Im Übrigen gehört zur Ehrlichkeit auch Folgendes: Wenn Sie schon mit dem Finger auf andere zeigen, wenn wir über Ehrlichkeit reden, dann reden wir doch einmal darüber, warum der Kommunalminister dieses Landes den Finanzbericht und den Finanzstatus der Kommunen nicht wie üblich im Sommer vorlegt, sondern erst im Herbst vorlegen wird, nämlich nach der Kommunalwahl. – So viel zur Ehrlichkeit in Richtung der Liberalen.
Meine Damen und Herren, warum ist das denn alles so? Weil in mindestens einem Viertel der nordrheinwestfälischen Kommunen die Haushalte den Kämmerern, den Oberbürgermeistern und den Bürgermeistern um die Ohren fliegen, und zwar aus zwei Gründen: zum einen wegen ganz dramatischer Einbrüche bei der Gewerbesteuer und zum anderen, weil Sie den Raubzug durch die kommunalen Kassen machen –
Ich sage Ihnen einmal ganz ehrlich: Es ist doch pharisäerhaft, dass der Brandstifter hier nach der Feuerwehr ruft. Meine Damen und Herren, Sie sind die Brandstifter für die kommunalen Krisen und Finanzkrisen.
Zu guter Letzt stelle ich fest: In den letzten beiden Tagen haben wir hier miteinander gerungen, wie wir dieser Finanzkrise der nordrhein-westfälischen Kommunen begegnen können. Ich fände es gut, wenn wir das weiter so tun könnten
und wenn Sie einmal eine Beweglichkeit entwickeln würden, die nicht der einer Straßenmaschine gleicht. Erkennen Sie endlich an, dass die Behauptung von Herrn Linssen, es gebe Milch und Honig in den kommunalen Kassen, nicht stimmt und dass man nicht wie Herr Wolf vor der kommunalen Krise abtauchen und sich ducken kann, sondern dass wir gemeinsam anfangen müssen, daran zu arbeiten, dass Dortmund, Essen, Oberhausen und auch Ihrem Nümbrecht, Herr Löttgen, demnächst finanziell geholfen wird. Und hören Sie endlich mit Ihrem Pharisäer-Gehabe auf, das Sie hier an den Tag legen!
Danke schön, Herr Jäger. – Als Nächster spricht Herr Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu den Klamauk-Vorstellungen insbesondere der Herren Wittke und Lindner finde ich: Wenn man einen ernsten Vorgang angemessen kommentieren will, sollte man sich zumindest auch ernsthaft mit ihm auseinandersetzen.
Herr Hegemann, weil das ein deutlich besseres Niveau gibt, als Sie es jemals an den Tag legen würden.
Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sich in der Tat um einen ernsten Vorgang handelt. Es ist aus meiner Sicht auch deswegen ein ernster Vorgang, weil noch vier Tage vor der Wahl – übrigens auf Wunsch der Grünen; das zu dieser Frage – die Kämmerin ausdrücklich erklärt hat – das ist anhand von Pressemitteilungen und auch anhand der Pressemitteilungen der Grünen nachvollziehbar; wir können sie in der zweiten Runde gerne noch einmal
zitieren –, dass bei der Gewerbesteuer keine Einnahmeverluste zu erwarten seien und insoweit tatsächlich weiter von den Haushaltserwartungen auszugehen sei, die vorher geäußert worden waren. Diese Erklärung vier Tage vor der Wahl ist bei den Erkenntnissen nach der Wahl in der Tat fragwürdig.
Das Ganze ist insbesondere auch vor dem Hintergrund fragwürdig, dass Herr Langemeyer mit der Kämmerin nach meinem Kenntnisstand darüber korrespondiert hat und sie angewiesen hat, eben nicht möglicherweise einen Nachtragshaushalt in Bewegung zu setzen, sondern die Haushaltssperre ab dem 1. September 2009. Das ist ein sehr kritikwürdiger Vorgang.
Meines Erachtens weist das auch deutlich auf ein gewisses System Langemeyer hin. Wir Grüne, die wir in den letzten Jahren die Kommunalpolitik in Dortmund beobachtet haben, mussten den Eindruck gewinnen, dass Herr Langemeyer als Stadtoberhaupt bei vielen Verwaltungsvorgängen nicht das Maß an Transparenz und Offenheit an den Tag gelegt hat, das aus unserer Sicht notwendig gewesen wäre.
Allerdings gehört zur Seriosität dazu, auch andere nicht zu vergessen. Darüber sollte man einmal sauber nachdenken. Ich glaube nicht – und nicht nur aus den Gründen, die Herr Jäger eben genannt hat –, dass dies ein Einzelfall ist; denn ich erinnere mich zum Beispiel an das System Bietmann, an das System Blömer, allerdings auch an das System Heugel, aber auch an die Systeme in vielen kleineren Städten, wo es sehr oft CDU-Bürgermeister sind.
In diesem Zusammenhang stelle ich mir jenseits jeglicher Auseinandersetzung hier im Haus zu diesem Thema die Frage – Sie sollten sich diese Frage ebenfalls stellen –, ob vor diesem Hintergrund nicht die Rechte der Kommunalparlamente und insbesondere der Opposition in den Kommunalparlamenten gegenüber den Verwaltungsvorständen, die sich von den Räten abschotten können und ihnen nicht die notwendigen Informationen geben, deutlich auszubauen und zu stärken sind. Eine meiner Schlussfolgerungen lautet, dass Fraktionen selbstverständlich die Gelegenheit haben müssen, in Verwaltungsvorstandsprotokolle zu genau solchen Fragen hineinzuschauen.
Wer Systeme wie das System Langemeyer beklagt, muss sich damit auseinandersetzen, wo die strukturellen Ursachen für solche Systeme liegen. Zu den strukturellen Ursachen gehört natürlich auch die Frage, warum die Kommunalparlamente und vor allen Dingen die Hauptamtler allerorten Angst davor haben – was eigentlich ein Unding ist –, vor der Bevölkerung in Bezug auf die Finanzen die Hosen runterzulassen.
Darauf will ich Ihnen allerdings eine Antwort geben. An vielen Stellen sind es genau Ihre Parteifreundin
nen und Parteifreunde – ich habe oft genug darauf hingewiesen –, die die Städte regieren und in dem Dilemma stecken, auf der einen Seite Sie als Regierung schützen zu wollen und auf der anderen Seite vor Ort mit dem Geld hinten und vorne nicht auszukommen. Sie als Koalitionsfraktionen haben mit diesem Innenminister, der für die Kommunen nichts tut,
Meine Damen und Herren, der Wertmaßstab, der hier angewandt worden ist – und der mir nicht unsympathisch ist –, sollte zumindest nicht vonseiten der FDP zugrunde gelegt werden. Herr Lindner, dass Sie 2000 überhaupt hier im Parlament aufgeschlagen sind, hatte maßgeblich etwas mit der Art und Weise von Möllemanns Wahlbetrug zu tun –
der bei der Frage der finanziellen Auseinandersetzung übrigens bis heute fortwirkt, wie Sie wissen. An dieser Stelle sitzen Sie wirklich im Glashaus.
Und wer sich hier wie Herr Wittke als selbsternannter Saubermann aufspielt und von Transparenz redet, obwohl er durch mehrfaches Auftauchen der Akten in Bezug auf seine Verkehrsdelikte oder in Bezug auf seine frühere Oberbürgermeistertätigkeit ebenfalls im Glashaus sitzt, hat aus meiner Sicht
Herr Hegemann, Sie können hier gleich wieder einen Ihrer üblichen Auftritte hinlegen – jegliches Recht verwirkt, eine solche Forderung aufzustellen.
Es ist unglaublich, dass ausgerechnet Herr Wittke von der CDU und Herr Lindner von der FDP vorgeschickt werden.
Ich möchte gerne von Ihnen Folgendes wissen – Sie haben ja noch einige Redebeiträge –: Wie gehen wir insgesamt damit um, wie hauptamtliche Bürgermeister insbesondere in großen Städten mit der Opposition und mit den Regierungsfraktionen umspringen, wenn sie jegliches Maß verloren haben? Wie können wir eine solche Situation verbessern?
Wie schaffen wir es, dass wir wieder eine vernünftige kommunale Finanzlage bekommen und die Kommunen nicht in solche Notlagen treiben?
Wie gehen wir im Übrigen auch mit einer Regierungsfraktion um, die offensichtlich versucht, daraus ein Wahlkampfthema zu machen, was sie bis in den Landtagswahlkampf ziehen will? Das ist nämlich
meiner Meinung nach Ihr eigentliches Ziel: Sie versuchen bei aller Kritik, die zu Recht an dem Bürgermeister Langemeyer und seiner Kämmerin zu üben ist, Ihr „wahlkampftechnisches Süppchen“ darauf zu kochen.
Ich möchte gerne von Ihnen wissen, welches formale Recht der Wahlausschuss der Stadt Dortmund überhaupt hat – das ist nämlich hoch kompliziert –, eine Wahl so anzufechten, dass sie wiederholt wird. Das fordern wir. Welches Recht hat in diesem Zusammenhang der Innenminister? Welches Recht hat die Landeswahlleiterin in diesem Zusammenhang? Ich bitte Sie, das alles zu erläutern. Das sollte der Innenminister tun, damit hinterher von Ihnen nicht irgendwelche Hirngespinste durch die Gegend getrieben werden, die mit der Sachlage nichts zu tun haben. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu der Aufklärung über die Vorgänge in Dortmund gehört sicherlich einiges Fachliches zum Beispiel auch die Frage der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten und auch die Frage, was die Kommune vor Ort getan und zu tun hat.
Die Gemeindehaushaltsverordnung stellt die Verhängung einer Haushaltssperre ins Ermessen des Kämmerers oder des Rates. Dabei besteht ein Beurteilungs- und Prognosespielraum. Allerdings ist nach dem Haushaltsrecht auch der Rat unverzüglich unter anderem dann zu unterrichten, wenn sich abzeichnet, dass der Haushaltsausgleich gefährdet ist. Darüber ist verschiedentlich heute schon gesprochen worden.
Dem Anliegen der Aktuellen Stunde, die Kommunalaufsicht einzuschalten, wurde bereits entsprochen. Die zuständige Kommunalaufsicht, die Bezirksregierung Arnsberg hat sich bereits mit Verfügung vom 2. und 17. September 2009 an die Stadt Dortmund gewandt und entsprechende Unterlagen eingefordert. Erste Erkenntnisse – Aktenvermerke sind schon zum Teil zitiert worden – liegen uns vor. Aber es gibt naturgemäß noch keine abschließende Erkenntnis über den Sachverhalt.