Der Redebeitrag von Herrn Papke hat an dieser Stelle doch viel mehr Frage- als Ausrufezeichen gesetzt.
Herr Wittke, Sie haben – als Mitglied der CDUFraktion – gesagt, es sei fahrlässig, etwas anzukündigen oder zu favorisieren oder sich heute gar festzulegen. Aber genau das braucht der Ministerpräsident, wenn er heute Abend für NordrheinWestfalen, für Opel Bochum, für Opel Deutschland, für Opel Europa, für die Menschen und diese Region verhandeln und nordrhein-westfälische Zusagen festmachen muss. Genau dann muss er wissen, dass hier alle miteinander dahinterstehen.
Deshalb hat diese Aktuelle Stunde ihren Stellenwert. Deshalb ist es so wichtig, was Herr Papke gesagt hat: weil er deutlich gemacht hat, dass es keine Rückendeckung für den Ministerpräsidenten gibt,
(Beifall von der SPD – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Lösen Sie sich mal von Ihrem mitge- brachten Zettel!)
Ich habe keinen mitgebrachten Zettel. Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Im Unterschied zu Ihnen komme ich nämlich aus Bochum. Im Unterschied zu Ihnen bin ich sehr viel dort vor Ort.
Ich bin nicht nur eine Bochumer Abgeordnete – das wissen viele hier im Haus –, nein, ich bin auch eine, die 150 m Luftlinie vom Opelwerk I entfernt aufgewachsen ist.
(Ralf Witzel [FDP]: Das ist Sankt Florian in Reinkultur, was Sie hier vortragen! – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt seien Sie doch mal still!)
Ich bin eine – das wissen ganz wenige –, die überhaupt nur nach Nordrhein-Westfalen gekommen und eine Bochumerin geworden ist, weil meine Familie mit und wegen Opel 1962 von Hessen, von Groß-Gerau nach Bochum gezogen ist. Ich bin das, was man in Bochum und in der Region ein „Opelaner-Kind“ nennt.
Deshalb, Herr Papke und vielleicht auch Herr Wittke und auch Frau Thoben, geht diese Debatte im Unterschied zu vielen Kolleginnen und Kollegen keineswegs an mir vorbei. Es ist auch kein distanziertes Politikerverhalten, das ich hier an den Tag lege. Hier geht es ein Stück weit darum, dass ich ein sehr emotionales Verhältnis zu Opel und der Standortfrage habe.
Ich will noch einmal an 2004 und die machtvolle Demonstration von 20.000 Menschen in der Region für den Erhalt von Opel Bochum erinnern. Darum geht es. Diese Debatte ist deshalb wichtig, weil die Menschen in Bochum, die Beschäftigten von Opel, der Betriebsrat und auch der Ministerpräsident – ich will es noch einmal betonen –, ein Recht darauf haben, zu wissen, wie die Fraktionen dazu stehen.
Wir haben an keiner Stelle eine bedingungslose Überbrückungsbürgschaft zugesagt. Wir haben an keiner Stelle Hilfen ohne Bedingungen zugesagt.
Weil wir wissen, dass Opel Europa, Opel Bochum und Opel Deutschland nur eine Chance haben, wenn die Standortländer zusammenstehen, wollen wir eine gemeinsame Finanzierung in der Zeit, die wir überbrücken müssen, bis die privaten Investoren einsteigen können.
Es ist richtig, dass die Debatte heute erfolgt: an dem Tag, an dem abends die entscheidende Sitzung in Berlin stattfindet. Es ist wichtig, dass der Ministerpräsident Rückendeckung mitnehmen kann.
Deshalb, Herr Papke, bitte ich ganz herzlich, dass Sie Ihre Haltung an der Stelle noch einmal überdenken. Es geht um den Standort, es geht, wie Sie richtig gesagt haben, um Menschen. Es geht aber auch um die industriepolitische Zukunft NordrheinWestfalens.
Und es geht darum, ein klares Signal nach Bochum und auch nach Berlin zu senden, dass es eine Beteiligung von Nordrhein-Westfalen nur geben kann, wenn dieser Standort auch eine Zukunft hat. Eine Zukunft hat der Standort nur, wenn dort zwei Modelle produziert werden, der Zafira und der Astra, weil auf der Delta-Plattform auch der Ampera, das Auto der Zukunft, eine Chance hat und damit auch der Standort vernünftig aufgestellt werden kann.
In Bochum ist niemand so ignorant, zu glauben, es ginge ohne Arbeitsplatzabbau. Bereits im Standortsicherungsvertrag, erst recht aber in den im letzten Jahr geschlossenen Zukunftsverträgen ist der Abbau von Arbeitsplätzen als Teil des Konzeptes zum Erhalt des Standortes festgeschrieben worden. Deshalb ist vieles von dem, was hier unterstellt und gefordert wird, längst Realität in den Köpfen der Betriebsräte, längst Realität in den Köpfen der Belegschaften.
Das, was die Belegschaft heute braucht, ist eine eindeutige Entscheidung in Berlin für einen Investor, eine eindeutige Entscheidung in Berlin für den Erhalt des Standortes, eine eindeutige Entscheidung für möglichst viele Arbeitsplätze in Bochum.
Sie wissen es genauso gut wie ich: Weil die Investorenentscheidung untrennbar ist von der Entscheidung über staatliche Hilfen, braucht es das eindeutige Bekenntnis des nordrhein-westfälischen Landtages zu den Überbrückungshilfen. Das sehe ich bei Ihnen, Kolleginnen und Kollegen der FDP, nicht gegeben. So schaden Sie Bochum, so schaden Sie Nordrhein-Westfalen! Dazu können wir nicht Ja sagen.
Ich glaube aber, wir alle wären ganz gut beraten, wenn wir verbal ein bisschen abrüsten und als Politiker ein bisschen mehr Bescheidenheit an den Tag legen würden.
Sie tun so, als würde Opel schon dem deutschen Staat gehören, General Motors und die amerikanische Regierung hätten dort nichts mehr hineinzubrocken, hier, heute und jetzt müsse alles entschieden werden. Meine Damen und Herren, so ist es nicht.
Kollege Priggen, Ihr Antragstext erinnert mich und wahrscheinlich auch Sie ein bisschen an rot-grüne Zeiten, an Debatten und Streitkultur innerhalb der damaligen Koalition.
Sie können sicher sein: Schwarz-Gelb ist nicht zerstritten. Wir werden das so handhaben, wie wir das im Gegensatz zu Rot-Grün auch beim Kohleausstieg gehandhabt haben. Der Ministerpräsident wird die Verhandlungen führen. Wir als Koalition wünschen ihm dabei jeden Erfolg. Das Verhandlungsergebnis werden wir hinterher absegnen und mittragen. Ich bin sicher: So wie bei den Subventionsverhandlungen bei der Steinkohle wird es auch hier ein gutes Ergebnis geben.
Der Ministerpräsident hat immer signalisiert: Wir haben eine hohe Hilfsbereitschaft, um Arbeitsplätze bei Opel zu retten. – Voraussetzung für die Umsetzung dieser Hilfsbereitschaft waren aber von Anfang an Randbedingungen, die eingehalten werden müssen.
Kollege Wittke hat es schon angesprochen: Man kann denen nicht einfach einen Sack voll Geld vor die Tür stellen, aus dem sie sich bedienen sollen.
Um welche Randbedingungen geht es? Wir wollen keinen Mittelabfluss in die USA. Das ist hier wohl einvernehmlich. Wir wollen, dass ein geeigneter Unternehmer das Unternehmen Opel fortführt. Und wir wollen, dass ein zukunftsfähiges Konzept besteht, wir also nicht gutes Geld schlechtem hinterherwerfen, damit wir wirklich eine Chance haben, dass Opel in Deutschland und in Europa überlebt. – Das sind die Voraussetzungen.
Es ist natürlich sehr schwierig, sich mit den Eigentümern in den USA, mit General Motors und der amerikanischen Regierung, auseinanderzusetzen. Aus den letzten beiden Tagen empfehle ich Ihnen
zwei Artikel aus der Wirtschaftspresse zur Lektüre. Der eine stammt aus einer Wochenzeitschrift und lautet „Paid by Germany“. Der andere stammt aus einer großen Wirtschaftszeitung und heißt „Experten warnen vor Opel-Bietern!“ Das alles sollten Sie sich einmal gut durch den Kopf gehen lassen, damit Sie überhaupt wissen, worüber Sie hier überhaupt reden.