Protokoll der Sitzung vom 25.06.2009

Man darf sich fragen, ob die Initiative für den Streik von den Schülern und Studenten selbst kommt. Streiken Schüler etwa gegen 6.915 zusätzlich geschaffene Lehrerstellen in NRW

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Stellen! Sie lernen es nie!)

oder gar gegen weitere 950 Stellen, die noch dazukommen werden?

(Sören Link [SPD]: Davon ist die Hälfte noch nicht einmal besetzt!)

Streiken sie dagegen, dass fast 800 Klassen unter der Verantwortung von FDP und CDU verkleinert und unter die 30-Schüler-Marke geführt worden

sind? Streiken sie dagegen, dass Gelb-Schwarz sie vor der von Rot-Grün noch im Dezember 2004 beschlossenen Streichung von 16.000 Lehrerstellen bewahrt hat? Streiken sie gegen weniger Unterrichtsausfall? Dieser ist von 4,4 % auf 2,0 % zurückgegangen; das ist mehr als eine Halbierung.

(Hannelore Kraft [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Haben Sie das vergessen, Frau Kraft? Dass es immer noch Verbesserungspotenzial gibt, ist doch klar.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Darüber lachen sogar die Schüler!)

Wer die Pressemitteilungen von Frau Löhrmann und von Frau Schäfer lesen musste, der konnte sich eines armseligen und anbiedernden Eindrucks nicht erwehren. Da vergießt ausgerechnet die gescheiterte und abgewählte Schulministerin Schäfer Krokodilstränen und ruft zur Beteiligung an den Streiks auf,

(Sören Link [SPD]: Das Gefühl werden Sie nächstes Jahr auch kennenlernen, Frau Pie- per-von-Heiden!)

also genau die ehemalige Ministerin, die noch vor ein paar Jahren 16.000 Lehrerstellen streichen wollte

(Beifall von der FDP)

und bei der der Unterrichtsausfall 5 Millionen Stunden im Jahr erreichte.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Frau Löhrmann scheint schnell verdrängt zu haben, dass die Grünen am Hof der Königin des Unterrichtsausfalls den Hofnarren gegeben haben und bei allem mitgemacht haben. Die Grünen haben gemeinsam mit der SPD Raubbau an der Zukunft der Kinder und Jugendlichen betrieben. Während der politischen Verantwortung der SPD und der Grünen für die Bildungspolitik war die finanzielle Melodie ein Streichkonzert. Wie der Aufwuchs im Landeshaushalt von FDP und CDU im Bildungsbereich aussieht, hat Herr Minister Pinkwart doch eindrucksvoll dargestellt. Mit Blick darauf müssten Sie sich verstecken.

Frau Schäfer, wer permanent zum Streiken in der Schulzeit aufruft, der verwirkt sein Recht, überhaupt über Unterrichtsausfall reden zu dürfen.

(Beifall von FDP und CDU)

Offensichtlich entgeht Ihnen die Absurdität Ihrer eigenen Argumentation inzwischen vollständig. Bereits am 16. Juni forderte Frau Schäfer nämlich, dass möglichst viele Schüler an den Demonstrationen in der Schulzeit teilnehmen sollten.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ja, natürlich! Das ist Demokratie!)

In der Beantragung der Aktuellen Stunde beklagt die SPD auf der Grundlage ihrer bekanntermaßen willkürlichen Zahlenverdrehungen dann den Unterrichtsausfall.

(Sören Link [SPD]: Was glauben Sie, wann andere Menschen streiken?)

Merken Sie eigentlich gar nicht mehr, dass bei Ihnen nur noch Willkür, Täuschungen, Ideologie und intellektuelle Bauchklatscher dominieren? Die Schüler und Studenten sollten sich daher vor falschen Propheten hüten.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Deswegen strei- ken sie ja auch gegen Sie!)

Ein Einheitsschulsystem bedeutet das Gegenteil von individueller Förderung und Freiheit. Es bedeutet intellektuelle Gleichmacherei und ideologischen Kampf gegen die Vielfalt der Menschen. Für die beste Bildung müssen wir gemeinsam streiken; wir nehmen die Schüler und Studenten ernst. Aber eine qualitative Diskussion erreicht man nicht durch Gesprächsverweigerung oder gar Verwüstungen und Diebstähle in Landtagen und Rathäusern. Wir müssen über die qualitative Stärkung reden.

Die beste Bildung für Kinder und Jugendliche erzielen wir nicht, indem wir uns der Leistungsfeindlichkeit, der Absenkung von Qualitätsstandards und ideologischen Hirngespinsten verschreiben, wie es bei der Opposition offensichtlich der Fall ist.

Die Verkürzung des gymnasialen Bildungsgangs ist richtig und alternativlos. Das sieht man daran, dass unsere Gymnasiasten mit Abstand am besten bei den Lernstandserhebungen abgeschnitten haben. Das sieht man auch daran, dass wir aktuell eine Sitzenbleiberquote von nur 1,5 % in der verkürzten Sekundarstufe I im Gymnasium haben. 2001 – unter Rot-Grün – lag die Sitzenbleiberquote in der Sekundarstufe I des Gymnasiums noch bei 3,9 %.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

All dies beweist doch, dass unsere Gymnasiasten die verkürzte Sekundarstufe I gut bewältigen und ihre Leistungen dabei sogar noch besser geworden sind, und zwar bei einer deutlich höheren Übergangsquote zum Gymnasium als unter der Verantwortung Ihrer Partei, Herr Link.

(Sören Link [SPD]: Wir hatten 2001 auch mehr Regentage als heute! Sind wir daran auch schuld?)

Die Instrumente der individuellen Förderung greifen, und es zeigt sich, dass FDP und CDU sorgsam und respektvoll mit der Lebenszeit junger Menschen umgehen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Respektvoll?! Daran glauben Sie doch nicht wirklich!)

Kürzere Schul- und Studienzeiten sind alternativlos. Europa macht uns das vor. Unsere Schülerinnen

und Schüler können Europa genauso gut wie unsere europäischen Nachbarn und sollten sich nicht von Gewerkschaften, SPD und Grünen dazu aufhetzen lassen, rückwärts zu gehen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Jetzt hat Herr Sagel das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir von FDP und CDU gerade gehört haben, sagt einiges über ihr Demokratieverständnis aus. Hunderttausende junger Menschen gehen auf die Straßen, um zu demonstrieren, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als sie zu beschimpfen. Das ist Ihre Politik.

Das, was wir von Ihnen gerade gehört haben, hat mit der tatsächlichen Situation in den Schulen und Universitäten des Landes nichts, aber auch gar nichts zu tun. Fragen Sie doch einmal die Schülerinnen und Schüler und die Studierenden, wie sie die Situation sehen. Die Situation ist katastrophal, und dafür steht Ihre Politik.

Wofür stehen Sie mit Ihrer Politik in NordrheinWestfalen? – Sie wollen eine vollständige Privatisierung der Bildungslandschaft.

(Christian Lindner [FDP]: Nein! Falsch!)

Das ist Ihre Politik, und dafür steht die FDP; die Markradikalen von der FDP haben nichts anderes im Kopf.

(Christian Lindner [FDP]: Nein!)

Herr Lindner, da können Sie ruhig immer „Nein“ rufen. Das ist nun einmal das, was Sie wirklich wollen. Sie haben allgemeine Studiengebühren eingeführt und sind gegen jede Chancengleichheit. Vor allem die CDU betreibt weiterhin Klientelpolitik und will, dass die Kinder aus reichen Elternhäusern bevorzugt werden. Mit Chancengleichheit hat Ihre Politik nichts zu tun.

(Christian Lindner [FDP]: Sie sind ein Strolch!)

Sie marktradikaler Schreier sollten ganz vorsichtig sein. – Ich bitte, dass das Wort, das gerade benutzt wurde, zur Kenntnis genommen wird.

Weder das eine noch das andere Wort war in Ordnung. Ich rüge beide.

Das ist mir neu, Frau Präsidentin.

Die Linke unterstützt den Protest. Das heutige Bildungssystem grenzt aus und sortiert junge Men

schen nach ihrer marktwirtschaftlichen Verwertbarkeit. – Dafür stehen Sie übrigens auch. – Bildungsgebühren und Privatisierungen befördern soziale Verwerfungen.

Die Linke steht für ein sozial gerechtes Bildungssystem. Dazu gehört die Schaffung einer Schule für alle, die Abschaffung aller Bildungsgebühren, die Abkehr von der Verschulung des Studiums und die Demokratisierung von Bildungseinrichtungen. Dem zunehmenden Einfluss der Wirtschaft auf Lerninhalte, Studienstrukturen und Stellenvergaben erteilen wir eine klare Absage. Es kann nicht richtig sein, dass die Bildungspolitik in Nordrhein-Westfalen von Bertelsmann gemacht wird und Sie das dann 1:1 umsetzen.

Die Linke fordert die Verwirklichung des Rechtes auf Bildung für alle. Sie ist Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen sich solidarisch selbstbestimmt entwickeln und alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung überwinden können. Ich bitte Sie von der CDU darum, einmal zur Kenntnis zu nehmen, welche Parolen Ihre rechtsradikale Junge Union von sich gibt.