Protokoll der Sitzung vom 11.09.2009

Wir haben gesagt: Natürlich gibt es einen technischen und einen geologischen Fortschritt auch innerhalb der Landwirtschaft. Deswegen unterstützen wir die Landwirte in Nordrhein-Westfalen mit Mitteln aus der einzelbetrieblichen Förderung, dass die Betriebe modern werden, dass sie wettbewerbsfähig werden, dass sie tiergerecht sind.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das sind ge- nau die Betriebe, die hinterher Probleme ha- ben!)

Herr Abgeordneter Remmel, dass keine Kühe mehr angebunden werden, sondern frei herumlaufen können, dass die Fragen des Tierschutzes eine größere Rolle spielen, das hat mit der Größe der Milchviehbetriebe überhaupt nichts zu tun.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Sicher!)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unterstützt die Milchbauern, und zwar auf einem ehrlichen und realistischen Weg, durch unsere Investitionsförderung, durch die

Vorrangförderung für die Milchviehbetriebe, durch die Ausgleichszulage, und durch die Weideprämie.

Wir müssen beim Milchmarkt wie in allen anderen Bereich auch die Nachfrage wieder erhöhen. Deswegen ist es richtig, dass wir in die Schulen gehen, dass über 9 Millionen € weitgehend Bundesmittel in die Hand genommen worden sind, damit die Schülerinnen und Schüler wieder Milch trinken. Viele andere sinnvolle Maßnahmen haben wir auf den Weg gebracht.

Nein, meine Damen und Herren, wir unterstützen unsere Milchbauern in Nordrhein-Westfalen nicht mit irgendwelchen ideologischen Hirngespinsten, nicht mit irgendwelchen Bündnissen, jetzt etwas auf den Weg zu bringen.

Was mich an diesem Bündnis so irritiert und was sich in den letzten Tagen artikuliert hat, ist die Tatsache, dass sich genau die Umweltverbände, die sich jetzt für eine Fortsetzung der Quotenregelung ausgesprochen haben, im Jahr 1984, als ich mich auch schon im agrarpolitischen Feld getummelt habe, gegen die Einführung der Milchquotenregelung ausgesprochen haben. Sie haben gesagt: Gerade aus Umweltgründen macht es überhaupt keinen Sinn, eine Quotenregelung einzuführen, weil sie nur dazu führen wird, dass nur noch auf einigen wenigen Grünlandflächen Kühe gehalten werden. Die Argumentation, die damals richtig war, ist heute auch noch richtig.

Deswegen, meine Damen und Herren, geht die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen einen klaren, ehrlichen, realistischen Weg. Wir sind in einem permanenten Gespräch mit den Bäuerinnen und Bauern, und wir machen als Landesregierung keine Politik gegen die Bauern, sondern mit den Bauern in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Uhlenberg. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Dann sind wir am Ende der Debatte und kommen zu den Abstimmungen.

Wir stimmen zuerst ab über den Eilantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/9802. Wer für den Inhalt ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Bündnis 90/die Grünen. Wer ist dagegen? – CDU, FDP und SPD. Wer enthält sich? – Niemand. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zweitens zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9823. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Niemand. Dann ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu:

4 Gleiche Arbeit – gleiche Rechte: Gegen Missbrauch von Leiharbeitsverhältnissen und Unterwanderung geltenden Tarifrechts

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9763

Ich eröffne die Debatte und gebe Frau Gebhard von der SPD-Fraktion das Wort.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, dürfte ich Sie bitten, Ruhe einkehren zu lassen, zum Reden den Saal zu verlassen oder hier zu bleiben und zuzuhören. – Bitte, Frau Gebhard, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir als Patient bzw. Patientin ins Krankenhaus müssen – ich sage bewusst: müssen; denn in der Regel geht man nicht freiwillig –, erwarten wir natürlich eine gute medizinische ärztliche Versorgung.

Aber genauso erwarten wir eine fachpflegerische, fürsorgliche, das heißt auch respektvolle Pflege, einwandfreie hygienische Räume und gute Verpflegung. Wir erwarten dies 24 Stunden lang an sieben Tagen in der Woche.

In den Pflegewissenschaften ist es inzwischen unbestritten: Die beste ärztliche Kunst führt nicht zum Erfolg, wenn sie nicht gestützt wird von einer qualifizierten Pflege in hygienisch einwandfreien Räumen und schmackhaftem, dem Krankheitsbild angepasstem Essen.

Während jedoch in den letzten zehn Jahren die Ärzteschar an nordrhein-westfälischen Kliniken um ca. 3.800 Personen gestiegen ist, ist die Situation bei den Pflegekräften und den Kräften im sogenannten Wirtschaftsdienst völlig gegenläufig. Innerhalb von zehn Jahren haben wir 14.000 Pflegende weniger. Das entspricht etwa 15 %. Der Wirtschaftsdienst wurde sogar um 40 % reduziert, was ebenfalls etwa 15.000 Beschäftigte weniger in diesem Bereich bedeutet.

Nun mag man einwenden, dass im gleichen Zeitraum ja auch 27.000 Betten abgebaut wurden. Ja, aber der Personalabbau in der Pflege geht weit darüber hinaus. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass die qualitativen Anforderungen an Pflege kontinuierlich zunehmen. Die immer kürzer werdende Verweildauer der Patienten verschärft die Pflegeintensität enorm, sodass der Satz gilt: Immer weniger Pflegekräfte müssen immer mehr Patienten versorgen.

Aber Personalabbau ist riskant. Krankenhäuser mit deutlich weniger Personal, insbesondere im Pflegebereich, weisen – so ausländische Studien – eine bis zu 30 % höhere 30-Tage-Post-OP-Mortalität auf.

Personalmangel und – wie es in dieser Studie heißt – Downqualifying, Überlastung und Demotivierung auch von höchst engagierten Mitarbeitern werden ein reales Risiko für die Menschen, die so abhängig von der Qualität der Versorgung sind wie niemand sonst von einem Dienstleister.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Untersuchung, und zwar vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund, zeigt auf, dass die am meisten stressbelasteten Berufe die sind, in denen Dienst am Menschen geleistet wird – wie zum Beispiel von Pflegekräften. Trotz dieses Wissens wird gerade im Bereich Pflege, Küche und Reinigung in Kliniken, sozusagen dem Fundament einer jeden Klinik, permanent nach Wegen gesucht, wie Personalkosten reduziert werden können.

Ein Weg ist die Gründung von Personalservicegesellschaften. Das heißt, neue Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden fast nur noch – auch an unseren staatlichen Unikliniken wie in Essen und Bonn, aber auch bei vielen frei-gemeinnützigen Trägern – in diesen Gesellschaften eingestellt, und das zumeist nur auf Zeit, um sie dann ausschließlich an die entsprechende Klinik auszuleihen. Sie fallen somit nicht mehr unter den eigentlichen Tarifvertrag der Kliniken, den sich die Beschäftigten – wir erinnern uns – in dem langen Tarifkonflikt 2006 erkämpft haben.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Leiharbeit soll hier ganz offenbar Stammbelegschaften ersetzen. So war Leiharbeit aber nie gedacht. Sie sollte immer nur dazu dienen, zusätzliche, gegebenenfalls kurzfristige Anforderungen in den Betrieben bedienen zu können.

Dass diese Entwicklung, diese faktische Ungleichbehandlung in ein und demselben Betrieb, das heißt in ein oder derselben Klinik, zu Unmut in den Belegschaften führt, kann sich jeder unschwer vorstellen. Gleichzeitig werden Ängste bei den langjährig Beschäftigten geschürt, was die Sicherheit ihrer eigenen Arbeitsplätze anbetrifft.

Mit der Befristung in den Leiharbeitsunternehmen, in den Personalserviceagenturen, haben die Arbeitgeber ein weiteres Druckmittel, die Leistungsanforderungen auf jeden einzelnen Platz permanent zu erhöhen. Eine Verlängerung des Arbeitsvertrages gibt es nur, wenn die gleiche Leistung in weniger Zeit erbracht wird. Dies gefährdet die Qualität einer Klinik in hohem Maße.

Wenn eine Reinigungskraft immer mehr Bäder mit Duschen, Toiletten, Waschbecken, Böden, Türklinken etc. in der gleichen Zeit säubern soll, sind irgendwann die hygienischen Anforderungen, die an ein Krankenhaus zu stellen sind, nicht mehr zu erfüllen.

Ein besonderer Einsatz von Leiharbeit liegt aber in Bad Salzuflen vor. Dort weigert sich der Klinikbetreiber der Lippischen Nervenklinik monatelang, mit seinem Pflegepersonal einen Tarifvertrag abzuschließen, und beantwortet Streiks für einen solchen Tarifvertrag mit Aussperrung und Einstellung von Leiharbeitnehmern.

Wenn von 62 Pflegekräften zunächst 38 – inzwischen nur noch 35, da drei bereits entlassen sind – ausgesperrt sind und stattdessen von acht verschiedenen Leihfirmen sukzessive Personal beschäftigt wird, müssen sich Geschäftsleitung und ärztliches Personal nicht wundern, wenn Politik sich um die ordnungsgemäße Versorgung der Patientinnen und Patienten sorgt. Mich wundert vielmehr, dass sich das ärztliche Personal nicht auch sorgt – zumindest legt das einer ihrer offenen Briefe nahe – und mithilft, diesen Zustand so schnell wie möglich zu beenden, damit das Personal, mit dem man zuvor zum Teil seit über zehn Jahren vertrauensvoll zusammengearbeitet hat, alsbald in die Klinik zurückkehren kann.

Herr Minister, ich denke, wir sind uns einig: Wir alle hier in diesem Parlament – ich glaube, ich darf das für Sie alle in Anspruch nehmen – haben kein Interesse daran, eine Klinik einzeln an den Pranger zu stellen. Aber wir können bei diesem zum Glück bisher einmaligen Fall von wochenlanger Aussperrung auch nicht einfach wegsehen. Die Verantwortung für den öffentlichen Wirbel liegt nicht bei uns, die wir reagieren, sondern bei dem, der sich bisher geweigert hat, überhaupt Tarifverhandlungen zu führen, und der unbegrenzt mehr als die Hälfte der pflegenden Belegschaft aussperrt.

Wenn es sich dann auch noch um eine Klinik handelt, die einen öffentlichen Versorgungsauftrag hat, dann drängen sich auch Fragen auf, denen der Minister als derjenige, der den Versorgungsauftrag ausspricht, nachzugehen hat. Solche Fragen haben wir sowohl im zuständigen Fachausschuss als auch schriftlich an das Ministerium gestellt: Fragen nach Einhaltung der qualitativen Anforderungen nach dem PsychKG, Fragen wie, welche Konsequenzen der Einsatz so viel fremden Personals für die Patientinnen und Patienten hat, und Fragen, ob die Klinik ihren eigenen Anspruch – siehe Homepage – nach Bezugspflege in der Zeit, in der sie mit so viel Fremdpersonal arbeitet, aufgegeben hat.

Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass die Klinik ihren Dokumentationspflichten auch während der Aussperrung in vollem Umfang nachgekommen ist. Es sollte ihr daher leichtfallen, der Aufsichtsbehörde aufzuzeigen, ob sie ohne mehr Fixierung und ohne mehr medikamentösen Einsatz in diesen Wochen ausgekommen ist. Das sind wir nach unserer Ansicht den Patientinnen und Patienten schuldig.

Wenn diese besondere Aufmerksamkeit, die die Klinik dadurch in der Öffentlichkeit erfahren hat, dazu führt, dass es nun endlich zu Tarifverhandlungen

kommt, dann hat sich unser Kümmern gelohnt. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Gebhard. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Kern das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Die SPD kümmert sich in ihrem Antrag Drucksache 14/9763 „Gleiche Arbeit – gleiche Rechte: Gegen Missbrauch von Leiharbeitsverhältnissen und Unterwanderung geltenden Tarifrechts“ nicht nur um die Leih- und Zeitarbeit. Ihr eigentliches Ziel, meine Damen und Herren von der SPD, ist doch nicht die Arbeitnehmerüberlassung oder die Leiharbeit. Das Wohl der Patienten ist hier doch nur zweitrangig. Es ist vielmehr der fühlbare und sichtbare Versuch, in laufende Tarifverhandlungen einzugreifen.

(Beifall von der FDP – Widerspruch von SPD und GRÜNEN)

Zur Situation! Ich zitiere aus der Antwort vom 3. September 2009 des MAGS auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Howe von der SPD.

Seit Anfang 2008 fordern die Mitarbeiter der Klinik einen Haustarifvertrag vom Arbeitgeber. Seit dem 30. April 2009 streiken nun die Mitarbeiter für einen Tarifvertrag, da sie ca. 20 % unterhalb des TVöD entlohnt werden. Hierauf reagierte die Klinikleitung nun mit der Aussperrung des Personals und der auf drei Monate befristeten Einstellung von … Leiharbeitskräften.

So weit die Situation. – Es handelt sich also um eine tarifliche Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern.

Meine Damen und Herren, die Tarifhoheit ist ein sehr hohes Gut, die zur arbeitsrechtlichen Kultur unseres Landes gehört und der wir alle hier im Saal und im Land viel von unserem sozialen Wohlstand der letzten Jahrzehnte verdanken. Deshalb ist es für die Politik auch richtig, sich hier zurückzuhalten.

Das galt auch für die tariflichen Auseinandersetzungen im Streit um die Erzieherinnengehälter im öffentlichen Dienst. Das gilt auch für die Auseinandersetzung im Tarifstreit zwischen der Lippischen Nervenklinik Dr. Spernau und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Streik und Aussperrungen sind dabei legitime Möglichkeiten, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben.

Wie sagte noch der ehemalige Ministerpräsident Wolfgang Clement? – Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: