Protokoll der Sitzung vom 26.06.2009

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Klein. – Als nächster Redner hat noch einmal der Abgeordnete Kollege Becker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Becker.

Herr Klein, zunächst einmal zur Parallele zu gestern und den letzten Wochen: Immer dann, wenn Sie von Gemeinsamkeit reden, wird es allerhöchste Zeit, dass man ganz aufmerksam zuhört.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dann geht es nämlich meistens für die Kommunen, den Wohnungsbau oder die WestLB um eine Krise. Meistens geht es dann darum, dass die Opposition mit Ihnen zusammen die Kastanien aus dem Feuer holen soll, in die Sie in diese gelegt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Sie setzen letztlich darauf, dass man Ihnen Vertrauen entgegenbringt, ohne dass es dafür jeglichen sachlichen Grund gibt und ohne dass Sie das im Gesetz festhalten können.

Ich weiß überhaupt nicht, woher Sie das nehmen. Sie sind doch diejenigen, die weder gegenüber den Kommunen noch in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Wohnungsbau, Herr Minister, Wort gehalten haben. Ich habe eben darauf hingewiesen, dass die Mittel gekürzt worden sind. Das gilt auch für die Mittel im Städtebau. Jetzt sprechen Sie plötzlich davon, dass Ihnen alle vertrauen sollen. Das ist doch völlig absurd. In dem Zusammenhang davon zu reden, dass man Ihnen vertrauen soll, heißt, dass wir Ihnen sozusagen so viel Vertrauen entgegenbringen sollen wie dem berühmten Hund beim Wurstvorrat.

Ich sage Ihnen, was passieren wird. Im nächsten Jahr werden Sie mit den Wohnungsbauförderungsmitteln an genau dieser Stelle in den Förderprogrammen Wahlkampfgeschenke verteilen. Das ist das, worum es Ihnen geht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Außerdem geht es Ihnen darum, die Risiken abzufedern, von denen ich eben geredet habe.

Herr Klein, ich sage Ihnen ganz deutlich: Das ist immer Ihre erste Strophe zur Melodie. Wenn man kritisch darauf hinweist, was in einer Bank los ist – und ich wiederhole es, damit es auch im Protokoll steht: selbstverständlich hat die NRW.BANK außerbilanzielle Risiken, und zwar ganz erhebliche –, ist man bei Ihnen derjenige, der eine Bank schlechtredet, und nicht derjenige, der das Ganze kritisch hinterfragt. Diese Äußerungen von Ihnen werden Sie in zwei Jahren einholen und nicht mich. Darauf können wir gemeinsam gespannt sein.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überweisungsempfehlung des Ältestenrates, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 14/9394 an den Ausschuss für Bauen und Verkehr – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu überweisen. Wer dieser Überweisungsempfehlung folgen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Mit Zustimmung aller Fraktionen einstimmig so festgestellt.

Ich rufe auf:

3 Diskriminierungsfreie medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung fördern und weiterentwickeln

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9416

Für die antragstellende Fraktion der SPD darf ich dem Abgeordneten Killewald das Wort geben. Bitte schön, Herr Killewald.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Sozialgesetzbuch IX wurde die Selbstbestimmtheit und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt auch der politischen Arbeit gesetzt.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Mit der genannten Gesetzesgrundlage, der Unterzeichnung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der sogenann

ten UN-Behindertenrechtskonvention und der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU, haben wir nun drei rechtliche Aussagen, die uns dazu verpflichten, das Leben der Menschen mit Behinderung mehr als bisher im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Alltags zu ermöglichen.

Herr Minister, kurz nach Ihrem Amtsantritt in Nordrhein-Westfalen haben Sie deutlich gemacht, dass Sie die Politik für Menschen mit Behinderung als Königin der Sozialpolitik ansehen. Damit haben Sie bei uns, bei der Öffentlichkeit und bei den behinderten Menschen in Nordrhein-Westfalen sowie ihren Angehörigen große Erwartungen geweckt.

Vier Jahre nach diesen großen Worten sind nun vergangen. Vier Jahre wartet Nordrhein-Westfalen jetzt darauf, welcher große Wurf denn nun kommt. Ihre Zusammenführung der bisherigen politischen Stränge aus verschiedenen Ministerien in das Programm „Teilhabe für alle“ hielten wir vom Ansatz her für ein geeignetes Zeichen und ein Signal in die Landschaft. Die Hoffnung, dass jetzt etwas anderes, etwas Großes kommt, ist aber nicht erfüllt worden.

Herr Minister, Sie werden nachher darauf verweisen, dass mit dem Wohn- und Teilhabegesetz die Rechte und der Schutz der Menschen mit Behinderung verbessert worden seien. Ja, sie wurden verbessert. Ich darf aber daran erinnern, dass wir die Möglichkeit gehabt hätten, den § 1 auch näher an der UN-Behindertenrechtskonvention auszuformulieren. Mit der CDU und Ihnen war das leider nicht möglich. Damit wurde eine Chance vertan. Das hat uns stutzig gemacht.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ein weiteres Beispiel ist die Ignoranz gegenüber den Anregungen vonseiten der Behindertenverbände bezüglich der Verlagerung der Aufgaben der Versorgungsämter. Auch hier haben Sie zu verantworten, dass es nun zu unterschiedlichen Graden der Umsetzung von gesetzlichen Aufgaben kommt.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das steht aber nicht da drin!)

Ich habe Sie nicht verstanden.

(Minister Karl-Josef Laumann: Sie reden nicht zu Ihrem Antrag!)

Warten Sie einmal ab. – Herr Minister, meine Damen und Herren, vor vielen Monaten haben wir zusammen mit den Betroffenenvertretern der von Contergan geschädigten Menschen in NordrheinWestfalen über deren Lage diskutiert. Forderungen nach einer besseren Gesundheitsversorgung wurden mehrfach in den Raum gestellt. Auch Vertreter des Ministeriums waren anwesend. In unseren Augen ist bis heute keine Verbesserung für diese Gruppe von Menschen mit Behinderung eingetreten.

All dies macht für uns eines klar: Wir brauchen auf diese Landesregierung in Sachen Behindertenpolitik

nicht mehr zu warten. Jeder Monat ist ein vertaner Monat.

Deshalb haben wir auch unseren Antrag „Diskriminierungsfreie medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung fördern und weiterentwickeln“ gestellt.

Werte Kolleginnen und Kollegen, in vielen Gesprächen in den letzten Monaten haben wir festgestellt, dass unter anderem in diesem Bereich der Behindertenpolitik Aufarbeitungsdruck besteht und wir hier handeln können. Daher fordern wir mit unserem Antrag die Landesregierung und Sie auf:

Lassen Sie uns Studien in Auftrag geben, die diese Lage näher durchleuchten, und entsprechende Forschungsvorhaben auf den Weg bringen. Wir brauchen ein Landesforschungsprogramm, das dieses Manko und diese Lücken aufdeckt, sodass wir später auf dieser Grundlage agieren können.

Wir sind der festen Überzeugung, dass wir Lehrstühle mit entsprechenden Forschungsschwerpunkten über Medizin für Menschen mit Behinderung benötigen. Anderswo, zum Beispiel in den benachbarten Niederlanden, ist dies schon alltäglich. Wieso nicht hier in Nordrhein-Westfalen?

Lassen Sie uns aber auch die fachliche Qualifikation der Menschen fördern, die in Praxen und im sonstigen Gesundheitsdienst alltäglich mit Menschen mit Behinderung zusammenarbeiten. Das wollen wir auf Landesebene mit Projekten anstoßen.

Meine Damen und Herren, in einer breit angelegten Gesundheitskampagne könnten wir dies schaffen. So könnten wir die Lage der Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen – egal ob es sich um Körperbehinderte, seelisch Behinderte, geistig Behinderte oder Menschen mit alterspsychiatrischen Veränderungen handelt – hier im Lande verbessern. Das wollen wir. Wir verschließen auch auf der Bundesebene nicht den Blick vor unserer Verantwortung. Wir sind in unserer Partei bereit, für Verbesserungen in diesem Bereich zu kämpfen. Wir fordern die Landesregierung gleichzeitig auf, auf Bundesratsebene tätig zu werden, zum Beispiel bei der Erarbeitung von Leitlinien für eine qualitätsgesicherte medizinische Behandlung und der Bildung neuer Schwerpunkte in der Medizinerausbildung. Wir werden auch nicht umhinkommen, die Lücke bei der Behandlung von Menschen mit Behinderung dann, wenn es um die Bezahlung für die Ärzte geht, zu schließen, weil sie heute mehr Zeit aufwenden müssen, als ihnen bezahlt wird. Herr Minister, wir sind bereit, mit Ihnen zusammen auf Bundesebene zu kämpfen.

Im Beratungsverfahren, werte Kolleginnen und Kollegen – lassen Sie mich das zum Schluss sagen –, sind wir bereit, auch die große, ständig wachsende Gruppe der Menschen mit seelischer Behinderung und ihre angemessene gesundheitliche Versorgung in unsere Überlegungen aufzunehmen.

Meine Damen und Herren, für uns ist die Zeit des Wartens vorbei. Wir werden weiterschreiten. Wir hoffen, dass Sie an unserer Seite mitgehen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Killewald. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Henke.

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns in der Koalition, für uns in der CDUFraktion ist die Zeit des Wartens schon lange vorbei. Wir handeln und entwickeln die Verhältnisse weiter. Aber wir sind mit den Anstrengungen nicht zu Ende. Deshalb ist es sehr gut, dass wir heute in diesem Hohen Haus über die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung sprechen. Wir haben dadurch Gelegenheit zu einer Bestandsaufnahme, mit welchen besonderen Problemen Menschen mit Behinderung kämpfen, wenn sie ärztliche Versorgung, Behandlung in einem Krankenhaus, Pflege oder Rehabilitation brauchen.

Ich bin überzeugt, dass Karl-Josef Laumann, unser Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, gleich darstellen wird, wie sehr das Bemühen um eine gute medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung die Arbeit seines Hauses und darüber hinaus die der Landesregierung prägt und wie sehr uns diese Anstrengungen in den vergangenen Jahren vorangebracht haben. Wir sollten diese Wahrnehmung auch nicht durch den Versuch parteipolitischer Geländegewinne stören lassen.

Wir alle wissen, dass der demografische Wandel zu häufigerer Vielfach- Erkrankung führt und dass er immer öfter chronische Beeinträchtigungen sowie die Kombination von somatischen und psychischen Erkrankungen, wie dies bei vielen betagten Menschen, etwa im Fall der Demenz, zutrifft, zur Folge hat.

Wir alle wissen, dass sich zum Beispiel die Landesgesundheitskonferenz mehrfach mit der Gesundheit im Alter befasst hat. Wir alle wissen, dass dies auch für die Gesundheitsministerkonferenz der Länder gilt. Vor wenigen Wochen hat in Mainz der 112. Deutsche Ärztetag einen eigenen Tagesordnungspunkt zur gesundheitlichen Versorgung von Menschen mit Behinderung auf dem Programm gehabt. Ich bin froh über die dort gefassten Beschlüsse. Als Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer habe ich an einem Teil dieser Beschlüsse und ihrer Vorbereitung persönlich mitwirken dürfen.

Diese Beschlüsse zeigen deutlich, dass sich die Ärzteschaft bei aller Genugtuung über das Erreichte nicht zurücklehnt und dass sie sich mit dem derzeitigen Stand der medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderung nicht zufrieden gibt. Ich

bin fest davon überzeugt, dass diese Haltung alle in diesem Hohen Haus teilen.

Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung jeden Alters leben als Bürgerinnen und Bürger in unserer Gesellschaft. Für ihre Teilhabe ist Akzeptanz von großer Bedeutung. Wir müssen diese Akzeptanz als wechselseitigen Prozess verstehen und vollziehen und uns gleichberechtigte Beteiligung an allen gesellschaftlichen Bereichen zum Ziel setzen.

Natürlich trifft dies vor allem auf gesundheitliche Versorgung zu, weil hier oft ein besonderer Bedarf an gesundheitlichen Leistungen besteht. Dieser besondere Bedarf erklärt sich daraus, dass mit medizinischen Mitteln zur Linderung oder Überwindung einer Behinderung beigetragen wird und aufgrund der Behinderung natürlich auf vielfältige Begleiterkrankungen und Beeinträchtigungen Bezug genommen werden muss.

Alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben das Recht auf eine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung. Dieses Recht ist ein elementares Recht. Darüber hinaus müssen Menschen mit Behinderung – so Art. 25 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung aus dem Jahre 2006 – die medizinische Versorgung erhalten, die sie aufgrund ihrer Behinderung zusätzlich benötigen. Der Deutsche Bundestag hat diese Bestimmung Anfang 2009 ratifiziert. Dennoch ist es so, dass in dieser Ratifikation ein Handlungsauftrag liegt und dass dieser Handlungsauftrag uns auch auf Dauer beschäftigen und als Herausforderung begleiten wird.