Protokoll der Sitzung vom 07.05.2009

Das ist schon sehr interessant. Links wirkt offensichtlich auch hier im Landtag Nordrhein-Westfalen

(Widerspruch von CDU und FDP sowie von Minister Karl-Josef Laumann)

und sogar bei CDU und FDP. Das ist schon interessant festzustellen.

(Widerspruch von Christian Lindner [FDP])

Die FDP sollte in dieser Frage wirklich schweigen, weil von Ihrer Seite überhaupt keine Initiativen zu erkennen sind.

Der Antrag der Grünen ist auch deswegen interessant, weil er eine Regelung kritisiert, die die Grünen gemeinsam mit der SPD in ihrer Zeit der rot-grünen Bundesregierung beschlossen haben.

(Zuruf von Barbara Steffens [GRÜNE])

Nein, nicht mit Herrn Sagel, weil Herr Sagel explizit gegen diese Hartz-Gesetze war.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Deswegen bist du aber nicht ausgetreten, sondern weil du keinen Platz mehr gekriegt hast! Deshalb bist du ausgetreten!)

Frau Löhrmann, Sie sollten in dieser Frage auch ruhig sein. Sie haben mit Herrn Rüttgers schon lange genug gekuschelt.

(Minister Karl-Josef Laumann: Mit Ihnen wer- den wir aber ganz sicher nicht kuscheln, son- dern Schlitten fahren!)

Ich bleibe dabei: Hartz IV muss weg. Es ist eine Katastrophe für alle Betroffenen, die aufgrund von Schikanen von Behörden ihrer Würde beraubt werden. Es ist eine Katastrophe für die Menschen, die trotz jahrelanger Arbeit nach einem Jahr Arbeitslosigkeit auf einen Regelsatz von inzwischen 351 € gedrückt werden.

Mit ihrem Antrag fordern die Grünen jetzt die Landesregierung auf, sich unverzüglich und nachdrücklich auf allen Ebenen für eine drastische Anhebung der Freibeträge für Vermögen aus Aufwendungen zur Altersvorsorge einzusetzen. Es ist aber sehr schwach – auch von den Grünen hier im Landtag –, dass Sie keine konkrete Zahl nennen. Hier kneifen Sie sehr deutlich.

Sogar Herr Rüttgers und Herr Laumann sind – das muss man ehrlicherweise so sagen – mit ihrer Forderung nach einem Schonvermögen von 45.000 €, was auch der Antrag von CDU und FDP fordert, deutlich weiter gegangen.

(Günter Garbrecht [SPD]: Dann stimmen Sie diesem Antrag doch zu!)

Ich möchte für die Linken noch einmal feststellen: Wir fordern natürlich auch weiterhin ganz klar, dass Hartz IV weg muss. Es muss eine repressionsfreie und bedarfsdeckende Mindestsicherung geben. Wenn Sie da nicht dranwollen, müssen als erster Schritt zumindest deutliche Änderungen an den jetzigen Regelungen getroffen werden. Dazu gehören eine Anhebung auf 500 € und eine deutliche Anhebung des Schonvermögens.

Wenn die Forderung nach 45.000 € auch populistisch ist, da in der CDU und in Ihrem Bundestagsprogramm auch ganz andere Sachen diskutiert werden, geht sie immerhin schon in die richtige Richtung – zumindest was aus NRW kommt. Aber ein Antrag der Linken wurde noch kürzlich abgelehnt. Ich bin sehr gespannt, ob Sie tatsächlich die Initiative ergreifen werden.

Wenn Sie schon eine Bundesratsinitiative machen, gehört dazu auch eine Entschädigungsregelung für diejenigen, die bereits von den jetzigen Regeln betroffen sind und ihre Altersrücklage aufbrauchen

mussten. Kleine Verbesserungen können nicht über die großen Probleme mit dem menschenunwürdigen Hartz IV und den großen Murks, der dort gemacht worden ist, hinwegtäuschen.

Die gegenwärtige Regelung bedeutet Armut per Gesetz. Hartz IV muss weg! – Das muss weiterhin die Forderung bleiben. Ich bin sehr gespannt, was weiter geschieht und wie SPD und Grüne sich verhalten werden.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte über die Situation von abhängig beschäftigten Menschen in der Wirtschaftskrise ist ein Thema für Hunderttausende von Arbeitnehmern.

(Beifall von CDU und FDP)

Die Menschen haben die große Sorge, ob sie in dieser Krise ihren Arbeitsplatz behalten werden.

Es ist zweifelsohne richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland in dieser Krise eher Opfer als Täter ist. Denn das, was uns in diese Krise gestürzt hat, ist nicht in erster Linie in der Bundesrepublik Deutschland verursacht worden, wo die soziale Marktwirtschaft noch gilt,

(Beifall von CDU und FDP)

sondern in Ländern, die eine ganz andere Auffassung haben als wir. Aber wir hängen da mit drin.

Rund 400.000 Anträge auf Kurzarbeit beunruhigen mich enorm. Keiner in Nordrhein-Westfalen weiß aber zurzeit, in welchem Umfange die Menschen kurzarbeiten. Das wissen wir erst in ein paar Monaten, weil Kurzarbeit im Nachhinein abgerechnet wird. Es ist ein großer Unterschied, ob ein Mensch einen Tag in der Woche nicht arbeitet oder vier. Dazu kann man zurzeit aber noch nichts sagen.

Es treibt mich um, dass ich in vielen Gesprächen quer durchs Land höre, dass dieses Jahr für viele Unternehmen schlechte Bilanzen bedeutet und manche Unternehmen Probleme mit ihrer Liquidität bekommen. Deshalb übernehmen wir so viele Bürgschaften. Jeder – ob Abgeordneter der Opposition oder der Regierungsfraktionen – wird zurzeit in seinem Wahlkreis relativ viel mit diesem Thema zu tun haben.

Es heißt oft, dass die Politik nur den großen Unternehmen hilft.

(Christian Lindner [FDP]: Herrn Steinbrücks Unternehmenssteuerreform!)

Ich kann aber auch aus eigener Erfahrung aus der Region, in der ich politisch verhaftet bin, sagen, dass wir über die NRW.BANK und Bürgschaften in erheblichem Umfange auch mittelständischen und kleinen Betrieben helfen.

(Beifall von CDU und FDP)

In der letzten Woche habe ich in meiner Region einen Betrieb mit fast 300 Beschäftigten ganz konkret begleitet. Mit anderen Instituten als den Volksbanken und Sparkassen reden wir in Bezug auf die Finanzierung fast gar nicht mehr, da sie sich davon zurückgezogen haben. Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten in dieser Situation keine Sparkassen und Volksbanken mehr!

(Beifall von der CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Dann hätte man die Finger vom Spar- kassengesetz lassen sollen!)

In meinem Wahlkreis höre ich von den großen Banken mit klangvollen Namen in dieser Frage relativ wenig.

Aber auch die Volksbanken und Sparkassen fordern im Zusammenhang mit einem Kreditprogramm natürlich einen Sanierungsplan. Die Geschäftsleitung muss sich also beraten lassen – wenn sie es selbst nicht kann – und ein umfangreiches Papier dazu erstellen, wie sie die Zukunft des Unternehmens einschätzt und was man tun kann, um die Rendite des Unternehmens zu verbessern. Ich kenne keinen einzigen Sanierungsplan, der nicht auch etwas über Personal aussagt. Es ist meine Sorge, dass über die Sanierungspläne in größerem Umfange Forderungen kommen werden, Personalanpassungen zu betreiben.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das kann man bei ThyssenKrupp sehen!)

Ja, aber das sieht man auch bei vielen kleinen Unternehmen. – In einem Sanierungsplan ist dann aber in der Regel nicht vorgesehen, dass es nur bestimmte Beschäftigte trifft, sondern das geht quer durch die ganze Belegschaft vom Büro- bis in den Fertigungsbereich.

Wenn man sich einmal mit dem Profil der in den betroffenen Betrieben beschäftigten Menschen auseinandersetzt, sieht man, dass es Menschen sind, die in ihrem Leben eigentlich alles richtig gemacht haben. Sie sind gut ausgebildet, sie haben über viele Jahre Leistungsbereitschaft gezeigt und mit ihrer Einkommensteuer und mit ihren Sozialbeiträgen erheblich zur Finanzierung dieses Landes, auch der sozialen Seite dieses Landes, beigetragen.

(Beifall von der CDU)

Wenn sie dann von Entlassungen betroffen sein sollten, dann werden sie so behandelt, als hätten sie in diesem Land nie etwas geleistet.

(Beifall von CDU und FDP)

Damit habe ich ein Problem.

Wir hatten in diesem Land seit etwa 1990 richtigerweise viele Rentenreformen, die – ein paar davon habe ich als Bundestagsabgeordneter selbst erlebt – im Übrigen oft über Parteigrenzen hinweg beschlossen worden sind. Aber alle diese Reformen hatten eine gemeinsame Folge: Das Rentenniveau fällt. Wer heute jung oder mittleren Alters ist, muss über Betriebsrenten oder – da leider nicht alle in einem Betrieb arbeiten, in dem es Betriebsrenten gibt – über private Renten erheblich Vorsorge treffen, wenn er so gut leben will wie die heutige Rentnergeneration, die für ihre Rente auch schwer gearbeitet hat.

Nach unseren Berechnungen im Ministerium, die wir zusammen mit dem Rentenbericht der Landesregierung vorgelegt haben, muss man, wenn man ein mittleres Einkommen hat und in zehn bis 15 Jahren in Rente geht, etwa die Summe von 45.000 € haben, um daraus eine monatliche Rendite ziehen zu können, die die Abnahme der gesetzlichen Rente ausgleichen kann.

Dass wir beim SGB II entschieden haben, dass man nur bis zu 16.500 € für die Alterssicherung behalten darf – wenn Sie am 65 Geburtstag 16.500 € in einer Kapitalanlage haben, verschafft Ihnen das eine monatliche Rendite von 80 € –, halte ich schlicht und ergreifend für eine Katastrophe.

(Beifall von CDU und FDP)

Das können Sie schon in den Protokollen des Bundestags nachlesen, da habe ich schon bei der Verabschiedung der Hartz IV-Gesetze eine andere Meinung vertreten. Ich gebe zu, dass auch in meiner Partei viele lange Zähne hatten – und vielleicht haben noch einige lange Zähne –, das Schonvermögen zu verändern. Aber dass sich die sozialdemokratische Fraktion des nordrhein-westfälischen Landtags dieser Formel nicht anschließen kann, kann verstehen, wer will, aber ich kann es nicht verstehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Es wäre für alle Parteien, denen wir angehören, ein schönes Zeichen aus dem Arbeitnehmerland Nordrhein-Westfalen Richtung Berlin gewesen – in Berlin wird diese Frage in allen Parteien ein bisschen anders diskutiert als in Nordrhein-Westfalen; das weiß ich wohl –, wenn der nordrhein-westfälische Landtag heute über alle Fraktionen hinweg – die Linken nehme ich da nicht so ernst; mit denen will ich auch nicht kuscheln, sondern höchstens Schlitten fahren –