Protokoll der Sitzung vom 07.10.2009

Ich will auch ankündigen, dass wir durchaus bereit sind, über diesen Antrag im Sportausschuss zu reden und ihn nicht pauschal abzulehnen – obwohl ich genauso wie Herr Kollege Stüttgen glaube, dass er noch zu wenig Substanz enthält. Ich erkenne aber an, dass ein Antrag vorgelegt worden ist, in dem es um Integration geht.

Wir würden das Ganze gerne erweitern – wie gesagt, um die Menschen mit Behinderung, aber auch um diejenigen, die unter einer sozioökonomischen Randständigkeit leiden. Wir wissen sehr genau, dass Menschen mit einem geringen Einkommen oftmals vom Sport ausgeschlossen sind – nicht deshalb, weil Vereine sie nicht aufnehmen würden

oder weil das alles viel zu teuer ist. Wir müssen ihre Integration aber auch durch besondere Projekte antreiben. Dazu ist in Ihrem Antrag nichts zu lesen.

Der LandesSportBund hat die Aufgabe der Förderung von Integration durch Sport vom Deutschen Olympischen Sportbund übernommen. Es hat begonnen mit dem Projekt „Sport für Alle – Sport mit Aussiedlern“, das sich jetzt zum 20. Mal jährt, und ist dann weitergeführt worden. Im Grunde ist dort alles gut untergebracht. Natürlich kann man etwas verbessern. Darauf zielt Ihr Antrag auch. Wenn es darum geht, wie man das wirklich machen muss, bleibt er aber wenig konkret.

Meine Damen und Herren, ich will aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass der Sport kein Allheilmittel ist. Mit diesem Antrag scheint auch ein wenig suggeriert zu werden, der Sport sei für Reparaturmaßnahmen zuständig und solle die besonderen Aufgaben erledigen, denen wir uns alle stellen müssen. Das kann der Sport nicht. Aus der Diskussion im Jugendbereich, was mit den Jugendlichen im Sportbereich los ist, wissen wir alle noch sehr genau, dass die Jugendlichen in den Vereinen teilweise schlimmer saufen als anderswo. Der Sport kann solche Problematiken nicht von alleine und per se lösen. Er löst auch keine Gewaltproblematiken. Manchmal entstehen solche Probleme auch erst in den Ligen.

Deshalb will ich deutlich machen, dass wir dem Sport nicht alle Probleme der Gesellschaft aufbürden können. Ich warne vor einer Überforderung. Es ist aber natürlich richtig, den Weg der Förderung von Integration durch Sport weiterzugehen und das auch massiv zu tun.

Gestatten Sie mir eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen zur Ambivalenz in den ethnischen Vereinen, Herr Müller. Bei Ihrer Rede ist der Eindruck entstanden, dass in diesen Vereinen nur Türken oder nur Kroaten seien. Die ethnischen Vereine sind aber ganz im Gegenteil in der Regel eher ein Sammelbecken verschiedener Ethnien, nur nicht von Deutschen. Dort finden sich alle diejenigen wieder, die in deutschen Sportvereinen – das meine ich nicht so, wie ich es sage; deshalb könnte man es auch in Anführungszeichen setzen – keinen Platz finden oder sich nicht wohlfühlen. Das muss man auch beachten und ein besonderes Angebot machen, über das wir noch einmal nachdenken müssen. So habe ich Ihren Antrag verstanden. Deshalb bin ich gerne bereit, mit Ihnen im Sportausschuss darüber zu diskutieren.

Vielleicht ist das der Punkt, an dem wir wieder einmal einen gemeinsamen Antrag aller vier Fraktionen hinbekommen, wenn er ein bisschen mehr an Substanz gewinnt. Ich erinnere mich an den Schwimmantrag, den wir vor einem Jahr auf der Grundlage eines Antrags der Grünen gestellt haben. Am Ende ist etwas Substanz herausgenommen worden, aber dann waren auch Sie in der La

ge, den Antrag mitzutragen. In der nächsten Sportausschusssitzung werden wir hören, ob dieser Antrag, den alle vier Fraktionen unterschrieben haben, von der Landesregierung entsprechend umgesetzt worden ist und ob es schon Ergebnisse gibt. Das hier könnte ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Zusammenarbeit der Sportfraktionen im Hause werden.

Ich will Ihnen allerdings sagen, was nicht zusammenpasst: Ihr „1.000 mal 1.000“-Projekt, bei dem Sie mit 1 Million € durch die Landschaft gehen und den Sportvereinen 1.000 € anbieten, die sie einwerben können, ist ohne Konzept als reine Wahlgeschenksveranstaltung gestartet worden. Das haben sowohl wir als auch der LandesSportBund kritisiert und gefragt, welches Konzept dahintersteht. Wir haben allein in Nordrhein-Westfalen 20.000 Sportvereine mit 5 Millionen Mitgliedern. Was soll dann „1.000 mal 1.000“? Natürlich freut sich jeder Sportverein über 1.000 € – jeder freut sich über 1.000 €. Aber dahinter war kein Konzept.

Dann haben Sie noch erfunden, dass es irgendetwas mit Gesundheit und Integration zu tun haben solle. Das taucht hier wieder auf. Wir finden es gut, dass Sie zumindest eine vage Vision von einer Konzeption entwickelt haben, trotzdem ist es noch keine Konzeption. Deshalb sage ich: Selbst wenn für dieses gut gemeinte Programm eine Konzeption hinterlegt wäre, würde es nicht mit dem zusammenpassen, was Sie ansonsten im Sport machen. Der Sport mit seinen 20.000 Vereinen und 5 Millionen Mitgliedern ist wie die Feuerwehr auf das Wasser auf hauptamtliche Strukturen der Sportverbände und des LSB angewiesen. Diese hauptamtlichen Strukturen trocknen Sie sukzessive aus.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller?

Sehr gerne. Das verlängert meine Redezeit.

Nein, das tut es nicht. – Bitte schön, Herr Müller.

Herr Kollege Groth, ist Ihnen bekannt, dass der LandesSportBund nach anfänglicher Zurückhaltung das „1.000 mal 1.000“Programm mittlerweile in mehreren Presseerklärungen ausdrücklich gelobt hat?

Vielen Dank, Herr Müller, für diese Zwischenfrage. Ich will das nicht so einfach beantworten, sonst geht die Uhr weiter, sondern ich will etwas weiter ausholen, warum mir das einerseits zwar bekannt ist, es aber andererseits völlig normal ist. Was sollen die denn machen? Auf

der Haushaltsseite drehen Sie ihnen den Hahn ab und trocknen sie aus, und dann winken Sie hinten herum mit 1 Million €, die Sie auf anderen Wegen verstreuen, damit Sie sich im Wahlkampf profilieren können.

Natürlich muss der LSB angesichts der Sportvereine, die alle gerne die 1.000 € hätten, sagen: Das ist ein gutes Projekt. Aber er fände es noch besser, wenn die Vereine auch das Geld, das Sie ihnen gestrichen haben, nämlich die 1,6 Millionen € plus die 500.000 €, also die 2,1 Millionen €, die sie im nächsten Jahr weniger im Haushalt haben, bekämen. Sie müssen eine neue Konzeption für die ausfallenden Wetteinnahmen finden, weil der hauptamtliche Sport zur Unterstützung der ehrenamtlichen Strukturen darauf angewiesen ist, um verlässlich planen zu können. Sie können nicht immer sagen: Damit haben wir nichts zu tun. – Das ist unsere Aufgabe. Wenn der Sport die Selbstorganisation nicht macht, müsste es das Land über seine Schulen oder Einrichtungen selbst tun. Das ist unsere gesellschaftspolitische Verantwortung. Deshalb müssen wir den LandesSportBund auskömmlich auf einem vernünftigen Plateau fördern.

Meine Damen und Herren, wenn wir die Konkretisierung hinbekämen – ich wäre sehr froh darüber –, dann würden wir anbieten, einen solchen gemeinsamen Antrag mitzutragen und zu loben. Ich lobe jedenfalls den ersten Versuch eines Aufschlags. Das kann nicht das Ende sein.

Ich würde auch konkret wissen wollen, wie Sie das dann machen. Sie schreiben: „Der Landtag beschließt: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Umsetzung kommunaler Integrationsprojekte im Sport zu fördern.“ – Ja, bitte schön. Dann braucht es aber auch ein bisschen Geld. Wie wollen wir das konkret machen? Das muss mindestens mit Geld geschehen, wenn nicht tatsächlich eine beschriebene Konzeption dahinterstehen soll, die der Landesregierung vorgibt, wie sie es machen soll. Ansonsten ist das deklamatorisch, es wird nichts dabei herauskommen. Dann sitzen wir in einem Jahr wieder zusammen und werden sehen, dass sich nichts getan hat.

Das Angebot gilt: Wir machen mit. Aber dann muss Butter bei die Fische. – Vielen Dank, Herr Müller.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Groth. – Für die Landesregierung spricht der Sportminister des Landes, Herr Dr. Wolf.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße den Antrag der Koalitionsfraktionen, der zu Recht einen wichtigen Baustein aus einer Gesamtstrategie anspricht, wie wir die Integration in unserem Land verbessern können. Es ist völlig klar, dass, wenn

man einen Aspekt herausgreift, jemand tausend Gründe finden kann, warum man dieses oder jenes noch hinzufügen könnte.

Wichtig ist doch, dass gerade der Sport als ein wichtiger Faktor nicht als alleiniges Allheilmittel gesehen wird, um dem tatsächlichen demografischen Problem, das wir in unserer Gesellschaft haben, Rechnung zu tragen. 23,1 % der Menschen haben einen Migrationshintergrund, nach der Prognose ist es in zehn bis 15 Jahren jeder dritte Jugendliche. Das ist Chance und Herausforderung zugleich.

Natürlich muss an dieser Stelle mit dem LandesSportBund gemeinsam eine Lösung gesucht werden. Herr Müller und Herr Rasche haben zu Recht dargestellt, dass das Projekt nicht allein aus diesem Raum gelöst werden kann, übrigens auch nicht nur mit Geld. Wir haben das eine oder andere angeleiert. Es geht darum, dass eine Kultur für eine bessere Integration entsteht. Es gab Randdiskussionen über die Sportstättenausstattung, die im Bundesvergleich in NRW immer noch vorbildlich ist. Wir haben vom Sanierungsstau gehört, der sicherlich nicht erst in 2005 begonnen hat, sondern über lange Jahrzehnte aufgebaut worden ist und jetzt mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket zu einem nicht unerheblichen Teil behoben werden soll.

(Beifall von Walter Kern [CDU])

Das kann man dem einen oder anderen aus der Opposition noch zurufen. Wir haben den Unterrichtsausfall halbiert, also auch an der Stelle Dinge getan, die vorher versäumt worden sind.

Das ist auf einem guten Weg, aber nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte. Gerade solche Jubiläumsdaten, von denen Sie auch gesprochen haben – 8. November 2009 –, machen uns deutlich, dass wir nach 20 Jahren Integration durch Sport sicherlich einen neuen Schub gebrauchen können. Nichtsdestotrotz ist der „Aktionsplan Integration“ in den letzten Jahren angelaufen. Wir haben unser Augenmerk zum Beispiel auf Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund gerichtet. Es gibt immer noch das Problem, dass religiöse Gründe sportliche Aktivitäten verhindern.

Im Februar 2009 war die Veranstaltung „Dabei sein ist alles!“ mit Integrationsbeauftragten, LSB NRW und Migrantenselbstorganisationen ein großer Erfolg. Wir haben die ersten 20 Schwimmhelferinnen und Schwimmhelfer mit Migrationshintergrund ausgebildet und zertifiziert, damit sie gerade in der schwierigen Klientel ausbilden können, die sich sonst möglicherweise dem Schwimmsport entzieht. Aktuell gibt es einen Leitfaden für Qualifizierungslehrgänge. Es gibt viele Projekte bis hin zum Thema „Mädchen mittendrin“, bei dem der Mädchenfußball eine Hauptrolle spielt und Mädchen mit Zuwanderungsgeschichte die Akteure sind. Fußballassistentinnen mit entsprechendem Migrationshintergrund organisieren Turniere.

Es gibt also an vielen Stellen Bewegung, die wir noch weiter verstärken wollen. Das sehe ich als Anliegen der Koalitionsfraktionen. Die MercatorStiftung und das MGFFI unterstützen die Sportjugend NRW. Es ist einiges im Gange. Die Tatsache, dass das Programm „1000 mal 1000“ gut angelaufen ist, ist möglicherweise für die Kritiker kein schönes Ergebnis, für uns aber schon.

Es ist völlig falsch, dass angenommen und behauptet wird, dass das Geld mit der Gießkanne ausgeschüttet wird. Wir haben nur ein anderes System. Wir sagen nicht: „Ihr müsst das so und so machen“, sondern wir erwarten gute Ideen aus den Vereinen. Jeder, der an anderer Stelle die Selbstständigkeit und die Selbstorganisation des Sports reklamiert, muss doch auch hier vernünftigerweise darauf kommen, dass in den Vereinen Ideen kreiert werden, die auch voneinander abgekupfert werden können.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Wir wollen Wettbewerb und Best Practice. Das ist der Punkt, und keiner kriegt das Geld einfach nur so, sondern er muss für Gesundheit und Integration eine gute Idee aufweisen und sie selbst konzipiert vorlegen. Das ist der Weg, den wir gehen und den der LandesSportBund aus meiner Sicht zu Recht lobt.

Ganz klar, mit Blick auf die zunehmenden Probleme, gerade, was die verstärkten Anteile der Migranten an der Bevölkerung anbetrifft, braucht es noch entsprechende Anstrengungen. Beispielsweise sind die kommunalen Integrationskonzepte in Köln bereits angelaufen. Dabei geht nicht in erster Linie darum, Geld zu verteilen, sondern darum, das Bewusstsein zu wecken, Netzwerke zu schaffen und für diejenigen, die sonst nicht in die Vereine strömten, eine größere Attraktivität zu bewirken und die Zielgruppen anzusprechen – alle, Männer, Frauen, Kinder –, die aufgrund ihres Vorlebens nicht diese Nähe zum Sportverein haben und dem Sport nicht wie selbstverständlich nahe sind.

Es braucht aber auch Vorbilder. Es ist immer wieder schön zu sehen, wenn in Nationalmannschaften Beispiele wie Özil, Khedira, Tasci und Podolski zeigen, dass gerade diejenigen, die zu uns gekommen sind oder hier geboren sind, aber Eltern haben, die nicht von hier sind, sich ganz selbstverständlich in den Sport integriert haben und Ansporn für diejenigen sein können, die sich jetzt möglicherweise noch ein bisschen zurückhalten.

Von daher hoffe ich auf weitere gute Beratungen dieses begrüßenswerten Antrags. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Bischoff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem ich die Debatte aufmerksam verfolgt habe, habe ich folgende Eindrücke. Herr Müller ist für seine Verhältnisse ausgesprochen bescheiden aufgetreten, gibt sogar zu, nicht alles bezüglich der Integration neu erfunden zu haben. Die Worte von Herrn Rasche habe ich als Pflichtbeitrag empfunden. Sie haben überlegt: Was kann man dazu sagen? Herr Müller hat auch schon vieles vorweggenommen. Aber bei Herrn Wolf hatte man wieder das Gefühl, der Integrationsgedanke ist ganz neu entstanden; all das hat es vorher nicht gegeben, und der Minister hat es neu erfunden.

(Britta Altenkamp [SPD]: Für Herrn Wolf ist das so!)

Ein klein wenig ist das auch in Ihrem Antrag so. Ich will das einmal so formulieren: Ich habe in der letzten Legislaturperiode zusammen mit Frau Altenkamp im Migrationsausschuss mitgearbeitet. Dort habe ich gelernt, dass es fehlerhaft ist und vor allen Dingen in der Generation vor uns fehlerhaft war, wenn man die Probleme wegdeutet und alles nur positiv sieht. Das macht Ihr Antrag. Ich will gleich mit zwei, drei Beispielen darauf eingehen, was mir in Ihrem Antrag fehlt.

Natürlich ist es erst einmal richtig und wichtig – das will ich wie alle Vorredner am Anfang betonen –, dass der Charakter des Sports eine riesige gesellschaftliche Chance zur Integration bietet, wenn sie genutzt wird. Das beschreiben Sie auch, und das ist auch richtig so. Darin sind sich alle Fraktionen einig. Die Chance besteht.

Aber es gibt auch Defizite, an denen wir arbeiten müssen. Der Innenminister ist der Zuständige, sie aufzuarbeiten. Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen:

Wir haben in den letzten zwei oder drei Jahren ein Riesenproblem bei unteren Amateurvereinen, insbesondere Fußballclubs. Wenn ich montags die Zeitung aufschlage und den Lokalsport lese, gibt es nicht mehr die Rubrik „Spiel abgesagt – Schiedsrichter nicht gekommen“ – das war früher bei der Kreisliga so –, sondern es heißt: „Spiel abgebrochen – Schiedsrichter verletzt“. Das ist die Rubrik, die ganz häufig vorkommt, fast jeden Montag.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Herr Rasche, glauben Sie mir das: Es gibt jeden Montag in der …

(Christof Rasche [FDP]: Völlig übertrieben!)

Nein, das ist nicht übertrieben. Ich habe einen Kongress mit initiiert, auf dem wir mit dem Fußballverband darüber gesprochen haben. Die Tendenz ist deutlich steigend.

Die Situation lädt sich wie folgt auf: Es spielen verschiedene Ethnien. Das ist meistens, aber nicht im