Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

(Minister Dr. Helmut Linssen: Gerne!)

Es wäre jetzt der Zeitpunkt gewesen, auf die vielen Fragen, die Ihnen gestellt worden sind, einzugehen. Das zeigt schon, welches Verständnis Sie und die Koalitionsfraktionen außerdem in die Debatte einbringen. Es ist wirklich jämmerlich.

(Beifall von der SPD)

Ich möchte mich zunächst dem Verhalten von CDU und FDP, allerdings in der gebotenen Kürze, widmen, weil das, was sie heute mit ihrem Antrag, der ursprünglich – so war es in der Tagesordnung ausgewiesen –, ein Entschließungsantrag hätte sein sollen, abgeliefert haben, ein wirklich peinliches Schauspiel war.

(Beifall von der SPD)

Der Kollege FDP-Fraktionsvorsitzende Papke hat den Antrag erst nach intensiver und erregter Debatte mit den Herren Optendrenk und Derix vom Finanzministerium um 14:42 Uhr dort an seinem Platz unterschrieben. Dass er das zu diesem Zeitpunkt getan hat, zeigt doch...

(Minister Dr. Helmut Linssen: Wer hat den unterschrieben?)

Kollege Papke, es ging hier um einen Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, was Ihnen vielleicht, Herr Minister, in der Debatte nicht entgangen sein dürfte.

Dass der Antrag zu diesem Zeitpunkt gestellt wurde, dokumentiert – bei normalem Verlauf der Debatte hätten die Kolleginnen und Kollegen von Grünen und SPD Sie, Herr Finanzminister, in der Fragestunde nicht so lange gegrillt –, dass Sie einfach nicht früher zu Potte gekommen sind. Das ist der wahre Hintergrund dieser langen Dauer.

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, sind sich, bezogen auf die Zukunft der WestLB, schlicht nicht einig.

(Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Exakt!)

Sie haben sich gezankt wie die Kesselflicker und müssen jetzt hier dokumentieren, dass Sie sich letztlich auf Formelkompromisse verständigt haben.

Denn was steht in Ziffer 3 Ihres Antrags drin? Es heißt, dass Sie entweder die Landesbank bis Ende 2011 verkaufen wollen oder aber in den Konsolidierungsprozess der Landesbanken einbringen wollen.

Herr Kollege!

(Zuruf: Meine Güte!)

Meine Güte! Das sagt doch die EU-Kommission in ihrem Umstrukturierungsplan für die WestLB längst. Ein reines Nachbeten dessen, was die EU-Kommission macht, ist nun wirklich keine besondere Neuigkeit. Sagen Sie doch endlich, was Sie wollen: Wollen Sie es verkaufen, wollen Sie es in den Konsolidierungsprozess einbringen, oder was wollen Sie sonst? Diese Antwort sind Sie dem Parlament bislang immer noch schuldig geblieben.

Dies gilt erst recht, als Ihr Ministerpräsident Rüttgers noch Anfang Juni nach den Gesprächen mit dem Bund ganz großspurig und vollmundig von einem politischen Durchbruch in Sachen Konsolidierung der Landesbanken gesprochen hat und sein Kollege, der Ministerpräsident Oettinger, sogar noch der Meinung war, schon in den nächsten Tagen werde ein Konzept vorgelegt werden, auf dessen Grundlage man über die weitere Zukunft der Landesbanken werde entscheiden können.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Papke?

Jetzt haben wir Ende Juni, und Sie sind immer noch nicht in der Lage, wenigstens ungefähr zu sagen, wohin Sie wollen. – Aber ich bin sicher, Herr Kollege Papke, in Ihrer Zwischenfrage werden Sie das tun.

Herr Kollege Börschel, jetzt erklären Sie mir doch einmal – ich bin auf Ihre Antwort wirklich gespannt –, woher Sie wissen wollen, welche Dokumente ich auf meinem Abgeordnetenplatz um 14.42 Uhr unterschrieben habe. Das erklären Sie mir und dem Parlament doch bitte einmal!

Sagen Sie mir doch einfach, ob ich nicht recht habe und falsch liege.

(Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]:Klasse! Schachmatt, Herr Papke! – Dr. Gerhard Papke (FDP): Das ist ganz einfach!)

Herr Kollege Börschel, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage von Herrn Dr. Papke?

Bitte schön, Herr Dr. Papke.

(Zuruf von der SPD: Antworten Sie!)

Ist diese Antwort wirklich Ihr Ernst, Herr Kollege Börschel? Heißt das, Sie setzen einfach als Parlamentsredner hier im Landtag Nordrhein-Westfalen irgendeine Behauptung in die Welt und stellen mir dann die Frage, ob es richtig sei, was Sie behauptet hätten? Ist das parlamentarischer Stil? Ist das Ihr Ernst?

(Gisela Walsken (SPD): Das ist doch vertrauter Stil, Herr Kollege!)

Herr Kollege Papke, ich weiß gar nicht, warum Sie sich jetzt so aufregen. Sagen Sie mir doch: Habe ich recht, oder habe ich unrecht? Mein Sitzplatz ist ungefähr vis à vis des Ihren, allerdings – das gebe ich zu – zwei Reihen hinter dem Ihren, aber auf der gegenüberliegenden Seite. Mein Sehvermögen lässt noch das eine oder andere zu; ich habe die Uhr im Blick und deshalb die Uhrzeit zitieren können. Ich habe einigermaßen im Blick, mit wem Sie hier im Plenum reden, jedenfalls solange Sie das unter den Augen auch der werten Gäste dieses Hauses tun, somit auch unter meinen Augen. Ich kann auch mitbekommen, wenn Sie etwas unterschreiben, und vielleicht habe ich sogar Glück und bekomme mit, was Sie unterschreiben. Deswegen sagen Sie doch einfach, ob das richtig ist oder ob das falsch ist. Dann können wir das ja weiterhin debattieren.

(Lachen bei der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Schön! Hervorragend!)

Ich will mich aber eigentlich gar nicht so sehr an diesem konfusen Schauspiel von CDU und FDP abarbeiten, sondern mich bei einer Frage wie dieser und der Vorlage der Landesregierung logischerweise ihr, also der Regierung, und insbesondere Herrn Minister Linssen zuwenden.

Welches Spiel spielen Sie eigentlich, Herr Minister, wessen Interessen vertreten Sie? Ich will nur ganz kurz auf das eingehen, was Frau Kollegin Löhrmann gerade schon gesagt hat: Nach Art. 28 des Grundgesetzes und nach Art. 1 unserer Landesverfassung sind die Gemeinden integraler Bestandteil des Landes Nordrhein-Westfalen. Das heißt, dass Sie als Minister dieses Landes, der einen Amtseid auf die Landesverfassung und die Gesetze geschworen hat, deren Interessen sowohl unmittelbar als auch als Träger von Sparkassen mit zu beachten haben. Sie tun aber fortgesetzt nichts anderes, als deren Interessen mit Füßen zu treten. Sie scheren sich einen Dreck darum, und das ist ein Skandal. Das muss an dieser Stelle gesagt werden.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben außerdem, Herr Minister Linssen, eben in Ihrem bislang einzigen Debattenbeitrag gesagt, die Garantie, die jetzt im Außenverhältnis allein das

Land abgibt, solle innerhalb des nächsten halben Jahres abgelöst werden. Aber Sie haben keinerlei Absicherung dafür – jedenfalls habe ich davon bislang nichts gehört –, dass dies auch so passieren wird. Das heißt, Sie sind auf der einen Seite in der Pflicht, eine unbefristete Garantie abzugeben – das haben wir gerade von Ihnen gelernt –, und auf der anderen Seite verlassen Sie sich auf eine in einem sonntäglichen Gespräch gemachte mündliche Zusage, dass das Ganze innerhalb des nächsten halben Jahres wie auch immer in eine Bundeslösung überführt werden solle. Sie können uns hier nichts anderes als die Aussage bieten, irgendjemand habe Ihnen das telefonisch bestätigt, und sei es auch der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Finanzdienstleistungswesen. Bei einem 4-Milliarden€-Garantieschirm müssen Sie ein bisschen mehr machen, als uns hier von Telefonaten zu erzählen und zu schreiben. Das hat der Landtag NordrheinWestfalen allemal verdient.

(Beifall von der SPD)

Sie haben ferner – darauf habe ich gerade rekurriert – darauf hingewiesen, dass die Garantie unbefristet abgegeben werden müsse, und auf meine Frage von vorhin hier dargelegt, wenn das nicht alle anderen, also diejenigen, auf die Sie hier mit Ihrer Garantie Rückgriff nehmen wollen, auch täten, dann stünden wir vor einem sehr ernsten Problem. So ähnlich habe ich Ihre Antwort eben mitgeschrieben.

Da stehen Sie jetzt; denn mit dem Beschluss des WestfälischLippischen Sparkassen- und Giroverbandes von heute ist Ihr Gesetz sozusagen den Bach runtergegangen. Der Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband hat gesagt: Wir befristen diese interne Garantie gegenüber dem Land bis zum 30. November 2009. Sie müssen also unbefristet garantieren, die machen es befristet. Sie sagen, wenn es nicht alle so täten, hätten wir ein Problem. Jetzt haben Sie das, Herr Minister. Sagen Sie hier und heute dem Parlament und den Menschen in Nordrhein-Westfalen, was das für Sie heißt und welche Schlussfolgerungen Sie daraus ziehen. Das sind Sie allemal allen Beteiligten hier schuldig. Sie können es nicht; jedenfalls haben Sie es bislang nicht getan.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Mit Blick auf die Zeit mein vorläufig letzter Punkt: Auch Ihre seit Wochen und Monaten immer wieder angelegte Strategie der konsequenten Verharmlosung dieses Thema wird immer lächerlicher und geht ebenso wie Ihr Gesetz gerade den Bach runter. Sie haben immer wieder darauf hingewiesen – das ist ja, wenn man es isoliert betrachtet, in der Sache nicht falsch; es geht mehr um den Eindruck, den Sie erwecken wollen –, dass bislang von den auf den Phoenix-Schirm bezogenen Garantien erst 280 Millionen € fällig geworden seien. So weit, so gut!

Sie wollten damit den Eindruck erwecken, es sei alles nicht so schlimm. Nur vor diesem Hintergrund hat es damals diese 5-Milliarden-€-Garantie gegeben, die im Außenverhältnis auch das Land abgegeben hat – 2 Milliarden € davon quotal, 3 Milliarden € allein auf Risiko des Landes –: weil Sie uns in allen Gremien immer wieder gesagt haben, das werde ohnehin nicht kommen, wir sollten uns keine Sorgen machen, alles sei nicht so schlimm. Das heißt, schon damals lagen Sie gründlich daneben.

Jetzt kommt ein weiterer Garantieschirm von 4 Milliarden € obendrauf, und Sie sagen wieder: äußerst unwahrscheinlich. Eben haben Sie gesagt, das Risiko, dass davon irgendwann einmal etwas gezogen werden müsste, gehe nahe null. Glauben Sie im Ernst, dass wir Ihnen diesen Kram noch abnehmen? Ich hoffe nicht, dass Sie das tun.

(Beifall von der SPD)

Sie haben außerdem in den letzten Tagen und Wochen immer wieder schriftlich und mündlich den Eindruck erweckt, aus heiterem Himmel habe die BaFin irgendwelche Kriterien geändert, und gesagt, man könne nichts machen, es sei eine Bundesaufsichtsbehörde, und deswegen müsse man jetzt diese weiteren 4 Milliarden € Garantieschirm geben. Zum ersten Mal – ich muss es jedenfalls von meiner Seite aus so sagen – habe ich heute von Ihnen gehört, dass Ihnen schon sehr viel länger bekannt war, dass es nach allen Berechnungsmethoden, die eigene Stellen – Ihr Haus, die WestLB und andere Eigentümer – angestellt haben, mit den 5 Milliarden € aus der ersten Tranche des Risikoschirms langsam eng wurde.

(Horst Becker [GRÜNE]: 4,9!)

Bestreiten Sie das, oder bestreiten Sie das nicht, Herr Minister? Sagen Sie es noch einmal klipp und klar! Ich glaube, ganz langsam ist dieses Haus auch in der Pflicht, etwas genauer zu untersuchen, wann sie eigentlich was wussten, wie Sie hier das Parlament für dumm verkaufen wollen und wie Sie hier tricksen, täuschen und tarnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihnen, Herr Minister, ist im Ergebnis – das kann ich festhalten – das Management in Sachen WestLB, Konsolidierung der Landesbanken und Risikonahme total entglitten. Ich meine, Sie sollten sich langsam überlegen, ob Sie sich dieser Aufgabe weiterhin gewachsen fühlen.

(Heiterkeit bei CDU, FDP und Minister Dr. Helmut Linssen)

Diese Frage muss gestellt werden. Beantworten Sie sie! – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)