Protokoll der Sitzung vom 24.06.2009

Im Zusammenhang mit der neu zu übernehmenden Garantie werden auch Änderungen bei der Zweck

bestimmung des Risikofondsgesetzes erforderlich, um die dort angesammelten Mittel – Sie wissen, dass wir bereits 936 Millionen € im WestLB-Fonds und ca. 350 Millionen € im Fonds für Finanzmarktstabilitätsrisiken angesammelt haben – für eventuelle Inanspruchnahmen aus der neuen Garantie verwenden zu können.

Die Erweiterung der Zweckbestimmung steht in engem sachlichem Zusammenhang mit der aufgrund des ersten Nachtragshaushaltsgesetzes 2008 erklärten Garantie. Der Vorsorgecharakter findet in gleichem Maße Anwendung. Es handelt sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, da – wie bereits ausgeführt – auch die BaFin die tatsächliche Ausfallwahrscheinlichkeit als äußerst gering betrachtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die WestLB AG ist gut in das Jahr 2009 gestartet. Im ersten Quartal hat die Bank ein Ergebnis von 250 Millionen € ausgewiesen. Die positive Entwicklung hat sich Gott sei Dank auch in den Folgemonaten fortgesetzt. Das kürzliche Downgrading auf BBB+ hat die Bank gut verkraftet. Bislang gab es keine nennenswerten Auswirkungen auf die Liquiditätssituation.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Asch?

Gerne, bitte schön.

Bitte schön, Frau Asch.

Danke, Herr Minister Linssen, ich habe zwei Fragen.

Wir können hier nur eine Frage zulassen.

Aber Sie können sich noch einmal melden, Frau Asch.

Auch da haben wir nach unserer Geschäftsordnung nur einen gewissen Spielraum. Herr Minister, das entscheiden wir dann von hier aus. – Frau Asch, Sie stellen bitte Ihre Frage.

Herr Linssen, das Erfordernis, erneut einen Garantieschirm von 4 Milliarden € für die WestLB zur Verfügung zu stellen, erwächst aus den – wie Sie es beschrieben haben – sich verschärfenden Berechnungsmethoden der BaFin.

Ich frage Sie und möchte gerne wissen, ob Sie das in den sehr intensiven Verhandlungen, die Sie mit der BaFin und dem Bundesbankpräsidenten Weber hatten, zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht haben. Was war der konkrete Anlass der BaFin, diese Berechnungsparameter für den erwarteten Verlust der Zweckgesellschaft Phoenix zu verändern? Das erscheint zunächst einmal relativ willkürlich. Ich frage Sie: Haben Sie das mit der BaFin diskutiert? Was sind die Ihnen vorliegenden Erkenntnisse? Haben Sie das so akzeptiert? Haben Sie es so akzeptiert, dass die Berechnungsmethoden modifiziert wurden?

Bitte schön, Herr Minister.

Selbstverständlich, Frau Asch. Ich kann Ihnen sogar sagen, dass die Diskussion über diese Frage, die ich aufgeworfen habe, die erste Stunde unseres Zusammentreffens am Freitagabend eingenommen hat. Mir war das genauso unverständlich wie Ihnen, wie man „aus heiterem Himmel“ – so habe ich es formuliert – zu solchen veränderten Berechnungen kommt. Die BaFin hat uns erklärt, sie hätte solche Berechnungen intern immer so angestellt. Sie hat aber die Berechnungen der Bank jedenfalls nie zurückgewiesen, sodass wir im letzten Jahr immer auch von den Zahlen der Bank ausgegangen sind.

Die Begründung für die Verschärfung war, dass man den Expected Loss nicht mehr über ein Jahr, sondern über die ganze Lebensdauer des Portfolios gerechnet hat. Das war eine Veränderung. Dazu genommen hat man die Hälfte eines Unexpected Loss, eines unerwarteten Verlustes. Das war immer so.

Auf die Frage nach dem Warum, Weshalb, Wieso war die Antwort: Das ist freie Ermessensentscheidung der BaFin, in Anbetracht der Rating-Drift so zu verfahren. Angesichts der schwierigen Lage auf den Finanzmärkten seien sie der Meinung, dass das richtig sei. Das hat zu den Konsequenzen geführt, die uns alle – auch den Landschaftsverband Rheinland, dem Sie angehören – seitdem in Atem halten.

Herr Minister, es gibt noch eine zweite Zwischenfrage von Herrn Börschel. Herr Börschel, es steht in der Geschäftsordnung, dass nicht mehr als zwei Nachfragen in einem Zusammenhang zugelassen werden sollen. Daran will ich mich halten. Aber diese Nachfrage könnten Sie – wenn es der Minister gestattet – nach meiner Entscheidung noch stellen. Herr Minister, gestatten Sie die Zwischenfrage?

Bitte.

Bitte schön, Herr Börschel.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, so hatte ich auch gerechnet. Nur deshalb habe ich mich gemeldet. Das aber gehört noch zu den einfacheren Teilen der Rechnungen, die wir heute hören.

Herr Minister, vor dem Hintergrund des eben auf die Frage von Frau Asch Geantworteten möchte ich nachfassen: Bestreiten Sie denn, dass es in den Gremien der Bank und damit auch von der WestLB gegenüber den Eigentümern in den letzten Wochen und Monaten sich konkretisierende und verschärfende Hinweise darauf gegeben hat, dass der bisher gegebene Garantierahmen von 5 Milliarden € nicht ausreichen könnte und insofern Ihre Aussage, dass die neue Beurteilung der BaFin sozusagen „aus heiterem Himmel“ gekommen sei, nicht so recht haltbar ist?

Nein, ich bestreite überhaupt nicht, dass es warnende Hinweise des Vorstandes gegeben hat. Selbstverständlich! Schließlich haben wir auch die Zahlen vorgelegt bekommen – auch die der unterschiedlichen Institutionen, die damit beschäftigt sind. Ich nenne nur PIMCO – dem einen oder anderen von Ihnen bekannt –, den Asset-Manager des Phoenix-Portfolios, und die WestLB selber, wobei bisher immer die WestLB entscheidend war. Auch ihre Berechnungen liegen nach wie vor unter 5 Milliarden €. Es ist aber natürlich zu erwarten gewesen, dass im Zeitablauf – spätestens im dritten Quartal – diese Probleme bei weiterem Verlauf der Rating-Drift in dieser Form entstehen würden.

Mir war auch immer klar, dass wir bis zum 30. Juni dieses Jahres solche Entscheidungen treffen mussten. Durch die Initiative der BaFin sind sie jetzt etwas vorverlagert worden – allerdings mit einer Wucht, die in den Gremien der Bank so nicht zu erwarten war.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zukunft der WestLB wird maßgeblich durch die EUEntscheidung vom 12. Mai 2009 beeinflusst. Danach muss die Bank die Hälfte der Bilanzsumme und der risikogewichteten Aktiva abbauen. Die verbleibende Kernbank, der die Kommission ein tragfähiges Geschäftsmodell bescheinigt hat, wird entweder komplett in ein Konzept einer Konsolidierung der Landesbanken überführt oder bis Ende 2011 diskriminierungsfrei veräußert.

Die 4-Milliarden-€-Garantie ist Teil der Auslagerungslösungen, durch die die Bilanzsumme abgebaut werden soll und eine gesunde Kernbank erhalten bleiben soll.

Das Risiko einer Inanspruchnahme wird – ich betone es noch einmal – als gering angesehen. Zum

einen ist die Übergangsgarantie faktisch befristet – aber nur faktisch, Herr Börschel; Ihre Frage zielte ja sehr wahrscheinlich auf die Befristung ab, die man sich jetzt offensichtlich andernorts ausdenkt – bis zur Auslagerung der Vermögenswerte auf eine bundesgesetzliche Lösung. Zum anderen hat die BaFin eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit bis zum Jahresende bestätigt.

Eine zielführende Alternative zu der zusätzlichen Garantie besteht nicht, meine Damen und Herren. Das will ich Ihnen klar und deutlich sagen, ohne jetzt weitere Ausführungen machen zu müssen. Diejenigen, die in den Gremien sind, wissen aber, dass es keine Alternative gibt. Ohne diese Garantie wären bei der WestLB aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu erwarten, und der Weg hin zu einer Konsolidierung im Landesbankensektor könnte nicht weiterverfolgt werden.

Nicht zuletzt im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bank bitte ich deshalb um Ihre Unterstützung. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Walsken das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Thema Westdeutsche Landesbank entwickelt sich zur unendlichen Misserfolgsgeschichte der Landesregierung Dr. Rüttgers. Es hat sich bitter gerächt, dass Sie vor drei Jahren dem Wunsch der Mehrheitseigentümer, der Sparkassenverbände, nicht gefolgt sind, in den Fusionsprozess mit der Landesbank Baden-Württemberg einzutreten.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Bis zum heutigen Zeitpunkt ist keine Lösung für die Westdeutsche Landesbank in Sicht. Als wir vor über einem Jahr in diesem Hause über den ersten Rettungsschirm diskutiert haben, wollten Sie die Fusion mit der Landesbank Hessen-Thüringen. Dazu mussten die Eigentümer damals – so Ihr Wortbeitrag – 5 Milliarden € an Garantien und Bürgschaften auch aus dem Landeshaushalt bereitstellen.

Mittlerweile steht die Westdeutsche Landesbank unter Auflagen der EU-Kommission und der Bankenaufsicht, wie wir gerade noch einmal deutlich gehört haben. Ohne dass es eine neue Zukunftsperspektive für die Bank gibt, sollen wir jetzt erneut einen Rettungsschirm beschließen, der die alte Summe nahezu verdoppelt.

Damals haben Sie dem Parlament im Ausschuss versichert, der erste Rettungsschirm sei ausreichend. Herr Minister, die Halbwertzeit Ihrer Einschätzungen geht deutlich gegen null.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Deshalb sind wir außerordentlich skeptisch, jetzt erneut eine große Bürgschaftssumme vorzusehen. Das Parlament ist bis heute nicht in der Lage, weder die neue Summe nachzuvollziehen noch die Entwicklung des alten Rettungsschirmes zu beurteilen, weil Sie mit Ihrer Mehrheit in diesem Hause eine parlamentarische Kontrolle oder ein parlamentarisches Kontrollgremium abgelehnt haben.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Fordern Sie endlich mit mir einen Untersuchungsaus- schuss! Da machen Sie ja nichts!)

Meine Damen und Herren, die Zukunft der WestLB steht auf Messers Schneide. Die CDU-geführten Bundesländer sind bis zum heutigen Tage nicht ernsthaft auf dem Weg, ein Konzept zur Konsolidierung oder Fusion der Landesbanken vorzulegen. Noch vor etwa zwei Wochen hatte Ministerpräsident Dr. Rüttgers von einem sogenannten Durchbruch in den Gesprächen mit seinen Kollegen geredet. Das war außerordentlich vorlaut, wie sich heute zeigt – genau wie 2007 die „Chefsache WestLB“.

Die Eigentümer von BayernLB, HSH Nordbank und Landesbank Baden-Württemberg haben bis heute kein Konzept vorgelegt, wie es denn weitergehen soll. Jetzt ist es Aufgabe des Ministerpräsidenten dieses Landes, von Herrn Dr. Rüttgers, sich endlich – notfalls mithilfe der Kanzlerin – zum Wortführer einer Landesbankenkonsolidierung in der Bundesrepublik zu machen. Es ist fünf nach zwölf, weil mittlerweile durch das inkompetente Agieren der Landesregierung die Gefährdung der öffentlich-rechtlichen Bankensäule und der Sparkassenlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland ansteht.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Was macht Steinbrück?)

Meine Damen und Herren, die Erhöhung des Garantieschirms kann zu einer schweren Belastung für die Sparkassen in unserem Lande werden. Deshalb muss sichergestellt sein, dass die Erhöhung der Garantie zu keiner Belastung der Risikotragfähigkeit der einzelnen Sparkassen in Nordrhein-Westfalen führt. Außerdem muss die Bundesregierung deutlich garantieren, dass die Überführung des PhoenixPortfolios des Schirmes in den Bundesschirm möglich sein muss.

Für uns gilt ausdrücklich: Es darf zu keiner Benachteiligung der Landesbanken gegenüber den privaten Banken kommen, wenn es um die Bedingungen für das Auslagern sogenannter toxischer Papiere geht.

(Beifall von der SPD)

Dazu muss es in Berlin bis zum 3. Juli 2009 eine Nachbesserung der gesetzlichen Regelung des Bad-Bank-Gesetzes im Hinblick auf eine Gleichbehandlung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors mit den privaten Banken geben.

Dabei ist für uns glasklar: Eine tragfähige Konsolidierung der WestLB ist nur unter Ausschluss sämtlicher Vertikalisierungsmaßnahmen mit den Sparkassen möglich. – Das ist für uns Bedingung.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, zum heutigen Zeitpunkt ist aus unserer Sicht eine Entscheidung über die Aufstockung des Rettungsschirms um weitere 4 Milliarden € unmöglich, weil es eine Fülle von Rahmenbedingungen gibt, die bis jetzt nicht abschätzbar sind.

Dazu gehört auch das von Ihnen heute gewählte und damit zu verantwortende parlamentarische Verfahren. Sie wollen heute von uns einen Blankoscheck über 4 Milliarden € ohne ordentlichen Abschluss der Haushaltsplanberatungen. Wir hatten Ihnen eine Sondersitzung angeboten. Wir hatten Ihnen angeboten, den Nachtrag in einem ordentlichen Verfahren zu verabschieden. Alle Eigentümer, die Sparkassenverbände Westfalen und Rheinland – Rheinland hat heute Morgen geschlossen –, die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen, sind bereit, diese Entscheidung in Sondersitzungen bis Ende Juni vorzubereiten. Sie, meine Damen und Herren, verabschieden sich in die Sommerpause und wollen den Nachtrag erst im September verabschieden. Ich halte dieses Verfahren für dilettantisch,