Protokoll der Sitzung vom 09.09.2009

(Ministerin Christa Thoben: Das liegt an den Männern!)

Das liegt an den Männern, klar! – Diese Frauen bekommen weniger Netto vom Brutto.

(Lebhafte Zurufe von Christian Lindner [FDP])

Der Druck, zu Hause zu bleiben, steigt. Und das ist die Wurzel der Altersarmut. Herr Sozialminister, was tun Sie an dieser Stelle? Wir gehen an die harten Themen heran. Sie machen in diesem Feld gar nichts, absolut gar nichts.

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben ganz offensichtlich nicht mehr die Kraft, das Land voranzubringen. Ihr Rest-Regierungsprogramm, das Sie bei Ihrer Pressekonferenz nach der Sommerpause veröffentlicht haben, spricht Bände. Wir brauchten 3 % mehr Wachstum, haben Sie gesagt, um den Wohlstand zu halten, öffentliche Finanzen stabil zu halten. –

Aber wie? Neue Vorschläge, neue Ideen, konkrete Maßnahmen sind Fehlanzeige. Stattdessen gibt es eine Krisenbewältigung durch eine Politik des „Weiter so“.

Nein, wir als SPD haben in der Krise die Konjunkturpakete aufgelegt, die Abwrackprämie gegen Widerstand durchgesetzt, das Kurzarbeitergeld eingeführt. Wir haben einen Deutschlandplan vorgelegt sowie einen NRW-Pakt 2009. Wir sagen, wie es mit den städtischen Finanzen in einem Zukunftspakt Stadtfinanzen vorangeht. Von Ihnen? Absolute Fehlanzeige!

Die Wirtschaft soll es richten, sagen Sie. Eine Erneuerung, die Sie propagiert haben, ist in Wahrheit nur noch Stillstand. Sie setzen offensichtlich wieder auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft und des Marktes. Das passt in das Gesamtbild hinein. An die Boni der Manager wollen Sie nur in den Überschriften ran.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Genau!)

Was ist denn mit der steuerlichen Absetzbarkeit von Gehältern, Boni und Abfindungen? – Wir wollen sie durchsetzen; Sie machen da nicht mit. Das ist die Politik der CDU: Überschriften, bei denen nichts hinterherkommt.

(Beifall von SPD und Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Herr Ministerpräsident, was ist eigentlich mit den Boni-Zahlungen bei der WestLB?

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist spannend!)

Gibt es da schon etwas Neues? Haben wir schon eine Regelung? Bei uns ist noch nichts angekommen. Ja, das dauert immer ein bisschen länger, Herr Kollege Stahl.

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2010 ist Beweis Ihrer Untätigkeit in der Wirtschaftspolitik. Der Etat von Frau Thoben sinkt Jahr für Jahr, auch diesmal. Die Kohlesubventionen sind seit 2006 um rund 83 Millionen € zurückgegangen. Das Geld ist nicht, wie versprochen, in die Wirtschaft gegangen, sondern in die Taschen des Finanzministers.

(Minister Dr. Helmut Linssen: In den Kinder- garten!)

Mehr noch: Von 2006 bis 2010 wurden die Landesmittel für Wirtschaftsförderung um 44 % auf 66 Millionen € gekürzt. Der Eigenanteil des Landes in der Wirtschaftsförderung betrug 2006 noch 45 %, heute lediglich 25 %. Das heißt: Drei Viertel dessen, was unter der Überschrift „Wirtschaftspolitik des Landes“ läuft, wird von Europa und dem Bund finanziert.

Das passt zu dem, was wir als Gesamtbild sehen: Abschied vom Ziel der Vollbeschäftigung, Abschied von der Gestaltungsfähigkeit. – Wie haben Sie so schön gesagt, Herr Ministerpräsident: „Politik schafft

keine Arbeitsplätze!“? – Richtig, aber Politik muss Rahmenbedingungen setzen und Anreize schaffen. 2005 klang das bei Ihnen übrigens noch völlig anders. Alleine schon die Psychologie, die dadurch ausgelöst werden sollte, dass Sie gemeinsam regieren, sollte die Probleme des Landes lösen.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Das war auch so!)

Das war auch so? Das haben wir gesehen.

Sie beschworen die Macht der Psychologie. Am 5. März haben Sie auf dem CDU-Landesparteitag in Bochum erklärt – ich zitiere –:

Bei den Flughäfen, bei den Hochschulen, im Gesundheitssektor, bei den Privathaushalten und im Minijobbereich liegt ein enormes Beschäftigungspotenzial von mehr als einer Millionen Arbeitsplätzen in den nächsten zehn Jahren. Ich traue mir das zu!

Heute wollen Sie davon nichts mehr wissen. Heute trauen Sie sich offensichtlich gar nichts mehr zu. Das passt zu dem Duktus der Reden, die wir gehört haben.

(Beifall von der SPD)

Damals wollten Sie noch regieren, heute sind Sie offensichtlich regierungsmüde. Aber als Ministerpräsident tragen Sie die Verantwortung für dieses Land. „Verwalten statt gestalten“ reicht nicht für Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD)

Mit Sorge sehen wir die Entwicklung bei Opel; lassen Sie mich das einflechten. Offensichtlich wird in den USA intensiv über andere Lösungen als den Verkauf an Magna nachgedacht. Herr Ministerpräsident, wir haben Sie in dieser Frage von Anfang an unterstützt und werden das auch weiterhin tun. Es geht jetzt um drei Punkte, die erreicht werden müssen: Der Standort Bochum muss gesichert werden, es müssen so viele Arbeitsplätze wie möglich gehalten werden, und – ganz wichtig – es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Das ist die Schlacht, die jetzt zu schlagen ist.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, kommen wir zum Haushalt: Der Finanzminister – ich dachte, ich verhöre mich – spricht in seiner Bilanz von konsequenter Konsolidierung und einer deutlichen Verbesserung der Lage. Zugleich schraubt er die Verschuldung des Landes auf den neuen absoluten Rekordwert von 129,1 Milliarden € hoch. Das ist die Wahrheit, die der Finanzminister heute verschwiegen hat, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Die Nettoneuverschuldung bleibt doch nur durch einen Trick minimal unter dem bisherigen Höchstwert. Zur Haushaltswahrheit, Herr Minister, gehört auch: Sie müssen die 1,15 Milliarden €, die Sie den

Kommunen beim Aufbau Ost zu viel abgeknöpft haben, so schnell wie möglich zurückzahlen. Ehrlich wäre es gewesen, wenn Sie das in diesem Haushalt getan hätten.

(Beifall von der SPD)

Das wollten Sie aber nicht, damit Sie nicht mit einer höheren Neuverschuldung als wir in den Wahlkampf gehen müssen. Das ist Trickserei in Ihrem Haushalt, Herr Finanzminister.

(Beifall von der SPD)

1,15 Milliarden € gehen auf Ihr Konto, und deshalb beträgt die Neuverschuldung im nächsten Jahr tatsächlich 7,75 Milliarden €.

(Lachen von Helmut Stahl [CDU])

Bei uns waren es – ich erinnere an Ihre Aussage – 6,724 Milliarden €. Das ist der neue absolute Spitzenwert. In Wahrheit sind Sie der Schuldenmacher Nummer eins.

(Helmut Stahl [CDU]: Unglaublich!)

Eines gehört heute auch auf den Tisch: die Lage bei der WestLB. Dort hat das Land 5 Milliarden € im Risiko und durch den Nachtrag noch einmal 4 Milliarden €. Das sind 9 Milliarden € – 17 % – im Risiko bei einem Gesamthaushalt von 53,1 Milliarden €. Dann habe ich gelesen, dass der Chef der WestLB jetzt auch noch das Eigenkapital aufstocken will. Das ist die Wahrheit über Ihre Finanzpolitik in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

In der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise sind die Steuereinnahmen drastisch zurückgegangen. Jede Regierung müsste jetzt Schulden machen. Entscheidend ist aber, was mit dem Geld geschieht. Versickert es im Haushalt, oder gestaltet man damit Politik für die Menschen in diesem Land? Geht es in die Bildung, in die Innovation? Was wird für Arbeitsplätze getan? Dann kann man neue Schulden vertreten, auch und gerade gegenüber den jungen Menschen, den kommenden Generationen.

Diese Landesregierung macht aber Schulden, ohne neue Impulse für die Zukunft zu geben. Das ist und bleibt unverantwortlich.

(Beifall von der SPD)

NRW muss das soziale Gewissen Deutschlands sein. Dazu gehört die Bildungsfrage. Sie stehen für soziale Kälte. Herr Ministerpräsident, Sie haben als selbst ernannter Arbeiterführer und auch als Johannes-Rau-Kopie längst ausgedient. „Den Arbeiterführer können wir jetzt vom Spielplan absetzen“, sagt selbst ein maßgeblicher Stratege der NRW-CDU.

Meine Damen und Herren, wir wollen endlich sehen, mit welchen Programmen, mit welchen Inhalten Sie dieses Land voranbringen wollen. Wir freuen uns auf die inhaltliche Auseinandersetzung.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Für uns ist völlig klar: NRW muss stärker aus der Krise herauskommen. Sie stehen für Mutlosigkeit und Untätigkeit in der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. Sie würden gern gemeinsam ein Modell für Deutschland sein, aber Sie sind nur ein abschreckendes Beispiel. Deshalb muss und wird Schwarz-Gelb Berlin erspart bleiben, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall von SPD und GRÜNEN)