; das habe ich mir schon gedacht.
Kollege Orth, der es dankenswerterweise auch kurz gemacht hat, hat ausgeführt, das Gesetz schütze die Persönlichkeitsrechte. Schauen wir einmal in § 34 des Gesetzentwurfs, in dem es unter anderem um die Videoüberwachung von Untersuchungshäftlingen geht. Ihr Minister hat ja schon gemeinsam mit Herrn Laumann der Videoüberwachung in der Psychiatrie zugestimmt. Das scheint jetzt in Bezug auf
Untersuchungshäftlinge auch zu erfolgen. Ich bin etwas erstaunt darüber, dass die FDP das so sieht.
Letzter Punkt: Ich habe einen Fehler gemacht; ich gebe es zu. Ich habe das Geld verbraucht und die heutige Pressemitteilung des Kollegen Giebels ausgedruckt. Sowohl die Tinte als auch das Papier waren es nicht wert; denn was Sie darin schreiben, Herr Kollege Giebels, ist Volksverdummung.
Sie schreiben, die SPD habe das Problem der Gefängnisse nicht in den Griff bekommen; alle unsere Gefängnisse seien vor Mitte der 70er-Jahre gebaut worden.
Ja, so schreiben Sie es. Wollen Sie es noch einmal hören? Ich lese es Ihnen gerne vor:
Giebels: „Unsere Gefängnisse sind aber … alle vor Mitte der 70er-Jahre gebaut …“
So haben Sie geschrieben. Soll ich Ihnen helfen? JVA Aachen: Neubau; Hunderte von Plätzen. JVA Gelsenkirchen: Neubau; Sondervolumen 1999; insgesamt 600 Haftplätze. Wir haben binnen fünf Jahren über 1.000 Haftplätze geschaffen. Sie haben in vier Jahren 140 geschafft. Ihre Bilanz ist wirklich beeindruckend.
Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. – Danke.
Frau Ministerin, ich habe Sie gerade so verstanden, dass es keine Gesprä
che zwischen dem Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei gegeben hat.
Herr stellvertretender Ministerpräsident Pinkwart, ist die Aussage dahin gehend zu verstehen, dass solche Gespräche außerhalb der Staatskanzlei stattgefunden haben können, beispielsweise mit Emissären oder anderen Beschäftigten?
Frau Ministerin, für mich stellt sich die Frage, warum Sie am Freitag noch gesagt haben, Frau Staatsanwältin Lichtinghagen solle die Sachen möglicherweise eher in Köln weitermachen, und warum Sie sich am Dienstag anders entschieden haben.
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vergewaltigung von Kindern zur Herstellung und Verbreitung pornografischer Machwerke ist eine der widerwärtigsten Abarten der Kriminalität. Wenn wir von Kinderpornografie sprechen, sprechen wir von einem Verbrechen, das die Menschenwürde verletzt und schwerste Traumatisierungen nach sich zieht, von einem der schlimmsten Gewaltakte gegen Kinder. Deshalb darf es keine Toleranz geben. Hinter jedem Bild und in jedem Video stecken Leid und Missbrauch eines Kindes.
Die meisten Fälle des Kindesmissbrauchs und der Kinderpornografie finden in den eigenen vier Wänden statt: im eigenen Elternhaus, durch die Sorgeberechtigten selbst oder durch sie geduldet.
Allein zu Hause werden zahlreiche unter sechsjährige Kinder den abartigsten Praktiken unterzogen. Ich frage Sie: Sollte nicht das eigene Zuhause der letzte Ort sein, an dem ein Kind alleine ist? Sollten nicht die eigenen vier Wände der letzte Ort sein, an dem es Tätern möglich ist, Kindern ungehindert Gewalt anzutun? – Ich glaube, das ist eindeutig.
In den eigenen vier Wänden wird aber jeden Tag digitalisiert und konsumiert, und zwar immer mehr, immer grausamer und mit immer jüngeren Opfern.
Die Gesamtzahl der Fälle des Beschaffens und Verbreitens von Kinderpornografie sind im Jahr
2007 auf 11.357 gestiegen. 11.357 Kinder, die in eindeutigen Sexualpraktiken fotografiert und gefilmt, sexuell missbraucht und für ihr ganzes Leben stigmatisiert sind. Dabei haben sich die Fälle des Tatortes Internet innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Und noch erschreckender: Der Anteil der Kinder unter sechs Jahren hat um 25 % zugenommen. Mehr als 1.800 Kinder unter sechs Jahren werden sexuell für diese Taten missbraucht. Das ist unglaublich.
Blickt man zurück, so stellt man fest, dass die Problematik erst mit den modernen Medien eine Dimension angenommen hat, die uns heute mehr als entsetzt. Es war Anfang der 90er-Jahre die Videotechnologie, die zur Strafbarkeit des Besitzes kinderpornografischer Machwerke geführt hat, zu einer Zeit, in der Kinderpornografie noch in dunklen Ecken stattfand. Heute ist das nicht mehr der Fall. Heute werden diese widerwärtigen Bilder nicht mehr in Hinterhofbuchhandlungen unter dem Ladentisch ausgetauscht. Wir wissen, dass heute Internetforen und Tauschbörsen ein Tummelplatz für Pädosexuelle bieten. Kommuniziert wird dort passwortgeschützt und verschlüsselt; teilweise erfolgt der Versand versteckt in anderen Bilddateien.
Kinderpornografie ist nach wie vor ein Wachstumsmarkt, obwohl das Sexualstrafrecht verschärft, die internationale Zusammenarbeit verstärkt und sicherheits- und kriminalpolizeiliche Maßnahmen intensiviert wurden. Wir haben es heute zu tun mit einer ungeheuren Bandbreite von eher ängstlichen gelegentlichen Nutzern über schon etwas versierteren Sammlern und Tauschern bis hin zu regelrechten Zirkeln und Anbietern, die wie ein organisierter Vertrieb agieren. Denn Kinderpornografie bedeutet nicht nur sexuelle Ausbeutung, sondern auch deren ökonomische Verwertung. Es ist die Nachfrage, die den Markt schafft. Wenn wir Straftaten mit Kinderpornografie bekämpfen wollen, müssen wir auf der Nachfrageseite ansetzen. Wir müssen die Nachfrage unterbinden. Das ist unsere Aufgabe im Sinne der Kinder.
Am 27. August haben wir, die Rechtspolitiker der SPD-Fraktion, ein Gespräch, das wir zwei Monate zuvor vereinbart hatten, mit dem Roten Keil geführt. Das ist ein kleiner, aber aktiver Verein aus Senden – übrigens auf Vermittlung von André Stinka, dem ich dafür noch einmal danke –, der sich eines zur Aufgabe gemacht hat, nämlich Kinderpornografie zu geißeln. Das Ergebnis dieses Gespräches war, dass wir im Rechtsausschuss um einen Bericht der Landesregierung gebeten haben. Im Übrigen veröffentlichte am gleichen Tag, als wir uns mit dem Roten Keil trafen, das BKA diese grausamen und wirklich erschütternden Zahlen.
Im Rechtsausschuss am 24. September war die Berichterstattung – ich will es einmal so formulieren – eher dürftig. Was ohnehin fehlte, war die Antwort auf
die Frage, wie man mit der Forderung des Bundeskriminalamtes umgeht, gesetzliche Regelungen zu schaffen, um Kinderpornoseiten zu blockieren. Dies hat uns zu dem heutigen Antrag veranlasst.
Umso dringender gilt es nun, die in unserem Antrag formulierten Forderungen umzusetzen, die ich noch einmal kurz darstellen möchte. Es sind ja gar nicht so viele. Was fordern wir eigentlich?
Erstens die Aktualisierung einer Broschüre aus dem Jahre 1997. Wer will das denn ernsthaft ablehnen? Denjenigen, die sich die Broschüre nicht angeguckt haben, möchte ich daraus berichten. In dem Entschließungsantrag, der uns heute als Tischvorlage von CDU und FDP verteilt wurde, wird die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung gelobt. Das können Sie doch nicht ernsthaft meinen, Herr Giebels. Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen.
In der Broschüre heißt es nämlich auf Seite 4: VHSVideofilme bestimmen den Markt.
Auf Seite 5 heißt es: Angeboten wird Kinderpornografie überwiegend in Anzeigen. Und weiter: Ein gewinnorientierter Handel mit Kinderpornografie wird bisher nicht festgestellt. – Das ist genau der Kernpunkt dessen, was verbreitet wird, nämlich Geld damit zu verdienen, nichts anderes!
Auf der folgenden Seite heißt es, eine Broschüre könne man gegen eine Schutzgebühr von 3 DM bestellen. Nehmen Sie es mir nicht übel: Wer das verändert haben will, der hat den Euro zumindest verstanden und der wird unseren Antrag nur ernsthaft unterstützen können.
Was fordern wir als Zweites?
Die Broschüre gibt es heute noch immer. Schauen Sie einfach mal rein! Dann kann man die Broschüre doch aktualisieren, statt sich hier laut zu beschweren. Alte Sachen müssen raus.
Mehr als peinlich ist, diese Broschüre auch noch hervorzuheben. Dass Sie das machen, ist noch viel peinlicher.
Was fordern wir noch mit unserem Antrag? Wir fordern, eine Initiative des BKA zu unterstützen, Provider gesetzlich zu verpflichten, kinderpornografische Seiten zu sperren. Was soll denn daran falsch sein? Acht andere Länder in Europa machen dies. Viele Provider in anderen Ländern machen es freiwillig. Wir wollen, dass man Kinderpornoseiten nicht aufrufen darf.
Diese gesetzliche Regelung, Frau Ministerin – das sagen Sie zu Recht –, wollen Sie auch. Sie haben das bei „Westpol“ gefordert. Im Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP steht kein Wort dazu, kein Wort zu gesetzlichen Regelungen. „Versprochen und gebrochen“ will ich deutlich sagen. Lesen Sie sich den Antrag durch! Vielleicht hatten Sie heute Morgen noch keine Zeit. Sie werden sehen: keine gesetzlichen Regelungen.
Die letzte Forderung, die wir in unserem Antrag erheben! Wir schreiben: Stellt geeignete sachliche und personelle Ressourcen zur Verfügung. – Da heißt es im Entschließungsantrag, die seien schon da. Ich freue mich auf die weitere Beratung in den Ausschüssen. Dann werden wir das überprüfen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das derzeit nicht der Fall ist.
Unser Antrag, den wir in der weiteren Ausschussdiskussion mit Ihnen in Zusammenhang mit Ihrem Entschließungsantrag fröhlich diskutieren werden, zielt darauf ab, dass wir eines nicht vernachlässigen, was häufig passiert, nämlich auf die Opfer zu schauen. Auf deren Situation will ich noch einmal hinweisen. Die allgemeine Empörung über Kinderpornografie, die Fassungslosigkeit oder das Entsetzen über bekannt gewordene Fälle, die Skandalisierung in den Medien – das ist alles wichtig und hat auch seinen Sinn. Aber diese öffentliche Erregung ebbt schnell wieder ab. Danach spricht keiner mehr darüber.
Umso wichtiger ist es, ein wirkliches Einfühlungsvermögen dafür zu entwickeln, was die Opfer erleben und was sie für ihre Zukunft prägt. Es ist wenig hilfreich, die Täter zu dämonisieren. Besser wäre es, ihre Vorgehensweise zu analysieren und daraus Maßnahmen gegen erneuten Missbrauch zu entwickeln. Professor Amend von der Universität Bremen hat gesagt: Es scheint nur ein Danach mit der Forderung nach harten Strafen zu geben, aber ein kaum erkennbares Davor zum Zwecke der Vorbeugung.
Wir fordern die Landesregierung auf: Sorgen Sie dafür, Vorbeugung zu betreiben und die Täter von diesen Taten abzuhalten! Ich danke hier ausdrücklich den ganzen ehrenamtlichen Vereinen, die diese Arbeit betreiben, wie beispielsweise dem Rote Keil in Senden.
Letztlich macht deren Arbeit Mut.
Weitere Dinge stehen an, auch für diese Landesregierung. Am 28. November findet in Rio de Janeiro der 3. Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern statt. Heute ist eine gute Gelegenheit, ein Signal aus Nordrhein-Westfalen zu setzen, dem größten Bundesland in der Bundesrepublik.
Frau Müller-Piepenkötter, Sie stellen sich nach meiner Auffassung – Sie haben gleich Gelegenheit dazu – an die Seite der Opfer. Kämpfen Sie für diese ebenso engagiert, wie Sie es beim Thema Wiederaufnahmeverfahren oder bei der Begrenzung der Prozesskostenhilfe oder bei der Änderung der Juristenausbildung tun: denn die Opfer des Kindesmissbrauchs haben es am meisten verdient. – Danke schön.
Werter Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Einiges in Ihrem Wortbeitrag, Herr Kollege Giebels, ist es nicht wert, dass ich darauf eingehe,
aber ich muss es zumindest bei zwei Punkten tun. Sie sagen, die SPD prügele auf Justizwachtmeister ein. In einer Debatte um den Foltermord in Siegburg gebrauchen Sie das Wort „prügeln“. Das finde ich schon mehr als peinlich und diesem Parlament nicht angemessen, Herr Kollege Giebels. Das sage ich Ihnen ganz deutlich.
Alles Weitere erübrigt sich. Wenn man unser Votum liest, sieht man, warum Sie fasch liegen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Geschichte, um die es geht, ist klar. Ein junger Mann ist in Haft. Es handelt sich um eine mehrfach belegte Zelle. Dieser junge Mann wird stundenlang gequält. Nach stundenlangen Qualen tritt sein Tod ein. Ein breites Entsetzen im ganzen Lande. Es wird eine Kommission eingesetzt, an deren Ende das Ergebnis steht: Maximal die Zweierbelegung einer Zelle ist richtig.
Das ist nicht der Fall Siegburg im November 2006. Das ist der Fall Ichtershausen in Thüringen im Jahre 2001. Fünf Jahre vor dem Foltermord in Siegburg
gibt es in Thüringen ein Ergebnis, das besagt: Zweierbelegung ist ausreichend.
Frau Ministerin, Sie haben im Januar 2006 Ihr Haus gefragt: Was kann man tun? – Ich frage mich, warum es Ihnen nicht gelungen ist, diese Erkenntnisse aus Thüringen zu verwerten und zum Schutz von Hermann H. zu benutzen.
Dann würde Hermann noch leben.
Was aber ist das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses, das Ergebnis von 25 Sitzungen in 14 Monaten mit 32 vernommenen Zeugen und über 500 Akten? In einer langen Kette von Versäumnissen und Versagen tragen Sie, Frau Ministerin, wegen des Organisationsversagens
Ihres Hauses die volle Verantwortung für den grausamen Foltermord von Siegburg.
Sie haben Recht, Herr Giebels, das ist das Ergebnis der SPD- Landtagsfraktion. Und das ist auch die Meinung der Menschen in diesem Land. Denn die fragen sich bis heute: Wie konnte es zu diesem Foltermord in Siegburg kommen? – Sie fragen sich erst recht: Warum trägt niemand – gar niemand – in diesem Land die Verantwortung für diese grausame Tat? – Das ist bis heute nicht beantwortet.
Aber, Frau Ministerin, das Volk muss fühlen, dass Verantwortung übernommen wird. Was aber fühlt das Volk? Was fühlen die Menschen, die sich seit mehr als anderthalb Jahren mit diesem Foltermord beschäftigen?
Wie muss sich der Vater von Hermann fühlen, wenn er heute erfährt, dass im Ministerium ein Vorschlag vorlag, Siegburg nicht nur zu entlasten, die dortige Überbelegung von 120 % im Jugendbereich und von 113 % für die gesamte JVA abzubauen, sondern Siegburg sogar in eine reine Jugendanstalt umzuwidmen? Das haben Sie heute gemacht, das wurde aber damals mit einem Anruf aus Ihrem Ministerbüro für die jungen Menschen in Siegburg abgelehnt.
Wie müssen sich Verwandte und Freunde von Hermann fühlen, wenn sie erfahren, dass diese Justizministerin bereits acht Monate vor dem Tod von Hermann einer Richterin mitteilt, dass die Mehrfachbelegung in Hafträumen eine Gefahrenzone darstellt. Das ist Ihr Begriff gewesen, Frau Ministerin; Sie haben das einer Richterin geschrieben. In dieser Gefahrenzone ist Hermann H. umgekommen.
Was fühlt die Mutter von Hermann, wenn sie erfahren muss, dass ein Mitarbeiter des Landesjustizvollzugsamtes, also einer Organisation, die aus dem Justizbereich kommt, vom Frühjahr bis zum Herbst 2006 durch nordrhein-westfälische Justizvollzugsanstalten fährt und dort vor Mehrfachbelegung warnt, Ihnen im Ministerium dieses bekannt ist, jedoch niemand in Ihrem Hause handelt und die jungen Menschen davor schützt?
Was sagt der Bruder von Hermann, wenn er erfährt, dass Sie im Januar 2006, als Sie gefragt hatten, ob die Täter-Opfer-Erkennung funktioniere, einfach blind geglaubt haben, es gehe, dass Hermann dann mit zwei Gewaltverbrechern zu
sammengelegt und von diesen später gefoltert und ermordet wird? Sie haben nicht nachgefragt. Sie haben die Information so akzeptiert, wie sie gekommen ist.
Wie fühlen sich die Mitarbeiter in Ihrem Hause, wenn sie im Untersuchungsausschuss auf die Fragen …
Sie glauben, die fühlen sich gut. Das glaube ich gern; das würde ich an Ihrer Stelle auch glauben. – Was fühlen die Mitarbeiter, wenn Sie im Untersuchungsausschuss sagen: „Ja, die Verantwortung trägt die JVA, die Justizvollzugsanstalt“? Auf die nächste Frage sagen Sie: dann eben das Landesjustizvollzugsamt. – Am Schluss sagen Sie: die Mitarbeiter Ihres Ministeriums. – In keinem Fall haben die Menschen in diesem Land gehört, dass auch die Ministerin für das, was hier geschehen ist, die Verantwortung trägt.
Am Schluss frage ich mich: Was muss Hermann gefühlt haben, als er in dieser Gefahrenzone lag, schwer misshandelt den Rufknopf drücken konnte, hoffte gerettet zu werden – und niemand kam? Wie schwer war sein Körper schon gekennzeichnet, als durch den Lärm der Qualen die Wachtmeister in die Zelle kamen, aber keine Vitalkontrolle durchführten und ihm die letzte Chance nahmen, sein Leben noch zu retten?
Und dann fragen wir uns alle: Frau Ministerin, wie müssen Sie sich eigentlich fühlen, wenn Ihnen Ihre eigene Kommission attestiert, in Siegburg gebe es eine unfähige JVA-Leitung? Und was denken Sie, wenn Sie heute sehen, wie einfach es gewesen wäre, das Leben von Hermann zu retten?
Darauf erwarten die Menschen in NordrheinWestfalen eine Antwort von Ihnen. Denn nichts, aber auch gar nichts hat in Ihrem Laden funktioniert: unmenschliche Haftbedingungen in mit Möbeln vollgepfropften 15-m²-Zellen – das OLG Hamm sagt es Ihnen heute noch –, keine Täter-Opfer-Erkennung, keine Rufknopfüberprüfung, keine Vitalkontrolle, eine miserable JVA-Leitung, ein Landesjustizvollzugsamt, das vor Mehrfachbelegung in den JVA warnt, und eine Ministerin, der eine Richterin von einer Gefahrenzone berichtet, die aber weiterhin, von März bis November, Hunderte von jungen Gefangenen genau in diese Gefahrenzone schickt, bis dann das passiert, was passieren musste.
Und dann, erst dann haben Sie reagiert. Dann geht alles ganz schnell: keine Mehrfachbelegung, Kontrollen, Täter-Opfer-Erkennung und ein Jugendstrafvollzugsgesetz.
14 Monate Arbeit des Unersuchungsausschusses machen eines klar: Alles Schuld der Vorgänger!, und: Ich habe doch gehandelt! – Die Wahrheit ist offenkundig, Frau Ministerin. Sie tragen persönlich und politisch die Verantwortung für den Tod eines jungen Gefangenen in staatlicher Obhut. In einem solchen Fall muss die zuständige Ministerin außer der persönlichen Verantwortung auch die politische übernehmen. Wenn etwas passiert, was solche Dimensionen hat, eine solche Einmaligkeit im Land Nordrhein-Westfalen, dann muss der Minister im Namen seines gesamten Verantwortungsbereiches zurücktreten.
Jetzt ist klar: Sie selbst, Frau Ministerin, wussten frühzeitig über die Gefahrenzone Bescheid, und über einen Zeitraum von acht Monaten – 5.856 Stunden lang – hatten Sie die Gelegenheit, etwas zu tun.
Hermann H. hatte nur zwölf Stunden Zeit, die Qualen an seinem Körper zu erdulden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn eine Ministerin eine falsche Entscheidung trifft, eine Situation nicht richtig einschätzt, dann muss sie dafür einstehen. Es ist eines der ungeschriebenen Gesetze des Parlamentarismus, dass von Ministern die Verantwortung für alle Vorgänge in ihren Ressorts übernommen wird. Denn Minister und Ministerinnen repräsentieren nicht nur die Institutionen, sondern sie verkörpern sie auch. Es bedarf eines symbolischen Akts der Reinigung, nachdem das Vertrauen in die Justiz beschädigt ist.
Dazu will ich den Ministerpräsidenten aufrufen – wenn er es heute wichtig genug gefunden hätte, bei dieser Diskussion dabei zu sein. Stattdessen höre ich aus der Union, Sie würden nicht stürzen, Frau Ministerin. Ich kann nicht beurteilen, ob Sie stürzen oder nicht, aber Sie werden nicht mehr dieselbe sein. Ein Sturz ohne Rücktritt ist es, der Ihnen droht.
Frau Ministerin, ist die Einsicht in diese Akten des Ministeriums den Journalisten einzeln oder in Gruppen gewährt worden?
Frau Ministerin, Sie haben uns gerade mitgeteilt, dass den Journalisten einzeln – Sie wissen nicht genau, wie – Einsicht gewährt wurde. Würden Sie uns bitte sagen, wie diese Einsicht gewährt wurde und ob zu dieser Einsicht noch weitere Erläuterungen gegeben wurden?
Frau Ministerin, ich will das mal so formulieren: Ich will nicht sagen, dass es mich entsetzt, aber es enttäuscht mich zumindest, dass Sie noch nicht mal wissen, in welcher Art und Weise in Ihrem Ministerium Journalisten Auskunft aus Akten Ihres Ministeriums gegeben wird. Deshalb erneuere ich meine Frage: Inwieweit sind auch darüber hinausgehend Informationen an die Journalisten gegeben worden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 2003 hat sich die Zahl derjenigen, die wegen Überlastung der Justiz als mutmaßliche Straftäter freigelassen worden sind, mehr als verdoppelt. Noch nie sind 19 Straftäter in NRW freigelassen worden – und das bei einem Schnitt von zehn Freilassungen in den letzten siebzehn Jahren, Frau Ministerin. Das sind Ihre Zahlen.
Wir sagen Ihnen ganz deutlich: Die Freilassung von 19 mutmaßlichen Mördern, Räubern, Verge
waltigern, Erpressern oder anderer Verbrecher ist ein Armutszeugnis für dieses Land und natürlich auch für diese Regierung.
Im Sommer haben Sie im Rechtsausschuss gesagt, es seien „nur 19“. Heute Morgen im Rechtsausschuss sprachen wir über sinkendes Vertrauen in die Justiz. Vielleicht liegt es auch an dieser Formulierung „nur 19“. Wieso „nur“ 19? Es sind 19 zu viel. Wir reden über 19 Schwerverbrecher auf den Straßen in NRW. Wissen Sie eigentlich, was es für die Opfer dieser 19 mutmaßlichen Täter bedeutet, dass diese untergetaucht sind, jederzeit vor der Tür stehen können und möglicherweise unliebsame Zeugen beseitigen? Oder die Opfer haben einfach Angst, im Dunkeln nach Hause zu kommen. Diese Angst scheint Ihnen egal zu sein, Herr Kollege Orth.
Als Patentanwalt interessiert das vielleicht nicht so sehr; das kann natürlich sein.
Stattdessen verkünden Sie, Frau Ministerin, gestern:
„Die Bevölkerung hat einen Anspruch auf optimalen Schutz vor gefährlichen Straftätern.“
Wenn das nicht von Ihnen käme, dann würde ich es ernst nehmen. Wenn Sie das aber ernst meinen, dann sorgen Sie doch bitte dafür, dass in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte, denen Gewalt und Sexualstraftaten vorgeworfen werden, dort bleiben, und sorgen Sie dafür, dass in erster Instanz verurteilte Gewaltverbrecher nicht aus unseren Gefängnissen wie Houdini verschwinden! Das ist Ihre Aufgabe.
Ferner möchte ich Ihnen sagen – von der Regierung sind ja nicht all zu viele da –: Sie mit Ihrer Koalition der gebrochenen Versprechen legen ja Wert darauf, immer an erster Stelle zu sein. Jetzt besorgen wir es Ihnen, kein Problem:
Platz 6 bei der Belastung eines Richters am Landgericht, Platz 4 bei der Belastung eines Staatsanwaltes, der in Nordrhein-Westfalen 30 % mehr Fälle als sein Kollege in Sachsen bearbeiten muss, und – Applaus auf den Plätzen der Regierungsfraktionen! – Platz 1 bei der Belastung mit Strafverfahren pro Richter am Amtsgericht in NRW, der 40 % mehr Fälle als sein Kollege in Mecklenburg-Vorpommern bearbeiten muss.
Ich danke Ihnen, dass Sie nicken, Frau Ministerin. Das ist nämlich Ihre Statistik. Aber diesen ersten Platz wollten Sie wohl nicht haben.
Ich will Sie gerne erinnern: Der Deutsche Richterbund sagte im April, die Entlassung dieser 19 Verbrecher ist darauf zurückzuführen, dass die Justiz überlastet ist. Das nehmen Sie heute nicht mehr ernst. Sie sind ja keine Vorsitzende mehr. Doch möchte ich gerne an den 26. Februar 2004 in diesem Hause erinnern. Da hieß es: Überlastung der Justiz – die Bürger erwarten, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte schnell Straftäter anklagen und verurteilen. – Wer hat dieses Pressegespräch geführt? – Moment ich muss nachschauen: Frau Richterin am Oberlandesgericht Roswitha Müller-Piepenkötter. Ach, dass waren ja Sie, Frau Ministerin. Es wäre schön, wenn man sich anders als Konrad Adenauer doch noch an sein Geschwätz von gestern erinnern würde. Insofern befinden Sie sich ja in guter Gesellschaft.
Da hat es geheißen: Kein Justizbereich ist so unterbesetzt wie die Staatsanwaltschaften – die Gesamtausstattung ist wenig auskömmlich, es fehlt jeder dritte oder vierte Staatsanwalt, es ist ein systembedingtes latentes Sicherheitsrisiko. Das erklärte der FDP-Abgeordnete Jan Söffing. – „Söffing“ steht zwar nicht mehr im AbgeordnetenHandbuch, aber ich erinnere mich an ihn. Das ist der Staatssekretär. Es wäre eine gute Gelegenheit, den Worten des Staatssekretärs auch einmal Taten folgen zu lassen. Aber letztendlich haben Sie wohl die Formulierung „Sicherheitsrisiko“ dem Kollegen Lindner genannt, als er sagte, unsere Ministerin sei ein solches.