Protokoll der Sitzung vom 10.09.2009

Frau Düker, Sie schütteln mit dem Kopf, aber es gibt auch noch andere Ethnien, die die gleichen Probleme haben. Ich erinnere an Askhali oder die Ägypter.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Es gibt dort Probleme, aber wir haben dafür eine wirklich vernünftige Bleiberechtsregelung gefunden.

Die Linke hat ja – Herr Kollege Schmitz hat das hier schon dargestellt – ähnliche Anträge in zahlreichen anderen Landtagen eingebracht. Einer Linken – das schreibe ich Ihnen heute ins Stammbuch –, deren Populist Lafontaine im Jahr 1989 noch dazu geraten hat, …

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Hören Sie zu! – … den Zuzug von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik administrativ zu begrenzen, der damals als Ministerpräsident die saarländische Staatskanzlei beauftragte, zu prüfen, ob die Übersiedlung von DDR-Bürgern rechtlich von einem Nachweis von Wohnsitz und Arbeitsplatz im Westen abhängig gemacht werden könne,

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Wollen Sie die Mauer wieder aufbauen, oder was?)

der im Fall des entführten und ermordeten Jakob von Metzler die Folterandrohung als legitimes rechtsstaatliches Mittel befand, und einer Linken, die für Verstaatlichung und Bürgerentrechtung steht und von deren Mitgliedern zahlreiche von sozialistischen Diktaturen träumen, einer solchen Linken sage ich, meine sehr verehrten Damen und Herren: Stellen Sie sich bitte nicht hier hin und erzählen Sie demokratischen Fraktionen etwas von Menschenrechten, Herr Sagel!

(Beifall von FDP und CDU – Zuruf von Rüdi- ger Sagel [fraktionslos])

Ihnen geht es allein um die Spaltung der Gesellschaft, und das mit ganz billiger Polemik, mit Populismus.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber das lassen Ihnen die Menschen in unserem Lande so nicht durchgehen.

(Beifall von FDP und CDU – Zurufe von Syl- via Löhrmann [GRÜNE] und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Ja, ein getroffener Hund bellt!

(Beifall von Ralf Witzel [FDP] – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Was machen Sie denn? Sind Sie auch ein Hund?)

Frau Düker, ich wundere mich, dass Sie denen mit einem Entschließungsantrag folgen. Sie wissen, dass die Grünen seit dem Regierungswechsel 2005 Abschiebemaßnahmen gerne pauschal und an sich als unmenschlich darstellen und dabei unterschlagen, dass die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem Innenminister Schily und die rot-grüne Landesregierung in NRW in ihrer Regierungszeit einen strikten Abschiebekurs gefahren haben.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Noch im April 2005 hatte die rot-grüne Landesregierung NRW die Auffassung – nachzulesen in der Drucksache 13/6430 – vertreten, dass gesetzliche Ausreiseverpflichtungen, soweit ihre Erfüllung nicht freiwillig erfolgt, von zuständigen Ausländerbehörden konsequent durchgesetzt werden müssen.

Wir als FDP-Fraktion werden die spezielle Situation der Roma, aber auch die spezielle Situation der anderen Ethnien, mit unseren Kollegen in anderen Ländern weiterhin aufmerksam verfolgen. Ich denke, unser Innerminister Ingo Wolf wird Ihnen gleich noch die Details nennen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Düker das Wort. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ich erwarte eine Rüge des Abgeordneten! Er hat mich als Hund bezeichnet! Das muss gerügt werden!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen – das wissen wir auch und gerade, Herr Engel, nach den Reisen des Innenausschusses in den Kosovo; ich war auch zweimal dort –, dass dort auch zehn Jahre nach Ende des Krieges noch lange kein Frieden eingetreten ist.

Sie wissen es selber, Herr Engel: Als wir dort waren, stand die Umsetzung des Ahtisaari-Plans kurz bevor. Vier Wochen, nachdem wir wieder zurückgekehrt waren, ist er gescheitert und der Kosovo hat sich für unabhängig erklärt. Das war nicht geplant, und ich glaube auch nicht, dass dies dem Kosovo gutgetan hat. Das heißt: Wir haben hier nach wie vor eine Region, von der ich meine, dass ein innerer Frieden dort noch lange nicht vollzogen ist.

Das sieht man insbesondere an der Situation der Minderheiten. Aus den serbischen Enklaven – Herr Engel, Sie haben sie doch gesehen – ziehen die Menschen entweder weg und verlassen ihre Häuser – wir haben ganze leer gezogene Stadtviertel gesehen; Sie waren doch dabei in Prizren – oder Sie leben eingeigelt in Enklaven bewacht von Soldaten. Wir haben es gesehen. Die Minderheiten leben dort also nicht in einer ethnischen Koexistenz, wie man es sich von einem normalen Land vorstellt.

Dies betrifft auch und besonders die Roma. Zum Beispiel Mitrovica: Nach Vertreibung der Roma Ende der 90er-Jahre sind nach wie vor Hunderte von Roma dort und leben in menschenunwürdigsten Bedingungen in einem Lager in Mitrovica. Ich zitiere dazu den Menschenrechtskommissar des Europarats, Thomas Hammerberg, aus einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ aus dem Sommer dieses Jahres. Er sagt:

Das ist eine humanitäre Katastrophe. Ich war in den beiden bekannten Lagern bei Mitrovica, Cesmin Luk und Osterode. Sie liegen auf den Abraumhalden des Bergwerks von Trepca. Kein Stück Land im früheren Jugoslawien ist so verseucht. Besonders Kinder haben alarmierende Blutwerte. Die Nato hat ihre Soldaten deshalb von dort abgezogen. Aber die Roma-Kinder leben dort seit zehn Jahren.“

Das ist die real existierende Situation von Minderheiten im Kosovo. Sie können also nicht sagen, Herr Engel: Dort ist jetzt alles in Ordnung, und dahin können wir die Menschen mal ebenso abschieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, es gibt dieses Rücknahmeabkommen, und leider sind der Ahtisaari-Plan sowie eine schrittweise Autonomie nicht umgesetzt worden, sondern wir haben ein unabhängiges Kosovo. Ob die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos – das ist

eine Spekulation, die von vielen geäußert wird – auf dem Deal beruht, dass sie alle Minderheiten, also auch die Roma, zurücknehmen, ist nur eine Spekulation, aber ich möchte das nicht als völlig unwahrscheinlich hinstellen.

Unverständlich ist für mich die Erlasslage in Nordrhein-Westfalen nach diesem Rücknahmeabkommen, obwohl die Bund-Länder-Gruppe Rück sich ganz klar darauf verständigt hat, mit der Rückführung schonend zu beginnen.

Ich möchte am liebsten einen Abschiebestopp. Aber Sie haben noch nicht einmal diese Mindestformulierung dieser Arbeitsgruppe, dieses minimale humanitäre Anliegen der Arbeitsgruppe, Herr Minister, eine schonende Rückführung zu beginnen und Personen mit besonderem Betreuungsbedarf, zum Beispiel Alte, Kranke oder alleinerziehende Mütter, zunächst von der Rückführung auszunehmen, in Ihren Erlass aufgenommen. Warum kann das der Innenminister von Niedersachsen und nicht der Innenminister von Nordrhein-Westfalen? Das wäre einmal eine humanitäre Geste, die mir nicht reicht – das sage ich ganz klar –,

(Beifall von den GRÜNEN)

aber noch nicht einmal das scheint in unserem Land an Humanität möglich zu sein.

Worüber sprechen wir? – Wir sprechen von Hunderten von Familien, insbesondere auch von vielen Kindern, die betroffen sind. Wir haben uns erkundigt. Im Kreis Warendorf und in Münster sind die ersten Abschiebeverfügungen herausgeschickt mit der Aufforderung zurückzukehren. Ohne eine freiwillige Rückkehr droht dann die Abschiebung. Es geht um Hunderte von Familien, die vor dieser Situation stehen, in diese untragbaren Zustände dann zwangsweise zurückgeführt zu werden. Das wollen wir nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir halten es für dringend geboten, die Menschen nicht in diese Lager, in diese Situation zurückzuführen.

Ich nenne noch eine Situationsbeschreibung von der Rechtsberaterkonferenz von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Ich zitiere hier aus einer Resolution: Auch nach der Unabhängigkeit des Kosovo gibt es dort für die Rückkehrer aus der Volksgruppe der Roma keine soziale Infrastruktur, die ein Überleben unter menschenwürdigen Bedingungen sicherstellen könnte. Ein Arbeitsmarkt, der ein Erwerbseinkommen ermöglichen würde, existiert nicht. Humanitäre Mindeststandards hinsichtlich Wohnen, Bildung und Gesundheitsversorgung sind für die jetzt noch im Kosovo lebende RomaBevölkerung durchweg nicht gesichert.

Es ist ein Akt der Menschlichkeit, es ist ein Akt der Humanität, die Kinder aus unserem Land nicht in diese Situation zurückzuschicken. Das ist unser

Anliegen. Deswegen unterstützen wir diese Forderung.

Ein letzter Satz zum Kollegen Sagel zum Bleiberecht: Das sehe ich so wie SPD und CDU. Wir haben heute im Obleutegespräch ein Fachgespräch dazu verabredet. Am 29. Oktober wird es im Innenausschuss eine Anhörung dazu geben. Ich finde, das sollten wir hier aus dieser Antragsbeschlussfassung herauslassen, Kollege Sagel. Ich fände es gut, wenn Sie das tun würden, damit wir hier im Landtag über dieses Thema noch einmal in Ruhe mit Sachverständigen beraten können.

Wir möchten aber heute dem Signal zustimmen, diese Abschiebung auszusetzen und nicht zu vollziehen. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Wolf das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen halten sich rund 3.700 Geduldete aus dem Kosovo auf, die bislang von einer grundsätzlich möglichen Rückführung eben nicht bedroht waren durch Entscheidungen, die durch diese Landesregierung auch mitgetragen wurden – offensichtlich ganz anders, Frau Düker, als zu der Zeit, als Sie hier regiert haben, wie Herr Engel ja eben sehr sachkundig vorgetragen hat.

Die Republik Kosovo hat – das ist hier mehrfach angesprochen worden – nun mittlerweile die Rücknahmebereitschaft erklärt. Im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, Frau Düker, stellt die Zentrale Ausländerbehörde Bielefeld sicher, dass Rückführungsersuchen für Personen mit einem besonderen Betreuungsbedarf, wie ihn zum Beispiel ältere oder behandlungsbedürftige Menschen aufweisen, nachrangig behandelt werden. Das ist also bei uns an dieser Stelle auch gesichert.

Im Übrigen gilt auch: freiwillige Rückkehr vor Rückführung. – Das ist für uns selbstverständlich.

Gerade die freiwillige Rückkehr von Geduldeten, auch von Roma, wird breit gefördert. Zum Beispiel finanziert Nordrhein-Westfalen im Kosovo zusammen mit dem Bund und den Ländern BadenWürttemberg und Niedersachsen das Projekt „URA 2“, „Die Brücke“. Insofern geben wir natürlich diesen Hilfestellungen auch Vorrang.

Wir kommen im Übrigen danach auch den Wünschen der kosovarischen Regierung und auch den Empfehlungen des UNHCR nach vorsichtiger Gestaltung der Rückführungen entgegen.

Also auch an der Stelle trennt uns nichts. Wir sehen das genauso. Das muss schonend begonnen werden. Das tun wir auch, um die Reintegrationsmöglichkeiten der Kommunen im Kosovo nicht zu überfordern.