Sie wissen, dass ich – im Gegensatz zu anderen, die hier schon einem Ausverkauf das Wort geredet haben – immer gesagt habe: Wir müssen den Standort Düsseldorf versuchen einigermaßen über Wasser zu halten.
Ja, ich komme zum Schluss. – Die Grünen und die SPD haben da in den vergangenen Jahren einen Zickzackkurs gefahren. Fakt ist aber, dass von Ihrer Seite bisher kein schlüssiges Konzept vorliegt und auch nicht erkennbar ist.
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/9273. Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD, Grüne und der fraktionslose Kollege Sagel. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP. Gibt es jemanden im Raum, der sich enthalten will? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der CDU Herrn Kollegen Klein das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute wird, wenn es um Verfassungen geht, zunehmend eher zielbeschreibend diskutiert: Sport, Kultur und Tierschutz als Staatsziele. Das sind sicherlich ganz wichtige Fragen. Aber – ich denke, da geben Sie mir recht – das ist nicht der Kern einer Verfassung.
Der Kern einer Verfassung ist eher das Verhältnis zwischen Bürger und Staat: dem Staat Grenzen setzen, den Bürger vor Übergriffen des Staates schützen und ihn als Individuum mit Rechten definieren.
Die Schuldenbegrenzung scheint mir eher in diese Kategorie zu gehören. Natürlich diskutieren wir sie auch unter dem Aspekt einer Zielbeschreibung. Aber wichtiger ist die Schuldenbegrenzung im Sinne
Die künftigen Generationen brauchen diesen Schutz offensichtlich. Wir alle haben es in der Vergangenheit in unserem Land nicht geschafft, ausreichend Schutz für künftige Generationen aufzubauen. Die bisherige Entwicklung ist eine andere gewesen: Anfangs kam sie auf leisen Sohlen – Staatsverschuldung sozusagen als schleichendes Gift. Aber mit der Zeit spürt man die begrenzende Wirkung der Staatsverschuldung auf die aktuelle Freiheit.
Ich will den früheren schwedischen Premierminister Göran Persson zitieren, der das in den markanten Satz gepackt hat: Wer Schulden hat, der ist nicht frei. – Im Umkehrschluss heißt das: Schuldenbegrenzung sichert Freiheitsrechte.
Das sollte ein Kernbereich der Verfassung sein. Wir wollen, dass unsere Kinder und Kindeskinder die Zukunft unseres Landes frei gestalten können und eben nicht zu stark eingeschränkt sind.
Wir haben heute in Deutschland bereits die Situation, dass wir 1.600 Milliarden € Schulden haben – explizite Schulden, die als Kredit bzw. als Anleihe zurückzuzahlen sind. Die echten Schulden – auch das wissen wir alle – sind natürlich noch viel höher: aufgrund der impliziten Staatsschulden, die in Form von Pensionszusagen und vielen anderen Dingen noch obendrauf kommen.
Wir spüren auch in Nordrhein-Westfalen die Folgen der Schuldenlast. Rund 5 Milliarden € an Zinsen zu bezahlen, jeden zehnten Euro, den wir ausgeben können, sozusagen für Zinszahlungen reservieren zu müssen, engt den Spielraum natürlich schon heute ein. Deswegen müssen wir, wenn wir an die Zukunft denken, dafür sorgen, dass das nicht so weitergeht.
Das hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt, indem es dem Gesetzgeber in einem Urteil vom Juli 2007 mit auf den Weg gegeben hat – ich zitiere –: „Freilich ist an der Revisionsbedürftigkeit der geltenden verfassungsrechtlichen Regelungen gegenwärtig kaum noch zu zweifeln.“ Dies ergebe sich aus der Erfahrung – so heißt es weiter –, dass die staatliche Verschuldungspolitik in der Bundesrepublik in den seit der Finanz- und Haushaltsreform 1967/1969 vergangenen nahezu vier Jahrzehnten nicht antizyklisch agiert, sondern praktisch durchgehend einseitig zur Vermehrung der Schulden beigetragen habe. – So weit aus dem Urteil des Verfassungsgerichts.
Das beschränkt die Freiheitsrechte unserer Kinder. Das wird in Zukunft noch dadurch verstärkt, dass die demografische Entwicklung, was die Fähigkeit der künftigen Generationen betrifft, diese Schulden zu tragen, die Situation weiter verschärft.
Wir brauchen einen – ich will es einmal so sagen – Mentalitätswechsel, einen Paradigmenwechsel. Wir haben bereits im Jahr 2006 – zu Beginn der Diskussion über die Föderalismusreform bzw. der Arbeit der Kommission für die Föderalismusreform Pakt II – in diesem Landtag einen Antrag „Wider den Staatsbankrott“ eingebracht, mit der konkreten Bitte, sich dafür einzusetzen, den Ausnahmetatbestand des Grundgesetzartikels 115 Abs. 1 Satz 2 zu verändern, des Artikels also, der von den eigentlich ohnehin zu laschen Verschuldungsregeln noch Ausnahmen bietet, nämlich im Falle der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes noch weit mehr Schulden zu machen, als an Investitionen getätigt wird.
Zum einen zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass die Definition der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes sehr schwierig ist. Faktisch wurde sie immer dann ausgerufen, wenn das Geld zu knapp war, und weniger aus volkswirtschaftlichen Betrachtungen.
Zum anderen hat man auf der Basis dieser Regel den Eindruck – im Sinne keynesianischer, oft falsch verstandener Diskussionen und in dem Wunsch, mit Deficit-Spending die Probleme zu beseitigen –, Schulden zu machen sei auch noch gut und Sparbemühungen seien kontraproduktiv.
Hinzu kommt, dass der Wunsch, auf Länderebene die Frage des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch noch mehr Schulden anzugehen, zumindest, wenn man sich die kleineren Bundesländer anschaut, zur Karikatur wird. Das kann nicht funktionieren.
Darüber hinaus ist das, was zusätzlich finanziert worden ist, selten speziell dafür ausgegeben worden, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, sondern eher dafür, aktuelle Löcher zu stopfen. Es ist also richtig, dass diese Ausnahmeregel wegfällt.
Aber schon der Grundsatz, dass man immer so viele neue Schulden aufnehmen darf, wie man auch investiert, birgt wegen der Kameralistik ein großes Problem und ist die Begründung dafür, dass die Schulden immer weiter gewachsen sind. Die Regel heißt: Das, was investiert wird, kann auch mit Schulden finanziert werden. – Leider aber brutto und nicht netto! Ergebnis: Neue Generationen von Polizeiautos wurden – das zeigt der Blick in die Geschichte – so immer mit Schulden finanziert. Die Schulden sind immer noch da, und wir bezahlen heute noch Zinsen auf die Anschaffung der Polizeifahrzeuge aus den 60er-Jahren, die ihrerseits natürlich schon längst weg sind.
Also auch der Normalfall der Verfassungsregeln bringt schon eine eigentlich unangemessene Ausweitung von staatlichen Verschuldungsmöglichkei
ten. Dem müssen wir Einhalt gebieten. Deswegen ist das Ergebnis der Föderalismusreformkommission ein richtiger Schritt in die richtige Richtung: weil es darum geht, Freiheitsrechte künftiger Generationen zu sichern. Wenn es trotz, aber vielleicht gerade auch wegen der aktuellen Wirtschaftskrise gelingt, das auf Berliner Ebene jetzt tatsächlich umzusetzen, dann ist das wirklich wichtig und sinnvoll. Wir sollten ähnliche Schritte bei uns in NordrheinWestfalen tun.
Der getroffene Kompromiss einer künftigen Schuldengrenze sieht eine Neuverschuldung für die Bundesländer ab 2020 von null vor, also ein komplettes Verbot von Neuverschuldung. Der Bund kann noch eine Defizitobergrenze von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts vorübergehend realisieren. Diese Schuldenregeln orientieren sich an den Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes und berücksichtigen strukturelle und konjunkturelle Sondersituationen der einzelnen öffentlichen Haushalte. Das Atmen der Haushalte bleibt weiterhin möglich. Das ist auch wichtig, um in Notsituationen wie dieser auch künftig eine entsprechende Möglichkeit offenzuhalten.
Richtigerweise gab es noch größere Erwartungen an die Föderalismuskommission, etwa die, den Ländern auch steuerrechtliche Kompetenzen zu geben. Das ist nicht gelungen. Trotzdem ist es wichtig, den jetzt gefundenen Kompromiss gerade in der gegenwärtigen Krise in Gesetzen und in Verfassungsänderungen festzuschreiben. Auch eine Landesregierung ist nur so lange handlungsfähig – und das zu jeder Zeit –, wie die öffentlichen Haushalte tragfähig sind und künftige Generationen ihren Handlungsspielraum behalten.
Bei der Diskussion um diesen Antrag und über dieses Thema bei uns im Landtag geht es jetzt nicht darum, Versäumnisse der letzten 40 Jahre zu adressieren. Deswegen habe ich das auch bewusst nicht getan. Es geht jetzt darum, gemeinsam den Blick nach vorne zu richten und gemeinsam die Frage zu diskutieren, wie wir die Freiheitsrechte künftiger Generationen sichern müssen.
Deswegen möchten wir mit diesem Antrag erstens die Landesregierung auffordern, dem gefundenen Kompromiss im Bundesrat zuzustimmen, und zweitens – und das ist vielleicht noch wichtiger – den Startschuss geben, gemeinsam mit allen hier im Landtag darüber zu reden, wie wir die Umsetzung in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung realisieren können. Das betrifft die Weiterentwicklung des Kernbereichs unserer Landesverfassung, es geht um die Freiheitsrechte künftiger Generationen. Wir laden alle recht herzlich ein, gemeinsam darüber zu reden. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Monaten hätten wir alle es sicherlich nicht für möglich gehalten, dass die langwierigen und in weiten Teilen zumindest verfahren erscheinenden Verhandlungen über eine Reform der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen in der Föderalismuskommission II doch noch zu einem Ergebnis kommen würden.
Obwohl von Beginn der Verhandlungen an wichtige Ansätze wie zum Beispiel die Reform eines Länderfinanzausgleichs oder Überlegungen, wie freiwillige Ansätze für eine Länderneugliederung gestärkt werden könnten, in dieser Föderalismuskommission ausgeklammert wurden, erschien allein in Bezug auf den im Mittelpunkt der Beratung stehenden Schwerpunkt der Begrenzung der Verschuldung die Materie so komplex und von so vielen Interessen beeinflusst, dass lange nicht von einem Erfolg der Beratungen auszugehen war. Von daher sind wir froh und begrüßen die nun gefundenen Kompromisse ausdrücklich als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Auch wenn sich die FDP an einigen Stellen weitergehende Regelungen hätte vorstellen können – auf ein paar Einzelheiten werde ich gleich noch eingehen –, ist die nun gefundene neue Schuldenregelung doch um ein Vielfaches besser als der bisher geltende Status quo.
Lassen Sie mich kurz am Beispiel unseres Landes Nordrhein-Westfalen zeigen, wie wichtig die gefassten Beschlüsse sind und warum wir sie nach meiner Überzeugung auch bei uns so schnell wie möglich umsetzen sollten:
Wie in den meisten anderen Bundesländern und insbesondere auch im Bund hat der nordrheinwestfälische Haushaltsgesetzgeber seit Anfang der 70er-Jahre Jahr für Jahr neue Schulden zur Deckung der Ausgaben aufgenommen. Besonders extrem wurde es in den 90er-Jahren. Allein in den zehn Jahren zwischen 1995 und 2005 hat der damalige nordrhein-westfälische Haushaltsgesetzgeber 48 Milliarden € Schulden gemacht und damit die bisherige Schuldenlast fast verdoppelt.
Meine Damen und Herren, daraus resultieren heute Zinsbelastungen für die laufenden Haushalte von fast 5 Milliarden €. Wir geben 5 Milliarden € nur für Zinsen aus; keine Tilgung. Dieses Geld fehlt uns natürlich schmerzlich in wichtigen Bereichen wie Bildung, Ausbau von Infrastruktur, Forschungsförderung oder bei einer der Leistung angemessenen Bezahlung der Beschäftigten und an ganz vielen anderen Punkten. Selbst wenn wir mit jährlich 100 Millionen € in die Tilgung des Schuldenberges
einstiegen, benötigten wir immer noch 1.000 Jahre, bis dieser Schuldenberg abgetragen wäre, zumindest bei den heutigen Preisen und beim jetzigen Zinsniveau.
Eines muss man klar sagen: Die bisherige Schuldenregelung, nach der eine reguläre Kreditaufnahme bis zur Höhe der Bruttoinvestitionen erlaubt wird, ist eigentlich die Beschreibung einer Ausnahme und keineswegs ein Gebot, sich Jahr für Jahr in diesem Maße zu verschulden.
Weil dies eine politisch Fragestellung ist, ist es auch an der Zeit, das zu tun, was wir in den letzten Jahren bereits gemacht haben, als die Steuereinnahmen es begünstigten: die Nettokreditaufnahme herabzuführen. Im Jahr 2008 hätten wir – Sie wissen dies – einen ausgeglichenen Haushalt erreicht, der ohne Neuverschuldung ausgekommen wäre, hätten wir nicht die gerade schon angeklungene dringend notwendige Vorsorge für sich möglicherweise realisierende Risiken bei der WestLB oder nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz treffen müssen.
Meine Damen und Herren, wir müssen unabhängig von der Frage der Verfassungsregelung ohne jeden Zweifel mit einer sparsamen Haushaltsführung und einer strukturellen Konsolidierung des Landeshaushalts fortfahren. Wir müssen auch in vermeintlich guten Jahren mit Sicherheit jeden Euro zweimal umdrehen und überlegen, ob Ausgaben tatsächlich notwendig und nachhaltig sinnvoll sind.
Der jetzt gefundene Kompromiss erlegt den Ländern einen absoluten Verzicht auf strukturelle Verschuldung auf, lässt dem Bund aber durchaus einen Spielraum – dies ist ein Kritikpunkt, den wir aus Sicht der Länder artikulieren müssen –, eine strukturelle Neuverschuldung in Höhe von 0,35 % des BIP vorzunehmen, was im Klartext immer noch 8 Milliarden € wären. Ich wünschte mir, dass sich der Bund in die gleiche Disziplin einreihte, die er uns Ländern auferlegen will.
Es ist eine Tatsache, dass gerade auf der Bundesebene und schwerpunktmäßig im Bundesfinanzministerium das Prinzip der Generationengerechtigkeit, in Zukunft ohne neue Schulden auszukommen, zumindest noch auf Akzeptanzprobleme stößt. Ich halte es für völlig inakzeptabel, wenn seitens einiger Gruppierungen im politischen Wettbewerb die Diskussion losgebrochen wird, ob man die Schuldenregelung auch für die Länder aufweichen will. Wenn wir die Schuldenregelung an dieser Stelle aufweichten, wäre dies ein qualitativer Rückschritt. Wir wollen deswegen eine solche Aufweichung der Verschuldungsregelung auf keinen Fall ermöglichen.