Protokoll der Sitzung vom 09.09.2009

Jetzt ziehen wir einmal einen Strich darunter. Von 2006 bis 2009 haben Sie die Kommunen in Nordrhein-Westfalen um 3,3 Milliarden € erleichtert. Das ist auch kein Gutachterstreit, wie Herr Stahl heute Morgen gemeint hat. Vielmehr beruhen diese Zahlen auf einem Urteil des Landesverfassungsgerichtshofes.

Herr Linssen und Herr Wolf, Sie legen hier einen Haushalt vor, in dem dieses Urteil und Ihr eigenes Anerkenntnis der Berechtigung der Rückzahlungsforderung – was Sie letztendlich damit manifestiert haben, dass Sie schon 650 Millionen € vorab überwiesen haben – an keiner Stelle wiederzufinden sind. Diese Außenstände bei den Kommunen in der Größenordnung von 1,1 Milliarden € werden in diesem Haushalt nicht mit einem Cent erwähnt. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Dieser Haushalt ist nicht so viel wert wie das Papier, auf dem seine Zahlen stehen.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Das ist alles andere als eine verlässliche Politik gegenüber den Kommunen. Oder, um auf das Zitat von Herrn Wolf zurückzukommen, das Land sei der verlässliche Partner der Kommunen in NordrheinWestfalen: Ja, verlässlich in dem Sinne, dass man in die rechte Tasche 1 € hineinsteckt und aus der linken Tasche mindestens 2 € wieder herausholt. – Beim Abzocken ist diese Landesregierung gegenüber den Kommunen wirklich ein verlässlicher Partner.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Schönfärberei, die Herr Wolf heute Morgen angesichts der desaströsen Situation vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen betrieben hat, ist eine Schönfärberei der Gegenwart. Selbst wenn man das tut, weil man – aus welchen Gründen auch immer – politisch nicht in der Lage war und ist, in der Vergangenheit und heute etwas gegen die Verarmung unserer Städte in Nordrhein-Westfalen zu tun, hätten wir aber zumindest erwartet, dass gelegentlich ein Blick in die Zukunft gerichtet wird. Dann hätte man den objektiven Tatbestand wahrgenommen, dass die Kommunen aus eigener Kraft nicht

mehr aus der Schuldenfalle herauskommen – nicht durch eigenes Verschulden, sondern durch eine Dynamik bei ihren Ausgaben, die zu Kosten führen, die durch Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen des Landes nicht mehr gedeckt sind. Diesen Blick in die Zukunft hätte man erwarten können.

In diesem Zusammenhang habe ich Folgendes mitgeschrieben, Herr Wolf: Angesichts wegbrechender Steuereinnahmen muss sich jeder Haushaltsgesetzgeber – in Klammern: Land und Kommunen – darauf einstellen, selbst zu konsolidieren. – Ich will einmal so sagen: Das ist eine klare Kampfansage an all diejenigen, die sich Sorgen um den Finanzstatus der Kommunen in Nordrhein-Westfalen machen.

Herr Linssen – er hat gerade den Saal verlassen – gehört selbst zu diesem Kreis. Er hat zu Recht gesagt: Angesichts dieser desaströsen Situation müssen wir etwas für die Kommunen in NordrheinWestfalen tun; mindestens den zehn am stärksten verschuldeten Städten muss geholfen werden. – Das ist kein sehr substanzieller Vorschlag, auch kein wirklich weitreichender, aber zumindest der Beginn der Erkenntnis, dass hier offensichtlich etwas zu tun ist.

Das Schöne ist, zu hinterfragen, was denn der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen dazu erklärt. Wir haben einen entsprechenden Punkt auf die Tagesordnung der letzten Sitzung des Ausschusses für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform setzen lassen. Der Vorschlag von Herrn Linssen geht also in eine richtige Richtung. Was macht jetzt der Innenminister, zuständig für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen, mit diesem Vorschlag? Ich konnte leider nicht an der genannten Sitzung teilnehmen, weil ein anderer Ausschuss parallel getagt hat, habe mir aber von meinen Kollegen berichten lassen und letztendlich das Ganze noch einmal ungläubig im Ausschussprotokoll nachvollzogen. Was hat der Innenminister dazu gesagt? Ganz genau gar nichts – nicht ein Wort.

Wenn der Finanzminister des Landes NordrheinWestfalen schon zugesteht, dass die kommunale Finanzkrise so groß ist, dass denen geholfen werden muss, denen es am schlechtesten geht und denen das Wasser bereits bis zur Unterlippe steht, frage ich mich, wieso dieses andere Mitglied der Landesregierung einen solchen Vorschlag nicht aufgreift und nichts unternimmt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Wolf, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das, was Sie heute Morgen mit Blick auf die Zukunft der Kommunalfinanzen vorgetragen haben, entbehrt jeglicher Antwort auf die drängendsten Probleme. Sie haben kein Konzept. Sie haben keine Ideen. Sie haben keinen Mut. Darüber hinaus sind Sie gegenüber Ihren eigenen Regierungskolleginnen und -kollegen auch noch beratungsresistent.

Mehr noch, Herr Wolf: Wenn Sie schon die Gegenwart schönfärben und die Zukunft nicht in den Griff bekommen wollen, dann unterlassen Sie doch bitte wenigstens das Gesabbel, dass man die Gewerbesteuer abschaffen müsse. Das würde doch dazu führen, dass in einer Stadt wie Düsseldorf 960 Millionen € und in einer Stadt wie Köln 1 Milliarde € Gewerbesteuereinnahmen fehlen. Wie, um Himmels willen, wollen Sie diese Ausfälle denn in irgendeiner Weise kompensieren? Sie sind natürlich nicht zu kompensieren.

Ich glaube, dass Sie das Ganze politisch-ideologisch betrachten. Ihnen geht es bei diesem Vorschlag letztendlich darum, die Unternehmen zu entlasten. Zahlen sollen es die Bürger.

Wir haben einen klaren Vorschlag unterbreitet, wie die Zukunft zu gestalten wäre. Ich würde mich freuen, Herr Wolf und Herr Linssen, wenn Sie sich herablassen würden, den Vorschlag wenigstens einmal mit uns zu erörtern und zu diskutieren.

Wir haben klar gesagt: Es muss denen geholfen werden, die aus eigener Kraft aus dieser Finanzkrise nicht herauskommen, und zwar zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger, die in diesen Städten und Gemeinden leben. Denen muss geholfen werden, und das mit einer Doppelstrategie. Wir müssen sie einerseits über einen bestimmten Zeitraum von den Altschulden, von Zinsen und Tilgungen entlasten, damit sie wieder Luft zum Atmen haben, das Nötigste, das Wichtigste an Reparaturen in ihren Städten, in ihren Schulen und in den anderen öffentlichen Gebäuden durchführen können. Auf der anderen Seite müssen sie die Möglichkeit haben, diese Luft für den Konsolidierungsprozess in den Städten zu nutzen.

Die Rückübertragung dieser Altschulden erfolgt nur dann mit einem Abschlag von 50 %, wenn diese Kommunen tatsächlich nachgewiesen haben, dass sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Konsolidierungsinstrumente auch wirklich ausgenutzt haben.

Jetzt kann man darüber reden, ob man an den Stellschrauben dieses Konzeptes das eine oder andere verbessern kann. Im Gegensatz zu dieser Landesregierung, die angesichts dieser kommunalen Finanzkrise sprachlos ist, haben wir zumindest ein Konzept vorgelegt, das Sie in ihrer Bunkermentalität aber nicht einmal zur Kenntnis nehmen wollen. Ihnen ist egal, was da draußen geschieht. Die liberale Ideologie hat den Vorrang, Kommunen sollen sich selbst konsolidieren. Am besten nehmen wir ihnen zukünftig noch das Geld weg, was Ihre Klientel, nämlich die Unternehmen, in die kommunalen Kassen zu zahlen haben, sprich: die Gewerbesteuer.

Jetzt spreche ich zu den Kolleginnen und Kollegen der CDU, zu allen vieren, die gerade da sind: Wir als die beiden Volksparteien tragen mit wenigen Ausnahmen in den 396 Kommunen die politische

Verantwortung. Jeder von Ihnen, der kommunalpolitisch aktiv war, aktiv ist oder eine Affinität dazu hat, weiß genau, was in den kommunalen Kassen los ist. Wir alle wissen: Wenn der Landesgesetzgeber, mit welchen intelligenten und kreativen Konzepten auch immer, den Kommunen nicht hilft, geht dort jeder Gestaltungsspielraum verloren.

Ich sage Ihnen ganz offen: Wir sollten miteinander diskutieren, wie die kommunalen Finanzen zu verbessern sind. Das setzt aber eines voraus, meine Damen und Herren von der CDU: Legen Sie diesen Innenminister, der offensichtlich beratungsresistent ist, endlich an die Leine! Er schadet den Kommunen mehr, als er nutzt. Es ist Ihre Aufgabe, dafür in der Landesregierung zu sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Lux das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Jäger! Einen Teil Ihres Beitrages habe ich sehr interessiert zur Kenntnis genommen; insbesondere teile ich die Schilderung der Situation der Kommunen in finanzieller Hinsicht in Ansätzen durchaus. Dass Sie mit Übertreibungen arbeiten, dass Sie verallgemeinern, ist Ihnen als Oppositionspolitiker geschuldet. Das ist egal.

Wir sind uns alle einig in diesem Hause, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie es uns gelingen kann, zumindest die am schlimmsten betroffenen Kommunen aus ihrer desaströsen Finanzsituation herauszuholen. Da gebe ich Ihnen ohne Weiteres recht.

(Zuruf von Ewald Groth [GRÜNE])

Aber, da fängt bei Ihnen schon das Problem an. Das einfach nur festzustellen, ist zu billig. Da müssen Sie schon einen Schritt weiter denken. Seit Monaten warte ich auf einen Gegenfinanzierungsvorschlag von Ihnen. Sie tönen, die Verschuldung des Landes steige, die Landesregierung und die Mehrheit unternähmen nichts, um zur finanziellen Konsolidierung des Landes beizutragen. Sie wissen andererseits aber ganz genau, dass Ihr Vorschlag eine Menge Geld kostet.

Wir diskutieren seit Langem in den Fraktionen darüber, wie man die Finanzsituation der Kommunen verbessern kann. Isoliert können Sie das weder auf eine Kommune beziehen noch auf das Land Nordrhein-Westfalen. Das wissen Sie ebenfalls ganz genau. Vielmehr hängen viele Systeme unmittelbar miteinander zusammen. Da ist der Bund gefordert, da ist die Frage der Belastungen durch Grundsicherung, durch Hartz IV und anderes mindestens ge

nauso zu betrachten wie die Frage des horizontalen Finanzausgleichs auf Landesebene.

Wir sitzen in einer Kommission zusammen, die sich auf der Grundlage des IFO-Gutachtens sehr intensiv damit beschäftigt, wie wir zu einer gerechteren Verteilung der Mittel zwischen den Kommunen kommen können.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Das ist ein so diffiziles System, dass man hier nicht einfach sagen kann: Wir haben mal einen Vorschlag gemacht. – Da muss man schon etwas ernster herangehen. Ich darf Sie an die Diskussionen innerhalb der großen Gemeinschaften, der kommunalen Spitzenverbände erinnern, die sehr unterschiedlicher Ansicht sind, wer denn welchen Beitrag zur Gesundung der Kommunen zu leisten hat. Das ist selbst unter den Kommunen strittig.

Lassen Sie mich zum GFG 2010 kommen. Der Entwurf knüpft in seiner Kontinuität an die vergangenen Gemeindefinanzierungsgesetze an. Und, Herr Jäger – das kann ich Ihnen nicht ersparen, da stimme ich dem Innenminister ausdrücklich zu –, das Land erweist sich einmal mehr als seriöser und verlässlicher Partner der Kommunen, denn die Modalitäten des GFG 2010 entsprechen im Wesentlichen denen der vergangenen Jahre.

Es zeigt sich auch an anderen Stellen außerhalb des GFG – ich wiederhole das hier sehr gerne –, etwa bei der Umsetzung des Konjunkturpaketes II, dass diese Landesregierung, dass diese Koalition in Nordrhein-Westfalen der verlässliche Partner der Kommunen ist.

(Beifall von der FDP)

Sie sollten einmal feststellen, dass bundesweit anerkannt ist, dass die nordrhein-westfälische Regelung der Umsetzung der Konzeption für das Konjunkturpaket II als vorbildhaft auch von den Spitzengenossen in der Bundesrepublik bezeichnet worden ist.

Die Mittel im laufenden GFG betragen 7,7 Milliarden €. Auch wenn es Ihnen wieder nicht passt: Das ist der zweithöchste Stand aller Zeiten in diesem Land. Die Kommunen wissen das im Gegensatz zu Ihnen durchaus zu schätzen.

Entgegen Ihrer Aussage, Herr Jäger, wird im nächsten Jahr nichts weggenommen. Das war früher bei den Sozialdemokraten so. Wir wissen aus den vergangenen Jahrzehnten unter den Sozialdemokraten, dass durch die Kreditierung das in dem einen Jahr gegebene Geld im nächsten Jahr wieder weggenommen wurde. Bei uns wird mit – ich dachte, Sie hätten es begriffen; die Grünen haben es begriffen – Orientierungszeiträumen, anhand derer die Summe der Steuereinnahmen gebildet wird, gearbeitet. Dieser Zeitraum geht bis zum 30.09. Dann steht der Betrag fest, und dann gibt es kein Wieder

Wegnehmen. Für die nächste Periode gilt der nächste Berechnungszeitraum.

Nun zu Ihren Aussagen zur Kinderbetreuung, Herr Jäger. – Es kann doch jeder im Haushalt nachlesen, dass die für frühkindliche Betreuung zur Verfügung gestellten Beiträge in den vergangenen Jahren gewaltig gestiegen sind. Da ist nichts mit „Wegnehmen“. Den Kommunen ist nichts vorenthalten worden, sondern im Gegenteil hat das Land seine Anstrengungen vervielfacht, um in diesem System vorwärtszukommen. Wenn man ein paritätisch finanziertes System ausweitet, steigt auch der Beitrag der Kommunen. Das ist doch selbstverständlich, hat aber nichts damit zu tun, dass sich das Land auf Kosten der Kommunen bereichert hätte, wie Sie es suggerieren. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Der Verbundsatz bleibt auch im Jahr 2010 bei 23 %. Damit ist er nach wie vor einer der höchsten im Bundesgebiet. Sie sollten daran denken, dass der Verbundsatz unter Ihrer Regierungszeit von 28 auf 23 % abgesenkt worden ist. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied.

Wir sind deswegen der verlässliche Partner der Kommunen, weil wir das System der goldenen Zügel weitestgehend abgeschafft haben. Mit 86 % an frei verfügbaren Zuweisungen haben wir einen Höchststand erreicht. Das wissen die Kommunen zu schätzen. Auch zu diesen Zahlen sagen die Kommunen, es ist gut, dass uns das Land so viel Selbstständigkeit zutraut und zubilligt.

Wir bleiben bei der im letzten Jahr erhöhten Schul- und Sportpauschale. Auch das wissen die meisten Kommunen sehr zu schätzen.

Die Haushaltslage aller Gebietskörperschaften in Deutschland bleibt natürlich sehr stark angespannt. Daran kommen wir nicht vorbei. Das gilt nicht nur für die Haushaltslage der Kommunen, sondern auch für die des Landes.

Herr Jäger, als Landtagsabgeordneter tragen Sie dafür eine Mitverantwortung, auch wenn Sie sich auf ewige Opposition im Land einrichten. Sie werden nicht leugnen können, dass die Finanzsituation des Landes nicht nur aufgrund der bundes- und weltweiten Krise sehr angespannt ist. Sie können nicht so tun, als ob nur die Lage der Kommunen angespannt sei. Auch die Lage des Landes und des Bundes sind angespannt. Wir müssen sehen, wie wir diese Anspannungssituation gemeinsam meistern können.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Sie müssen den Kommunen erst einmal das zurückgeben, was Sie ihnen weggenommen haben!)

Herr Groth, auch Sie werden feststellen, dass die Zuweisungen an die Kommunen noch nie so hoch waren wie in den vergangenen Jahren.

(Ralf Jäger [SPD]: Herr Lux, das glauben Sie doch selbst nicht! Sie wissen es doch selbst besser!)

Daran geht kein Weg vorbei.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das ist nur die halbe Wahrheit!)