Protokoll der Sitzung vom 06.05.2009

Wir verbinden dies mit der klaren Erwartung, dass die Schläger und Gewalttäter nach Recht und Gesetz zur Verantwortung gezogen werden. Denn wir sind tolerant, aber wir dulden keine Gewalt in unseren Städten.

(Beifall von SPD und Christian Möbius [CDU])

Es wird zu Recht beklagt, dass überzeugten Gewalttätern mit pädagogischen Konzepten allein nicht beizukommen ist. Zu Recht wird auch ein Mantra der Politik kritisiert, wenn auf klare Worte nicht auch entschiedenes Handeln folgt. Ich glaube, in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus nützt es nichts, wenn die Generalsekretäre von CDU und FDP – wir haben das der Presse der letzten Tage entnommen – miteinander streiten. Das sind Kindereien.

(Beifall von der SPD)

Es ist richtig, Herr Kollege Engel, dass Sie auf die Zahlen bei der Bereitschaftspolizei hingewiesen haben. Aber ich gebe Ihnen den Rat: Überlegen Sie noch mal, ob es wirklich gut und angebracht war, die 794 Stellen im Polizeibereich – nach Auskunft des Parlamentarischen Gutachterdienstes – in diesem Haushalt zu streichen! Denn die Stellenstreichungen führen natürlich auch zu einer erschwerten Arbeit der Polizei insgesamt, aber auch der Staatsschutzkommissariate.

(Beifall von der SPD)

Wir fordern von der Landesregierung, dass sie demnächst im Plenum des Landtags ein Handlungskonzept für Demokratie und gegen Extremismus vorlegt. Wir bieten Ihnen dafür noch mal ausdrücklich die inzwischen gewachsene Tradition der Zusammenarbeit aller Fraktionen an, die wir in einer gemeinsamen Entschließung vom Dezember 2007 zum Ausdruck gebracht haben. Wir glauben nämlich, dass die neue Qualität rechtsextremer Gewalt eine gemeinsame Antwort aller Demokraten in diesem Hause erfordert.

In einem solchen Handlungskonzept sollte die Landesregierung erstens ihr Leitbild für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus vorstellen. Uns kommt es vor allen Dingen darauf an, dass wir jetzt die kontinuierliche und auch verlässliche Zusammenarbeit von Staat und Gesellschaft für Demokratie und gegen Extremismus garantieren. Denn die neue Qualität des Rechtsextremismus verlangt eben auch eine gesamtgesellschaftliche Antwort.

Wir schlagen Ihnen zweitens vor, dass der Landespräventionsrat die präventive Arbeit überprüft und

uns, dem Parlament und der Landesregierung, entsprechende Vorschläge zur Verbesserung macht. Hierfür muss er auf gesunde finanzielle Füße gestellt werden, und er muss sich weiterer Experten aus der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft bedienen können.

Wir schlagen Ihnen drittens vor: Bauen wir gemeinsam landesweit ein Beratungsnetzwerk auf, in dem die staatlichen Kooperationspartner von der Polizei über das Schulministerium bis zum Integrationsbeauftragten der Landesregierung mit nichtstaatlichen Kooperationspartnern, die es vom DGB bis zum Weißen Ring zuhauf gibt, konkret zusammenarbeiten!

Wir schlagen Ihnen viertens vor: Richten Sie eine Koordinierungsstelle für Demokratie gegen Rechtsextremismus ein, die auch die ressortübergreifenden Vorhaben der Landesregierung entsprechend koordiniert und bündelt!

Schließlich: Wer wirksam und nachhaltig etwas gegen Rechtsextremismus tun will, der braucht dafür auch Geld. Wenn Sie Geld für die Aufstellung eines landeseigenen Förderprogramms brauchen, werden Sie die Sozialdemokratie mit Sicherheit an Ihrer Seite haben, weil es richtig und gut ist, die Arbeit der örtlichen und regionalen Initiativen auch finanziell zu unterstützen. Denn wir können die Abwehr des Neonazismus in Dortmund nicht allein den örtlichen Gruppen, nicht allein der örtlichen Polizei überlassen. Das muss eine gemeinsame Anstrengung des gesamten Landes werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rudolph. – Für Bündnis 90/Die Grünen redet Frau Abgeordnete Düker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst gilt es festzustellen, dass die Aussage des Dortmunder Polizeipräsidenten Schulze sehr richtig und zutreffend ist, wenn er sagt: Einen solchen Angriff von Neonazis wie in Dortmund am 1. Mai auf eine friedliche Kundgebung hat es in Deutschland so noch nicht gegeben; er ist bundesweit in der Dimension einmalig und stellt eine neue Qualität rechtsextremistischer Gewalt in Nordrhein-Westfalen dar.

(Beifall von den GRÜNEN)

Richtigerweise – das sage ich bewusst am Anfang meines Redebeitrags –gilt es, Dank auszusprechen an die Polizei vor Ort, die sich beherzt und konsequent den Angreifern, den Neonazis, in den Weg gestellt hat und, wie ich finde, sie sehr schnell abdrängen konnte. Mittlerweile haben wir ca. 404 Ermittlungsverfahren, sodass auch die Strafverfolgung gewährleistet wäre. Die Polizei konnte durch dieses

konsequente und beherzte Eingreifen Übergriffe auf Demoteilnehmer verhindern. Das ist eine tolle Leistung, und da gibt es auch nichts drumherumzureden, da gilt es, auch mal Danke zu sagen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Aber – ich komme zur anderen Seite der Medaille –, Herr Kruse, in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde ist zu lesen, dass Sie einmal richtig Solidarität mit der Polizei zeigen wollen. Die klassische „Appellitis“ aber, die Sie auch in Ihrem heutigen Redebeitrag – Hochachtung, Rückendeckung – wieder an den Tag legten, reicht nicht aus.

Herr Minister, den Polizisten und Polizistinnen in Dortmund wäre mehr geholfen gewesen, wenn Sie sie besser vorbereitet hätten. So mussten sie sich in unzureichender Ausrüstung – mit Schlagstöcken und Hemden – den Rechtsextremisten entgegenstellen. Mehrere Polizisten wurden gerade deswegen verletzt, weil vor Ort die Lage nicht richtig eingeschätzt wurde und die Polizei nicht richtig vorbereitet und nicht richtig ausgestattet war.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Kruse, Sie hätten einmal etwas dazu sagen sollen, wie Sie die Polizei in die Lage versetzen wollen, dass sie für die Situationen, die sich hier neu ergeben, besser gewappnet ist. Kein Wort dazu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist es überhaupt nicht begreiflich, warum dort eine Lageeinschätzung entstehen konnte, die dazu führte, dass es im Vorfeld keinerlei Einsatz von Hundertschaften gab. Diese mussten erst angefordert werden. Sie konnten dann auch angefordert werden; aber sie waren eben nicht vor Ort, dort, wohin sie gehören, wenn es solche Ausschreitungen gibt.

Im Internet kursierten bereits am Vortag Aufrufe. Herr Minister, diese Internetseiten waren im Übrigen ganz ohne geheimdienstliche Mittel aufrufbar. Dort hat es im rechtsextremen Lager offene Aufrufe zu Aktionen bei 1.-Mai-Kundgebungen gegeben, nachdem die zentrale Kundgebung der Neonazis in Hannover verboten worden war.

Im Internet heißt es: Reagiert mit kreativen Aktionen flexibel. Informiert euch über die internen Quellen. Arbeiterkampftag ist überall. Bleibt am 1. Mai nicht zu Hause. Besucht die Demonstrationen.

Herr Minister, diese Aufrufe erschienen einen Tag vorher im Internet. Wenn man in Dortmund, der Hochburg der Autonomen Nationalisten in Nordrhein-Westfalen – wir wissen, Dortmund ist die Hochburg gerade dieser inzwischen auch immer gewaltbereiteren Autonomen Nationalisten –, im Vorfeld nicht wenigstens eine Hundertschaft zur Unterstützung und zum Schutz der DGBKundgebung zur Verfügung stellt, frage ich mich, warum wir hier einen so gut ausgestatteten Verfassungsschutz und den Staatsschutz haben,

(Zuruf von der CDU)

wenn dies im Vorfeld nicht erkannt werden konnte. Herr Minister, hier sehe ich ein Versagen des Staats- und des Verfassungsschutzes. Das ist für mich eindeutig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Warum gab es das nicht? Ich hoffe, Sie werden dazu gleich Auskünfte geben.

Ich denke aber, dass es vielleicht auch einmal notwendig ist, sich in Dortmund bei den verletzten Polizistinnen und Polizisten zu entschuldigen; denn es hätte nicht sein müssen, dass diese sich den Angreifern so unvorbereitet entgegenstellen mussten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Letzte Anmerkung: Natürlich ist es bei den immer gewaltbereiteren Rechtsextremisten nicht mit einem besseren Schutz, einer besseren Vorbereitung bei Demonstrationen, einer Lagebewertung und einer konsequenten Strafverfolgung getan; ich denke, darin sind sich alle einig.

Darin stimme ich dem Kollegen Rudolph ausdrücklich zu: Der höchste Stand registrierter rechtsextremer Gewaltdelikte seit 2001, als wir begonnen haben, sie so zu zählen – über den wir im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutzbericht 2008 in diesem Haus diskutiert haben –, sollte uns alle alarmieren. Diese Zahlen im Verfassungsschutzbericht korrespondieren eben auch mit den Umfragewerten, die auf eine fehlende Demokratiezustimmung in der Bevölkerung in Ost wie in West, auf Ausländerfeindlichkeit und auf Antisemitismus hindeuten.

Daher müssen wir die zivilgesellschaftlichen Strukturen, die wir in Nordrhein-Westfalen überall haben, aus dem Landtag heraus viel mehr stärken. Dass noch nicht einmal ein paar Projektmittel zur Verfügung gestellt werden können, wie wir es bei der Haushaltsberatung wieder erlebt haben – die Anträge sind abgelehnt worden –, damit man diese Aktionen und Bündnisse stärkt, finde ich erbärmlich, Herr Kruse.

(Beifall von den GRÜNEN)

Auch das ist Ihre Aufgabe, statt hier nur Appelle in die Welt zu setzen. Solidaritätsbekundungen mit der Polizei helfen nicht weiter. Wir müssen die Polizei besser vorbereiten, und wir müssen die zivilgesellschaftlichen demokratischen Strukturen stärken, unter Umständen – das werden wir in den Landtag einbringen – auch mit Projektmitteln vom Land. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Jetzt hat für die Landesregierung Innenminister Dr. Wolf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem ehrlich gemeinten Dank an die Polizistinnen und Polizisten in NordrheinWestfalen beginnen und einfach feststellen:

Erstens. Wer innerhalb von 30 Minuten 400 Gewalttäter festnimmt, hat etwas richtig gemacht und keine Kritik verdient. Hier ist unsere Solidarität mit den Polizistinnen und Polizisten gefordert.

Zum Zweiten ist aus meiner Sicht klarzustellen – auch mit Blick auf die Diskussionen der letzten Tage –, dass man Fehlvorstellungen und Fehlinterpretationen von Deeskalation entgegentreten muss. Die nordrhein-westfälische Polizei verfolgt seit Langem die Strategie, in Stufe 1 und Stufe 2 zu diskutieren und zu deeskalieren. Das gilt bei Verbalattacken und niederschwelligen Unbotmäßigkeiten.

Gewalt gegen Sachen und Personen ist aber völlig unakzeptabel. Hier ist die Wehrhaftigkeit des freiheitlichen Rechtsstaates gefordert. Freiheitlich und liberal heißt nicht libertinär. Wer Autos demoliert, Läden verwüstet oder gar Gewalt gegen Menschen verübt, gegen den greift die nordrhein-westfälische Polizei strikt und konsequent durch.

Ich möchte festhalten: Das ist keine neue Erkenntnis. Herr Kollege Engel hat – ich bin ihm sehr dankbar dafür – auf den Einsatz in Heiligendamm hingewiesen. Dort hat die nordrhein-westfälische Polizei in ihrem Einsatzbereich gezeigt, dass sie bereit und fähig ist, die Gewalt im Keim zu ersticken.

Ich glaube, das ist ihr auch diesmal gut gelungen. Es gibt immer Schwierigkeiten. Aber die Schwierigkeiten werden bewältigt. Das ist die gute Nachricht nach diesem Einsatz, meine Damen und Herren.

Ich möchte eine dritte Anmerkung vorwegschicken. Herr Rudolph, das ist natürlich der perfide Versuch, hier die Versäumnisse der eigenen Politik zu kaschieren. Sie haben – nicht nur bei den Lehrern haben wir das erlebt – kw-Stellen ausgebracht. Wir haben 841 Stellen belassen. Wir haben die Zahl der Einstellungen bei der Polizei mehr als verdoppelt: auf 1.100. Das ist Politik für dieses Land im Sinne richtig verstandener Sicherheitspolitik.

(Beifall von CDU und FDP)

Eines möchte ich noch sagen: Beim Kampf gegen den Extremismus sowohl von rechts als auch von links lässt sich diese Landesregierung von niemandem übertreffen. Wir wollen doch festhalten, dass an diesem Wochenende alle Seiten geschlagen haben: die Linken wie die Rechten.

(Beifall von CDU und FDP)