Protokoll der Sitzung vom 09.09.2009

(Zuruf von der SPD: Wahnsinn!)

Kennen Sie eigentlich Ihre eigenen Zahlen? Sie haben 460.000 Studierende; 1.500 sind nur 0,3 %. Angeblich wollen Sie 10 % erreichen. Aber wenn Sie in die mittelfristige Finanzplanung schauen, dann sehen Sie, dass Ihr Haushalt in diesem Bereich nach unten geht und nicht nach oben. Das ist das Placebo, das ist die Mogelpackung, die Sie aufgemacht haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Nein, das Fazit Blaupause im Bildungsbereich ist eindeutig: Ihr Modell steht für Stillstand, für Rückschritt und für soziale Auslese. Bei uns ist klar: Bildung wird nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen, und wir wollen Gebührenfreiheit vom Kindergarten bis zur Hochschule. Das ist und bleibt unsere zentrale Position.

(Beifall von der SPD)

Reden wir doch einmal über die Blaupause im Bereich der politischen Kultur und Demokratie. Selbst die politische Kultur und die Demokratie haben unter Ihrer Regierung Schaden genommen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Erstes Beispiel ist der Umgang mit den Medien. Herr Ministerpräsident, keine Aufregung, ich meine jetzt nicht diese interessanten Netzwerke, die sie da konstruieren und die deutlich werden durch den Briefwechsel des Regierungssprechers mit dem „Focus“. Nein, ich meine den Entwurf zum neuen WDR-Gesetz. Da lese ich mit Erstaunen, dass die Landesregierung jetzt ganz offen in den Programmausschuss möchte. Reichen die Telefonate aus der Staatskanzlei nicht mehr aus? Wollen Sie jetzt direkt Einfluss auf das Programm nehmen? Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das steht da drin! Schauen Sie einmal hinein! – Nein, die Staatsferne des öffentlichen Rundfunks ist ein hohes Gut mit Verfassungsrang.

Oder nehmen wir das Feld Demokratie. Ich brauche nur Stichworte zu nennen. Bitte keine Blaupause, die Trickserei bei den Wahlterminen heißt, damit die Wahlbeteiligung sinkt und Sie hinterher am Wahlabend noch Krokodilstränen weinen. Das war doch wirklich eine Verhöhnung, was die Bürgerinnen und Bürger in den letzten Monaten erlebt haben. Das ist doch wohl eindeutig.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Oder nehmen wir die Abschaffung der Stichwahl. Schauen Sie einmal, mit welcher demokratischen

Legitimation der Bürgermeister in Wülfrath jetzt aktiv ist.

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Und in Dortmund?)

Oder schauen wir auf die Sperrklausel. Die Räte zersplittern immer weiter. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie wollen das genauso wenig wie wir. Sie hängen da am Gängelband der FDP. Lassen Sie uns gemeinsam eine moderate Sperrklausel machen, damit auch die NPD nicht mehr in die Räte einzieht.

(Zurufe von der CDU)

Das muss das Ziel des Ganzen sein!

(Beifall von der SPD)

Frau Kollegin Kraft, der Kollege Hegemann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?

Das kann er hinterher machen; ich habe nicht mehr viel Redezeit.

(Zuruf von Lothar Hegemann [CDU] – Ge- genrufe von der SPD)

Das geht jetzt aber nicht von meiner Redezeit ab, oder?

Ganz aktuell stellt sich allerdings die Frage, ob Ihre Äußerungen im Kommunalwahlkampf, Herr Ministerpräsident, eine Blaupause für eine verantwortliche Europa-, Außen- und Integrationspolitik sind. Herr Papke, Herr Minister Pinkwart, von Ihnen hätte ich unmissverständlichere Worte erwartet. Immerhin will ja Ihr Bundesvorsitzender lieber heute als morgen Außenminister werden. Oder ist Ihnen da das Koalitionshemd näher als der liberale Rock? Seien Sie ehrlich!

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, es wäre richtig gewesen, die Manager von Nokia zu kritisieren. Es ist immer richtig, den Fleiß und die Produktivität der nordrheinwestfälischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu loben.

(Beifall von SPD und Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Aber das haben Sie nicht getan. Sie sind auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Rumänien auf Stimmenfang gegangen. Das ist schäbig.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Schlimm ist, Herr Ministerpräsident, dass das kein Ausrutscher war, kein einmaliger Vorgang, sondern jetzt schon mindestens ein vierfacher, und kein Missverständnis. Ich sage Ihnen eines ganz deutlich: Solche Art billiger Polemik ist der Nährboden für Fremdenfeindlichkeit in diesem Land.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wiederholungstäter!)

Ich sage Ihnen noch eines: Ich hätte von Ihnen persönlich, nach der Geschichte mit „Kinder statt Inder“ damals, mehr Sensibilität erwartet. Da waren Sie Oppositionschef. Heute sprechen Sie als Ministerpräsident im Namen des Landes NordrheinWestfalen. Deshalb ist es besonders schlimm. Denn das Problem ist, dass Sie damit dem Land, aber auch der gesamten Bundesrepublik Deutschland und der Wirtschaft unseres Landes einen massiven Schaden zugefügt haben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ein Letztes kann ich Ihnen nicht ersparen: Stellen Sie sich bitte nie wieder in eine Reihe mit Johannes Rau!

(Anhaltender lebhafter Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN – Thomas Stotko [SPD] und Annegret Krauskopf [SPD] erhe- ben sich von Ihren Plätzen.)

Johannes Rau, meine Damen und Herren, stand für Versöhnen statt Spalten. Sie stehen für Verhöhnen und Spalten. Das ist der markante Unterschied.

(Lebhafter Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herrn Wüst und Herrn Laschet würde ich an dieser Stelle gerne sagen: Den Vorwurf an uns, wir hätten das Datenmaterial frisiert, verändert oder manipuliert, nehmen Sie bitte umgehend zurück. Verwechseln Sie nicht Ursache und Wirkung! Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, am schlimmsten an dieser ganzen Nummer war nicht die Reaktion von Herrn Wüst, die schon schlimm genug war. Oder das, was Herr Wichter dazu gesagt hat! Am schlimmsten war das, was Sie schriftlich geäußert haben und Entschuldigung nennen. Sie sprechen von einem Missverständnis. Ducken Sie sich hier und heute nicht weg! Erklären Sie sich hier und heute! Eine Entschuldigung, die diesen Namen verdient, ist das, was wir erwarten, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was ist in NordrheinWestfalen zu tun? Wir sind alle viel unterwegs im Land. Wir spüren die Verunsicherung der Menschen. Wir alle spüren die großen Erwartungen an die Politik. Die Themen, die uns dabei begegnen, werden die gleichen sein: Arbeit, Bildung, Familie. – Den Menschen geht es um Sicherheit, um klare Perspektiven für sich und ihre Angehörigen. Sie erwarten, dass wir uns aktiv dafür einsetzen.

Ihre Politik und auch Ihr Haushalt erfüllen diese Erwartungen nicht: Sie geben keine Antworten auf den wachsenden Druck in den Familien. Sie haben kein Rezept für beste Bildung. Sie haben das Ziel

Vollbeschäftigung aufgegeben, und Sie kämpfen mit dieser FDP schon gar nicht für gute Arbeit. Herr Ministerpräsident, Sie stehen nur noch für verwalten statt gestalten. Das ist in den Haushaltsreden heute auch deutlich geworden.

(Beifall von der SPD und GRÜNEN)

Wir wollen und müssen mehr für Familien tun. Der Druck muss gerade bei den jungen Familien heraus; die brauchen die Sicherheit und Perspektive. Es geht nicht darum, dass Unternehmen immer nur mehr Flexibilität einfordern können. Nein, mit Praktika, mit Zeitverträgen, Zeitarbeit und Minijobs kommen wir in diesem Land nicht voran, weil es häufig junge Menschen und junge Frauen betrifft. Von denen brauchen wir dringend mehr Kinder. An der Stelle läuft Politik auseinander. Wir müssen alles dafür tun, dass es dort wieder zusammengeht. Sicherheit für die jungen Menschen in diesem Land ist das wichtigste Thema!

(Beifall von SPD und Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Wir müssen endlich vorankommen. Dazu gibt es viele Glaubensbekenntnisse aus den unterschiedlichsten Parteien, wenn auch mit unterschiedlicher Ausrichtung. Wir müssen endlich gegen die Benachteiligung von Frauen weiter vorankommen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – wir werden das zu einem einklagbaren Recht machen. Das muss endlich Realität werden. Dass Frauen 23 % weniger verdienen als Männer bei gleicher Arbeit, ist ein Skandal, mit dem in Deutschland Schluss sein muss. Das ist ein wesentlicher Punkt.

(Beifall von der SPD)

Wir werden auch das Steuersystem anpacken, allerdings anders als Sie von der FDP: Wir werden die Steuerklasse 5 anpacken. Wissen Sie, dass in dieser Steuerklasse 90 % Frauen sind?

(Ministerin Christa Thoben: Das liegt an den Männern!)